Andreas Janek studierte an der TU Dresden Mittelalterliche Geschichte (Mediävistik), Politikwissenschaft und Kunstgeschichte. Derzeit lebt und arbeitet er in Quedlinburg und Dresden. Seine Forschungsgebiete sind das Hoch- und Spätmittelalter - vornehmlich in England, Schottland, Frankreich, Polen und Litauen - sowie Untersuchungen zu politischen Systemen. Die Heraldik und Vexillologie sind für ihn neben dem wissenschaftlichen Interesse auch in gestalterischer und künstlerischer Hinsicht ein praktisches Betätigungsfeld.
Um Wappen und die damit verbundenen Fragestellungen und Probleme gänzlich zu verstehen, bedarf es heraldischen und oft auch historischen Hintergrundwissens. Ich gehe darauf in meinem Buch "Wunderbare Wappenwelt. Deutschland und Sachsen-Anhalt", einer Abhandlung über die Wappen der Stadt- und Kreiswappen in Sachsen-Anhalt, dezidiert darauf ein und erkläre dort wichtige heraldische Begriffe und Zusammenhänge. In diesem Büchlein muß ich hingegen aus Platzgründen auf eine solche ausführliche Erörterung verzichten. Daher seien an dieser Stelle die wichtigsten Besonderheiten der Heraldik in komprimierter Form genannt.
Für die in Wappen gezeigten Bilder wird ein minimales Farbspektrum verwendet, welches aus drei Untergruppen besteht. Sie werden alle als Tinkturen bezeichnet. Es sind: 1. Farben (Schwarz, Blau, Rot, Grün, Purpur), 2. Metalle (Gold, Silber), die auch als Gelb und Weiß dargestellt werden können, 3. Felle (Hermelin, Feh u.a.). Im Wappen dürfen hinsichtlich der ersten beiden Gruppen stets nur Farbe an Metall grenzen (zum Beispiel ein schwarzer Adler (Farbe) auf goldenem Grund (Metall). Unzulässig ist somit zum Beispiel ein schwarzer Adler (Farbe) auf rotem Grund (Farbe) oder ein silberner Löwe (Metall) auf goldenem Grund (Metall). Felle bilden hier eine Ausnahme, denn sie dürfen an alle drei anderen (Farbe, Metall, Fell) grenzen. Die Tinkturen sind nicht spezifiziert, soll heißen: es gibt keinen Unterschied zwischen Hellblau und Dunkelblau oder zwischen Zinnoberrot und Karmesinrot. Farbabstufungen sind daher unzulässig. Es gilt stets die Vollfarbe. Damit verbunden sollen alle Wappenfiguren zweidimensional, also ohne Perspektive dargestellt sein. Bei den Wappenbildern wird zwischen einem Heroldsstück, einem Heroldsbild und einer Gemeinen Figur unterschieden. Heroldsstücke und Heroldsbilder werden durch unterschiedliche Linien auf dem Schild erzeugt, die Schnitte genannt werden (zum Beispiel die schwarz-silberne Teilung in Abb. 114). Zu den Gemeinen Figuren gehören alle gegenständlichen Dinge wie Tiere, Pflanzen, Gebäude und vieles mehr. Diese Gemeinen Figuren sollen stets abstrahiert dargestellt sein. Für die meisten gibt es festgelegte, von der jeweiligen natürlichen Darstellung unabhängige Erkennungsmerkmale, die sie zwingend aufweisen müssen. So ist ein Windhund (Abb. 55) unter anderem am schlanken Körper und seinem schmalen Ringelschwanz erkennbar. Alles innerhalb des Wappenschildes dargestellte gehört zum eigentlichen Wappen. Bei Vollwappen und Prunkwappen wird der Wappenschild durch bestimmte Beigaben wie Helm, Helmzier, Helmdecken, Kronen, Schildhaltern, Wappenmantel, Wahlsprüchen und anderem ergänzt. Diese Prunkstücke gehören jedoch ausdrücklich nicht zum eigentlichen Wappen. Die Form des Wappenschildes gehört ebenfalls nicht zum eigentlich Wappen. Somit sind zum Beispiel ein Rundschild und ein Spitzschild mit demselben Wappenbild miteinander identisch. Der Wappenschild selbst sollte stets gut ausgefüllt werden, so daß Wappenfiguren bis zum Rand reichen und Freiflächen vermieden werden (Horror Vacui). Frühe Wappenbilder wie der Adler oder Löwe orientieren sich von Anfang an in ihrer Form an den Gegebenheiten der Bildfläche durch den jeweiligen Schild. Für die Darstellung der Wappenbilder gibt es jeweils Regelfälle und Ausnahmen, was vor allem hinsichtlich der Blasonierungen wichtig ist. Als Blasonierung wird die mit vielen Fachbegriffen ausgestattete präzise Beschreibung des Wappenbildes in Worten bezeichnet. Sie ist das eigentliche Wappen, während das gezeichnete Bild auf dem Wappenschild lediglich deren Umsetzung darstellt. Ein Wappen muß nach der Blasonierung gezeichnet werden können, ohne daß der Wappenzeichner das Wappen gesehen hat. Die jeweiligen Regelfälle werden in der Blasonierung nie genannt, weil sie als gegeben vorausgesetzt werden. Zu diesen Regelfällen gehört, daß im Wappen die Seiten rechts und links vertauscht sind. Heraldisch rechts ist also für den Betrachter eigentlich links und umgekehrt. Ein weiterer Regelfall ist, daß Wappenbilder immer nach heraldisch rechts ausgerichtet sind. So ist zum Beispiel ein nach heraldisch rechts blickender Adler (Abb. 75) ebenso der Regelfall wie eine schräge Teilung des Wappenschildes von heraldisch rechts oben nach heraldisch links unten. Blickt dagegen ein Adler nach links (Abb. 93) oder verläuft die schräge Teilung von heraldisch links oben nach heraldisch rechts unten, muß dies in der Blasonierung gemeldet, also beschrieben werden. Es handelt sich dann um einen linksgewendeten oder linksblickenden Adler beziehungsweise um einen schräglinken Balken. In den Darstellungen von Wappen selbst sollte immer Klarheit angestrebt werden, so daß das Wappen vergleichsweise einfach nachzumalen und sein Inhalt auf den ersten Blick erkennbar ist. Das Wappen selbst kann in mehrere Felder aufgeteilt werden, für deren Beschreibung (Blasonierung) eine vorgeschriebene Reihenfolge einzuhalten ist.
Das Stadtwappen der Welterbestadt Quedlinburg besteht genaugenommen aus zwei Wappen, die ursprünglich keine Symbole der Stadt Quedlinburg gewesen sind. Die Grundlage hierfür bietet der deutsche Adler, welcher im Mittelalter häufig als Schutzsymbol des Kaisers und Königs über freie Reichsstädte seine Verwendung fand. Oft blieb er bis heute als solcher unverändert in etlichen Wappen ehemaliger Reichsstädte erhalten, wie zum Beispiel in den Stadtwappen von Aachen, Arnstadt, Bad Gottleuba (heute Teil von Bad-Gottleuba-Berggießhübel, Dortmund, Essen, Goslar, Harburg (Schwaben), Heidelsheim, Lübben (Spreewald), Oberwesel, Oppenheim, Pfullendorf, Sinsheim, Waibstadt, Westhofen (heute Stadtteil von Schwerte) oder Zell am Harmersbach. Quedlinburg ist hingegen nie eine Reichsstadt gewesen, auch wenn der Rat wahrscheinlich diesen Sonderstatus lange Zeit anstrebte. Der Adler zeugt hier allenfalls vom Anspruch und nicht von den damaligen realen Machtverhältnissen. Da dieser Anspruch der Stadt Quedlinburg der Grund für den Einzug des deutschen Adlers in das Stadtwappen ist, möchte ich den Blick am Anfang dieses Buches auf die Herkunft und Entstehungsgeschichte des deutschen Adlers richten, welcher bis heute den wesentlichen Teil des Quedlinburger Stadtwappens bildet. Hierbei sei auch ein kurzer Blick auf stilistische Entwicklungen und Trends geworfen, welche bis in die heutige Zeit wirken.
Bei dem auf den Adler gelegten Brustschild handelt es sich um das alte Stiftswappen von Quedlinburg, welches erst in direktem Zusammenhang mit der Annahme des Stadtwappens durch das spätere ersetzt worden ist. Auch dieses neue Stiftswappen mit seinem ungewöhnlichen, aus zwei Kredenzmessern bestehenden Wappenbild wird im folgenden ausführlich behandelt. Alle drei Wappenbilder stehen in unmittelbarer Verbindung mit der langen, durch das ehemalige kaiserliche Reichsstift beziehungsweise das freie und weltliche Stift Quedlinburg geprägten Stadtgeschichte.
Der dem Adler aufgelegte Brustschild des Stifts, dessen Wappenbild heute oft als das eigentliche Stadtwappen fehlgedeutet wird, zeugt direkt von der endgültigen Unterwerfung der Stadt durch die Äbtissin im Jahre 1477. Ähnliche Wappen, die eine "verhinderte Selbstbestimmung der Städte" anzeigen, sind im deutschsprachigen Raum häufig anzutreffen. Nicht selten zeigen sie wie das Quedlinburger Stadtwappen den Reichsadler in modifizierter Form. In den meisten Fällen ist dies ein aufgelegter Brustschild wie zum Beispiel in den Wappen der Städte Boppard, Gelnhausen, Pfeddersheim, Schongau oder Waltrop.
Die vorliegende Arbeit zu den Wappen von Quedlinburg ist zu großen Teilen meiner umfassenderen Dokumentation zu allen gegenwärtigen und historischen Wappen der Landkreise und kreisfreien Städte in Sachsen-Anhalt entnommen und wurde den Ansprüchen dieses Buches entsprechend sowohl textlich als auch hinsichtlich des Bildmaterials modifiziert.
Wie jede andere Kunstform - und hier vornehmlich die der Bildenden Kunst, zu der die Heraldik gezählt wird - orientieren sich Abbildungen von Wappen mehr oder weniger jeweils am Stil der Epoche, in der sie dargestellt werden, sowie an deren Zeitgeist. Jede Zeit entwickelt demnach ihren eigenen Heraldischen Stil, welcher sich in der Art der Ausführung und Darstellung der Wappen widerspiegelt. Ist dieser in der frühen Heraldik noch weitgehend einheitlich, bilden sich später regionale Besonderheiten heraus, welche auch heute oft noch die Heraldik und den Heraldischen Stil in den verschiedenen Regionen prägen.
Die frühen Wappendarstellungen sind meist sehr formenreduziert, aber auch recht ornamental in ihrer Gestalt. Dies ändert sich im 13. Jahrhundert mit der Hochzeit der Heraldik. Nun werden die Wappen kraftvoll und klar und gelangen im Laufe des 14. Jahrhunderts zu einer Blüte heraldischer Kunst. Wappenrollen aus dieser Zeit werden zum bis heute gültigen Maßstab für klare und einprägsame Wappendarstellungen. Diese unverkennbare Formensprache ging in der darauffolgenden Entwicklung verloren und sollte erst wieder im 20. Jahrhundert aufgegriffen werden.
Im Laufe des 15. Jahrhunderts entfaltet sich dem Wesen der Gotik entsprechend eine rege Phantasie und vorher nicht dagewesene Intensität heraldischer Inhalte. Die Anzahl von Fabelwesen und Ungeheuern steigt sichtlich an, und die Formensprache erreicht einen Höhepunkt an ästhetischer Ausgereiftheit. Zudem beginnen sich nun regionale Besonderheiten und Eigenarten herauszubilden. Mit der Renaissance und dem Ende der Turniere ab dem späten 15. Jahrhundert geht jedoch im Heiligen Römischen Reich der Bezug zu den Kampfschilden endgültig verloren, und heraldisches Wissen kommt stärker als im übrigen abhanden. Die Schildformen weisen kaum noch Bezüge zu ihrer ursprünglichen Verwendung auf, und das eigentliche Wappen verkommt vielfach zu wappenähnlicher Ornamentik. So beginnt man im Reich allmählich damit, die Anzahl von Helmen und Wappenfeldern in unästhetischer Art und Weise zu erhöhen, und der Sinn für die Stilisierung der Schildfiguren kommt nach und nach gänzlich abhanden. Auch die Wappeninhalte weisen eine zunehmende Phantasielosigkeit auf. Diese Epoche der Heraldik beschreibt Georg Scheibelreiter sehr treffend: "Die Periode der üppigen, ausschweifenden Wappen, denen der Kampfschild aus rüstungstechnischen Gründen als Substrat entzogen worden war und die mehr und mehr von manieristischen und barocken Bildkompositionen erstickt wurden, setzte im späten 16. Jahrhundert ein und brachte den Niedergang der Heraldik. Sie diente nun als Beiwerk von Ikonographie und Allegorie und wurde schließlich zu einem Gegenstand spekulativer Emblematik."1 Zwar kann wenigstens die Phantasie durch den Barock im 17. Jahrhundert vor allem aufgrund dessen Vorliebe zu allegorischen Wappenbildern wie Straußenfedern, Harnischen oder Armen wiederbelebt werden, doch bleibt das Wappen weiterhin ein Element von vielen innerhalb der damaligen überbordenden Ornamentik, welche im Rokoko des 18. Jahrhunderts die Wappen oftmals kaum noch als solche erkennen läßt.
Über die darauffolgende Zeit schreibt Donald Lindsay Galbreath: "Vom heraldischen Stil des 19. Jahrhunderts spricht man besser nicht, es ist für den, der die Heraldik liebt, wirklich zu enttäuschend."2 Ganz so hart sollte das 19. Jahrhundert allerdings nicht bewertet werden, denn ihm verdankt die Heraldik eine gewisse Wiederbelebung und Rückbesinnung auf das Mittelalter, wenn auch - wie ebenfalls in anderen Kunstzweigen - in einer Art und Weise, die fast ausschließlich auf die Formen, jedoch so gut wie nie auf die dazugehörigen Inhalte fixiert ist. So muten viele der Wappen aus dieser Zeit mittelalterlich an ohne es zu sein, ganz in der Tradition des Historismus wie er auch in Architektur und Bildender Kunst zum Tragen kommt. Formelemente werden aufgegriffen, ohne deren Bedeutung und ästhetische Funktion zu erkennen oder zu verstehen. Das Ergebnis sind auch heute noch viele Wappen dominierende Formgebungen, die fälschlicherweise als klassisch gelten, auch wenn die innovative Wappenkunst im 20. Jahrhundert die Heraldik - zumindest in Europa - weitgehend von den Überladungen des traditionalistischen 19. Jahrhunderts befreien konnte.
Gemeinsam mit dem Bedürfnis nach klaren Symbolen erlebte die Heraldik vor allem ab Mitte des 20. Jahrhunderts eine Art Wiedergeburt, die gerade in der Staatssymbolik zu manch erstaunlichen Ergebnissen geführt hat, welche an die Klarheit des 14. Jahrhunderts anknüpfen und diese mit moderner Abstraktion verbinden. Vorreiter auf diesem Gebiet sind heute vor allem die Heraldik in Finnland und Polen, wenn auch auf sehr unterschiedliche Art und Weise. Während man in Polen stark an hochmittelalterliche Formen anknüpft und eine moderne Symbiose bildet, liegt der Schwerpunkt in Finnland auf der sehr kreativen Neuschöpfung vor allem von Heroldsbildern und Heroldsstücken auf der Grundlage traditioneller finnischer Volkskunst.3 Freilich ist es nicht jedem Wappenkünstler gegeben, die mittelalterliche Formensprache trefflich aufzugreifen und umzusetzen, und so prägt die Wappenkunst heute ein bunter Mix aus heraldischen Ausdrucksformen und Stilen, von denen die einen sehr modern, andere noch sehr oder wieder durch das 19. Jahrhundert geprägt sind. So auch im derzeit offiziell verwendeten Aufriß des Stadtwappens von Quedlinburg.
1 Scheibelreiter, Georg: Wappen im Mittelalter, Darmstadt 2014, S. 7.
2 Galbreath, Donald Lindsay / Jéquier, Léon: Handbuch der Heraldik, München 1989, S. 71.
Genaugenommen besteht das Stadtwappen von Quedlinburg aus drei unterschiedlichen Wappenbildern, welche zu einem Wappen verschmolzen sind. Deshalb sei im Folgenden auf die Entstehung und Entwicklung aller drei eingegangen. Grundlage des Stadtwappens ist ein rotbewehrter schwarzer Adler auf goldenem Grund, der noch heute als Bundeswappen der Bundesrepublik Deutschland (Abb. 66) verwendet wird.
Bereits in der Antike gehörte der Adler zu den oft benutzten Symbolen, deren Deutung sehr unterschiedlich gewesen ist. So bringt der Adler dem griechischen Göttervater Zeus, als dieser sich zum Kampf gegen die Titanen rüstet, seinen Pfeil, wodurch Zeus den Adler daraufhin zu seinem Feldzeichen erkor (Abb. 1). Außerdem hält der Adler den Donnerkeil von Zeus in seinen Klauen und verkündet den Helden ihren Sieg. Auch Jupiter, die römische Variante des Zeus, bediente sich des Adlers in ähnlicher Weise als persönliches Attribut. Außerdem galt nach Aristoteles der Adler aufgrund der damaligen Annahme, er blicke beim Aufsteigen in die Sonne, als ein Symbol für die Kontemplation und die spirituelle Erkenntnis.
Man findet weltweit in der Vorstellung vieler Kulturen ein bewunderndes und vorrangig positives Bild des Adlers. So gilt er schon bei den Persern, Babyloniern und Assyrern als Symbol geistiger Höhe und göttlicher Majestät. Innerhalb der römischen Symbolik genießt er vor allem als Attribut des Jupiter eine besondere Stellung. Die römischen Legionen waren mit Adlern geschmückt. Er stand für die Macht des römischen Staates und genoß teils auch göttliche Verehrung. In der römischen Kunst ist er ein beliebtes Sinnbild für die zu den Göttern aufsteigende Seele.
Diese Symbolik ist in der christlichen Kunst übernommen worden. Ebenso das vornehmlich positive Bild des Adlers. Schon im Alten Testament der Bibel steht er oft für Schnelligkeit, Kraft und Erneuerung. Und nicht zuletzt in seiner Funktion als Symbol für den Evangelisten Johannes kommt ihm innerhalb der christlichen Kunst ein großes Augenmerk zu.
Die Geschichte des sich zum deutschen Wappen entwickelnden Adlers als zentrales Herrschaftssymbol läßt sich bis zu dem der römischen Caesaren, welche ihn wiederum von den Etruskern übernommen hatten, zurückverfolgen. Er galt den Römern in der Deutung des Boten des Göttervaters Zeus beziehungsweise des Jupiter als Verkörperung der Weltherrschaft und ist vielfach auf antiken Gemmen4 und Münzen als römisches Rechtssymbol zu finden (Abb. 11). Auf Betreiben des damaligen Konsuls Gaius Marius wurde ab 104 v. Chr. ein Legionsadler als alleinige Figur auf der Spitze der nach ihm benannten römischen Feldzeichen, der Aquilae,5 gezeigt (Abb. 4) und war hier das Sinnbild der Macht des Römischen Imperiums. Diese anfangs aus Holz, später aus vergoldetem Silber und während der Kaiserzeit auch aus Gold gefertigten Feldzeichen wurden jeweils vom Aquilifer, also dem Adlerträger6 den Legionen vorangetragen. Nach siegreichen Feldzügen schmückte man diese Feldzeichen mit silbernen Lorbeerkränzen. Allerdings galten sie als entehrt, wenn sie in Feindeshand gerieten, war doch der Adler im Römischen Reich auch das Symbol der Unbesiegbarkeit.7
Da keine antiken Aquilae erhalten sind, können diese lediglich anhand von bildlichen und schriftlichen Quellen rekonstruiert werden. Demnach befand sich der Adler stets am Ende einer Stange auf einem Sockel. In seinen Krallen hielt er Donnerkeile8 und im Schnabel bisweilen eine Eichel, was seine Rolle als Attribut des Jupiter unterstrich. Die Flügel waren in der Regel nach oben ausgebreitet und konnten einen Lorbeerkranz tragen. Insgesamt handelte es sich meist um eine recht naturnahe Darstellung eines auffliegenden Adlers.9 In der späten Kaiserzeit hingegen ist wie auch in der damaligen Bildenden Kunst bei den Darstellungen von Adlern eine zunehmende Abstraktion zu beobachten (Abb. 6).
Innerhalb der germanischen Mythologie galt der Adler wiederum als der Vogel des Gottes Odin. Und der mythologische Sturmriese Hräswelgr entfacht in der Gestalt des Adlers mit seinen Schwingen den Wind. Ebenso beobachtet ein Adler auf der immergrünen Weltesche Yggdrasil den Lauf der Geschichte der Menschen.
Karl I. der Große soll hingegen nach relativ glaubwürdigen Quellen aus dem 10. und 11. Jahrhundert den aus der römischen Tradition stammenden Adler (Abb. 8) als Zeichen seiner Macht benutzt haben, wobei aufgrund des Mangels an aussagekräftigen Quellen ein konturierendes Profil dieser Entwicklungslinie aus der römischen Antike ins christliche Abendland nicht nachgezeichnet werden kann. Nachweisbar ist hingegen, daß bereits bei Karl dem Großen das eigentlich heidnische Symbol des Adlers nicht wie bei den römischen Kaisern der Antike als göttliches Symbol, sondern lediglich als Sinnbild des weltlichen Imperators verstanden wurde.
Als christliches Symbol ist der Adler hingegen im Zusammenhang mit dem Evangelisten Johannes, dem in der christlichen Ikonographie seit dem 4. Jahrhundert innerhalb des Tetramorph10 der Adler als Attribut zugeschrieben wird, von Bedeutung.11 Hinzu kommt die Interpretation des Adlers nach Psalm 103, 512 als ein Verjüngungssymbol, als welches er mit dem Auferstehungsglauben verbunden wurde und somit auch figural auf Christus und die Kirche gedeutet werden konnte. So symbolisierte ein auffahrender Adler ähnlich wie schon bei den Römern die Auffahrt der Seele in den Himmel. In diesem Zusammenhang ist er auch im spätantiken Physiologus sowie in dessen literarischen Nachfolgern, den Bestiarien, gestellt. Hier wird dem Adler nachgesagt, daß er, wenn er aufgrund seiner Alterung neue Federn benötige, zur Sonne flöge, sich dort seine Fittiche verbrenne und hiernach dreimal ins Wasser stürze, um somit sein Federkleid zu erneuern. Dies erinnert offensichtlich an den Taufritus und setzt diesen anschaulich in Szene. Außerdem werden dem Adler im Physiologus die gleichen legendären Eigenschaften wie dem Phönix zugeschrieben, so daß er im Mittelalter auch als ein Symbol für Neugeburt und Taufe sowie gelegentlich als ein Symbol für Jesus Christus und dessen Himmelfahrt Verwendung findet. Des weiteren ist der Adler in der Bibel ein Sinnbild für Gottes Allmacht oder für die Stärke des Glaubens. Unter den sieben Todsünden symbolisiert der Adler hingegen den Hochmut und unter den Kardinalstugenden die Gerechtigkeit.
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