Das gängige Bild vom Schwerenöter Goethe beruht nicht zuletzt darauf, daß man hinter jedem Liebesgedicht eine wirkliche Liebesbeziehung vermutete. Doch die Produktivität der dichterischen Phantasie muß ja nicht allein von der Wucht einer Leidenschaft beflügelt werden. Oft genug mag es ein spontaner Gedanke, ein kleiner Flirt sein, der zu einem Liebesgedicht wird. Goethes Leben spiegelt und seine Gedichte gestalten die Probleme des modernen Individuums: Entlassen aus der sicheren ständischen Ordnung, muß es sich selbst zu bestimmen suchen, mit aller Freiheit und allem Risiko. Auch die Beziehung zwischen den Geschlechtern ist nun nichts Vorgeprägtes mehr, sondern muß von Fall zu Fall, in jeder Liebesbeziehung neu bestimmt werden. Das gibt der Liebe neue Dimensionen. In den Liebesgedichten Goethes werden sie sichtbar.
Liebesgedichte
Ausgewählt von Karl Eibl
Insel Verlag
eBook Insel Verlag Berlin 2013
Der vorliegende Text folgt der 6. Auflage der Ausgabe des insel taschenbuchs 2825.
© Insel Verlag Frankfurt am Main und Leipzig 1995
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Umschlag: Michael Hagemann
eISBN 978-3-458-73567-0
www.insel-verlag.de
Inhalt
Mit einem gemalten Band
Willkommen und Abschied
Maifest
Neue Liebe neues Leben
Im Herbst 1775
Jägers Abendlied
Rastlose Liebe
Warum gabst du uns die tiefen Blicke
Liebebedürfnis
Der Fischer
Nachtgedanken
Aus: Claudine von Villa Bella:
Cupido, loser eigensinniger Knabe!
Aus: Erotica Romana. Römische Elegien:
I. Saget, Steine mir an
II. Mehr als ich ahndete schön
III. Gräme Geliebte dich nicht
IV. Fraget nun wen ihr auch wollt
V. Fromm sind wir Liebende
VI. Froh empfind’ ich mich nun
Der Besuch
Morgenklagen
Nähe des Geliebten
Der Gott und die Bajadere. Indische Legende
Amyntas. Elegie
Schäfers Klagelied
Trost in Tränen
Mächtiges Überraschen
Freundliches Begegnen
Die Liebende schreibt
Die Liebende abermals
Sie kann nicht enden
Mädchen
Das Tagebuch
Gegenwart
Aus: West-östlicher Divan, Buch Suleika:
Daß Suleika von Jussuf entzückt war
Da du nun Suleika heißest
Hatem: Nicht Gelegenheit macht Diebe
Suleika: Hochbeglückt in deiner Liebe
Suleika: Als ich auf dem Euphrat schiffte
Hatem: Dies zu deuten bin erbötig!
Kenne wohl der Männer Blicke
Gingo Biloba
Suleika: Sag du hast wohl viel gedichtet
Suleika: Die Sonne kommt
Suleika: Volk und Knecht und Überwinder
Hatem: Locken! haltet mich gefangen
Wenn ich dein gedenke
Suleika: Was bedeutet die Bewegung?
Hochbild
Suleika: Ach! um deine feuchten Schwingen
Wiederfinden
Vollmondnacht
In tausend Formen magst du dich verstecken
An Werther
Elegie
Aussöhnung
Um Mitternacht
Der Bräutigam
Nachwort
Verzeichnis der Gedichtüberschriften und -anfänge
Kleine Blumen, kleine Blätter
Streuen mir mit leichter Hand
Gute junge Frühlings Götter
Tandlend auf ein luftig Band
Zephir nimms auf deine Flügel
Schlings um meiner Liebsten Kleid
Und dann tritt sie für den Spiegel
Mit zufriedener Munterkeit
Sieht mit Rosen sich umgeben
Sie wie eine Rose jung
– einen Kuß geliebtes Leben
Und ich bin gelohnt genug,
Schicksal segne diese Triebe
Laß mich ihr und laß Sie mein
Laß das Leben unsrer Liebe
Doch kein Rosen Leben sein
Mädgen das wie ich empfindet
Reich mir deine Liebe Hand
Und das Band das uns verbindet
Sei kein schwaches Rosen Band.
Mir schlug das Herz; geschwind zu Pferde,
Und fort, wild, wie ein Held zur Schlacht!
Der Abend wiegte schon die Erde,
Und an den Bergen hing die Nacht;
Schon stund im Nebelkleid die Eiche,
Ein aufgetürmter Riese, da,
Wo Finsternis aus dem Gesträuche
Mit hundert schwarzen Augen sah.
Der Mond von seinem Wolkenhügel,
Schien kläglich aus dem Duft hervor;
Die Winde schwangen leise Flügel,
Umsausten schauerlich mein Ohr;
Die Nacht schuf tausend Ungeheuer –
Doch tausendfacher war mein Mut;
Mein Geist war ein verzehrend Feuer,
Mein ganzes Herz zerfloß in Glut.
Ich sah dich, und die milde Freude
Floß aus dem süßen Blick auf mich.
Ganz war mein Herz an deiner Seite,
Und jeder Atemzug für dich.
Ein rosenfarbes Frühlings Wetter
Lag auf dem lieblichen Gesicht,
Und Zärtlichkeit für mich, ihr Götter!
Und hofft’ es, ich verdient’ es nicht.
Der Abschied, wie bedrängt, wie trübe!
Aus deinen Blicken sprach dein Herz.
In deinen Küssen, welche Liebe,
O welche Wonne, welcher Schmerz!
Du gingst, ich stund, und sah zur Erden,
Und sah dir nach mit nassem Blick;
Und doch, welch Glück! geliebt zu werden,
Und lieben, Götter, welch ein Glück.
Wie herrlich leuchtet
Mir die Natur!
Wie glänzt die Sonne!
Wie lacht die Flur!
Es dringen Blüten
Aus jedem Zweig,
Und tausend Stimmen
Aus dem Gesträuch,
Und Freud und Wonne
Aus jeder Brust.
O Erd o Sonne
O Glück o Lust!
O Lieb’ o Liebe,
So golden schön,
Wie Morgenwolken
Auf jenen Höhn;
Du segnest herrlich
Das frische Feld,
Im Blütendampfe
Die volle Welt.
O Mädchen Mädchen,
Wie lieb’ ich dich!
Wie blinkt dein Auge!
Wie liebst du mich!
So liebt die Lerche
Gesang und Luft,
Und Morgenblumen
Den Himmels Duft,
Wie ich dich liebe
Mit warmen Blut,
Die du mir Jugend
Und Freud und Mut
Zu neuen Liedern,
Und Tänzen gibst!
Sei ewig glücklich
Wie du mich liebst!
Herz mein Herz was soll das geben?
Was bedränget dich so sehr?
Welch ein fremdes neues Leben!
Ich erkenne dich nicht mehr!
Weg ist alles was du liebtest,
Weg worum du dich betrübtest,
Weg dein Fleiß und deine Ruh,
Ach wie kamst du nur dazu.
Fesselt dich die Jugendblüte?
Diese liebliche Gestalt,
Dieser Blick voll Treu und Güte,
Mit unendlicher Gewalt?
Will ich rasch mich ihr entziehen
Mich ermannen ihr entfliehen;
Führet mich im Augenblick
Ach mein Weg zu ihr zurück.
Und an diesem Zauberfädgen
Das sich nicht zerreißen läßt
Hält das liebe lose Mädgen
Mich so wider willen fest.
Muß in ihrem Zauberkreise
Leben nun auf ihre Weise.
Die Verändrung ach wie groß!
Liebe liebe laß mich los.
Fetter grüne du Laub
Das Rebengeländer
Hier mein Fenster herauf
Gedrängter quillet
Zwillingsbeeren, und reifet
Schneller und glänzend voller
Euch brütet der Mutter Sonne
Scheideblick, euch umsäuselt
Des holden Himmels
Fruchtende Fülle.
Euch kühlet des Monds
Freundlicher Zauberhauch
Und euch betauen, Ach!
Aus diesen Augen
Der ewig belebenden Liebe
Vollschwellende Tränen.
Im Felde schleich’ ich still und wild,
Gespannt mein Feuerrohr,
Da schwebt so licht dein liebes Bild,
Dein süßes Bild mir vor.
Du wandelst jetzt wohl still und mild
Durch’s Feld und liebe Tal,
Und ach mein schnell verrauschend Bild,
Stellt sich dir’s nicht einmal?
Des Menschen, der die Welt durchstreift
Voll Unmut und Verdruß,