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»Ein brutaler Motivator. Ein einfühlsamer Psychologe. Ein erstklassiger Taktik-Fuchs. Ein überragender Mensch.« Ralf Fährmann, Schalke 04

Der gesellschaftliche Druck in der heutigen Hochgeschwindigkeitszeit erreicht uns immer früher. Im Leistungssport und im Berufsleben zählen nur noch Bestleistungen. Du musst dann gut sein, wenn es darauf ankommt.

Norbert Elgert weiß genau, wie wichtig mentale Stärke, Belastbarkeit und Durchhaltevermögen für den Erfolg sind. Seit 1996 ist er Ausbilder beim FC Schalke 04; er zählt zu den besten seines Fachs. Zu den Spielern, die aus seiner Schule hervorgegangen sind, gehören u.a. Julian Draxler, Manuel Neuer, Mesut Özil, Leroy Sané und Benedikt Höwedes. Sie sind Meister, Pokalsieger, Stars in den besten Ligen der Welt, Champions-League-Sieger und auch Weltmeister geworden.

Was macht Elgert so erfolgreich? Was sind seine Strategien? Wie geht er mit

Menschen um?

Authentisch, sympathisch und extrem ehrlich erzählt der Coach anhand seiner eigenen Lebensgeschichte und seiner Arbeit mit den Nachwuchsfußballern, was es braucht, um Erfolg zu haben und seinen Weg zu gehen. Er erklärt, wie man mit permanentem Druck, Stress und Angst umgeht und das Beste aus sich und anderen herausholt.

»Ich habe bisher nur wenige Menschen im Haifischbecken Fußball kennengelernt, die so ehrlich und fair mit sich selbst und anderen umgehen wie Norbert Elgert.« Julian Draxler, Paris Saint-Germain

Mit Gastbeiträgen von:

Julian Draxler – Manuel Neuer – Sead Kolašinac – Mesut Özil – Thilo Kehrer – Leroy Sané – Benedikt Höwedes – Ralf Fährmann – Christian Melchner – Jenny Kunter-Elgert – Alfred Draxler – Clemens Tönnies – Philipp Max – Oliver Ruhnert – Andreas Müller – Joel Matip – Charles Takyi –

Norbert Elgert wurde im Januar 1957 in Gelsenkirchen geboren. In 159 Profispielen, davon 83 für Schalke 04, erzielte der Stürmer 37 Tore. Seit 1996 ist Elgert Nachwuchstrainer in der Knappenschmiede der Königsblauen. Er brachte mittlerweile mehr als 80 Bundesliga-Profis heraus. Dreimal führte Elgert die U19 der Schalker zur Deutschen A-Jugend-Meisterschaft und zweimal zum DFB-Pokalsieg. Der DFB-Trainer des Jahres 2013 ist Mitglied der Schalker Ehrenkabine und lebt mit seiner Frau in Dorsten. Sie haben eine verheiratete Tochter und zwei Enkelkinder.

NORBERT ELGERT

GIB ALLES
NUR NIE AUF!

Die Erfolgsstrategien
vom
Trainer der Weltstars

Aufgeschrieben
von Kai Psotta

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Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten
sind im Internet unter www.dnb.de abrufbar.

© 2019 Ariston Verlag in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Alle Rechte vorbehalten

Redaktion: Dr. Ulrike Strerath-Bolz

Umschlaggestaltung: Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich

unter Verwendung eines Fotos von Kay Blaschke

Bildredaktion: Bele Engels

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN: 978-3-641-24070-7
V001

Inhalt

Prolog: Programmstörungen

Clemens Tönnies: Mein Spaziergang mit der unbiegsamen Glucke

Kapitel 1: K. o. in Schallgeschwindigkeit

Sead Kolašinac: Wie mich Norbert Elgert in Asterix, den Gallier, verwandelte

Mesut Özil: Mein letztes Hemd für Norbert Elgert

Kapitel 2: Die richtige Auswahl vom Buffet

Thilo Kehrer: Der Dateien-Beschaffer

Christian Melchner: »Ich habe einen anderen Weg gefunden, glücklich zu werden«

Kapitel 3: Ein Brief mit Folgen

Jenny Kunter-Elgert: Mein Showdown mit dem Motivations-Papa

Leroy Sané: Tritte fürs Leben

Kapitel 4: Auf dem Holzweg

Benedikt Höwedes: Vorturner, Vordenker und Vorbild in einer Person

Ralf Fährmann: Wie mich Norbert Elgert auf die Verlockungen der Glamourwelt vorbereitete

Kapitel 5: »Wenn ihr nicht reden wollt, geht zu den Fischen ins Aquarium«

Alfred Draxler: Elgert, der elektrische Hase

Julian Draxler: Die Sache mit den zwei jämmerlichen Klimmzügen

Kapitel 6: Co-Trainer? Bin ich nicht!

Philipp Max: Vom durchschnittlich trainierten Schachspieler zum Deutschen Meister

Oliver Ruhnert: »Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit«

Kapitel 7: Comeback

Andreas Müller: Ohne Conny wäre er nur zu 50 Prozent leistungsfähig

Joel Matip: Norbert Elgert und der Selbstvertrauens-Turbo-Booster

Kapitel 8: Lasst Fummelköpfe zu!

Charles Takyi: Du willst wirklich Profi werden?

Manuel Neuer: Als Hase Hans in der Kabine bleiben musste

Epilog: Das Buffet ist eröffnet

Von Herzen Danke

Bildteil

Quellennachweis

Prolog: Programmstörungen

Elegant und seelenruhig treiben Koi-Karpfen durch den schmucken, ganz gewiss von einem teuren Gartenarchitekten angelegten Teich. Immer wieder steigen sie zur Wasseroberfläche auf, um mit ihren Mäulern nach etwas Fressbarem zu schnappen.

Alle Farbnuancen sind im Teich versammelt. Der Karashi, zu Deutsch Senfkarpfen, gibt dem Gewässer einen gelben Anstrich. Der Taisho besticht mit roten und schwarzen Flecken.

Diese außergewöhnlichen Zuchtfische, die einst im Kaiserhaus in Tokio in den Teichen schwammen, gelten als Symbol des Edlen und des Stolzes. Mal werden sie als Könige der Gartenteiche und mal als »Porsche im Karpfenteich« bezeichnet. Inzwischen auf der ganzen Welt.

Angeblich sollen sie sehr zutraulich sein, sich streicheln lassen und sogar ihre Halter erkennen. Gerade dadurch entstehe eine besondere emotionale Bindung, sagt man.

Der Wert der Fische, die hier vor mir schwimmen, liegt, so meine ich zumindest am Rande aufgeschnappt zu haben, bei Zehntausenden von Euros. Und ich halte einfach so meine käseweißen, mit Brandblasen übersäten Füße in diese Kostbarkeit hinein.

Zum Glück scheint es den Tieren nichts auszumachen, dass einige Seminarteilnehmer und ich ihr Gewässer zur Abkühlung nutzen. Und auch ihr Besitzer versteht es zu meiner Verwunderung nicht als größeren Affront und hat uns auch nicht sofort seines Grundstücks verwiesen, nachdem wir wortlos an ihm vorbeigesprintet sind und unsere Füße ohne Nachfragen einfach so ins Wasser tauchten.

Stattdessen erzählt uns Nikolaus Enkelmann, der Teichbesitzer und unser Freund, während er neben mir steht und die skurrile Szene beobachtet, vom knallharten Ausleseverfahren, nach dem Koi-Karpfen in einigen japanischen Züchtungen ausgewählt werden. Von 300 000 Fischen würden vier Wochen nach der Geburt bis zu 97 Prozent aussortiert, je nach Muster, Größe und Form der Schuppen. Nach zwei weiteren Runden bliebe am Ende nur ein halbes Prozent übrig, sagt er. 298 500 Fische werden nach dieser Rechnung also für zu schlecht erachtet. Oder für zu hässlich. Jedenfalls entsprechen sie offenkundig nicht den Ansprüchen der Koi-Züchter.

»Die Quote ist ja noch schlimmer als die Durchkomm-Quote im Jugendfußball«, murmle ich in Gedanken vor mich hin.

Trainer bin ich eigentlich schon seit 1973. Damals trainierte ich bereits im Alter von 16, 17 Jahren die E-und D-Jugend von meinem Heimatverein Westfalia-Westerkappeln. Seit 1996 bin ich als Coach auf Schalke. Einer der Männer, der den Jungs auf dem Weg zum Profi helfen soll. »Bin ich etwa«, grüble ich, »wie einer dieser Koi-Züchter?«

Steve Coppell, der frühere Profi von Manchester United, der nach seiner aktiven Fußballkarriere als Trainer bei Crystal Palace begann, sagte einmal über die Talentsuche im Nachwuchsbereich: »Es ist wie mit den Schildkröten in der Südsee. Tausende schlüpfen am Strand, aber nur wenige erreichen wirklich das Meer.«

Sehr plakativ. Aber dadurch nicht richtiger. Denn nach einigem Nachdenken komme ich zu der Erkenntnis, dass meine Arbeit nicht auch nur ansatzweise mit dem Schildkröten-Bild vergleichbar ist. Und ich bin auch nicht im Geringsten wie ein Koi-Züchter.

Denn bei mir können die Jungs durch Talent, Arbeit, Fleiß, Einstellung und Willen weiterkommen. Niemand wird nur wegen seines Aussehens aussortiert. Oder weil die Natur es so will und die Fressfeinde gnadenlos zugeschnappt haben. Ich gebe, oder versuche es zumindest, meinen Jungs auf ihrem Weg immer etwas mit. Ganz abgesehen davon, dass bei mir natürlich alle am Leben bleiben …

Ich sehe mich eher wie ein Gärtner. Einer, der es mit jungen Pflänzchen zu tun hat, die gegossen, getrimmt, geschnitten, gepflegt, mal umgetopft, mal veredelt oder auch mal wieder aufgepäppelt werden müssen. Das alles mit dem Ziel, den Pflänzchen zum Idealwuchs zu verhelfen und dafür zu sorgen, dass sie eine tiefe, feste Wurzel bekommen.

Oder, wenn man es noch anders verbildlichen will: Ich bin wie ein Diamantenschleifer, der mit seiner Handwerkskunst dafür zu sorgen hat, dass ein Rohdiamant nach aufwendiger Verarbeitung sein unnachahmliches Funkeln entfaltet.

Um das zu gewährleisten, um als Diamantenschleifer und Gärtner erfolgreich zu sein, muss ich viel mehr sein als nur ein Trainer. Dafür reicht es nicht aus, sich immer neue Trainingsformen zu überlegen. Mal Rondo spielen zu lassen, mal das Gegenpressing oder den Abschluss zu verbessern.

In der Öffentlichkeit mag der Irrglaube vorherrschen, der Lebensrhythmus junger Fußballer gleiche einem magischen Kreisverkehr. Man stehe auf, trainiere, esse, trainiere wieder, lasse sich behandeln, schlafe, absolviere Spiele und mache das so lange, bis man bereit sei, die Ausfahrt zur Profikarriere zu nehmen. Dass es bis dahin viele weitere Abzweigungen gibt, Bodenschwellen, Absperrungen oder Umleitungen, wollen viele nicht wahrhaben.

Damit die »Diamanten« zum Funkeln kommen, muss ein guter Coach unter anderem auch ein guter Zuhörer sein, ein detaillierter Beobachter und auch ein begeisternder Motivator. Wir müssen nicht nur den Fußballer weiterbringen, sondern auch den Menschen dahinter. Denn wir Ausbilder – und das sollten sich alle immer wieder klarmachen – bilden nicht nur künftige Profis für den Fußball aus. Sondern auch Profis fürs Leben. Unser Anspruch ist es, den Kopf der Jungs mindestens genauso intensiv zu trainieren wie ihre Füße. Denn jeder weiß – der Kopf gewinnt.

Trainer müssen ihre Rolle sehr genau einschätzen können und sich ihrer Wirkung auf die Spieler bewusst sein. John Wooden, eine der faszinierendsten Trainerpersönlichkeiten überhaupt, hat einmal in einem seiner Vorträge einen Vers zitiert, der da lautete: »Kein geschriebenes Wort, kein mündlicher Appell kann unsere Jugend lehren, was sie sein soll. Auch nicht all die Bücher in all den Regalen. Vorbild sind nur die Lehrer selbst.«[1]

Jede Führungskraft, jeder Lehrer und jeder Trainer sollte auch ein Vorbild sein. Mein Mentor Nikolaus Enkelmann sagte dazu: »Vorbilder weisen uns den Weg und zeigen uns, wie es sein wird, wenn wir am Ziel sind. Vorbilder haben die Reise schon hinter sich.« Führen durch das Beispiel ist enorm wichtig. Wasser predigen und Schnaps trinken funktioniert nicht.

Anschließend erzählte Wooden, der erfolgreiche Basketball-Collegetrainer, der mit der University of California, Los Angeles zehn Meistertitel gewann (davon sieben in Serie), von einer Lehrerin, die vor ein paar Jahrzehnten auf die Frage, warum sie diesen Beruf ausübe, antwortete: »Wo sonst wäre ich in so großartiger Gesellschaft? Dort sitzt ein Staatsmann, stark, unbefangen, weise. (…) Ein Arzt sitzt neben ihm, dessen geschickte, ruhige Hände einen Knochen reparieren. Oder der das Lebensblut am Ausströmen hindern wird. Und da ein Baumeister, stark empor baut er die Bögen einer Kirche (…) Und überall sind Lehrer, Bauern, Kaufleute und Arbeiter versammelt. All jene, die arbeiten und wählen und bauen und planen und beten für bessere Tage.«[2] Wooden ergänzte die Antwort der Lehrerin mit seinem persönlichen Empfinden, dass es einen Lehrer glücklich mache, zu sehen, wie all diese jungen Menschen ihren Weg gegangen sind.

Tatsächlich ist es die größte Freude, wenn man als Trainer dazu beigetragen hat, dass Spieler einen erfolgreichen Weg gehen. Dass sie es schaffen, in großen Mannschaften anzukommen und ein gefestigtes Element darin zu sein. Auch ich darf täglich, seit mehreren Jahrzehnten inzwischen, in großartiger Gesellschaft arbeiten. Mit zukünftigen Fußballprofis, Lehrern, Ärzten und erfolgreichen Handwerkern. Wenn einer unserer Jungs in einer anderen Branche erfolgreich wird, macht mich das genauso stolz wie eine Profikarriere bei Schalke, Real Madrid, Bayern München, Arsenal London oder Juventus Turin. Wenn sie Erfolge im Trikot der deutschen Nationalmannschaft erzielen oder Meisterschaften in welcher Liga auch immer gewinnen.

Um meinem Anspruch gerecht zu werden, Lehrer und Trainer in einem zu sein, ein Mensch mit Werten, die weit über den Rasenplatz hinausreichen, bin ich immer auf der Suche nach neuen Denkanstößen und Inspirationen. Bilde mich weiter. Lese bis zu 50 Bücher pro Jahr und arbeite sie mit dem Textmarker durch. Und verbrenne mir, wenn es sein muss, eben auch mal die Füße.

Ich wollte mich daran versuchen, wie es ist, über glühende Kohlen zu laufen. Mich der Angst vor der Glut stellen und die positive Erfahrung erleben, sie bewältigt zu haben.

Der Feuerlauf-Coach forderte uns Teilnehmer auf, an eine kühle, feuchte Wiese zu denken, durch die wir barfuß schritten. Eine Wiese, die nach einem kräftigen Gewitterschauer richtig wassergetränkt und pitschepatschenass war. Bei jedem Schritt sollte uns in der Vorstellung der Matsch zwischen den Zehen emporsteigen. »Spürt das Wasser«, sagte er. »Spürt die Frische an eurer Fußsohle. Diese herrlichen Wassertropfen, wie sie eure Füße beleben und an euren Hacken herablaufen.«

Ich hörte die Worte. Aber ich spürte nichts davon. Es gelang mir einfach nicht, mir diese Wiese mit ihrem Matsch und den feuchten Grashalmen vorzustellen. Statt das Bild in meinem Kopfkino anzuknipsen, hatte ich Programmstörungen. Sosehr ich mich auch bemühte, es wollten einfach keine Bilder vor meinem geistigen Auge entstehen.

Einer nach dem anderen lief nun über die Kohlen, genau der Instruktion des Seminarleiters folgend. Ich sah, wie sie Schritt für Schritt über die Kohlen gingen. Ich sah, wie sie sich freuten, nachdem sie das Ende erreicht hatten. Ich sah strahlende Kohlen-Bezwinger. Ich sah meine Umwelt um mich herum ganz klar. Nur das, was ich sehen sollte, sah ich eben nicht.

»Du wirst dir doch«, schimpfte ich gedanklich mit mir, »eine simple nasse Wiese vorstellen können. Los, Norbert! Nasse Wiese! Nasse Wiese! NASSE WIESE!«

Nur noch zwei Teilnehmer waren vor mir an der Reihe. Nur noch einer. Dann stand ich vor den glühenden Kohlen. Und schaffte es noch immer nicht, meine Fußsohlen gedanklich durch eine feuchte Wiese abkühlen zu lassen.

Trotzdem machte ich einen ersten Schritt auf die Kohlen. Es konnte doch nicht sein, dass es hier fast jedem gelang, dieses Experiment zu machen, und dass nur ich kneifen würde, weil mir partout diese Vorstellung nicht gelingen wollte.

Kaum stand ich auf den Kohlen, spürte ich die Hitze. Intuitiv ging ich auf die Zehen, wodurch sich die Wärme zusätzlich noch auf eine kleinere Fläche reduzierte. Dann begann ich zu rennen. Heiß! Heiß! Heiß! Ich machte alles falsch, was man beim Kohlelaufen falsch machen kann.

Als Erstes überwindet man seine eigene Angst vor der Glut, die streng genommen übertrieben ist. Kohle ist nämlich, im Gegensatz zum Beispiel zu Metall, gar kein guter Wärmeleiter. Die Chance, sich an einem Metalllöffel zu verbrennen, der in einer heißen Suppe steckte, ist höher. Kohle braucht eine Weile, ehe sie Gegenstände, mit denen sie in Kontakt kommt, erhitzt. Gleiches gilt für Wasser, aus dem unser Körper zu großen Teilen ja besteht.

Eigentlich kann man also, wenn man seine eigene Angst vor der vermeintlichen Hitze überwindet, im Schritttempo und auf der ganzen Fußfläche relativ risikofrei über Kohlen gehen. Eigentlich. Ich (und einige weitere Seminarteilnehmer) konnte es nicht. Sodass ich am Ende dieses Tages zumindest um die Lektion reicher war, dass ich Schwierigkeiten mit dem Visualisieren habe – wie viele andere Menschen auch.

Heutzutage hat man – nicht nur als Fußballer oder Profisportler – unglaublich viele Möglichkeiten, sich mental zu verbessern und zu optimieren. Dem einen hilft Kino im Kopf, dem anderen Autosuggestion oder zum Beispiel auch autogenes Training. Da ist und reagiert jeder anders.

Wir bieten den Fußballern, die zu uns in die Knappenschmiede kommen, immer zahlreiche Hilfestellungen für den Kopf an. Wir sagen ihnen aber auch immer unmissverständlich: »Ihr könntet euch nicht nur an einem Buffet den Magen verderben. Ihr könnt euch auch durch zu viel Input den Kopf verderben. Wenn ihr nämlich versucht, alles auf einmal auszuprobieren, statt gezielt das auszuwählen, was eurem Kopf bekömmlich ist. Also schlingt nicht alles gleichzeitig herunter. Sucht gezielt nach dem, was zu euch passt und euch hilft.«

Seit weit über 20 Jahren coache ich jetzt junge Menschen. Einer von ihnen war Mesut Özil. Ein paar Dinge müssen dabei richtig gewesen sein, immerhin schrieb der Weltmeister von 2014 in seiner Autobiografie Die Magie des Spiels über mich: »Elgert war der absolute Schlüsseltrainer in meiner Karriere. Er hat in mir gesehen, was zuvor viele Trainer noch nicht gesehen hatten. Er wollte immer mein Bestes und war immer für mich da. Von ihm lernte ich, was Taktik ist. Oft bin ich wie ein kopfloses Huhn über den Platz gelaufen. Er war – auch wenn über diesen Vergleich wohl viele mit dem Kopf schütteln werden und ihn nicht verstehen wollen – José Mourinho sehr ähnlich. Norbert Elgert hat immer seine Meinung gesagt. Er war nie zufrieden! Er hat mir die wichtigsten Lehren erteilt und mich auf die Profikarriere vorbereitet.«

Ich kann Ihnen, liebe Leserin und lieber Leser, keine Gebrauchsanweisung schreiben, nach der man gesichert Fußballprofi oder im Leben erfolgreich wird. Was ich aber kann: Ihnen meine Erfahrungen schildern und Ihnen sagen, worauf es meiner Meinung nach ankommt. Was man mitbringen muss, um eine Chance zu haben, ganz nach oben zu kommen. Mit welchen Rückschlägen junge Menschen umgehen können müssen. Und wie man es schafft, die richtigen Lehren aus Fehlern zu ziehen. Und ich kann, so glaube ich, ganz gut einschätzen, wie schwer es ist, eine Mannschaft als Trainer erfolgreich zu führen. Was es eigentlich überhaupt heißt, zu führen.

Führen ist immer situativ. Mal demokratisch. Mal laissez-faire. Durchaus auch mal autoritär. Gleichbehandlung heißt zum Beispiel für mich nicht, alle über einen Kamm zu scheren, sondern jedem das zu geben, was er braucht! Denn jeder Mensch ist einzigartig. Es gibt nachgewiesenermaßen keine zwei Menschen auf unserem Planeten mit dem gleichen genetischen Code. Den haben nicht einmal eineiige Zwillinge. Jeder von uns ist also ein Unikat. Ist das nicht großartig?

Wie auch immer: Ich habe weit über 20 Jahre gebraucht, im Coachen und Führen einigermaßen gut zu werden. Nun stelle ich Ihnen mein Know-how zur Verfügung. Vielleicht kann es auch Ihnen helfen, und das weit über den Fußball hinaus.

CLEMENS TÖNNIES

Mein Spaziergang mit der unbiegsamen Glucke

Norbert Elgert ist kein einfacher Mensch. Kein Fähnchen im Wind, das sich brav in die bequemste Richtung lenken lässt. Er hat seine eigene Meinung, und die vertritt er mit voller Überzeugung. Selbst wenn es dadurch unbequem wird. Er ist unbiegsam. Dadurch ist der Umgang mit ihm nicht immer einfach. Aber gleichzeitig macht ihn das so extrem wertvoll.

Norbert Elgert ist für seine Spieler ein wenig wie eine Glucke. Keine übervorsichtige Helikopter-Mama, aber er kann seine »Küken« vehement verteidigen, wenn er der Meinung ist, dass jemand sie zu früh aus dem Nest holen will. Wie oft haben wir mit ihm gestritten, weil wir mit einem seiner Talente eine Lücke bei den Profis schließen wollten, er aber noch nicht bereit war, sie uns zu überlassen. Weil er sich sorgte, dass dem Spieler die nötige Reife noch fehlen würde und es für seine Entwicklung kontraproduktiv wäre. Er hat keinen Einzigen seiner Spieler, die durch seine Schule gegangen sind, als »Produkt« gesehen. Er widmet der Persönlichkeit jedes Spielers unheimlich viel Aufmerksamkeit.

Norbert Elgert ist der Parade-Schalker. Sensibel, feinfühlig, empfindlich, klar, geradeaus. Ein korrekter Mensch, der auf sein Gegenüber eingehen kann. Der zuhören kann. Und der in der Lage ist, Dinge sehr klar zu analysieren. Zweimal haben wir darüber nachgedacht, Norbert Elgert zum Cheftrainer auf Schalke zu machen. Nach dem Aus von Mirko Slomka und nach der Trennung von Roberto Di Matteo. Beide Male gab es nicht die geringste Chance, ihn von dieser Idee zu überzeugen. Er hatte sich viel zu sehr seiner Nachwuchs-Mission verschrieben.

Dabei bin ich überzeugt, dass er ein großartiger Cheftrainer gewesen wäre. Ungeachtet dessen, dass er 2003 als Co-Trainer von Frank Neubarth eine weniger erfolgreiche Saison bei den Profis hatte. Damals war es einfach der falsche Zeitpunkt. Die damalige Mannschaft konnte man nicht zum Erfolg führen. Das waren unschöne Zeiten. Umgekehrt: So ist Norbert uns im Nachwuchs erhalten geblieben und hat einen großen Anteil daran, dass viele weitere Talente den Sprung zu den Profis geschafft haben: mit Manuel Neuer, Mesut Özil, Benedikt Höwedes und Julian Draxler allein vier spätere Weltmeister, dazu Joel Matip, Ralf Fährmann, Leroy Sané, Thilo Kehrer, Sead Kolašinac, Weston McKennie, aber auch Sebastian Boenisch oder Tim Hoogland. Was wäre das für eine Mannschaft …

Als Norbert Elgert Anfang 2016 kurzzeitig mit dem Gedanken spielte, unseren Verein zu verlassen, habe ich ihn sofort angerufen: »Spinnst du?«, fragte ich ihn am Telefon. »Was hast du da im Kopf? Wir haben doch gesagt: Wir beide machen Schalke. Jeder auf seiner Position. Ich verlasse mich doch auf dich!«

Ich habe mich in meinem Leben nie so hitzig gestritten, selbst mit Uli Hoeneß nicht, als es um Manuel Neuer ging. Wäre es aber in Sachen Elgert ernst geworden, hätte Bayern wirklich mit Vollgas um ihn gebuhlt, dann hätte meine Freundschaft zu Uli Hoeneß zumindest kurzzeitig mal ruhen müssen.

Aber zum Glück konnte ich Norbert ja bei mir in Rheda-Wiedenbrück schnell überzeugen, doch bei uns zu bleiben. Wir spazierten einmal um einen See, der sich ganz in der Nähe meines Hauses befindet, sprachen Klartext und waren uns zum Glück wieder einig. »Die Sklaverei, Norbert, ist abgeschafft. Jeder ist in seiner Entscheidung frei, zu bestimmen, wo er arbeitet«, sagte ich. Dann erinnerte ich ihn an seine Verantwortung gegenüber Schalke und an unsere Freundschaft.

Ich muss zugeben, dass ich auch persönlich einiges von ihm gelernt habe. Einmal habe ich mitbekommen, wie er mithilfe von einem Dutzend Holzstäben seiner Mannschaft erklärt hat, wie wichtig Teamwork und Zusammenhalt ist. Zunächst holte er einen einzigen Stab raus und bat einen Spieler, diesen zu brechen. Was natürlich gelang.

»Allein ist jeder eine arme Sau«, kommentierte er. »Einer allein wird nie bestehen können.« Dann holte er zwei, drei, vier raus und wiederholte das Szenario mit dem gleichen Ausgang. Als er einen zusammengeklebten Block aus elf Stäben rausholte, gelang es seinen Spielern nicht mehr, diesen zu brechen. »Ihr zusammen seid nicht kaputt zu kriegen«, stellte Elgert fest. Man muss die Gruppe zusammenhalten. Das ist nur eine von ganz vielen Botschaften, die ich als Unternehmer mit 15 000 Angestellten mitnehmen kann.

Wie man ohnehin viele seiner Lektionen aufs normale Leben übertragen kann. Norbert Elgert ist, und das ist das Schönste, mein Freund. Ein Vorbild. Ein verlässlicher Kerl. Wir können dankbar sein, dass er uns auf Schalke mit seinem Wissen und seiner Leidenschaft bereichert.