Das Titelbild stellt einen preußischen Ulanen dar, in einer Uniform, wie sie in der Mitte des 19. Jahrhunderts getragen wurde.
Alle Fotos, einschließlich des Titelbildes, sind vom Autor selbst aufgenommen und zeigen von Hand bemalte Zinn - und Bleifiguren aus seiner Sammlung.
© 2004 Wolfgang Glauche
Herstellung und Verlag: Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN 978-3-8448-7343-6
Inhalt
Prolog
1. Totale Institutionen
2. Das Entstehen der brandenburgisch – preußischen Armee
2.1 Die Herkunft der Soldaten
2.2 Das Offizierskorps
2.3 Ausländer in der brandenburgisch – preußischen Armee
2.4 Disziplinarwesen und Militärgerichtsbarkeit
2.5 Das Entstehen der Kasernen
2.6 Das Leben in den Kasernen
3. Das Militär und die Gesellschaft
4. Schlußbemerkungen
5. Literatur zum Thema
Soldaten aus der Zeit des Großen Kurfürsten
Prolog
Seit über 30 Jahren sammle ich historische Zinnfiguren. Anfangs waren es die farbenprächtigen Uniformen, die den Reiz für mich ausmachten. Mit der immer intensiver werdenden Beschäftigung stellte sich das Thema jedoch immer komplexer und vielschichtiger dar. Ich habe mich daher auf ein Teilgebiet, auf Preußen und das Deutsche Reich konzentriert.
Zinnfiguren, besser gesagt Zinnsoldaten, denn zivile Figuren waren weit seltener, sind in früheren Zeiten nur nebenher als Kinderspielzeug verwendet worden. In der Hauptsache waren sie militärisches Handwerkzeug von höheren Offizieren und Feldherren. Sie wurden zur plastischen Darstellung von Schlachten und Aufmarschplänen als Argumentations– und Verständnishilfen in so genannten Sandkästen verwendet, in denen eine bestimmte Landschaft oder ein bestimmtes Gelände detailgetreu wiedergegeben war. Noch heute bezeichnen wir rein theoretische Erwägungen als Sandkastenspiele.
Das Militärwesen durchzog alle gesellschaftlichen Bereiche. Das Heerwesen war ohne das gesellschaftliche Umfeld nicht denkbar. Umgekehrt stieß ich in der militärischen Literatur und in geschichtlichen Abhandlungen immer wieder auf Hinweise, daß das Militär weit in die Gesellschaft hinein wirkte und sie sogar teilweise bestimmte.
Die hier kurz geschilderten Beobachtungen sind für mich der Ausgangspunkt für meine Betrachtungen zum Thema:
„Pro gloria et patria? (Für Ruhm und Vaterland?)
Die totale Institution Militär am Beispiel der brandenburgisch-preußischen Armee“.
Der Große Kurfürst in der Tracht eines römischen Senators, wie ihn auch der Bildhauer Andreas Schlüter in seinem Reiterstandbild dargestellt hat ( zu sehen im Schloß Charlottenburg )
1. Totale Institutionen
Der Begriff Institution taucht im Sprachgebrauch in vielfacher Verwendung auf. Er wird fachbezogen genauso verwendet wie umgangssprachlich. Unser Leben ist von Institutionen geprägt. Dies wird durch das geregelte Zusammenleben der Menschen deutlich.
Nach vorherrschender Ansicht der Wissenschaft kennzeichnen folgende Faktoren eine Institution:
1.Die Idee der Institution
Sie wird von den Mitgliedern der jeweiligen Gruppe oder Gesellschaft festgelegt und anerkannt.
2.Der Personalbestand der Institution
So wird die Gruppe von Menschen bezeichnet, die die vorgegebene Rolle spielt.
3.Die Regeln oder Normen des Umgangs miteinander
Die Mitglieder der Institution unterwerfen sich diesen Regeln, oder die Regeln werden ihnen auferlegt.
4.Der materielle Apparat
Hier sind Gegenstände oder Räume gemeint, die in die Institution einbezogen werden.
Alle Institutionen nehmen die Zeit ihrer Insassen in Anspruch. Sie stellen für sie eine Art Welt dar. Manche Soziologen sprechen auch von Subsystemen. Die Insassen üben dort in unterschiedlichen Institutionen diverse Tätigkeiten aus.
Es gibt Institutionen mit festem Mitarbeiterstab, die Dienstleistungen für ein ständig wechselndes Publikum erbringen.
Andere, z.B. Wohnhäuser oder Fabriken weisen eine geringe Fluktuation der Beteiligten auf.
Alle Institutionen haben in der Tendenz einen allumfassenden Charakter. Bei genauerem Hinsehen erkennt man, daß einige ungleich allumfassender sind. Dieser Charakter, den man als total bezeichnet, zeigt sich in Beschränkungen des sozialen Verkehrs mit der Außenwelt und der Freizügigkeit. Als Beispiele möchte ich anführen: verschlossene Tore, hohe Mauern und Stacheldraht. Solcherart ausgestattete Einrichtungen bezeichnet man als totale Institutionen.
Erving Goffman hat fünf Gruppen von totalen Institutionen ausgemacht.
Anstalten zur Fürsorge für Menschen, die als unselbständig und harmlos gelten
Beispiele: Blindenheime, Altersheime, Waisenhäuser und Armenasyle
Anstalten die der Fürsorge für Personen dienen, die für unfähig gehalten werden für sich selbst zu sorgen, und daß sie eine zwar unbeabsichtigte Bedrohung für die Gemeinschaft darstellen
Beispiele: Tuberkulose-Kliniken, Irrenhäuser und Leprosarien
Anstalten die dem Schutz der Gemeinschaft vor Gefahren dienen, die man für beabsichtigt hält. Das Wohlergehen der so Abgesonderten ist dabei nicht der unmittelbare Zweck.
Beispiele: Gefängnisse, Zuchthäuser, Kriegsgefangenenlager und KZ`s
Anstalten die angeblich darauf abzielen, bestimmte arbeitsähnliche Aufgaben besser durchführen zu können und die sich durch diese instrumentellen Gründe rechtfertigen.
Beispiele: Kasernen, Schiffe, Internate, Arbeitslager, koloniale Stützpunkte
Anstalten die als Zufluchtsorte vor der Welt angesehen werden, obwohl sie zugleich religiöse Ausbildungsstätten sind
Beispiele: Abteien, Klöster, Konvente und Einsiedeleien
Das zentrale Merkmal einer totalen Institution zeigt sich darin, daß alle Angelegenheiten des Lebens an ein und der selben Stelle und unter ein und der selben Autorität stattfinden. Alle Phasen der täglichen Aktivitäten werden in unmittelbarer Gesellschaft einer großen Gruppe von Schicksalsgenossen ausgeführt. Alle verrichten die gleiche Tätigkeit und werden gleich behandelt. Der Arbeitstag ist exakt geplant. Der Ablauf aller Tätigkeiten wird durch ein genau vorgegebenes Regelwerk von einem Stab von Funktionären (Vorgesetzte, Offiziere) vorgeschrieben.
Die unterschiedlichen erzwungenen Tätigkeiten werden in einem zentralen rationalen Plan vereinigt, der dazu dient, die vorgegebenen Ziele der Institution zu erreichen.
Bleisoldaten in der Uniform des Kaiser-Alexander-Garderegiments
2. Das Entstehen der brandenburgisch – preußischen Armee
Stehende Heere kennt man in Brandenburg – Preußen erst seit der Regierungszeit des Kurfürsten Friedrich Wilhelm – in die Geschichte eingegangen als der Große Kurfürst. Die Vorteile stehender Heere hatte Friedrich Wilhelm während seines Aufenthalts in den Niederlanden kennen und schätzen gelernt. Bis dahin war es üblich, Kriegsvolk je nach Bedarf anzuwerben. Aus dieser Zeit stammt der Ausspruch:
„ Dessen Brot ich ess, dessen Lied ich sing.“
Bei solchen Söldnertruppen handelte es sich zumeist um rohe undisziplinierte und unzuverlässige Gewalthaufen, die selbst durch barbarische Strafen kaum zu zügeln waren. Wurden ihre Dienste nicht mehr benötigt, wurden sie entlassen. Diese dann herrenlosen Landsknechte wurden auf der Suche nach einem neuen „Arbeitgeber“ zur Landplage vor allem für die ländliche Bevölkerung. Sie fristeten ihr Leben mit Landstreicherei, Marodieren, Plündern und Straßenraub. Dies war besonders nach dem gerade zu Ende gegangenen Dreißigjährigen Krieg der Fall.
Eine andere Möglichkeit, sich Truppen zu verschaff en, bestand für den Kurfürsten darin, das Adelsaufgebot aufzurufen. Dabei hatte der Adel Waffendienst zu leisten und entsprechend seiner jeweiligen Möglichkeiten Reisige, d.h. Soldaten zu stellen. Dieses System hatte aber den Nachteil, daß der Kurfürst von der Gutwilligkeit des Adels abhängig war.
Durch die Aufstellung eines stehenden Heeres, das ausschließlich dem Befehl des Herrschers unterstand, hatte sich Friedrich Wilhelm ein Machtmittel geschaff en, das ihn von der Abhängigkeit vom Adel im Lande befreite.
Mit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges begann die Epoche des Absolutismus, die besonders das 18. Jahrhundert prägte.
Nach bislang meist unkontrollierten Glaubens- und Bürgerkriegen sollte nunmehr eine feste Ordnung in Europa entstehen. Aber nicht nur die Türkenkriege sorgten immer wieder für Unruhe. Auch die Rivalität zwischen den Großmächten Frankreich, Österreich, England und Rußland, zu denen sich dann noch Preußen gesellte, führte immer wieder zu kriegerischen Verwicklungen.