Buch
Michael Pollans goldene Regeln zur Ernährung sind so einfach wie schlau. Viele dieser Regeln sind altbekannt, aber in Vergessenheit geraten. Andere sind neu, überraschend und provozierend – und alle sind leicht umzusetzen und in den modernen Alltag zu integrieren. Dieser unkonventionelle Ernährungsratgeber zeigt, was wir einfach gut und gerne genießen können.
Weitere Informationen zu Michael Pollan und Maria Kalman finden Sie am Ende des Buches.
MICHAEL POLLAN
Essen Sie nichts, was Ihre Großmutter nicht als Essen erkannt hätte
Goldene Regeln
für gute Ernährung
MIT ILLUSTRATIONEN VON
MAIRA KALMAN
AUS DEM ENGLISCHEN VON
RITA HÖNER
Für meine Mutter,
die immer wusste,
dass Butter besser für Sie ist als Margarine
M. P.
Inhalt
Vorwort zur Originalausgabe von Michael Pollan
Vorwort zur illustrierten Ausgabe von Michael Pollan
Vorwort von Maira Kalman
TEIL I
WAS SOLL ICH ESSEN?
(Essen Sie Lebens-Mittel.)
TEIL II
WELCHE ART VON LEBENSMITTELN SOLL ICH ESSEN?
(vorwiegend Pflanzen)
TEIL III
WIE SOLL ICH ESSEN?
(maßvoll)
Danksagung
Vorwort zur
Originalausgabe
MICHAEL POLLAN
Essen ist heutzutage zu einer komplizierten Angelegenheit geworden – was, wie ich meine, völlig unnötig ist. Mit der Frage, warum es unnötig ist, beschäftige ich mich später. Sehen wir uns zunächst die Kompliziertheit an, die diese elementarste aller kreatürlichen Aktivitäten inzwischen begleitet. Die meisten von uns verlassen sich mittlerweile auf alle möglichen Experten, wenn sie wissen wollen, was sie essen sollen – auf Ärzte und Diätbücher, Medienberichte über die neuesten Ergebnisse aus der Ernährungswissenschaft, Empfehlungen des Gesundheitsministeriums, Lebensmittelpyramiden oder die überhandnehmenden Gesundheitsversprechen auf den Verpackungen. Mag sein, dass wir dem Rat dieser Experten nicht immer folgen, aber jedes Mal, wenn wir von einer Speisekarte etwas bestellen oder im Supermarkt unseren Einkaufswagen durch die Gänge schieben, hallt er in unserem Kopf nach. Auch erstaunlich viele Begriffe aus der Biochemie haben sich dort eingenistet. Ist es nicht merkwürdig, dass Begriffe wie »Antioxidanzien«, »gesättigtes Fett«, »Omega-3-Fettsäuren«, »Kohlenhydrate«, »Polyphenole«, »Folsäure«, »Gluten« und »Probiotika« heutzutage jedem zumindest flüchtig bekannt sind? Es ist so weit gekommen, dass wir nicht mehr unsere Lebensmittel sehen, sondern geradewegs durch sie hindurch auf die (guten und schlechten) Nährstoffe, die sie enthalten, und natürlich auf die Kalorien – also auf all jene unsichtbaren Eigenschaften in unseren Lebensmitteln, die, einmal richtig verstanden, angeblich das Geheimnis enthalten, wie man sich gut ernährt.
Aber trotz all des wissenschaftlichen und pseudowissenschaftlichen Ernährungsgepäcks, das wir uns in den vergangenen Jahren aufgeladen haben, wissen wir immer noch nicht, was wir essen sollen. Sollten wir uns mehr Sorgen um die Fette oder um die Kohlenhydrate machen? Und was ist mit den »guten« Fetten? Oder mit den »schlechten« Kohlenhydraten, etwa fructosereichem Maissirup? Wie viele Gedanken sollten wir uns um Gluten machen? Was hat es mit den künstlichen Süßstoffen auf sich? Ist es wirklich wahr, dass Frühstücksflocken die Konzentration meines Sohnes in der Schule verbessern oder andere Getreidekörner mich vor dem Herzinfarkt schützen? Wann wurde es zu einem therapeutischen Ereignis, einen Teller Müsli zum Frühstück zu essen?
Vor ein paar Jahren war ich in dieser Hinsicht genauso verunsichert wie vielleicht auch Sie, und also begann ich, einer einfachen Frage auf den Grund zu gehen: Was soll ich nun essen? Was wissen wir wirklich über den Zusammenhang zwischen unserer Ernährung und unserer Gesundheit? Ich bin weder Ernährungsexperte noch Wissenschaftler, nur ein neugieriger Journalist, der hofft, für sich und seine Familie auf eine überschaubare Frage eine Antwort zu finden.
Wenn ich mit einer Recherche anfange, wird meist schnell klar, dass die Dinge sehr viel komplizierter und unklarer sind, dass es viel mehr Graubereiche gibt, als ich zu Beginn dachte. Diesmal war es anders. Je tiefer ich ins verworrene und verwirrende Dickicht der Ernährungswissenschaft eindrang und den Dauerkrieg zwischen Fetten und Kohlenhydraten, die Ballaststoffscharmützel und die hitzigen Debatten um Nahrungsergänzungsmittel unter die Lupe nahm, desto klarer wurde das Bild. Ich stellte fest, dass die Wissenschaft in Wirklichkeit sehr viel weniger über Ernährung weiß, als Sie möglicherweise erwarten – dass die Ernährungswissenschaft eigentlich eine, um es einmal freundlich zu sagen, sehr junge Wissenschaft ist. Sie versucht immer noch, genau herauszufinden, was in Ihrem Körper vor sich geht, wenn Sie eine Limonade schlürfen, oder was tief im Herzen einer Karotte geschieht, das sie für Sie zu einem so gesunden Lebensmittel macht, oder warum Sie so viele Neuronen – Hirnzellen! – ausgerechnet im Magen haben. Es ist ein faszinierendes Thema, und irgendwann wird die Forschergemeinde vielleicht eindeutige Antworten auf die Ernährungsfragen liefern, die uns umtreiben, aber – und das sagen die Ernährungswissenschaftler selbst – im Moment sind sie noch nicht so weit. Nicht einmal annähernd. Die Ernährungswissenschaft, die alles in allem erst vor kaum 200 Jahren begonnen hat, ist heute ungefähr so weit wie die Chirurgie im Jahr 1650. Das ist sehr vielversprechend und sehr interessant zu beobachten – aber würden Sie sich von diesen Leuten operieren lassen? Ich für meinen Teil würde noch ein bisschen warten.
Obwohl ich also eine ganze Menge über das gelernt habe, was wir nicht über die Ernährung wissen, habe ich auch einige wenige wichtige Dinge herausgefunden, die wir über das Essen und die Gesundheit wirklich wissen. Das habe ich gemeint, als ich sagte, das Bild sei umso klarer geworden, je tiefer ich schürfte.
Im Grunde gibt es zwei wichtige Dinge, die Sie über den Zusammenhang zwischen Ernährung und Gesundheit wissen müssen, zwei Tatsachen, die ganz unstrittig sind. Alle im Ernährungsdisput verfeindeten Parteien sind sich darüber einig. Und noch wichtiger: Diese Fakten sind so solide, dass sich auf ihrer Grundlage eine sinnvolle Ernährung aufbauen lässt.
Fakt 1
Ausnahmslos alle Populationen, die eine sogenannte westliche Ernährung zu sich nehmen, die im Allgemeinen als eine Kost definiert wird, die aus einer Menge verarbeiteter Nahrungsmittel und Fleisch, Fett- und Zuckerzusätze, raffinierter Kohlenhydrate, einer Menge von allem außer Gemüse, Obst und Vollkorngetreide besteht, verzeichnen einen hohen Anteil an Personen, die an den sogenannten Zivilisationskrankheiten leiden: Fettleibigkeit, Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs. Praktisch alle Fettleibigkeits- und Typ-2-Diabetes-Fälle, 80 Prozent der Herz-Kreislauf-Erkrankungen und über ein Drittel aller Krebsleiden können mit dieser Ernährungsform in Zusammenhang gebracht werden. Vier von den zehn Top-Ten-Todesursachen in den USA sind chronische Krankheiten, die mit dieser Ernährung in Verbindung stehen. Der Streit in der Ernährungswissenschaft dreht sich nicht um diesen gut belegten Zusammenhang. In der Forschung geht es immer darum, den bösen Nährstoff zu finden, der für die chronischen Krankheiten verantwortlich ist. Sind es die gesättigten Fette? Die raffinierten Kohlenhydrate? Die fehlenden Ballaststoffe? Die Transfette? Die Omega-6-Fettsäuren? Oder was sonst? Fakt ist: Als Esser (und vielleicht auch als Wissenschaftler) wissen wir alles, was wir wissen müssen, um zu handeln: Diese Ernährungsweise ist das Problem, aus welchem Grund auch immer.