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Satz und E-Book: Daniel Förster, Belgern
 
ISBN Print 978-3-89879-893-8
ISBN E-Book (PDF) 978-3-86248-693-9
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86248-694-6
 
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Inhaltsverzeichnis

Titel
Impressum
Inhaltsverzeichnis
Vorwort

Kapitel 1
Der Ruhestand: Wichtige Veränderungen
Die Angst vor Altersarmut nimmt zu
Vom Berufsleben in die »Ruhestands-GmbH«

Kapitel 2
Die Finanzplanung: Eine gute Vorbereitung bringt Sicherheit
Notwendige Unterlagen
Planungsraster
Parameter für die Planung
Wechselwirkungen berücksichtigen

Kapitel 3
Die Drei-Säulen-Versorgung: Was ist zu erwarten?
Gesetzliche Altersvorsorge
Betriebliche Altersvorsorge
Private Altersvorsorge
Riester-, Eichel-, Rürup-Rente: Ein Überblick

Kapitel 4
Einmalige Kapitalzuflüsse: Steuerliche Optimierungsmöglichkeiten
Einmalige Kapitalzuflüsse bei Erwerbsaufgabe
Fünftel-Regelung und Steuerermäßigungen
Steuerliche Behandlung von Abfindungen
Optimierungsmöglichkeiten bei Abfindungen
Verkauf eines Einzelunternehmens/einer Personengesellschaft
Verkauf einer wesentlichen Beteiligung
Steuerprivileg bei Lebensversicherungen

Kapitel 5
Die Kranken- und Pflegeversicherung im Ruhestand: Wie hoch ist die finanzielle Belastung?
Die Krankenversicherung im Ruhestand
Versicherungsbeiträge
Pflegeversicherung

Kapitel 6
Die Steuern: Auch im Ruhestand ein ständiger Begleiter
Unterschiedliche Steuersituation im Ruhestand
Zu versteuerndes Einkommen
Exkurs: Altersentlastungsbetrag
Steuersätze
Besteuerung von Renteneinnahmen
Besteuerung von Mieteinnahmen
Besteuerung von Kapitalerträgen
Private Veräußerungsgeschäfte

Kapitel 7
Die Sicherstellung des Einkommens: Ein Strategievergleich
Mögliche Einkommensquellen
Vermietete Immobilien als Einkommensquelle
Anleihen als Einkommensquelle
Aktien als Einkommensquelle
Private Renten als Einkommensquelle
Substanzverbrauch als Einkommensquelle
Wichtigste Einkommensstrategien
Bauernstrategie
Tante-Emma-Strategie
Etappenstrategie
Gegenüberstellung und Beurteilung
Bauernstrategie
Tante-Emma-Strategie
Etappenstrategie
Sonderfall: Verzehr der eigengenutzten Immobilie
Angebotene Lösungen

Kapitel 8
Risiken und Renditen: Vermögensanlagen optimal gewichten
Lehren aus der Vergangenheit
Das »magische« Dreieck
Keine Rendite ohne Risiko
Was heißt eigentlich »Rendite«?
Die wichtigsten Anlageformen
Anleihen
Aktien
Exkurs: Investmentfonds
Exkurs: Exchange Traded Fund (ETF)
Exkurs: Regelbasiertes Anlegen
Immobilien
Bildung von Anlageklassen
Wahl des Anlegerprofils
Herleitung des passenden Anlegerprofils

Kapitel 9
Erben und Schenken: Den Nachlass richtig planen
Gesetzliche Erbfolge und Zugewinnausgleich
Gewillkürte Erbfolge
Unternehmensnachfolge
Erbschaftsteuer
Freibeträge
Höhe der Erbschaftsteuer
Erbschaftsteuer optimieren
Testamentsvollstreckung
Stiftungen
Formalitäten rund um einen Todesfall

Kapitel 10
Vermögens- und Anlageberater:Worauf ist zu achten?
Anforderungen an einen Vermögens- und Anlageberater
Kurzporträt VZ VermögensZentrum

Vorwort

Die Zeit nach der Erwerbsaufgabe wird oft als die beste des Lebens bezeichnet. Mit Eintritt in den Ruhestand erhält man ein sehr wertvolles Geschenk. Zeit. Jedes Jahr bis zu 3.000 Stunden. Zeit, die für eigene, nichtberufliche Interessen genutzt werden kann. Eigentlich ein gutes Gefühl, aber für manche Ruheständler auch eine Herausforderung.

Auch was die Finanzen angeht, muss man sich neu organisieren. Das »angesparte Kapital erhalten«, die »Versorgungslücke schließen« und »keine unnötigen Risiken mehr eingehen«, so lauten die neuen Zielsetzungen. Auch das ist eine Herausforderung.

Mit unserem »Finanzcoach für den Ruhestand« wollen wir (angehende) Ruheständlerinnen und Ruheständler – die eben nicht stehen bleiben wollen – unterstützen, die finanzielle Seite des dritten Lebensabschnitts umfassend zu planen, vorzubereiten und fundiert umzusetzen. Das Buch greift alle relevanten Fragestellungen von der eigenen Finanzplanung über die passende Vermögensorganisation bis hin zu Steuern, Gesundheits- und Pflegekosten sowie der Nachlassplanung auf. Alle wichtigen Aspekte werden praxisnah und leicht verständlich erläutert, basierend auf 20-jähriger Beratungserfahrung.

Natürlich kann dieses Buch keine persönliche Beratung ersetzen, zumal die optimale Lösung in jedem einzelnen Fall wieder anders aussieht. Wir hoffen aber, dass Sie als Leserinnen und Leser mithilfe unserer Ausführungen und Empfehlungen die Weichen für einen finanziell erfolgreichen dritten Lebensabschnitt richtig stellen können.

Tom Friess und Michael Huber

Kapitel 1

Der Ruhestand: Wichtige Veränderungen

Die Angst vor Altersarmut nimmt zu

Viele Menschen sind verunsichert, was ihre persönliche finanzielle Situation im Alter betrifft. Und diese Sorge nimmt zu! Begründet wird sie vor allem durch die steigenden Lebenshaltungskosten und die vielen Änderungen in der Steuer- und Rentengesetzgebung. Allen voran wird hier das Alterseinkünftegesetz (AltEinkG) genannt. Es hat zu einer höheren Besteuerung der gesetzlichen Altersrenten und zum Wegfall von Steuerprivilegien im Ruhestand geführt.

Die Ängste der Deutschen

Das bestätigt auch die repräsentative Studie »Die Ängste der Deutschen 2013«, die das Infocenter der R+V Versicherung bereits zum 23. Mal durchgeführt hat. Den rund 2.500 Befragten bereiten wirtschaftliche und politische Themen die meisten Sorgen. Mehr als die Hälfte der Menschen fürchten sich vor steigenden Lebenshaltungskosten und einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage. Vor allem die alarmierenden Nachrichten über Finanzmarktkrisen, Währungskrisen und Rettungsschirme für überschuldete EU-Staaten erschüttern das Sicherheitsgefühl.

Aber auch die Angst vor Arbeitslosigkeit oder davor, im Alter krank und zum Pflegefall zu werden, treibt die Menschen um. Denn hinter allem steht letztlich die Befürchtung, dass der gewohnte Lebensstandard im Alter nicht gehalten werden kann. Die Sorgen um die eigene Gesundheit sind seit dem vergangenen Jahr nochmals gestiegen und erreichten damit den zweithöchsten Stand seit Beginn der Studie. Die ständigen ­Änderungen im Gesundheitsbereich haben offensichtlich ihre Spuren hinterlassen, denn die Menschen wissen, dass sie für Gesundheitsleistungen künftig tiefer in die Taschen greifen müssen und dafür immer weniger Leistungen bekommen. Dementsprechend wächst auch die Angst, dass der eigene Lebensstandard im Alter sinken wird. Für 40 Prozent aller Befragten stellt das die größte Bedrohung dar.

Vor dem Jahrtausendwechsel war das noch kein Thema. Eine damalige Studie des Deutschen Instituts für Altersvorsorge zeigte, dass 71 Prozent der Bundesbürger sicher waren, ihre finanziellen Mittel würden für den Ruhestand gut ausreichen. Doch die Zeiten haben sich geändert, und die finanzielle Absicherung im Alter ist verstärkt ins Bewusstsein der Menschen gerückt.

Nach Schätzungen der unabhängigen Vermögensberatungs-Gesellschaft VZ VermögensZentrum glauben nur noch 30 Prozent, dass ihre Einnahmen ausreichen, um einen angemessenen Lebensstandard im Ruhestand finanzieren zu können. Rund die Hälfte der Menschen hingegen sei mittlerweile zu der Erkenntnis gelangt, dass es »knapp« werde.

­Gesetzliche Renten­leistungen werden sinken

Klar ist, dass die Rentenleistungen seitens der gesetzlichen Versorgungsträger in Zukunft weiter sinken werden. Zudem wird die Belastung durch Gesundheitskosten und Steuern im Ruhestand tendenziell weiter steigen. Damit nimmt die finanzielle Eigenverantwortung für den dritten Lebensabschnitt stetig zu und wird anspruchsvoller. Zusätzliche Einnahmen müssen sichergestellt werden. Außerdem soll das aufgebaute Vermögen erhalten bleiben, und die Optimierung der Steuern begleitet uns auch nach der Erwerbsaufgabe. Wer früher seinen Ruhestand antreten will, muss zusätzlich entstehende finanzielle Lücken sinnvoll schließen.

Mehr Eigenverantwortung bedeutet aber auch – je nach persönlicher Einstellung und individuellen Zielen – mehr Chancen oder mehr Risiken. In jedem Fall stellt die Konzeption des eigenen, finanziell tragfähigen Ruhestandsmodells eine »kleine« Herausforderung dar. Unser Buch hilft, diese erfolgreich zu bestehen.

Vom Berufsleben in die »Ruhestands-GmbH«

Immer früher in den Ruhestand  

Eine weitere Tatsache: Der Übergang vom Erwerbsleben in die Ruhestandsphase findet durchschnittlich deutlich vor dem 65. Lebensjahr statt. Grund dafür ist nicht selten die Lust, »früh« und damit fit in den Ruhestand zu wechseln. Möglichkeiten zum Vorbezug der Altersrente, Regelungen zur Altersteilzeit und Abfindungen begünstigen diese Tendenz. Auch wenn das Thema »Verlängerung der Lebensarbeitszeit« auf der Agenda der Politik ganz oben steht, bleibt der individuelle Wunsch bestehen, früher in Rente zu gehen.

Die heutige Generation der Rentner ist also jünger als früher und hat noch eine lange Phase ohne Berufsausübung vor sich, etwa ein Viertel ihres Lebens. Diese Phase bringt eine neue Herausforderung mit sich. ­Jeder, unabhängig von seiner bisherigen beruflichen Tätigkeit, wird jetzt zu einem kleinen Unternehmer; er oder sie muss nun das Unternehmen »Ruhestands-­GmbH« ­erfolgreich führen.

Neue »Herausforderungen« im Alter

Endlich gibt es mehr Zeit für das, was einem wichtig ist und was im Berufsleben vernachlässigt wurde! Die neue Situation stellt aber auch neue Aufgaben, die vielfältig und anspruchsvoll sind.

Da ist zunächst die Familie – für die meisten der wichtigste Bezugspunkt im Leben. Und mit zunehmender Reife wird man sich ihrer Bedeutung immer stärker bewusst. Der Ruhestand eröffnet die Möglichkeit, mehr Zeit für die Familie einzusetzen, das heißt, die Kinder öfter zu sehen, sie bei der Lösung ihrer Probleme zu unterstützen und das Zusammensein mit den Enkeln zu genießen.

Lange Reisen in entfernte Länder waren während des Berufslebens gar nicht möglich. Im Garten wurde nur das Nötigste gemacht und der Hobbyraum nur sporadisch genutzt. Auch Kultur und Bildung hat man während des Berufslebens oft vernachlässigt. Museen und interessante Ausstellungen, Konzerte, Kino, Theater sowie Oper – für all das ist jetzt mehr Zeit vorhanden.

Ob beide Partner berufstätig waren oder – bei klassischer Rollenaufteilung – die Frau allein zu Hause war und sich den Tag so organisiert hat, wie es für sie am besten war. Die gemeinsamen Aktivitäten fanden am Abend oder am Wochenende statt. Plötzlich sind beide Partner ständig daheim, und die partnerschaftliche Beziehung wird vor eine neue Ausgangslage gestellt. Die frisch gebackenen Ruheständler müssen ihre Rollen neu definieren. Andererseits kann man den Haushalt und die Freizeit intensiver und bewusster erleben und genießen. Hinzu kommt, dass viele Menschen im Ruhestand nicht nur an einem Ort leben, sondern ein Feriendomizil oder einen Zweitwohnsitz jetzt länger als nur sechs Wochen ­nutzen können und wollen. Das will geplant und organisiert sein, die Post muss umgeleitet, der Garten gepflegt und der Kühlschrank gefüllt werden.

So ganz von Verpflichtungen und Beschäftigung loslassen können die Wenigsten. Einige behalten gewisse Aufgaben, die stark mit ihrer Person verbunden sind, um den endgültigen Ablöseprozess aus dem Berufsleben noch etwas hinauszögern. Andere intensivieren ihre ehrenamtlichen Tätigkeiten, engagieren sich in humanitären Organisationen oder bringen ihre Erfahrung in politische Verbände und Initiativen ein.

Die Ruhestands-GmbH

Im fünften Bereich, der »Ruhestands-GmbH«, geht es um Finanzen und Vermögen. Da gilt es, die Ausgaben zu kontrollieren und die Einnahmen zu planen. Das Vermögen muss möglichst geschickt angelegt werden. Und die ungeliebten Ausgabeposten »Steuern und Versicherungen« sollen so optimiert werden, dass sie das Gesamtbudget nicht unverhältnismäßig belasten.

In diesem Buch konzentrieren wir uns auf den letzten Punkt: auf das Management des Aufgabenbereichs »Finanzen und Vermögen«. Dabei hinterfragen wir die Rahmenbedingungen, mit denen der »Finanzchef« der »Ruhestands-GmbH« konfrontiert wird, und geben gleichzeitig konkrete Hilfsmittel an die Hand, mit denen die Herausforderung Ruhestand zumindest in finanzieller Hinsicht gemeistert werden kann.

Auf die Aufgabe als Finanzchef sollte man sich rechtzeitig vorbereiten. Dazu gehört, dass man sich mit dieser neuen Rolle und den zu erreichenden Zielen auseinandersetzt.

Insbesondere die erste Zielsetzung ist elementar für die Existenzabsicherung der »Ruhestands-GmbH«. Es müssen ausreichend Einnahmen zur Verfügung gestellt werden, um den Lebensunterhalt jederzeit decken zu können.

Inwieweit die ersten beiden Ziele – Ausgabendeckung und Vermögenserhalt – in Übereinstimmung gebracht werden können, ist abhängig von der Ausgangslage, sprich: der Höhe des Vermögens und der Höhe des Bedarfs aus dem Kapital. Deshalb muss sich der Finanzchef in einem ersten Schritt einen Überblick über das Verhältnis von Ausgaben zu Vermögen verschaffen. Werden die Ausgaben beispielsweise mit 5.000 ­Euro pro Monat angesetzt und beträgt das Vermögen 2,5 Millionen Euro, so entspricht dies einem Verhältnis der Ausgaben zum Vermögen von 2,4 Prozent. Das ist die Rendite, die netto erwirtschaftet werden muss, um die beiden oben als Erstes genannten Ziele (Ausgabendeckung und Vermögenserhalt) zu erreichen. Zunächst erscheint das leicht machbar zu sein. Doch der Teufel steckt wie immer im Detail – sprich: in dem Wörtchen »netto«. Denn netto bedeutet, was nach Gebühren, nach Steuern und nach Inflation von den Zinsen übrig bleibt. Um eine solche Nettorendite von 2,4 Prozent zu erzielen, ist dafür – wie wir später noch sehen werden – eine durchschnittliche Bruttorendite von 5 bis 7 Prozent erforderlich. Das wiederum stellt eine durchaus anspruchsvolle Zielvorgabe dar.

Liquiditäts­planung ist nötig

Ein weiteres Ziel des Finanzchefs ist die Verhinderung von kurzfristigen Liquiditätsengpässen. Denn selbst wenn das Verhältnis von Ausgaben und Vermögen stimmt, ist noch nicht gesagt, dass stets genügend Geld auf dem Konto ist, um sämtliche Ausgaben zu decken. Die Frage ist, in welcher Form und Regelmäßigkeit die Vermögensrendite anfällt. Bei einer Rente ist das Einkommen besser planbar als bei einem Aktien-Portefeuille. Also muss der Finanzchef die Eigenschaften der unterschiedlichen Anlageinstrumente sehr genau kennen und auf seine Bedürfnisse abstimmen.

Die Liquiditätsplanung bezieht sich auf vorhersehbare Ausgaben. Möglicherweise entstehen aber auch unvorhergesehene Kosten, die nur über eine langfristige Liquiditätsreserve abgedeckt werden können. Ein (Ehe-)Partner kann plötzlich erkranken und bedarf medizinischer Versorgung und Pflege, was zu einer entsprechenden finanziellen Belastung führt. Andere, positivere Beispiele: Eines der Kinder möchte ein Haus bauen und braucht Hilfe bei der Finanzierung. Oder der Nachwuchs möchte sich selbstständig machen und benötigt finanzielle Unterstützung für die Geschäftsgründung. Wann und wie viel gebraucht wird, kann auch der beste Finanzchef nicht vorhersagen; er kann aber eine Reserve in seinen Berechnungen berücksichtigen. Diese sollte mindestens 20.000 Euro betragen.

Der Finanzchef hat viele Aufgaben

Die Rolle des Finanzchefs übernimmt normalerweise die Person, die sich im Haushalt schon immer um die Finanzen gekümmert hat. Für Notfälle muss er aber einen vertrauenswürdigen und kompetenten Stellvertreter bestimmen. Ein solcher Notfall kann ein Unfall sein, eine Krankheit oder schlicht und einfach die Tatsache, dass der Finanzchef aufgrund seines fortgeschrittenen Alters die Dinge nicht mehr so gut unter Kontrolle hat wie in jüngeren Jahren. Zusätzlich muss sich der Finanzchef darum kümmern, dass bei einem Todesfall alles geregelt und die Familie – insbesondere der zurückbleibende Partner – finanziell abgesichert ist. Aus diesem Grund sollte man als verantwortungsvolles Familienoberhaupt die Stellvertretung in puncto Finanz­angelegenheiten frühzeitig regeln. Dies gibt einem gleichzeitig die Möglichkeit, mit dem Stellvertreter zusammenzuarbeiten und dessen Arbeit zu beurteilen. So sollte beispielsweise ein Testamentsvollstrecker bereits zu Lebzeiten in die finanziellen Angelegenheiten mit einbezogen werden. Fällt die Rolle des Testamentsvollstreckers dem Steuerberater oder dem Vermögensverwalter zu, ist ein enges Vertrauensverhältnis ohnehin die Regel.

Ausgestattet mit vielen praktischen Tipps, Grafiken und Checklisten wird dieses Buch zum persönlichen Vermögensberater im dritten Lebensabschnitt und hilft so unserem Finanzchef, Verantwortung für seine Finanzpolitik im Ruhestand zu übernehmen.

Kapitel 2

Die Finanzplanung: Eine gute Vorbereitung bringt Sicherheit

Wer träumt nicht davon, im Ruhestand endlich Zeit zu haben für die Hobbys, für den Garten oder für Reisen in Länder, die einen schon immer interessiert haben? Damit dann auch die finanziellen Rahmenbedingungen stimmen und nicht jede Aktivität mit spitzem Stift durchgerechnet werden muss, sollten für den Ruhestand die eigenen Finanzen sorgfältig geplant sein. Eine konsistente Finanzplanung umfasst zwei wichtige Dinge.

Erstens muss sich der Finanzchef einen detaillierten Überblick über die zukünftigen Einnahmen und Ausgaben verschaffen. Erst dann kann er auf dieser Grundlage die Höhe seiner Versorgungslücke in den kommenden Jahren quantifizieren. Zweitens muss er die künftige Vermögensentwicklung einschätzen. Bevor sich der Finanzchef an die spannende Planungsaufgabe machen kann, hat er die notwendigen Unterlagen und Informationen zusammenzutragen.

Notwendige Unterlagen

Die Kontoauszüge geben Aufschluss über regelmäßige Ausgaben. Die Steuererklärung hilft bei der zukünftigen Herleitung des zu versteuernden Einkommens, insbesondere bei Einkünften aus Vermietung. Aus Rentenauskünften und Versorgungsordnungen lassen sich die zu erwartenden Rentenzahlungen ablesen.

Für die Erstellung einer Vermögensübersicht sind die Rückkaufswerte der Versicherungen, Depotauszüge/Kontostände, Immobilienzusammenstellungen und Belege zu Beteiligungen notwendig. Unternehmer sollten zusätzlich ­Bilanz- und Erfolgsrechnungen parat halten. Ebenfalls erforderlich ist eine Übersicht über die vorhandenen Darlehen mit Angaben wie Höhe, Zins, Tilgung, Fälligkeit und Zweckbindung. Zur Einschätzung der Gesamtsituation sind weiterhin Verträge (z. B. Ehevertrag) und die Abschätzung zukünftiger Erbanwartschaften hilfreich.

Zugegeben, das Zusammentragen der persönlichen Daten kann ziemlich zeitaufwendig sein, doch dieser Aufwand lohnt sich. Denn je sorgfältiger die Vorarbeiten durchgeführt werden, umso verlässlicher sind die Planungsergebnisse. Die aufgeführte Checkliste soll bei der Bereitstellung der notwendigen Unterlagen helfen.

Planungsraster

Sind alle Unterlagen zusammengesucht, gilt es, sich einen Überblick zu verschaffen. Hierzu sollte der Finanzchef eine Aufstellung der Ausgaben, der Einnahmen und der Vermögenswerte vornehmen.

Budgetierung der Ausgaben

Als Erstes wird das Ausgabenbudget erstellt. Es dient sowohl der Planung als auch der späteren Kontrolle, ob die Ausgaben tatsächlich in der prognostizierten Höhe angefallen sind. Wie detailliert und umfangreich diese Aufstellung ausfällt, kann jeder selbst bestimmen – je nachdem, wie hoch sein Wunsch nach Exaktheit und Ausführlichkeit ist. Die Aufstellung des Budgets ist aber unerlässlich für die Ruhestandsplanung, da diese Vorgaben alle späteren Entscheidungen beeinflussen, zum Beispiel die Definition der Vermögensstrategie, die Liquiditätsplanung oder die Maßnahmen zur Steueroptimierung. Für diejenigen, die schon seit Jahr und Tag über ihre Ausgaben Buch geführt haben, ist die Zusammenstellung der Ausgaben problemlos. Schwerer fällt es denjenigen, die sich um Einnahmen und Ausgaben nie besonders gekümmert haben. Die Tabelle zur Budgetierung zeigt ein Raster, wie die Ausgaben erfasst werden können. Ganz bewusst wird dabei auf den Ausgabeposten »Steuern« verzichtet. Diese werden besser abhängig von den späteren Anlageentscheidungen im Finanzplan für jedes untersuchte Jahr individuell berechnet.

Die größten Budgetposten

Nicht selten wird der Familien-Finanzchef feststellen, dass er nur eine vage Vorstellung vom effektiven Finanzbedarf besitzt. Er weiß nur, dass es bisher eigentlich immer »irgendwie« gereicht hat. Die abgebildete Aufstellung der größten Budgetposten soll ihm als Orientierung dienen. Untersucht wurden dabei die Höhe und die Zusammensetzung des finanziellen Bedarfs von verschiedenen Kunden, die das VZ VermögensZentrum beraten hat. Das durchschnittliche (für die Allgemeinheit nicht repräsentative) Budget eines Ehepaars im Alter von 65 Jahren liegt bei 6.500 Euro pro Monat. Die Aufwendungen für Lebenshaltung und Wohnen machen dabei die Hälfte der Gesamtausgaben aus. Ebenfalls bedeutsam sind die Kosten für Versicherungen und Ferien/Reisen, die zusammen ein Viertel des Budgets beanspruchen. Das verbleibende Viertel entfällt auf die Bedienung von Darlehen, Ausgaben für Verkehrsmittel, Steuern und Sonstiges. Große Unterschiede sind bei der Steuerbelastung der Ruheständler festzustellen, denn die zu zahlende Steuer hängt von der Höhe und der Zusammensetzung der regelmäßigen Einnahmen ab.

Entwicklung der Ausgaben im Alter

Wer eine Finanzplanung für den Ruhestand aufstellt, sollte aber nicht nur das aktuelle und gewohnte Ausgabenverhalten berücksichtigen und in die Budgetplanung einfließen lassen, sondern auch daran denken, dass sich die Lebensumstände, die Gewohnheiten und damit auch der finanzielle Bedarf ändern.

Häufig ist zu beobachten, dass es unmittelbar nach Aufgabe der Erwerbstätigkeit zu einer Zunahme der Ausgaben kommt, beispielsweise aufgrund des Wunsches, gewisse Dinge nachzuholen. So ist bei vielen Ruheständlern das Reisen ein Luxus, den man sich sowohl zeitlich als auch finanziell vorher nicht geleistet hat. Ähnlich verhält es sich mit Freizeitaktivitäten, denen man vor dem Ruhestand nicht in der gewünschten Intensität nachkommen konnte, sich aber nun entsprechend widmet.

Unterschiedliche Lebensphasen

Nach der Phase eines höheren Ausgabenbudgets, verursacht durch einen aktiven Lebensstil, folgt im fortgeschrittenen Alter eine Phase, in der die Ausgaben tendenziell abnehmen. Die Ausbildung der Kinder ist abgeschlossen. Anstrengende Reisen werden nur noch selten unternommen, das Auto wird nicht mehr so oft benutzt, und auch die Lust am Konsum nimmt ab. Vielleicht wohnt man inzwischen sogar in einer kleineren, pflegeleichten Wohnung. Was hingegen mit Sicherheit steigt, sind die Kosten für die Gesundheit. Wie in Kapitel 5 ausführlich dargelegt wird, sollte hierfür eine großzügige Reserve mit in die Rechnungen einfließen.

Übersicht über die Einnahmen

Wenn die Ausgabenplanung steht, müssen die Einnahmen erfasst werden, um letztlich prüfen zu können, ob das Budget überhaupt in der aufgestellten Weise Sinn macht und ob sich eventuell eine Finanzierungslücke auftut. Daher sollten die Einnahmen genauso präzise wie die Ausgaben erfasst werden. Mögliche Quellen sind Renten, Vermögenserträge oder sonstige Einnahmen. Die Rentenzahlungen setzen sich aus gesetzlichen, betrieblichen und privaten Ansprüchen zusammen. Welche Beträge dabei realistisch sind, wird in Kapitel 3 erläutert. Auf die Höhe von Vermögenserträgen wird weiter unten in diesem Kapitel im Punkt »Parameter für die Planung« sowie in Kapitel 8 eingegangen. Wer Miet­einnahmen hat, sollte darauf achten, dass (kalkulatorische) Instandhaltungs- sowie Betriebskosten und Verwaltungsaufwendungen nicht vergessen werden.

Herleitung des Einkommens­bedarfs

Stellt man den budgetierten Ausgaben die Einnahmen gegenüber, ergibt sich die Einkommenslücke vor Steuern. Die Einkommensteuer sollte als variable Größe betrachtet werden, die es im Rahmen der Vermögensorganisation zu optimieren gilt. Die Einkommenslücke nach Steuern ist der Bedarf, der aus dem Vermögen gedeckt werden muss.

Dieser Bedarf kann von Jahr zu Jahr unterschiedlich ausfallen. Beispielsweise führt eine Abfindung zum Zeitpunkt der Erwerbsaufgabe dazu, dass in diesem Jahr kein Liquiditätsbedarf besteht. Stehen solche finanziellen Mittel nicht zur Verfügung, müssen bis zum Einsetzen der gesetzlichen Rente größere Lücken überbrückt werden. Wird dagegen eine Lebensversicherung ausbezahlt, so fällt die Lücke in dem Jahr der Auszahlung geringer aus oder es entsteht ein Überschuss. Muss allerdings ein Darlehen zurückgezahlt werden, kann sich der Liquiditätsbedarf beträchtlich erhöhen. Eine statische Betrachtung der Einnahmen und Ausgaben genügt also nicht. Vielmehr muss die Betrachtung über mehrere Jahre angestellt werden. Dabei ist es empfehlenswert, die Geldentwertung (Inflation) zu berücksichtigen, denn diese ist der größte Feind des ersparten Vermögens.

Effekt der ­Inflation

Auf den ersten Blick scheint eine jährliche Inflation von 2 oder 3 Prozent vernachlässigbar. Allerdings kommt es Jahr für Jahr zu dieser Geldentwertung. Daher hat sie – bedingt durch den Zinseszinseffekt – enorme Auswirkungen bei der Betrachtung längerer Zeitperioden.

Für Dinge, die heute 50.000 Euro kosten, müssen bei einer jährlichen Inflation von nur 2 Prozent nach zehn Jahren 60.900 Euro bezahlt werden, bei 3 Prozent Inflation sogar 67.200 Euro. Nach 20 Jahren muss für den heutigen Wert von 50.000 Euro fast die Hälfte mehr aufgewendet werden, nämlich 74.300 Euro. Bei 3 Prozent Inflation beträgt der vergleichbare Wert sogar 90.300 Euro. Das bedeutet, dass man seine Ausgaben indexieren muss, also einer angenommenen Inflation unterstellen muss, um so den Einkommensbedarf entsprechend anzupassen.

Wie groß eine heutige Finanzierungslücke im Zeitablauf werden kann, wenn die Inflation zuschlägt, veranschaulicht die auf einem einfachen Beispiel basierende Grafik: Angenommen, die aktuellen monatlichen Einnahmen aus Rente und einer vermieteten Wohnung belaufen sich auf 3.000 Euro und stehen monatlichen Ausgaben von 5.000 Euro gegenüber, ergibt sich eine Ein­­kommenslücke von 2.000 Euro. Blicken wir nun zehn Jahre weiter und nehmen wir an, dass die eigenen Einnahmen im Jahr um 1 Prozent steigen und die Ausgaben um 3 Prozent. In zehn Jahren summieren sich die monatlichen Ausgaben dann auf 6.720 Euro, während die regelmäßigen Einnahmen auf 3.310 Euro gestiegen sind. Somit ist die Einkommenslücke um 1.410 Euro auf 3.410 Euro angewachsen. Das bedeutet, dass diese Lücke pro Jahr um 5,4 Prozent größer geworden ist.

Vermögens­übersicht

Nachdem sich der Finanzchef Klarheit über die zukünftigen Einnahmen und Ausgaben verschafft hat, muss er in einem nächsten Schritt die vorhandenen Vermögenswerte zusammenstellen. Zunächst hat sich der Finanzchef aber einen Überblick über die vorhandenen Werte – und Schulden – zu verschaffen, wozu die Vorlage zur Vermögensübersicht hilfreich sein kann.

Im Ruhestand kommt dem Vermögen eine völlig neue Aufgabe zu. Während des Erwerbslebens ging es vor allem darum, Kapital aufzubauen. Das Erwerbseinkommen wurde nicht vollständig verbraucht, die verbleibende Sparquote floss den Vermögensanlagen zu. Dagegen ist im Ruhestand das Vermögen dafür verantwortlich, den errechneten Einkommensbedarf in Form von Erträgen oder Verzehr zur Verfügung zu stellen. Dies bringt übrigens hohe Anforderungen an die Strukturierung der Anlagewerte mit sich, worauf in Kapitel 7 noch genauer eingegangen wird.

Bewertung von Marktpreisen

Die einzelnen Vermögensbestandteile sollten grundsätzlich mit ihrem Markt- oder Verkehrswert aufgeführt werden. Das ist der Preis, der bei einer Veräußerung am Stichtag zu erzielen wäre. Bei Aktien und Anleihen können die Börsenkurse herangezogen werden. Auch Invest­mentfonds können zu den von den Fondsgesellschaften börsentäglich berechneten Rücknahmepreisen in die Aufstellung einfließen. Bei Kapitallebensversicherungen lassen sich die aktuellen Rückkaufswerte bei der jeweiligen Versicherungsgesellschaft erfragen. Falls die Vorsorgegelder auch als Kapital (und nicht nur als Rente) bezogen werden können, kann der Arbeitgeber oder die entsprechende Institution (Pensionskasse, Lebensversicherung usw.) Auskunft geben.

Während die Bewertung von Kapitalanlagen oder Versicherungen für die Vermögensaufstellung noch relativ problemlos möglich ist, ergeben sich bei anderen Vermögenswerten mitunter größere Schwierigkeiten, die besondere Beachtung erfordern.

Sonderfall 1: Eigene Firma

Bei aktiven Firmenbeteiligungen weiß der Unternehmer selbst am besten über den Wert Bescheid. Ausschlaggebend ist hier – wie auch bei Personengesellschaften und Freiberuflern – vor allem die Ertragslage des Unternehmens. Häufig werden diese Anteile im Rahmen einer Nachfolgeregelung sukzessive abgestoßen. Das führt dann zu einer Verschiebung von der Position »Firmenbeteiligungen« hin zum »liquiden Vermögen«. Teilweise existieren in diesem Zusammenhang auch Abzahlungsregelungen oder Vereinbarungen über rentenähnliche Zahlungen, die entsprechend in der Einnahmenplanung berücksichtigt werden können und müssen.

Sonderfall 2: Beteiligungen