Mehr KLIMASCHUTZ, aber sozial-
und wirtschaftsverträglich
1. Auflage 2013
© 2013 Wachholtz Verlag, Neumünster/Hamburg
Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Gesamtherstellung: Wachholtz Verlag
ISBN 978-3-529-05395-5
eISBN: 978-3-529-09206-0
Besuchen Sie uns im Internet:
www.wachholtz-verlag.de
Vorwort Dr. Michael Otto
Vorwort Dr. Franz Alt
Vorwort Dr. Rainer Baake
Einführung. Eine Wende für die Energiewende
I. |
Das weltweit (fast) vorbildliche Klimaschutz-Verhalten der Deutschen |
II. |
Die erste Energie- und Klimaschutzwende durch Rot-Grün |
III. |
Die sensationelle zweite Energiewende unter Schwarz-Gelb |
IV. |
Die ökonomischen Vorteile und Probleme der beiden Energie- und Klimawenden |
V. |
Die sozialen Probleme und Nachteile der beiden Energie- und Klimaschutzwenden |
VI. |
Nicht nur positive Folgen der Klima- und Energiewenden für Deutschlands Umwelt |
VII. |
Globale Klima-Unwirksamkeit und Selbstschädigung der Wirtschaft |
VIII. |
Politische Herkulesaufgaben für eine ganz große Koalition |
IX. |
Energiepolitik parteiübergreifend zukunftsfähig machen – die Vorlagen sind da |
X. |
Deutsche Erfahrungen, die auch anderen helfen können |
XI. |
Die Energiewende – Wende: ein Appell |
Anhang
Das große Klimaschutzengagement Deutschlands muss fortgesetzt werden. Das sind wir den nachfolgenden Generationen schuldig.
Aber die Kosten und Belastungen der Klima- und Energiewenden müssen gerechter verteilt werden. Das sind wir den sozial Schwächeren schuldig.
Und diese Lasten dürfen die deutsche Wirtschaft im Vergleich zur weltweiten Konkurrenz nicht benachteiligen. Das sind wir uns selbst schuldig.
Wie sich dies alles mit einer deutlich optimierten Energie- und Klimaschutzwende erreichen lässt, zeigt dieses Buch fundiert, engagiert und ganz handfest auf.
Das Buch ist ein Beitrag zur Eröffnung der Debatte über die Revision und die Fortentwicklung der deutschen Energie- und Klimapolitik, während und nach den Verhandlungen über den schwarz-roten Koalitionsvertrag und seiner späteren Umsetzung, bei der unbedingt ein größtmöglicher gesellschaftspolitischer Konsens anzustreben ist.
Dr. Michael Otto, Vorsitzender des Aufsichtsrats der Otto Group und Vorsitzender des Kuratoriums der Michael Otto Stiftung, leitete von 1981 bis 2007 die Hamburger Handels- und Dienstleistungsgruppe Otto Group. 2007 wechselte er in den Aufsichtsratsvorsitz. Darüber hinaus hat er eine Reihe von Ehrenämtern inne, unter anderem ist er Initiator und Kuratoriumsvorsitzender der Aid by Trade Foundation sowie Vorsitzender des Stiftungsrates der Umweltstiftung WWF Deutschland. Außerdem ist er Vorsitzender des Kuratoriums der Michael Otto Stiftung. Die frühzeitige Entscheidung von Dr. Michael Otto, in der Führung seiner Unternehmensgruppe konsequent ökologische Aspekte zu beachten, manifestiert sich auch in seinem persönlichen Engagement. Die Gründung der Michael Otto Stiftung für Umweltschutz im Jahre 1993 gehört maßgeblich dazu.
Es kann sich heute niemand mehr der Erkenntnis entziehen, dass der Schutz des Klimas und der Umwelt eine der wichtigsten Herausforderungen und Aufgaben unserer Zeit ist. Alle Verantwortlichen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft sind hier gefragt, gemeinsam, in enger Zusammenarbeit nach Lösungen zu suchen und die besten davon auch umzusetzen. Die Entscheider an einen Tisch zu bringen, ist auch eines der wichtigsten Ziele der Michael Otto Stiftung für Umweltschutz. Wir brauchen Dialoge. Dialoge aber brauchen eine Grundlage und manchmal einen Katalysator, um die Diskussion anzuregen oder in Schwung zu halten. Einen solchen Katalysator in Bezug auf die Diskussion um die Energiepolitik und den Natur- und Klimaschutz in Deutschland stellt das hier vorliegende Buch dar.
Wir wissen inzwischen, dass die Wirtschaft unter den Maßnahmen, die für den Schutz des Klimas, der Umwelt und des Menschen ergriffen werden müssen, nicht unbedingt den Schaden erleidet oder erleiden muss, der früher befürchtet wurde. Umsonst ist Umweltschutz aber natürlich auch nicht zu haben. Die Kosten müssen von allen gemeinsam geschultert werden. Denn wenn eine Seite zu stark belastet wird, wird über kurz oder lang auch die andere Seite unter den Folgen leiden. Wenn allerdings alle zu stark belastet werden, werden wir auch nicht zum Ziel kommen.
Die rot-grüne und die schwarz-gelbe Energiewende haben nicht nur die Emissionen – insbesondere von Kohlendioxid – vermindert, sondern auch zu großen wirtschaftlichen Vorteilen geführt. So profitieren Öko- und Recyclingunternehmen, aber auch etliche andere Branchen erheblich durch die Entwicklung besserer und effizienterer Anlagen und Produkte – auch solcher, die für den Export wichtig sind. Dadurch entstehen zahlreiche neue Arbeitsplätze.
Es ist auch ausdrücklich zu begrüßen, dass inzwischen – auch dank des deutschen Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) – Solarstrom sogar vielen der Ärmsten der Armen in der Dritten Welt zur Verfügung gestellt werden kann. Denn die tatsächlichen Erzeugungskosten von Sonnen- und auch Windstrom sind dramatisch gesunken, so dass man sich diese Technologie inzwischen auch dort leisten kann, wo es unlängst noch nicht vorstellbar war. Davon sollten allerdings auch die Stromverbraucher in Deutschland profitieren. Und zwar alle: die privaten Haushalte, insbesondere auch die sozial Schwächeren, und die deutschen Unternehmen.
Hier aber liegt einiges im Argen. Deshalb geben die Maßnahmen, die in Deutschland zum Schutz des Klimas und zur Förderung der erneuerbaren Energien ergriffen wurden, durchaus auch Anlass zur Kritik. So weisen Wirtschaftsexperten seit geraumer Zeit auf die Gefahren hin, die der deutschen Wirtschaft zum Teil schon jetzt, insbesondere aber mittelfristig durch die hierzulande steigenden Energiepreise drohen. Diese Warnung darf nicht falsch interpretiert werden. Sie ist nicht etwa ein Hinweis auf „ökologische Scheuklappen“. Auch Prof. Ottmar Edenhofer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und Experte des Weltklimarats IPCC, hat bereits vor Jahren darauf hingewiesen: Bleibt Deutschland weiterhin als Klimaschutzvorreiter allein auf weiter Flur, entstehen der deutschen Wirtschaft spätestens ab 2020 große internationale Wettbewerbsnachteile – trotz (und ironischerweise aber auch gerade wegen) der Erfolge der deutschen Umwelt-, Energie- und Klimapolitik.
Wir brauchen, wie es in dem hier vorliegenden Buch gefordert wird, in diesem Teilbereich der Politik eine ganz große Koalition für eine weitere, vernünftige Energiewende. Nur mit gemeinsamen Anstrengungen aller politischen Lager und der Wirtschaft können wir in Deutschland tatsächlich schaffen, wofür die Autoren plädieren: „Mehr Klimaschutz, aber sozial- und wirtschaftsverträglich“.
Es existiert dafür derzeit kein Patentrezept. Doch es gibt eine Reihe von Vorschlägen, von denen Lutz Wicke und Markus C. Schulte von Drach hier die wichtigsten aus allen politischen Lagern vorstellen. Dieses Buch enthält die wichtigsten Bausteine für die notwendige Energiewende-Wende und ist somit ein wichtiger Beitrag in der Diskussion um die zukünftige Energiepolitik – einer Energiepolitik, deren Ziel es sein muss, die Natur als Lebensgrundlage für die folgenden Generationen zu bewahren. Ich wünsche den beiden Autoren deshalb, dass sie Beachtung finden bei den Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft.
Publizist, „Solarenergie-Prophet“ (Die Sonne schickt uns keine Rechnung, Sonnige Aussichten), inoffizielle „Leitfigur“ und Cheflobbyist der Erneuerbaren-Bewegung. Publikationen auch zu gesellschaftlichen und religiösen Themen, zusammen mit seiner Frau Bigi Herausgeber des Online-Magazins www.Sonnenseite.com.
Peter Altmaier befürchtet, dass die Energiewende in den nächsten 30 Jahren eine Billion Euro kosten wird. Also 1000 Milliarden Euro. Meine schlichte Gegenfrage: Was kostet uns keine Energiewende?
Pro Jahr zahlt Deutschland zurzeit 90 Milliarden Euro an die arabischen Ölscheichs und an die russischen Gasbarone. Hochgerechnet auf 30 Jahre sind das 2,7 Billionen Euro. Viel Geld, das durch die Energiewende künftig in Deutschland bleibt, weil wir die heimische Sonne, den heimischen Wind, die heimische Wasserkraft und die heimische Bioenergie nutzen. Sonne und Wind schicken uns keine Rechnung. Das ist der entscheidende ökonomische Vorteil der künftigen ökologischen Energieversorgung.
Hinzu kommen die vermiedenen Folgekosten des Klimawandels. Fachleute schätzen, dass allein das Hochwasser 2013 in Deutschland mindestens zwölf Milliarden Euro Kosten verursacht hat. Der englische Ökonom Sir Nicholas Stern, früher Chefökonom der Weltbank, hat schon 2006 errechnet, dass der Klimawandel uns alle mindestens fünfmal mehr kostet als die noch mögliche Vermeidung desselben durch eine rasche Energiewende. Wenn die erneuerbaren Energien tatsächlich eine Billion kosten sollten, dann hätte „keine Energiewende“ Kosten von mehr als fünf Billionen Euro zur Folge. Richtig ist, dass die Energiewende viel Geld kosten wird. Aber „keine Energiewende“ kostet die Zukunft. Nur eine rasche Energiewende sorgt für bezahlbare Energie. Solarstrom wird Sozialstrom. Auf Dauer ein unschlagbarer ökonomischer Vorteil einer raschen hundertprozentigen Energiewende.
Lutz Wicke leistet mit diesem Buch einen wichtigen Beitrag zur Energiewende.
Grüner Vordenker, sieben Jahre Staatssekretär im Bundesumweltministerium, seit 1998 einer der Schöpfer und Chefrealisierer der Ökosteuerreform und des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes, Direktor der Denkfabrik „Agora Klimawende“ in Berlin
Das Ausland beobachtet die deutsche Energiewende sehr genau: Wenn ich dort auf Veranstaltungen spreche, kommt nach spätestens einer halben Stunde die Frage: „Wie wollt ihr Deutschen das eigentlich schaffen: von nuklearer und fossiler Stromerzeugung auf erneuerbare Energien umsteigen und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit eures Landes aufrechterhalten?“ Diese Frage ist nicht nur berechtigt, sie trifft den Kern. An ihr wird sich entscheiden, ob der Umstieg der viertgrößten Volkswirtschaft der Welt auf eine nachhaltige und klimaschonende Energieversorgung dereinst als Erfolgsgeschichte in die Geschichtsbücher eingehen wird – oder als großer Flop.
Die Energiewende kann eine ökonomische Erfolgsgeschichte werden. Aber nur, wenn jetzt die Weichen von der Politik richtig gestellt werden. Dafür gibt es nach 13 Jahren Technologieförderung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz ein schlagendes Argument: Neue Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen produzieren Strom zu denselben Kosten wie neue Kohle- und Gaskraftwerke! Dies kann in Deutschland zu einem Paradigmenwechsel bei der Stromerzeugung führen und bietet Chancen auch für eine weltweite Umstellung. Die erneuerbaren Energien können – im Angesicht von Klimawandel, Unsicherheiten bei der Beschaffung fossiler Energieträger und Preisen – zur dominierenden Kraft werden.
Um die Kosten im Griff zu behalten, müssen wir uns zukünftig jedoch auf die kostengünstigsten Technologien konzentrieren. Das sind Windkraft an Land und Photovoltaik, sie liefern ab 2015 Strom für weniger als 9 Cent pro Kilowattstunde. Es ist hingegen nicht vernünftig, für eine Kilowattstunde regenerativ erzeugten Strom 25 oder gar 30 Cent zu zahlen; Technologien, die solche Kosten verursachen, sollten, wenn überhaupt, nur vorsichtig weiterverfolgt werden.
Was bedeutet diese technologische Entwicklung für den globalen Klimaschutz? Wenn es in Deutschland – einem Land mit vergleichsweise wenig Sonneneinstrahlung und nur mittelmäßig viel Wind – möglich ist, die Stromversorgung auf Windkraft und Photovoltaik umzustellen und dabei die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes, die Arbeitsplätze und den Wohlstand zu erhalten, dann ist die Energiewende überall möglich. Dann reden wir beim Klimaschutz zukünftig nicht mehr von „Burden Sharing“, sondern von „Opportunity Sharing“. Diese Chance sollten wir uns nicht entgehen lassen – unserer Kinder wegen ebenso wie unserer Wirtschaft wegen.
Vor diesem Hintergrund wünsche ich Ihnen eine anregende Lektüre des vorliegenden Buchs, das einen wichtigen Beitrag zur Debatte um die zukünftige Kursbestimmung in der Energie- und Klimapolitik leistet.
Vorworte
Einführung
I. |
Das weltweit (fast) vorbildliche Klimaschutz-Verhalten der Deutschen |
|
Die positive Klimaschutz-Bilanz Deutschlands seit der Wiedervereinigung |
|
Klimaengagement mit Kopf, Herz und Verstand |
|
Das sehr ausgeprägte Umwelt- und Klimabewusstsein in Deutschland |
|
Konkrete Klimaschutzmaßnahmen der Bevölkerung |
|
DENNOCH: Wir produzieren immer noch viel zu viel Treibhausgase |
II. |
Die erste Energie- und Klimaschutzwende durch Rot-Grün |
|
Die Ökosteuer |
|
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und die globale „Renewables“-Initiative |
III. |
Die sensationelle zweite Energiewende unter Schwarz-Gelb |
IV. |
Die ökonomischen Vorteile und Probleme der beiden Energie- und Klimaschutzwenden |
|
Klimaschutz-Vorreiter Deutschland: Bonus für die deutsche Wirtschaft |
|
Ohne die Wende-Wende: Mittelfristiger Malus für den Klimaschutz-Vorreiter Deutschland |
|
Deutschland steht alleine da |
|
Die erneuerbaren Energien und die steigenden Strompreise |
|
Deutschland und die Welt: Deshalb droht der Strompreis-Malus |
V. |
Die sozialen Probleme und Nachteile der beiden Energie- und Klimaschutzwenden |
|
Die Belastungen der Verbraucher |
|
Klimagerechtigkeit: Klimaschutz der Reichen auf Kosten der Armen? |
|
Klimaschutz muss für alle angestrebt werden |
|
Die Klimaschutzinteressen der Bessergestellten dominieren |
|
Die materiellen Interessen der Ärmeren werden eher wenig beachtet |
VI. |
Nicht nur positive Folgen der Klima- und Energiewenden für Deutschlands Umwelt |
|
Umweltverbesserungen in Deutschland |
|
Milderung der Folgen des Klimawandels in Deutschland? |
|
Minderung der Gefahren aus der Atomkraftnutzung in Deutschland |
|
Verringerter Schadstoffausstoß aus Schornsteinen und Auspuffen |
|
Umwelt- und Nachhaltigkeitsprobleme bei der energetischen Biomassen-Nutzung |
|
Punktuell nicht nachhaltige Windkraftnutzung |
VII. |
Globale Klima-Unwirksamkeit und Selbstschädigung der Wirtschaft |
|
Teures „Learning by Doing“ |
|
Unnötige Milliardenbelastungen durch das EU-Emissionshandelssystem |
|
Der Klima-Effekt des EEG in Europa ist gleich null |
|
Unwirksame Klima-Außenpolitik schädigt die deutsche Wirtschaft |
|
Äußerst wichtige Beiträge zur Förderung der Erneuerbaren und der Entwicklungspolitik |
VIII. |
Politische Herkulesaufgaben für eine ganz große Koalition |
|
Extreme Widerstände gegen Korrekturen bei der bestehenden Erneuerbaren-Förderung |
|
Mehr Klimaschutz – aber sozialverträglicher |
|
Mehr Klimaschutz – aber wirtschaftsverträglicher |
IX. |
Energiepolitik parteiübergreifend zukunftsfähig machen – die Vorlagen sind da |
|
Die Altmaier‘sche „Strompreisbremse“ |
|
Der „Energiewende-Altlastenfonds“ von Töpfer und Bachmann |
|
„EEG 2.0“: Das „Baake/Agora Energiewende“-Konzept und seine impliziten „unangenehmen Wahrheiten“ |
|
Das Quotenmodell des Sachverständigenrates und der Monopolkommission |
|
BDEW & VKU: Ausstieg aus der festen Einspeisevergütung/Ökostrom an der Börse |
|
Änderungen des EEG nach Matthes (Öko-Institut) |
X. |
Deutsche Erfahrungen, die auch anderen helfen können |
XI. |
Die Energiewende-Wende: ein Appell |
|
Eine Geschichte von Erfolgen … |
|
… und Misserfolgen |
|
Die Altlast der Energiewende |
|
Ethikkommission Energiewende – Ausstieg aus der Kernkraft als Vorbild: |
|
Altlastenfonds Energiewende – Vorbild Deutsche Einheit |
|
Energiewende-Beschleunigungsgesetz – Vorbilder seit der Deutschen Einheit |
|
Weitere Ökostromanlagen nur bei ausreichenden Netz- und Speicherkapazitäten |
|
Mehr Klimaschutz nur durch eine wirksame deutschen Klima-Außenpolitik |
|
Unser Fazit |
Literaturverzeichnis
Über die Autoren
Die beiden Energie- und Klimaschutzwenden waren richtig, wichtig und teilweise vorbildlich. Deutschland wurde so zum internationalen Klimaschutz-Vorreiter. Doch sie waren auch – ähnlich wie die Wiedervereinigung – selbst ohne Vorbild und entwickelten sich weniger durch klar durchdachte Strategien als durch ein „Learning by Doing“. So haben sie zwar zu durchaus bedeutenden Erfolgen geführt: Deutschland hat in 20 Jahren seinen Kohlendioxidausstoß um ein Viertel reduziert, die Sonnen-, Wind- und Bioenergie ist enorm expandiert und inzwischen weltweit einsatzfähig. Aber wahr ist auch: Die Energiewenden leiden unter erheblichen Mängeln.
Die Ökosteuer, der Kerninhalt der rot-grünen Klima- und Energiewende, hat zwar zur Entlastung der Umwelt geführt, indem der Energie- und Ressourcenverbrauch verteuert wurde. Durch eine Verbilligung des „Produktionsfaktors“ Arbeit wurden Arbeitsplätze geschaffen oder erhalten. Doch es kam auch zur kollektiven Entlastung des gesamten produzierenden Gewerbes von der Ökosteuer – und dieser erste politische Öko-Sündenfall wirkt bis heute nach.
Der Kernpunkt der zweiten, schwarz-gelben Klima- und Energiewende war der Ausstieg aus der Kernenergie. Bei einer Ablehnung der Atomkraft durch mehr als 80 Prozent der Bevölkerung war der Ausstieg politisch unumgänglich. Gleichzeitig musste die Förderung der erneuerbaren Energien weiter forciert werden, neue Kapazitäten zu ihrer Erzeugung, Übertragung und Speicherung wurden geschaffen oder über Subventionen erhalten. Die Erneuerbaren expandierten noch schneller. Bestimmte Aspekte haben wir jedoch fast völlig aus den Augen verloren: Der „Öko-Bonus“ für Deutschland – also unter anderem die wirtschaftlichen Vorteile, die das Einsparen von Energie mit sich bringt, und das Wachstum der Öko-Industrie – verwandelt sich aufgrund des steigenden Energiepreisniveaus inzwischen zunehmend in einen „Öko-Malus“.
Dank des Energieeinspeisegesetzes (EEG) hat sich der Einsatz von Sonnen-, Wind- und Bioenergie sehr stark erhöht. Weltweit wurden die Kosten für Stromerzeugung mit Photovoltaik und Wind drastisch gesenkt. Doch das gilt nicht für die Kosten, die den deutschen Stromverbrauchern dadurch entstehen. Besonders die Bessergestellten in unserer Gesellschaft fordern – völlig zu Recht – mehr Klimaschutz. Sie können sich die dadurch entstehenden Belastungen allerdings auch leisten. Und jene, die selbst Ökostrom produzieren oder dafür ihr Geld investieren, profitieren sogar davon, da für 20 Jahre hohe Einspeisevergütungen fixiert wurden. Anders sieht es für die weniger Bemittelten aus: Rentner, Alleinerziehende, Sozialhilfeempfänger, Lehrlinge, Studenten müssen überproportional viel aus ihrem spärlichen Einkommen aufbringen, um diese höheren Einspeisevergütungen zu finanzieren. Dies und viele weitere teure Energiesparmaßnahmen bilden gewissermaßen eine zusätzliche „zweite Miete“ für den Klimaschutz. Nicht zu unterschätzen sind auch die massiven Beeinträchtigungen der Natur und Landschaft, die etwa Windkraftanlagen und Biomasseerzeugung hervorrufen können. Auch die Ökostromerzeugung muss der Nachhaltigkeitspflicht unterworfen sein und substanzielle Landschafts-, Biotop- und Artenbeeinträchtigungen sowie die „Horizontverschmutzung“ an besonders neuralgischen Punkten unseres Landes vermeiden oder minimieren.
Leider hat die deutsche Klima-Außenpolitik in ihren Bemühungen versagt, andere Länder zu einem gemeinschaftlichen effektiven Klimaschutz zu veranlassen. Der Klimaschutz-Vorreiter steht allein da in der Welt. Deshalb liegt die Wirkung der deutschen Maßnahmen in Bezug auf den globalen Klimaschutz nahezu bei null. Deutschland wird dauerhaft belastet durch die hohen, für 20 Jahre festgelegten Einspeisevergütungen, die aber entscheidend zur drastischen Senkung der Erzeugungskosten von Sonnen- und Windstrom weltweit beigetragen haben. Wir verkaufen den Überschuss an Alternativstrom oft zum Nulltarif an die europäische Konkurrenz. Und im Gegensatz zu den deutschen Verbrauchern profitieren davon auch die übrigen Weltmarktkonkurrenten. Die denken derzeit überhaupt nicht daran, aus Klimaschutzgründen die Energiepreise ähnlich zu erhöhen und gegenwärtige Wettbewerbsvorteile aufzugeben. Stattdessen setzen sie auf regional deutlich billiger gewordenes Gas und Öl aus dem – in Deutschland besonders umstrittenen – Frackingverfahren und auf sehr billige und den Klimaschutz ignorierende Stromproduktion aus preiswerter Importkohle vor allem aus Steinkohletagebau. Und last, but not least: Deutschland hat durch seine Einspeisevergütung hervorragende „Vorlagen“ geliefert für die Photovoltaik- und Windstromerzeugung in Weltgegenden, die – anders als Deutschland selbst – tatsächlich für diese Stromerzeugungsarten prädestiniert sind. Das war die beste entwicklungspolitische Maßnahme, die Deutschland je unternommen hat: Jetzt können sich auch arme Menschen ohne permanente Stromversorgung in Schwellen- und Entwicklungsländern Beleuchtung und eine Basisstromversorgung leisten, was sehr positive soziale, gesundheitliche und wirtschaftliche Effekte mit sich bringt.
Es zeichnet sich nun ab, dass Deutschland das mit seinen EU-Partnern gesteckte Ziel, einen Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromproduktion bis zum Jahr 2020 auf 35 und mehr Prozent zu erhöhen, locker erreichen und wahrscheinlich sogar deutlich übererfüllen wird. Jetzt ist deshalb ein guter Zeitpunkt, um umzusteuern.
–Der Klimaschutz in Deutschland muss weiter vorangetrieben und die selbst gesteckten Mindestziele bis 2020 und 2050 sollten unbedingt erreicht und möglichst übererfüllt werden.
–Aber: Eine hundertprozentige Versorgung mit erneuerbarer Energie in den kommenden Jahrzehnten ist kein Ziel an sich.
–Auch wenn es die oft besser gestellten, besonders Klimaengagierten in unserem Land oft wenig interessiert: Deutschland muss darauf achten, dass die berechtigten Interessen seiner ärmeren Schichten auch in der Energiepolitik sehr viel stärker berücksichtigt werden. Dazu müssen sinnvolle Kostensenkungs- und Ausgleichsmechanismen in die künftige Politik integriert werden, die über eine schlichte „Energiepreisbremse“ hinausgehen.
–Wenn man weiterhin – wie seit der ökologischen Steuerreform 1999 – die tatsächlich im internationalen Wettbewerb stehenden deutschen Klein-, Mittel- und Großbetriebe von den Kosten der Energiewenden befreien will, muss das auch und zuallererst für die ärmeren Menschen in unserem Land gelten.
Auch wenn der Klimaschutz und die Förderung erneuerbarer Energie extrem wichtig sind und Deutschland und viele Deutsche derzeit wirtschaftlich vergleichsweise blendend dastehen: Es existieren weitere, nämlich soziale und wirtschaftliche Interessen für die Bevölkerung in unserem Land. Deshalb ist es legitim und notwendig, über weitere Maßnahmen nachzudenken, die die Kosten und Belastungen der Verbraucher und der Arbeitsplätze schaffenden deutschen Wirtschaft begrenzen – und sie auch anzuwenden.
Um es vorwegzunehmen: Deutschland und seine Bürgerinnen und Bürger haben im Vergleich mit anderen Staaten keinen Anlass zur Bescheidenheit, wenn es um ihre Klimaschutzleistungen geht. Weltweit gibt es viele Menschen, die das praktische Klimaschutz-Verhalten der deutschen Bevölkerung für vorbildlich halten.