Das Buch

Die Schüler aus Frau Freitags letzter Klasse sind schon pubertär und geschminkt in die Welt gekommen und versuchen sich jetzt am Berufsleben. Aber es gibt ja neue Siebtklässler und neue ­pädagogische Herausforderungen: »Ich hab mich immer gemeldet. Herr Brühl nimmt mich nie ran.« – »Frau Freitag, Sie müssen doch eine Rose zeichnen können. Sie sind doch eine.« – »Die Jungs sind soo ekelig. Die sagen mir immer so Ausdrücke.«

Bei so viel Harmonie im Klassenzimmer bleibt nur noch die ­außerschulische Zeit. Hat denn der Lehrer überhaupt ein Privat­leben? Eine Königin ist doch auch immer Königin. Aber tatsächlich, auch Lehrer müssen einkaufen, zum Zahnarzt und defekte Leitungen in ihrer Wohnung repariert bekommen. Nur wann, bitte? Übelst viel Neues von Bestsellerautorin Frau Freitag.

Die Autorin

Frau Freitag, geboren 1968, unterrichtet Englisch und Kunst an einer Gesamtschule. Ihre Bücher sind erfolgreicher als ihre pädagogischen Offensiven. Trotzdem geht sie immer noch gerne in die Schule.

Von Frau Freitag sind in unserem Hause bereits erschienen:

Chill mal, Frau Freitag
Voll streng, Frau Freitag

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Originalausgabe im Ullstein Taschenbuch


ISBN 978-3-8437-0661-2


© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2013

Umschlaggestaltung und Titelabbildung: © semper smile, München


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eBook: LVD GmbH, Berlin

Der Lehrer

Was sind Lehrer eigentlich für Menschen? Sind Lehrer überhaupt Menschen? Jeder kennt Lehrer. Viele sind Lehrer. Aber wer nicht Lehrer ist, der sieht oder sah den Lehrer ja nur handeln. Wie sieht es IM Lehrer aus? Dieses Mysterium möchte ich hier aufklären.

Lehrer haben eine moralische Verpflichtung ihren Schülern und der Gesellschaft gegenüber. Nicht nur im Unterricht, sondern auch davor, danach und dazwischen. Eigentlich immer. Lehrer sind Vorbilder. Lehrer sind moralisch höherwertige Menschen.

Der Lehrer lügt nicht. Ist immer pünktlich, beleidigt niemanden, stiehlt nicht und hält sich selbstverständlich an alle Regeln und Gesetze, die es gibt. Das tun viele Leute, könnte man jetzt meinen, aber der Lehrer hält sich auch an die Gesetze, die es eigentlich nicht gibt: Der Lehrer schläft bei offenem Fenster. Der Lehrer zieht Obst dem Fleisch vor. Der Lehrer kauft Bio und Fair Trade; auch wenn es viel teurer und gar kein Bio oder Fair Trade ist. Der Lehrer fährt kein Auto, weil das die Umwelt ­belastet. Wenn er Auto fährt, dann nicht Mercedes oder BMW, sondern Volvo. Er tankt auch Bio, E10 lieber nicht. Er tankt mit schlechtem Gewissen – wegen der Umwelt.

Der Lehrer ist für multikulti und wohnt gerne in Bezirken mit hoher kultureller Vielfalt, aber nur so lange, bis die eigenen Kinder eingeschult werden. Der Lehrer würde gerne auf dem Land wohnen, aber irgendwie auch nicht. Der Lehrer kauft sich keine überteuerte Eigentumswohnung in einem Arbeiterbezirk und vertreibt deshalb niemanden aus billigem Wohnraum. Der Lehrer beteiligt sich überhaupt nicht an Gentrifizierungsversuchen.

Der Lehrer ist für Frühförderung – bei den eigenen Kindern. Der Lehrer hat Ökostrom und trennt seinen Müll. Selbstverständlich trennt er seinen Müll. Der Lehrer denkt: Jeder trennt seinen Müll. Der Lehrer ist gegen Verpackungen. Falls die Milchkanne wieder eingeführt werden würde, der Lehrer wäre sofort dabei. Der Lehrer ist bei der Post, nicht bei der Deutschen Bank. Der Lehrer hat keine Aktien – und wenn, dann nur grüne. Der Lehrer fährt Fahrrad. Mit Helm. Der Lehrer gibt sein Rad jährlich zur Inspektion. Der Lehrer benutzt die Plastikflaschen mehrfach. Bevor er neues Wasser – Leitungswasser, was sonst? – einfüllt, spült er die Flasche kurz aus, wegen der Hygiene. Der Lehrer benutzt keinen Weichspüler. Der Lehrer hat einen Aufkleber am Briefkasten: Keine Werbung.

Der Lehrer findet die Piraten irgendwie gut, ist aber auch skeptisch. Ihm ist die Naivität der Neulinge ganz sympathisch, trotzdem möchte er, dass die jetzt mal in die Puschen kommen.

Der Lehrer ist für Palästina, aber irgendwie auch für Israel, wegen der Juden und so. Eigentlich ist er für beide. Der Lehrer kauft Obdachlosenmagazine, aber nur, wenn die Verkäufer nicht zu sehr stinken. Wenn der Lehrer nach Hause kommt, wäscht er sich immer zuerst die Hände.

Der Lehrer ist gegen den Markenwahn der Schüler, kauft sich allerdings auch nur Markenware – aber andere Marken. Der Lehrer hat kein Smartphone, braucht er nicht. Der Lehrer ­behält seinen Röhrenfernseher, bis er kaputtgeht. Eigentlich schaut der Lehrer nicht fern. Und wenn, dann nur 3sat, Arte und manchmal ARD.

Der Lehrer nimmt lieber die Treppe, auch wenn es einen Fahrstuhl gibt. Der Lehrer hat immer eine Meinung. Seine Meinung ist immer die richtige. Streit löst er gewaltfrei. Der Lehrer liebt Ich-Botschaften und Therapien. Der Lehrer atmet in den Bauchraum – immer. Der Lehrer nimmt Magnesium und Kieselsäure. Der Lehrer macht Yoga. Der Lehrer liest Tageszeitungen. Der Lehrer trinkt GUTEN Wein und liest GUTE Bücher. Der Lehrer geht in Off-Kinos, damit die nicht aussterben.

Der Wa(h)l- und Robbenfang ist ihm ein Dorn im Auge, genauso wie der Autobahnausbau oder Stuttgart 21. Stuttgart ist ihm aber auch ein Dorn im Auge, weil seine Eltern dort wohnen. Der Lehrer guckt mit schlechtem Gewissen Fußball, aber er liebt die spanische Spielweise. Der Lehrer hat keine Freunde, die Kevin heißen. Wenn der Lehrer aufs Klo geht, dann riecht es nach Rosen.

Der Lehrer ist einfach der bessere Mensch. Gut, dass man ihn unsere Kinder unterrichten lässt.