Wir leben in einer Kultur, in der Trauer keinen Platz hat. Dabei kann der unterdrückte Schmerz schlimmen Folge für die körperliche und seelische Gesundheit der Hinterbliebenen haben. Dieses Buch erzählt von Menschen, die sich sehr bewusst von ihren Toten verabschiedet und dabei ganz persönliche Formen der Trauer gefunden haben: Sie zeichneten die verstorbene Mutter, legten der verunglückten Tochter letzte Gaben in den Sarg, sangen dem Vater noch mal seine Lieblingslieder. Die Bestsellerautorin Sabine Bode und der Bestatter David Roth schenken uns ein bewegendes Buch voller inspirierender Ideen, das zeigt, wie man angesichts des Todes zu neuer Lebensfreude gelangen kann.
Sabine Bode, Jahrgang 1947, ist Journalistin und Buchautorin. Bekannt wurde sie mit ihren Büchern DIE VERGESSENE GENERATION, NACHKRIEGSKINDER und KRIEGSENKEL. Frau Bode lebt in Köln.
David Roth, Jahrgang 1978, ist Bestatter und Trauerbegleiter. Als Mitglied der Geschäftsführung in dem Bestattungshaus Pütz-Roth bemüht er sich das Anliegen seines Vaters, Trauer individuell zu leben, weiterzuführen. Er lebt in Bergisch-Gladbach.
SABINE BODE
DAVID ROTH
Das letzte Hemd
hat viele Farben
Für einen lebendigen
Umgang mit dem Sterben
BASTEI ENTERTAINMENT
Dieses Buch basiert auf dem 1998 im Gustav Lübbe Verlag erschienenen Bestseller von Sabine Bode und Fritz Roth »Der Trauer eine Heimat geben. Für einen lebendigen Umgang mit dem Tod«. Nun wird es in einer grundlegend überarbeiteten Version neu aufgelegt. An die Stelle des am 13.12.2012 verstorbenen Firmengründers und Visionärs Fritz Roth tritt dessen Sohn David Roth, der das Bestattungsunternehmen mit seiner Schwester Hanna Roth leitet.
Die Fotos der Bildteile stammen aus den Ausstellungen
»Ein Koffer für die letzte Reise« (© Pütz-Roth) und »Im letzten Hemd« (© Thomas Balzer). Näheres zu diesen Ausstellungen lesen Sie auf den Seiten 192 bis 194. Portraitiert für die Ausstellung »Im letzten Hemd« wurden in der Reihenfolge ihres Auftretens: Angelika Beyer, Daniel Karabatakis, Janja Milosevic und Stephan Michels.
Vollständige E-Book-Ausgabe
des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
Für diese Ausgabe:
Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Textbearbeitung: Karin Beiküfner, Düsseldorf
Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, München
Umschlagmotiv: © FinePic / shutterstock
eBook-Erstellung: hanseatenSatz-bremen, Bremen
ISBN 978-3-7325-5611-3
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
Wir leben in einer paradoxen Kultur. Tagtäglich erfahren wir von Tod, Schmerz und Trauer aus den Nachrichten, tagtäglich wird auf den Bildschirmen, in Fernsehkrimis und Computerspielen massenhaft gelitten und gestorben. Zugleich haben wir im realen Leben Tod und Trauer aus unserem Alltag verdrängt. Friedhöfe verwahrlosen, Bestattungen werden kostengünstig, normiert und versachlicht abgewickelt. Für Trauerfeiern vergeben die Friedhofsämter Zwanzig- bis Dreißig-Minuten-Slots, dann müssen Predigt oder die warmen Worte des Trauerredners über die Bühne gegangen sein. Trauernde bleiben mit ihrem Leid und Schmerz allein. Gegen diese Kultur wendet sich dieses Buch.
Seit vor mehr als zwanzig Jahren das erste gemeinsame Buch von Sabine Bode und Fritz Roth erschien, hat sich manches verändert. Wir sind, weit stärker als frühere Generationen, eine mobile und flexible Gesellschaft. Viele Menschen leben nicht mehr an dem Ort, wo ihre Vorfahren vielleicht Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte lang beigesetzt wurden. Dank Internet, Smartphone und sozialer Medien haben sich die Informations- und Wahlmöglichkeiten in vielen Lebensbereichen vervielfacht. Auch im Bestattungsgewerbe und in der Trauerbegleitung sind neue Angebote entstanden, die sich von den überlieferten Traditionen und den damit verbundenen Ritualen entfernen.
Wir haben uns die Frage gestellt, was geblieben ist von unseren Beobachtungen, der Kritik und dem Anliegen, Tod und Trauer wieder einen Platz in der Mitte der Gesellschaft zu geben. Was hat sich weiterentwickelt in Deutschland, in der Bestattungskultur, in den Köpfen der Menschen? Darauf haben wir eine Antwort gesucht und uns entschieden, das Buch »Der Trauer eine Heimat geben« neu zu veröffentlichen und seine Grundgedanken mit den Erfahrungen einer jüngeren Generation zu verknüpfen.
Im »Haus der menschlichen Begleitung« ist vieles so geblieben, wie es Fritz Roth bestimmt hat. Aber ein Museum ist es nicht, im Gegenteil. Es ist ein Ort, an dem Menschen ihre Trauer leben können, und es ist ein lebendiger Ort der Begegnung, um sich mit Tod, Abschied und Trauer aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu befassen, um Veränderungen zu bewirken und »dem Tod einen Platz im Leben und in der Mitte der Gesellschaft (zurück-) zu geben«.
Dem Tod im Medium der Kunst zu begegnen ist ein Weg, ihm im Leben Raum zu geben. In Zeiten allgegenwärtiger Bilder besteht die Gefahr, sich auch an die Bilder eines fremden Todes zu gewöhnen. Unser aktuelles Kunstprojekt »Im letzten Hemd« greift den Kontrast zwischen den alltäglichen Bildern des fremden und des eigenen Todes auf. Früher wurde das letzte Hemd in den Schrank gelegt, als Memento mori, das den Gedanken an die eigene Sterblichkeit wachhielt. Das Totenhemd des 21. Jahrhunderts konkurriert mit einer Flut von Bildern und Botschaften, der es aus dem Schrank heraus nicht gewachsen ist. Wir haben fünfzig Menschen jeden Alters, aus allen Schichten und Lebenswelten eingeladen, sich in ihrem persönlichen »Letzten Hemd« fotografieren zu lassen. Und sich so auf besondere Art mit der eigenen Sterblichkeit zu konfrontieren – »Stell dir vor, du bist tot«.
Es hat sich in den letzten Jahren gezeigt, wie groß das Bedürfnis nach stimmigen Abschiedsritualen anstelle einer genormten, gefühlsarmen Begräbniskultur ist. Was Letzterer entgegengesetzt werden kann, davon handelt dieses Buch. Es beschreibt, wie Hinterbliebene ihren individuellen Abschied gestaltet haben, welche Gedanken und Gefühle sie dabei bestimmt haben – und dass sie gelegentlich damit auch auf Unverständnis gestoßen sind.
Dieses Buch erzählt von den persönlichen Erfahrungen, die Trauernde gemacht haben. Einige von ihnen haben uns ihre Geschichte gern unter ihrem richtigen Namen erzählt, andere, in diesem Buch mit einem * gekennzeichnete Personen, erhielten auf Wunsch eine neue Identität. Durch die Begegnung mit diesen Menschen, die offen über ihre Empfindungen sprachen, hat sich ein wertvoller Erfahrungsschatz angesammelt, der andere Wege der Trauerkultur aufzeigt.
Dieses ist jedoch kein durch und durch trauriges Buch. Genauso wenig wie das »Haus der menschlichen Begleitung« ein düsteres Trauerhaus ist, sondern eine helle, freundliche Atmosphäre schafft, die zum Leben ermutigen möchte.
Wir bitten die Leserinnen und Leser uns nachzusehen, dass auf die explizit weibliche Ausformulierung verzichtet wurde. Abschließend danken wir allen Menschen, die den Mut hatten, in der Trauer neue Wege zu gehen, und die uns ihre Erfahrungen erzählt haben, damit wir sie weitergeben können. Dank auch an alle anderen, die mitgeholfen haben, damit dieses Buch entstehen konnte.