Vorschau

 

Am 22. September erscheint Deinoid Band 5, »Macht der Lügen«.

Die Hinweise auf Scandus verdichten sich, weshalb Ty Hawkins mit der Shadow Dancer dorthin zurückkehrt. Doch die Suche nach den fremden Raumschiffen wird nicht nur zu einer Geduldsprobe, sondern führt auch zu erneuten gefährlichen Konfrontationen mit dem Beringson-Clan. Es kommt zu riskanten Manövern, die nicht nur Ty all sein Können abverlangen.

Gleichzeitig nehmen die Deinoiden und Yugashi das Bauwerk in der nördlichen Region auf Scandus wieder in Betrieb. Es ist mit Abstand das am besten erhaltene und führt ihnen vor Augen, wie wenig sie bislang über Herkunft und Absichten der Baumeister wissen. Die anhaltende Rivalität zwischen Deinoiden und Yugashi bringt weitere Konflikte, die vor allem Eyota schwer belasten. Sie bespricht sich mit dem Rat auf ihrer Heimatwelt und erhält die Erlaubnis, den Torus ab sofort als ständigen Stützpunkt der Deinoiden aufzubauen.

 

Am 20. Oktober erscheint Deinoid XT Band 5, »Hinter dem Schein«.

Drei Jahre sind seit dem ›Großen Deinoiden-Aufstand‹ vergangen, der unzähligen Menschen das Leben gekostet hat. Die großen Konzerne konnten den kompletten wirtschaftlichen Einbruch durch das Fehlen der genveränderten Klone nur verhindern, indem sie ihre Machtposition ausnutzten und das Rechtssystem dahingehend zu ihren Gunsten manipulierten, dass nahezu sämtliche Strafgefangenen in ihren Mienen als Arbeitssklaven eingesetzt werden. Auch der zu Unrecht verurteilte Dylan Breen gehört dazu. Doch statt dem erwarteten Tod findet er unerwartet Freunde – und Hoffnung.

 

 

 

OLIVER MÜLLER

Götterdämmerung

 

Deinoid XT Band 4

 

 

Inhalt

 

Impressum

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

 

 

Impressum

 

Erstveröffentlichung August 2017

Copyright © 2017 Deinoid by Ben Ryker

Copyright © 2017 der eBook-Ausgabe by Verlag Peter Hopf, Petershagen

 

Cover und Umschlaggestaltung: Arndt Drechsler

Redaktionelle Betreuung: Thomas Knip

E-Book-Konvertierung: Die Autoren-Manufaktur

 

ISBN ePub 978-3-86305-239-3

 

www.verlag-peter-hopf.de

 

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Alle Rechte vorbehalten

 

Die in diesem Roman geschilderten Ereignisse sind rein fiktiv.

Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Begebenheiten, mit lebenden oder verstorbenen Personen wäre rein zufällig und unbeabsichtigt.

Der Nachdruck, auch auszugsweise, die Verarbeitung und die Verbreitung des Werkes in jedweder Form, insbesondere zu Zwecken der Vervielfältigung auf fotomechanischem, digitalem oder sonstigem Weg, sowie die Nutzung im Internet dürfen nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages erfolgen.

 

 

Kapitel 1

 

Lyandra Bridges blickte auf das Hauptdisplay. Wenn sie den Anzeigen Glauben schenkte, und es gab keinen Grund, das nicht zu tun, dann würde die Lunatic in weniger als einer Stunde auf der Erde landen.

Zuhause, dachte sie mit einem Anflug von Sarkasmus.

Es fühlte sich nicht so an, als würde sie nach Hause kommen. Was vor allem daran lag, dass sie kein wirkliches Zuhause hatte. Klar, es gab eine Wohnung, in die sie gehen konnte, aber war das wirklich eine Heimat?

Heimat ist, wo das Herz ist, sagte man. Und ihr Herz hing nicht an diesen vier Wänden.

Sie teilte sich die Wohnung zwar mit ihrer Schwester Jayla, die für sie ihre Familie war, aber es war trotzdem kein Ort, zu dem es sie hinzog oder an dem sie sich besonders wohlfühlte. Es war einfach nur eine Unterkunft. Etwas, das man halt hatte.

Die Wohnung lag in Kapstadt, dem Sitz ihres Arbeitgebers, der BRIACO. Der Konzern hatte sie ihr auch zur Verfügung gestellt und bezahlte die Miete. Der Grund war nicht das soziale Gewissen der Firma. Man wollte die Angestellten einfach in der Nähe haben. Abrufbereit.

Die Wohnung war nicht mehr als eine Bleibe, in der sie ein paar Tage verbrachte, wenn sie gerade keinen Auftrag für das gigantische multinationale Unternehmen ausführte.

Wobei sie sich schönere Plätze auf der Erde vorstellen konnte, an denen es sich leben ließ. Kapstadt mit seinen über sieben Millionen Einwohnern war ein gigantischer Moloch. Das war gut, wenn man anonym bleiben und wenig mit den nächsten Nachbarn zu tun haben wollte. Und es war schlecht, wenn man einen gewissen Wert auf Privatsphäre und Platz legte.

Seit große Teile Nordeuropas durch den Klimawandel versunken waren, zog es die Menschen nach Afrika. Früher der Kontinent, von dem die Menschen flohen, war es heute anders herum. Besonders rund um die Sitze der großen Konzerne gab es verstärkt Ansiedlungen.

Auf der einen Seite die Menschen, die Arbeit suchten und sich damit ein gutes Leben aufbauen wollten. Auf der anderen Seite diejenigen Subjekte, die von der Arbeit der anderen leben und deren Früchte ernten wollten.

Obwohl Lyandra sich weder in Kapstadt noch in ihrer Wohnung besonders wohl fühlte, sehnte sie sich nach ein paar ruhigen Tagen in ihren vier Wänden. Doch bevor sie sich zurückziehen konnte, stand noch ein Termin an.

Jendram Prakash, ihr direkter Vorgesetzter, wartete auf ihren Bericht darüber, was auf X-Zeta-1, auch genannt Pulvis, geschehen war. Genau das war es, was ihr Magenschmerzen bereitete. Im Kopf war sie die Sätze, die sie sagen wollte, wieder und wieder durchgegangen. Hatte sich die Worte eingeprägt, wie eine Rede, die sie halten musste.

Wie eine Lüge, die ich aufrechterhalten muss.

Unwillkürlich schüttelte sie den Kopf. Mit Sicherheit hatte Prakash nicht geahnt, was sie und ihr Team auf Pulvis entdecken würden. Er hatte andere Absichten gehabt, als er ihnen den Auftrag erteilte, bis zum äußersten Rand der menschlichen Besiedlungszone zu fliegen. Genau dort lag Pulvis. Fernab von der Erde. Ein verdammt gutes Versteck.

Sie grinste. Zumindest war es das gewesen, bis sie dort gelandet waren. Mitten in einem Wespennest.

Jendram Prakash war Geschäftsmann. Was ihn interessierte, waren Zahlen und Fakten. Die würde sie ihm liefern. Allerdings würden sie ihm nicht gefallen.

Ihr Auftrag hatte gelautet, zu überprüfen, ob auf dem Kolonieplaneten seltene Erze und Metalle gewinnbringend abgebaut werden konnten. Das war keine neue Überlegung. Vor Jahrhunderten schon hatte man begonnen, auf Pulvis Minen zu eröffnen. Doch nach der Rebellion der Digger hatte man die Pläne verworfen, das Projekt war noch vor dem offiziellen Beginn eingestampft worden.

Seitdem hausten auf Pulvis Menschen, die mit der Erde nicht mehr viel zu tun hatten.

 Glücksritter, die darauf hofften, auf Pulvis das große Los zu ziehen, und Menschen, die aus guten Gründen mit der Erde nichts mehr zu tun haben wollten. Menschen auf der Flucht, die den Staubplaneten als Versteck nutzten.

Seit den Anfängen standen Minengeräte und Maschinen in den Schächten und Tunneln bereit. Sie würden sogar noch funktionieren. Jemand sorgte dafür, dass das so war. Oder hatte dafür gesorgt. Ob es jetzt noch so war, wusste sie nicht.

Tavol Birreks Schreie klangen in ihrem Kopf auf. Die Deinoiden hatten den Oberpriester für sein Verhalten bestraft. Lyandra schloss die Augen. Doch statt die Erinnerung damit zu verdrängen, verstärkte sie sie nur.

Vor ihrem geistigen Auge sah sie die drei Deinoiden, die auf Pulvis wie Götter verehrt wurden. War Tavol Birrek tot? Hatten die Götter ihren ersten Diener umgebracht?

Aber es sind keine Götter.

Das waren sie beileibe nicht. Aber sie hatten auf Pulvis einen gottgleichen Status inne. Und den wollten sie unter allen Umständen behalten. Das würde nicht funktionieren, wenn Menschen von der Erde in großer Menge auf Pulvis ankommen würden, um in den Minen zu arbeiten.

Genau dort lebten die Deinoiden in einem Raumschiffwrack, mit dem sie nach der Rebellion von der Erde geflohen waren. Wenn das altersschwache Schiff nicht auf Pulvis heruntergekommen wäre, würden sie nicht dort festsitzen. Es war reiner Zufall, der sich am Ende für die alten Wesen aber als Glücksfall erwiesen hatte.

Das ganze Gebiet mit seinen Schluchten galt als Heiligtum. Doch das würde die BRIACO nicht interessieren. Für das Unternehmen zählte nur Profit.

Lyandra dachte anders. Sie würde von den großen Gewinnen nichts abbekommen. Von daher war es ihr egal, ob die BRIACO Millionen scheffelte oder nicht. Dann blieb das Unternehmen eben nur die Nummer Zwei hinter der NEO-Hanse. Sie hätte nie gedacht, dass sie mal so denken würde. Früher war sie zu jeder Schandtat bereit gewesen, mit der sie der NEO-Hanse eins auswischen konnte. Doch die Vorzeichen hatten sich verändert. Für Lyandra gab es andere Probleme, die sie mehr beschäftigten.

Denn offenbar waren die Deinoiden, die sie entdeckt hatten, nicht die akuteste Bedrohung, auf die sich die Menschheit einstellen musste. Es gab Anzeichen, dass es außerirdische Aktivitäten in naher Distanz zur Erde gab. Vielleicht waren es andere Deinoiden, vielleicht eine gänzlich unbekannte Rasse.

Möglicherweise bedeuteten die entdeckten Energiesignaturen auch nur, dass sich einer der Megakonzerne nicht an die Absprachen zur Tarnung der Raumschiffe hielt. Was auch immer es war, wenn es zu einer Eskalation kommen sollte, dann war es nicht verkehrt, starke Verbündete zu haben. Darum war Lyandra den Pakt mit den Deinoiden eingegangen. Wenigstens redete sie sich ein, dass das der Grund gewesen war. Ganz sicher, warum sie so gehandelt hatte, war sie allerdings nicht. Warum auch immer, der Pakt bestand.

Sie sorgte dafür, dass auf der Erde nichts von den Deinoiden bekannt wurde und sie so als Götter weiterleben konnten. Dafür würden die Deinoiden an ihrer Seite stehen, wenn es nötig war. Zumindest hatten sie es ihr versprochen. Was aber war das Wort eines Deinoiden wert?

Dieser Pakt war mit niemandem vorher abgesprochen worden. Lyandra hatte aus einem Instinkt heraus gehandelt. Trotz aller Zweifel war sie doch überzeugt davon, dass Richtige getan zu haben. Aber sie wusste, dass nicht jeder in ihrem Team das so sah.

Ihre Schwester Jayla vertraute ihr. Jacob Lyle, der Fachmann für alles Technische, ebenso. Wenn er überhaupt darüber nachdachte, da war sie sich nicht so sicher. Solange Jacob an etwas tüfteln und Probleme lösen könnte, war er mit sich und der Welt zufrieden.

Reg Harting allerdings war von ihrer Idee nicht begeistert. Er hatte den Deinoiden gegenüber die größte Ablehnung gezeigt. Sie warf einen Blick zu ihm hinüber. Ihr Copilot saß neben ihr und betrachtete geflissentlich die Anzeigen auf seinen Displays.

Da sie kurz vor der Landung standen, wusste sie, dass er vor allem so angespannt auf die Daten starrte, weil er einer Unterhaltung aus dem Weg gehen wollte. Aber sie fühlte, dass es nötig war, noch einmal mit ihm zu sprechen, bevor sie in Kapstadt landeten und sie sich auf den Weg zu Prakash machte.

»Reg?«

»Hmm?«

Er brummte nur kurz und sah sie nicht mal an.

»Alles in Ordnung mit dir?«, fragte sie.

»Klar«, gab er sich einsilbig.

»Ich würde gerne noch mal mit dir reden.«

Zum ersten Mal sah er sie an. Sein Gesicht war ausdruckslos. »Worüber?«

Ihre Mundwinkel zuckten. »Du weißt worüber.«

»Dann gibt es nicht viel zu bereden. Du kennst meinen Standpunkt.«

Sie nickte. »Ja. Aber ich halte ihn für falsch. Reg, überleg doch mal bitte. Was hätte ich sonst tun sollen? Wir waren auf die Hilfe der Deinoiden angewiesen. Ohne ihre Daten hätten wir vielleicht nicht einmal den Start von Pulvis überlebt.«

Reg brummte etwas Unverständliches. Lyandra machte sich nicht die Mühe, nachzufragen, sondern sprach weiter. »Denk an die fremden Energiesignaturen, die angemessen wurden. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass andere Aliens dahinterstecken. Oder mehr Deinoiden.«

Sie konnte genau sehen, wie sehr ihn der Gedanke störte. Ihm reichten schon die drei Deinoiden von Pulvis. Mehr von dieser Sorte wollte er auf keinen Fall haben.

Er warf einen kurzen Blick auf sein Display. Seine Augen wanderten suchend über die Skalen und Werte, als würde ihm dort angezeigt, was er antworten sollte. Schließlich rang er sich zu einem Nicken durch.

»Also gut, ich gebe dir ja recht. Aber es war nicht abgesprochen, Lyandra. Das ist es, was mich besonders stört.«

Der Vorwurf traf Lyandra, aber sie hatte damit gerechnet. »Ich weiß. Und es tut mir leid. Aber was hätte ich tun sollen? Es bestand kaum die Möglichkeit, dass wir uns besprechen konnten. Jayla und Jacob konnte ich ebenso wenig einbinden. Aber sie stehen hinter mir und tragen die Entscheidung mit. Und ich hoffe, dass du das auch tust.«

Reg sah ihr lange in die Augen. Dann nickte er. »Ich hoffe nur, dass wir das nicht irgendwann bereuen werden.«

Irgendetwas lag in seinem Blick, das Lyandra nicht deuten konnte. Die dunkle Stimmung, die zwischen ihnen geherrscht hatte, war ausgeräumt. Aber da musste noch was anderes sein, das Reg Harting bedrückte. Sie überlegte noch, ob sie weiter in ihn dringen sollte, als Jacob Lyle sich zu Wort meldete.

»Lyandra?«

»Ja?«

»Die Proben sind präpariert. Egal, wie sie sie untersuchen, sie werden zu dem Schluss kommen, dass ein Abbau nicht lohnenswert ist.«

»Danke, Jacob.«

Inzwischen war die Erde auf dem Hauptdisplay zu sehen. Der blaue Planet nahm fast die gesamte Darstellung ein. »Ich übernehme die Steuerung«, sagte Lyandra und stellte den Autopiloten aus. Es gehörte zu ihren Eigenheiten, dass sie das letzte Stück gerne selber flog. Sie war einfach durch und durch Pilotin.

In Windeseile kam Afrika näher. Nur noch wenige Minuten, dann würde die Lunatic auf dem firmeneigenen Raumhafen der BRIACO auf südafrikanischem Boden aufsetzen. Im Gegensatz zum Anflug auf Pulvis war das hier ein Kinderspiel. Über dem schwarzen Kontinent herrschte strahlender Sonnenschein und nichts störte den Landeanflug.

Vom Raumhafen aus würde sie einen kleinen Gleiter nehmen und zur Zentrale der BRIACO fliegen. Ein gewaltiger Gebäudekomplex. Im Inneren voller Luxus, besonders das Büro ihres Chefs. Für sie eine fremde Welt. Genauso fremd wie Pulvis es war.

»Was wirst du Prakash erzählen?«

Lyandra war überrascht, dass Reg das Thema noch einmal aufgriff. Er hatte auf sie gewirkt, als wolle er nicht weiterreden. Da sie sich auf die Landung konzentrierte, antwortete sie, ohne ihn anzusehen.

»Dass wir nichts gefunden haben, was den Abbau rechtfertigt. Die von Jacob präparierten Proben stützen meine Aussagen. Danach dürfte das Thema Pulvis für die BRIACO erledigt sein.«

Reg schnalzte mit der Zunge.

»Und für dich?«

Sie wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Einerseits hoffte sie, dass auch sie das Abenteuer auf dem Staubplaneten abhaken konnte. Andererseits fand sie die Deinoiden faszinierend. Außerdem war da ihr Bauchgefühl. Und das sagte ihr unmissverständlich, dass das Kapitel noch lange nicht durch war.

Um sich auf andere Gedanken zu bringen, gab sie der Kontrolle vom Raumhafen ihre Daten durch. Kurz darauf bekam sie einen Landeplatz zugewiesen. Sie brachte die Lunatic sicher zu Boden.

»Ich glaube, ihr könnt hier auf mich warten. Ich gehe zwar nicht davon aus, dass wir sofort einen neuen Auftrag bekommen, aber ich will euch von der Unterredung mit Prakash berichten, wenn ich zurückkomme.«

Nacheinander sah sie ihre drei Crewmitglieder an. Jacob nickte, Jayla verabschiedete sie mit einer Umarmung. »Bis später, Schwesterherz«, sagte sie. Am Ende warf sie Reg einen Blick zu. Der trainierte Mann saß auf seinem Platz und starrte ins Leere. Irgendetwas stimmte nicht mit ihm. Aber sie hatte jetzt keine Zeit mehr, sich darum zu kümmern. Später würde sie noch einmal das Gespräch mit ihm suchen, nahm sie sich vor.

 

 

Kapitel 2

 

Die Menschen um sie herum waren ebenso in Eile wie sie. Aber es war eine andere Art von Eile. Lyandra wollte einfach nur schnell aus der Menschenmenge heraus, die die Empfangshalle der Zentrale der BRIACO überfüllte.

Die Männer und Frauen um sie herum hatten andere Gründe, durch das Leben zu eilen. Lyandra sah eine Gruppe von Menschen, die durch das Gebäude geführt wurde und die Zentrale besichtigte.

Die meisten Anwesenden aber waren Angestellte und Geschäftspartner. Termine, Meetings und Besprechungen bestimmten ihren Zeitplan. Doch egal wie dringend es war, die Zeit reichte bei den Anzugträgern immer, um sie mit einem skeptischen Blick zu mustern. In Sekundenschnelle wanderten die Blicke von den Schuhen bis zu den Haaren, wobei sie auf ihrem Gesicht oft ein wenig länger verweilten als notwendig. Lyandra erwiderte die Blicke nicht, spürte sie aber förmlich.

Es war ihr egal. Sie brauchte keine Anerkennung. Nicht von den Menschen, die für die BRIACO arbeiteten, und auch nicht von den Kunden, die die Firmenzentrale in Kapstadt aufsuchten.

Das Stimmengewirr vermittelte ihr den Eindruck, sie würde sich in einem Bienenkorb befinden. Lyandra hatte einmal einen Imker besucht. Dabei hatte sie bis dahin gedacht, Bienen wären schon lange ausgestorben.

Die kleinen Tiere hatten sie fasziniert. Eine unglaubliche Hektik hatte geherrscht, trotzdem schienen alle einem großen Plan zu folgen. Das war hier anders. Jeder schubste und drängelte, um sich in dem Gewirr einen Vorteil zu erarbeiten.

Immer wieder musste sie Ellenbogen ausweichen und Haken schlagen. Sie war froh, als sie die mit Marmor ausgelegte Halle hinter sich gelassen hatte. Der Mann, der an der Tür ihre ID überprüfte, sah sie im Gegensatz zu den anderen nicht besonders aufmerksam an, obwohl es sein Job war. Entweder kannte er sie oder es war ihm egal, wer vor ihm stand.

Wahrscheinlich traf Letzteres zu. Bei der Anzahl an Personen, die er tagtäglich in das Innere des Gebäudes schleuste, war das kein Wunder.

Die Tür schloss sich lautlos hinter ihr und sofort wurde es ruhiger. Zwar waren auch hier Menschen unterwegs, aber mit dem Trubel in der Eingangshalle war es nicht zu vergleichen.

Festen Schrittes näherte sie sich dem Antigravlift. Ihr Ziel war die dreiundvierzigste Etage. Die konnte sie nicht direkt ansteuern. Davor lag noch ein Kontrollpunkt. Und dahinter noch ein Wachhund der besonderen Art.

Bei dem Gedanken an Sylvana Silk lief Lyandra ein leichter Schauer den Rücken hinunter. Gegen Jendram Prakashs Vorzimmerdrachen hegte sie eine besondere Abneigung, die immerhin auf Gegenseitigkeit beruhte.

Im vierzigsten Stock stieg sie aus dem Antigravlift und wurde von Wachleuten erwartet. Sie wurde nach ihren Wünschen befragt und dann durchleuchtet. Da sie keinen Termin hatte, wurde ihr Besuchswunsch weitergeleitet. Die Wachmänner baten sie, noch einen Moment Platz zu nehmen.

Die Sessel waren bequem, aber Lyandra hasste es zu warten. Und sie war sich sicher, dass Mrs. Silk sie absichtlich länger hier unten sitzen ließ, als es notwendig war. Endlich kam einer der Wachleuchte zu ihr herüber und nickte ihr zu. »Mr. Prakash erwartet Sie nun.«

»Danke.«

Er wies ihr die Richtung, die sie gehen musste, doch sie achtete nicht darauf. Sie war nicht zum ersten Mal hier und würde es nicht zum letzten Mal sein. Obwohl sie sich hier nicht wohlfühlte, war es immer noch besser, als in der Eingangshalle warten zu müssen.