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Das Destillieren ist nichts anderes,

als das Subtile vom Groben

und das Grobe vom Subtilen

zu scheiden,

das Zerbrechliche oder

Zerstörbare unzerstörbar,

das Materielle unmateriell,

das Leibliche geistig,

das Unschöne schöner zu machen.

Hieronymus Brunschwig, 1512

 

 

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Ein großer Alambic zu sein, der alle Welt mit seinen selbsterzeugten Destillaten überschwemmte, das war der Wunschtraum, dem Grenouille sich hingab.

(Patrick Süskind, Das Parfüm)

 

 

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INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort

Zur Geschichte des Destillierens

Erster Teil: Die Destillieranlage

1.1 Funktion

1.2 Materialien

1.3 Form

1.4 Widerstand

1.5 Destillenkunde

1.6 Temperaturen

1.7 Reinigung & Dichtung

Zweiter Teil: Alkohol

2.1 Destillation in Bildern

2.2 Theoretische Grundlagen

2.3 Brennmaische

2.4 Technik des Brennens

Einfache Destillation

Doppelte Destillation

2.5 Schadstoffe

2.6 Fehler beim Brennen

2.7 Mengenverhältnisse

2.8 Lagerung & Herabsetzen

2.9 Alkoholsorten und ihre Herstellung

Angesetzte

Arrak

Cognac / Weinbrand

Geiste / Überdestillierte

Gin

Grappa / Trester

Obstbrände

Primasprit

Rum

Whisky

Wodka

Cocktails

2.10 Kater vermeiden

Dritter Teil: Ätherische Öle

3.1. Allgemeines

3.2. Dampfdestillation / Schleppdestillation

3.3. Normale Destillation

3.4 Parfum

3.5 Kaltauszug (Mazeration)

Vierter Teil: Alchemie

4.1. Die alchemistischen Prinzipien

4.2. Sulphur

4.3 Merkur

4.4 Sal

4.5 Ganzheitliche Pflanzenelixiere

Fünfter Teil: Treibstoffe

Anhang

Nachwort

Museen

Danksagung

Literatur

Bildnachweis

 

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Fahrbare Destillieranlage aus Frankreich

VORWORT

Die Ursprünge des Destillierens stammen aus einer Zeit, zu der Kunst, Handwerk und Wissenschaft noch nicht getrennt voneinander waren. Bevor Sie mit dem Buch oder gar mit dem Destillieren selbst beginnen, empfehle ich Ihnen, sich kurz zurückzubesinnen, alle moderne Technik ruhen zu lassen und sich ein wenig mit der Herkunft der Destillen und dem Destilliervorgang selbst vertraut zu machen.

Dieses Buch wurde geschrieben um einige der alten Traditionen wiederzubeleben, oder wenigstens dafür zu sorgen, dass diese nicht völlig in Vergessenheit geraten. Ein Buch für die Liebhaber traditioneller Kunst, für die Freunde des Gemütlichen, für die Wiederentdecker der „guten alten Zeit“. Gleichzeitig kann das Buch auch als kleine Rebellion gegen die Entfremdung von den ursprünglichen Dingen des Lebens verstanden werden.

Der Destillationsprozess in Spanien, Portugal, Italien und anderen „Latino-“ Ländern ist auch heute noch immer kein rein mechanischer Vorgang, sondern wird als „hohe Kunst“ gesehen – und als solche sollte das richtige Destillieren auch verstanden werden. Selbst in den großen Industriebrennereien ist die Nase und die Erfahrung eines hochbezahlten „Künstlers“ notwendig um Vorlauf und Nachlauf exakt abtrennen und qualitativ wirklich hochwertige Destillate erzeugen zu können.

Um richtig zu destillieren ist neben dem Verständnis der einzelnen Arbeitsgänge und der angesammelten Erfahrung auch eine gehörige Portion Geduld und Liebe zur Sache notwendig. Dabei zählt nicht nur der Moment des Destillierens selbst; es muss auch bei eventuellen Fehlern die Geduld aufgebracht werden um noch einmal von vorne zu beginnen.

Durch die zunehmende Technisierung und Schnelllebigkeit unserer Umwelt fällt uns aber genau das besonders schwer. Trotzdem – und vor allem bei der Alkohol-Destillation – müssen gewisse Regeln eingehalten werden. Unsachgemäßes Destillieren ohne ein gewisses Maß an Grundwissen und Disziplin kann zu ernsthaften Gesundheitsschäden führen.

Leider ist dieses ursprüngliche, von Generation zu Generation mündlich weitergegebene Wissen um die hohe Kunst der Destillation in den nördlichen und übertechnisierten Ländern beinahe ausgestorben. Nicht zuletzt auch wegen den staatlichen Branntweinmonopolen mancher Länder und den damit einhergehenden Verboten von Heimdestillationen entstanden Fehlinformationen und Wissensdefizite. Das trug stark dazu bei, alles rund ums Destillieren zu mystifizieren und in Vergessenheit geraten zu lassen.

Beim Verkauf unserer nach überlieferter Handwerkstradition hergestellten Kupferdestillen auf unserer Webseite www.destillatio.com werden uns immer wieder die gleichen Fragen gestellt – und das war uns schließlich Anlass genug die Antworten zu einem Buch zusammenzufassen.

Manche Antwort mag Ihnen nicht gefallen und mancher von uns vorgeschlagene Arbeitsprozess mag aus heutiger Sicht wie Hexenwerk oder Magie anmuten; trotzdem versichern wir Ihnen, dass alle Schilderungen in diesem Buch auf langjähriger Erfahrung beruhen und über mehrere Generationen weitergegeben und gesammelt wurden.

Dieses Buch handelt nicht von computergesteuerten und messfühlerbestückten Monsterdestillen aus V4A Edelstahl, nicht vom leblosen Großserienalkohol und auch nicht von den Massendestillieranlagen der Pharma- und Kosmetikindustrie. Wir möchten hier für jedermann verständlich vermitteln, wie man zu Hause auf einfache Weise und mit ausschließlich natürlichen Mittel destilliert – und das in höchster Qualität und ohne Gesundheitsrisiken (abgesehen von den Risiken, die der Alkoholkonsum ohnehin mit sich bringt).

Sollte Ihnen die eine oder andere Beschreibung zu mystisch erscheinen, lassen Sie sich nicht abschrecken, denn das Destillieren auf traditionelle Art und Weise ist auch ein Vorgang der Besinnung und des Bewusstmachens. Das wiederum kann auf vielfältige Weise dazu beitragen, die negativen Symptome unserer heutigen Gesellschaft wie z.B. Stress und Hektik zu mindern oder gänzlich abzubauen. Sind wir gespannt, wie lange es dauert, bis das Destillieren von modernen NewAge Gurus entdeckt wird und es die ersten Destilliertherapien und Seminare gibt.

Sicher haben schon die alten Alchemisten den Destillationsprozess als Transformation in einen höheren Daseinszustand gesehen und genutzt.

Denken Sie beim Destillieren und eventuell auftretenden Schwierigkeiten an Ihre Vorgänger, an die Meister der hohen Kunst. Denken Sie daran, dass bereits vor 3.000 Jahren im alten Ägypten, in Indien und in China destilliert wurde. Fragen Sie sich, was damals gemacht wurde, wenn die Maische anbrannte, eine Dichtung nicht dichten wollte, oder wie die Temperatur gemessen wurde – ganz ohne Thermometer. Wie haben die bekannten Künstler an der Destille, Paracelsus, Agrippa von Nettesheim, Niclas Flamel, Hermes Trismegistos, Arnauld de Villeneuve, um nur ein paar beim Namen zu nennen, diese Schwierigkeiten gemeistert?

Einige dieser Fragen werden in diesem Buch beantwortet, und keine Angst, denn eigentlich ist alles recht einfach, man muss es nur wissen und dann auch tun.

ZU DIESEM BUCH:

Mein Tipp, lesen Sie es ganz – auch wenn Sie sich für das eine oder andere Kapitel nicht interessieren, letztendlich gehört doch alles zusammen.

Zur Herstellung eines Parfums wird Alkohol, entmineralisiertes Wasser und ätherisches Öl benötigt. Das sind drei unterschiedliche Arten der Destillation und alle drei werden in diesem Buch beschrieben. Aber vielleicht interessieren Sie sich nicht für die Herstellung eines Parfums und möchten lieber einen eigenen Likör von Grund auf selbst herstellen. Nun, dann benötigen Sie Alkohol, entmineralisiertes Wasser und ätherische Öle (oder aromatische Mazerate) – da sind wir auch wieder bei den drei Arten der Destillation und bei verschiedenen Kapiteln in diesem Buch. Oder haben es Ihnen die spagyrischen Heilmittel angetan? Dann benötigen Sie die Pflanzensseele (Alkohol) – der Pflanzen Geist (ätherische Öle) – und den Körper, die Salze der Pflanzensuppe, den Destillatsrückstand.

Sie sehen, dass viele für uns interessante Anwendungen eng miteinander verknüpft sind. Durch das Studieren aller Arten wird das Verständnis um die Vorgänge einer Destillation schnell vom theoretisch Angelernten zum praktischen, zum verinnerlichten Wissen wechseln.

Auch wenn Sie „nur“ einfache Wodkas brennen möchten, kann es nichts schaden auch ein wenig um die vielen weiteren Möglichkeiten rund ums Destillieren zu wissen.

Ich wünsche Ihnen jedenfalls neben all der trockenen Theorie auch viel Spaß bei der Lektüre und allen Destillationen. Ich würde mich freuen, wenn dieses Buch Ihre Erwartungen erfüllt und die eine oder andere Ihrer Fragen beantworten kann. Für Kritik, Tipps und Anregungen sind wir dankbar, denn sicher wird es in nicht allzu ferner Zukunft eine neue Auflage geben, in die wir neue Erfahrungen einfließen lassen.

Viel Spaß bei der Lektüre

Kai Möller

GESCHICHTE DER DESTILLATION

Gut Ding braucht Weile, so sagt man – und so benötigte auch die hohe Kunst der Destillation einige Jahrtausende um das heutige Niveau zu erreichen. Es kamen in den letzten Jahren zwar keine grundlegenden Neuerungen dazu, aber von den Ursprüngen sind wir doch einige Jahrhunderte, wenn nicht sogar Jahrtausende entfernt. Könnten wir in der Zeit reisen, so müssten wir sehr weit zurück um bei den ersten kläglichen Destillationsversuchen zusehen zu können.

Aus unserer Sicht ist es schwierig, die genaue Herkunft der ersten echten Destillation oder den Zeitpunkt der Erfindung zu beweisen. Wie soll man etwas aus der Vergangenheit beschreiben, wenn niemand ein Patent anmeldete, Bilder anfertigte oder etwas schriftlich niederlegte. Wenn ich alle Notizen und Unterlagen, die ich zu diesem Buch gesammelt habe, durchgehe, wird schnell klar, dass etliche Liebhaber oder Hersteller diverser alkoholischer Getränke den Zeitpunkt deutlich in die Vergangenheit verschieben, wissentlich oder aus Versehen, ich kann es nicht sagen. Ich möchte in diesem Buch versuchen nur das Wesentliche und Wahrscheinliche zu beschreiben. Wer sich eine eigene Meinung bilden möchte, darf gerne selbst weiterforschen. Vor allem im Internet finden sich zahlreiche widersprüchliche Informationen zu allen Themen. Ob es wahrscheinlich ist, dass irische Mönche den Whisky schon Jahrhunderte vor der Eroberung Spaniens durch die Araber destillierten, oder ob die Italiener bereits vor der arabischen Invasion Grappa brannten, möchte ich nicht entscheiden, und belegbar sind diese Angaben nicht.

Die tatsächlichen Ursprünge des Destillierens werden vor ca. 3.000 Jahren im alten Ägypten und Mesopotamien vermutet. Auch in China und Indien gab es schon um 2.500 vor Christi erste Destillationen.

Sehr wahrscheinlich wurde sogar noch früher destilliert, aber erst aus diesem Zeitalter gibt es belegbare Aufzeichnungen und Hinweise auf erste Destillationen und deren Anwendungen. Man benutzte damals einen Tiegel aus gebranntem Ton. Bei dieser einfachsten Art der Destillation wurde der Tiegel mit einem Deckel verschlossen und wenn man diesen kühl hielt, kondensierten daran die Dämpfe, die man dann von Zeit zu Zeit durch Abwischen mit einer Feder oder einem Tuch sammelte. Mit diesem einfachen Verfahren wurde in Ägypten Quecksilber gewonnen und in Indien erzeugte man Kampfer.

Nach der Verbrennung von Harzen im Tiegel wurde der Ruß am Deckel gesammelt um daraus Farben und Tinten herzustellen und noch heute wird nach dem gleichen Prinzip (wenn auch hochtechnisiert und im großen Maßstab) Ruß gewonnen. Niedrigsiedende Flüssigkeiten jedoch wie beispielsweise Alkohol konnte man auf diese Weise sicher noch nicht trennen.

Diese Art der Destillation wurde „Destillatio per descensum“, die absteigende Destillation genannt, denn es wurden nicht die mit dem Dampf übergehenden Stoffe gesammelt, sondern das, was im Kessel oder am Kessel verblieb. Der Dampf durfte dabei ungehindert an die Luft entweichen. Auf diese Art wurde z.B. Pech und Teer hergestellt oder Wein eingedickt.

Ein bedeutender Fortschritt und in der Antike recht weit verbreitet war der „Wolle-Kondensator“. Dioskurides Pedanios, ein griechischer Militärarzt, schreibt Ende des ersten Jahrhunderts nach Christi: “Aus dem Teer wird auch ein Öl hergestellt, dessen wässrige Bestandteile auf der Oberfläche schwimmen wie Molken über der Milch. Man erhält diese bei Kochen des Teeres, indem man reine Wolle darüber ausbreitet, die man, wenn sie aus dem aufsteigendem Dampf gesättigt ist, in ein Gefäß ausdrückt. Das wiederholt man solange, wie der Teer gekocht wird.“ Das hierbei entstehende Teerwasser (nach Plinius „cedrium“) wurde dann bei der Einbalsamierung verwendet.

Die gleiche Methode der Kondensation wurde benutzt um aus Meerwasser trinkbares Süßwasser zu gewinnen. Der griechische Philosoph Alexandros von Aphrodisias in Karien sagte hierzu Ende des zweiten Jahrhunderts nach Christi: „Seeleute kochen auf See Meerwasser und hängen große Schwämme von der Öffnung des Bronzegefäßes hinein, die das, was verdampft, aufsaugen. Wenn sie es ausdrücken, so findet man, dass es Süßwasser ist.“

Da es in der Antike keine „wissenschaftlichen Versuche“ nach unserer Vorstellung gab, muss davon ausgegangen werden, dass die Entdeckung der Süßwassergewinnung auf diese Art dem Zufall zu verdanken ist. Damals wurden Ergebnisse und Sachverhalte nicht aus Experimenten gewonnen. Zuerst wurden theoretische und philosophische Überlegungen angestellt und dem hatten sich experimentelle Ergebnisse unterzuordnen, insofern man diese überhaupt durchführte. Der Handwerker galt nichts, während der Philosoph hoch geachtet wurde. Wissenschaftlich gesehen gab es lange Zeit keine Neuerungen auf dem Gebiet der Destillation. Das alte Griechenland brachte zwar jede Menge Philosophen hervor, aber kaum neue naturwissenschaftliche Erkenntnisse. Arbeit, auch die wissenschaftliche, wurde am liebsten den Sklaven überlassen...

Die ersten ausführlichen Äußerungen zur Verdampfung und Kondensation stammen von Aristoteles (384 bis 322 v.C.), der diese Prinzipien auch in der Natur, im Kreislauf des Wassers erkannte. Auch entdeckt und beschreibt er, dass die Verdampfungsgeschwindigkeit eines Stoffes von der Oberflächengröße des verdampfenden Stoffes abhängt. Seltsamerweise hat die nachfolgende Wissenschaft von diesen für die Destillation bedeutenden Umständen kaum Notiz genommen und das, obwohl Aristoteles bis in die Neuzeit hinein sich besonderer Wertschätzung erfreute.

Aristoteles beweist uns jedoch gleichzeitig, dass damals keine Alkoholdestillate bekannt waren. Er schreibt: “...das was trinkbar ist und süß wird wegen seiner Leichtigkeit aufwärts gezogen, das Salzige aber bleibt wegen seiner Schwere unten,... Dass aber das verdunstende Wasser trinkbar wird und sich nicht wieder zu Salzwasser verdichtet, erklären wir aus Erfahrung, weil es nämlich überall so vor sich geht: Auch Wein und alle schmackhaften Flüssigkeiten, werden immer nur zu Wasser. Alle Flüssigkeiten sind nämlich nur Abwandlungen des Wassers durch Beimischungen,...“

Die Behauptung, Wein würde nach seiner Destillation nur Wasser ergeben ist ein eindrücklicher Beweis dafür, dass es den gebrannten Alkohol, den Weinbrand, in der Antike noch nicht gab. Es erscheint daher nicht verwunderlich, wenn man die primitiven Gerätschaften von damals betrachtet, das der Ausdruck „destillatio“ (wörtlich herabträufeln oder heruntertropfen) zu diesen Zeiten eher medizinisch für eine tropfende Nase verwendet wurde.

In Ägypten, genauer gesagt in Alexandria, entstand in den Jahren um Christi Geburt ein wichtiges Zentrum der Wissenschaften mit einer gewaltigen Bibliothek, die Tausende von Schriftrollen umfasste. Dort verschmolzen griechische Philosophie und orientalische Mystik zu einer neuen Mischung, die es erstmals ermöglichte die überlieferten handwerklichen Kunstfertigkeiten mit dem platonischen, phytagoräischen und aristotelischen Denken zu verschmelzen.

Heraus kam eine neue Wissenschaft, die damals als hohe Kunst betitelt und schließlich sehr viel später, der mystischen Seele beraubt, Chemie benannt wurde. Ursprüngliches Ziel war die Färbung (oder Fälschung) unedler Metalle zu Gold oder Silber. Durch diese Färbung der Metalle sollten philosophische Vorstellungen über die Wandlungsfähigkeit der Materie – und (später) im übertragenen Sinne über die Läuterungsmöglichkeiten der menschlichen Seele – aufgezeigt und bewiesen werden.

Den angeblichen Begründer der „heiligen Kunst“ Hermes Trismegistos – nach ihm wurde sie oftmals auch „hermetische Kunst“ genannt – hat es vermutlich nie wirklich gegeben – vielleicht ist auch deshalb keines seiner angeblichen 36.525 Bücher bis in unser Zeitalter erhalten geblieben.

Die ersten Anhänger der „Al-kimiya“ (von „Chymos“ Saft; gießen; Gießkunst), wie die Araber diese Kunst nannten, versuchten sich im Fälschen unedler Metalle in wertvolles Gold und Silber. Tatsächlich existieren etliche Dokumente, die Rezepte z.B. zur Herstellung von falschem Silber und Edelsteinen beschreiben. Auch der folgende Satz ist ein Zitat (Stockholmer Papyrus): „...wird aus dem Stein Beryll werden, ohne dass die Sachverständigen dahinter kommen können.“ Aus diesen offensichtlich recht weltlichen Versuchen der ägyptischen Priester entstand die Vorstellung des „Goldmachens“.

In den „Baphika“ (Färbebüchern) des Demokritos von Abdera (460-371 v. C.) heißt es: “Hier habt Ihr alles, was für die Darstellung von Gold und Silber gebraucht wird. Nichts habe ich weggelassen, nichts fehlt, als die Aufsteigung der Wolke und des Wassers; das aber habe ich absichtlich verschwiegen, weil es in meinen anderen Schriften enthalten ist...“

Beschrieben wird eine Quecksilberdestillation, denn Quecksilber wurde damals wegen seiner flüssigen Form als Wasser bezeichnet. Weil es verdampfbar ist, wurde es auch als Wolke bezeichnet und wir können deshalb annehmen, dass Demokrit bereits die Destillation kannte. In diesem Text treffen wir auf die später beliebte Art, die Sprache zum Zwecke der Geheimhaltung zu verschleiern, die von ägyptischen, babylonischen und sumerischen Ärzten und Gelehrten angewendet wurde um die Texte vor Nichteingeweihten zu schützen. Dieser Brauch nahm später in der Alchemie teilweise groteske Formen an. Rezepte und Anweisungen im Mittelalter wurden weitgehend durch Symbole verschlüsselt.

Der erste namentlich bekannte Alchemist (oder Verfasser alchemistischer Schriften) war Bolos von Mendes, der im 3. Jahrhundert vor Christi das geheime Tempelwissen der ägyptischen Priester veröffentlichte. Er schrieb, dass der Kosmos eine Einheit bildet und daher alles in alles wandelbar sein müsse. Er ist der mutmaßliche Autor der oben erwähnten Färbebücher unter dem Pseudonym „Demokritos“

In den darauf folgenden Jahrhunderten weisen die Überlieferungen eine Lücke auf, die erst im 3. Jahrhundert unserer Zeitrechnung wieder geschlossen wird. Das Fehlen jeglicher Quellen aus dieser Zeit ist vermutlich darin begründet, dass Kaiser Diokletian aus Angst vor Falschmünzerei sicherheitshalber alle Schriften über die Chymeia vernichten ließ. Schade, denn in dieser Zeit muss es einen größeren Sprung nach vorne in der Entwicklung der Destillationskunst gegeben haben.

Cicero beschreibt in seinen Briefen (ca. 100 v. Chr.) einen Rosenlikör, aber das beweist nicht, dass die Destillation von Alkohol schon bekannt war. Er könnte auch einen süßen Rosenwein gemeint haben.

Zosimos Thebanos lebte gegen Ende des 3. Jahrhunderts nach Christi in Alexandria. Er ist der älteste historisch belegte Alchemist. Zosimos beschreibt Arbeitsmethoden und Geräte, die zur „Tingierung“ (Anfärbung) unedler Metalle verwendet werden. Nach Zosimos geht die Entwicklung der Destillationsapparate auf die historisch nicht fassbare hebräische Maria zurück. Die einen sehen in ihr die Schwester des Moses, die anderen die Sklavin Mohammeds. Nach ihr wird heute noch das Wasserbad als Marienbad oder „Baño maria / bain marie“ benannt, auch wenn bereits Hippokrates und Theophrastos das Wasserbad kannten. Damals benutzte man übrigens nicht nur Wasser um die Hitze des Feuers zu puffern, sondern füllte auch mit Sand, Wachs oder Öl auf, um verschiedene Temperaturen auf dem offenen Feuer erzielen zu können.

Dank der Erfindung der ersten echten Destillationapparatur, dem Alembik (vom griechischen „Ambix“, Kessel mit kleiner Öffnung und „Bikos“, Helm) mit einem Helm zum Auffangen der verdampfenden Geister, konnte erstmals wirklich destilliert werden. Die Ära der aufsteigenden Destillation begann. Es war nun möglich die früheren metallurgischen Färbungen auch bei milderen Temperaturen durch eine „Erhöhung der Geister“ zu vollziehen, da Quecksilber, Schwefel und Arsensulfide destillierbar sind.

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Schnell folgten diverse Destillationsapparaturen wie z.B. der Kurcubita (Kürbis), der Pelikan, der Bär, der Dibikos (mit zwei Geistrohren) oder der Tribicos (mit drei Geistrohren). Eine besondere Kühlung kannte man noch nicht, denn bei all diesen Anlagen übernimmt noch der Helm mit dem Geistrohr diese Aufgabe durch einfache Luftkühlung. Zosimos empfiehlt zwar bereits, feuchte Tücher und Schwämme auf den Helm zu legen, aber trotzdem bleibt es eher unwahrscheinlich, dass zu diesem Zeitpunkt schon niedrigsiedende Substanzen wie z.B. Alkohol destilliert wurden.

Der 925 verstorbene Arzt und Alchemist „Rhazes“ (Al-Razi) veröffentlichte in seinem „Geheimnis der Geheimnisse“ seine umfangreichen Kenntnisse der Alchemie und beschreibt die alchemistischen Prozesse genau: Destillation, Kalzination (Weißmachung durch Veraschen), Solution (Lösen – heute Pflanzenauszug mit Alkohol), Kristallisation, Sublimation (Verfeinern durch Verdampfung), Filtration, Amalgamierung (Verschmelzung), Ceration (Weichmachung – wie Wachs), Koagulation (Gerinnen), Solidifikation (Fest- Haltbarmachung).

Die Araber verstanden es ausgezeichnet ihre Kenntnisse sowohl in der Theorie als auch in der Praxis zu nutzen und weiterzuentwickeln. So erreichte Ihr Wissensstand auf den Gebieten der Medizin, Pharmazie ebenso wie der Chemie einen ungeahnten Höhepunkt. Wissenschaftler durchzogen auf weiten Reisen das Land und lernten hierbei zahlreiche neue Mineralien ebenso wie pflanzliche und tierische Rohmaterialien kennen. Erste Apotheken entstanden und in Bagdad wurde 631 eine Pharmazieschule gegründet. Dank der gesammelten Erfahrungen auf dem Gebiet der Destillation konnten nicht nur Heilmittel, sondern auch kosmetische Produkte und weltberühmte Duftwasser (Rosenwasser) hergestellt werden. Der Destillierkolben (Al-Quara = Kürbis) samt dem Helm wurde nun oftmals aus (qualitativ noch minderwertigem) Glas hergestellt, das von außen mit Lehm bestrichen wurde, um einem eventuellen Zerspringen beim Einheizen entgegenzuwirken.

Interessant ist eine Bemerkung des Arztes Abul Casim, der 1107 in Cordoba starb: „Man kann nach dieser Methode, wenn man will, auch Wein destillieren“.

Auch wenn hier offensichtlich schon Wein destilliert wurde, wird ein Ergebnis nicht geschildert. Vermutlich ist der hochprozentige Alkohol noch nicht entdeckt, denn das „brennbare Wasser“ hätte sicher damals schon für etliches Aufhebens gesorgt.

Al-Razi beschreibt hingegen die Destillation von „naft“, von rohem Erdöl. Das brennbare Ergebnis wurde mit Vorliebe zur Herstellung von Brandsätzen, dem gefürchteten „griechischen Feuer“ verwendet. Die Rückstände verwendete man für Fackeln. In Damaskus entstand eine regelrechte Industrie, die sich mit der Herstellung von „Naphta“ beschäftigte. Bei einem Großbrand in Kairo gingen im Jahre 1077 mindestens 200 Tonnen Erdöldestillate in Flammen auf.

Ihre Hauptanwendung fand die Destillation aber bei der Herstellung von Duftwässern. Während früher die Blüten einfach in warmem Wasser ausgelaugt (mazeriert) und die dabei abgeschiedenen Öle mit Olivenöl aufgenommen wurden, erzielte man durch die Destillation wesentlich intensivere Düfte und eine höhere Ausbeute. Seit Ende des 8. Jahrhunderts produzierte man auch in größerem Maßstab Parfums aus diversen Blüten wie Rosen oder Jasmin. Dem Kalifen „Al-Mamun“ (813-833) mussten beispielsweise jährlich bis zu 30.000 Flaschen Rosenwasser Tribut gezahlt werden.

Einer Ausweitung der Parfumindustrie standen damals hauptsächlich die zu kleinen Destillieranlagen entgegen, denn aufgrund der Materialtechnik war es noch nicht möglich größere Glasgeräte zu benutzen.

Die so genannten „venezianischen Galeerenöfen“, bei denen an einer einzigen Heizquelle mehrere kleine Destillen gleichzeitig beheizt werden konnten, entstanden erst Jahrhunderte später.

Im 13. Jahrhundert entstanden in Süd- und Westeuropa nach dem Vorbild der arabischen „hohen Schulen“ die ersten Universitäten, allen voran die Schule von Salerno, die bereits im 9. Jahrhundert gegründet und nun zur Universität erhoben wurde. Dort lehrte man neben den sieben freien Künsten auch die Medizin.

Die ersten Aufzeichnungen über das brennende Wasser stammen aus Salerno. Dort entwickelte man die von den Arabern übernommene Destillationstechnik weiter, indem man zwischen Helm und Schnabel ein mit Wasser gefülltes Fass setzte. Das Geistrohr wurde erstmalig nachweisbar wassergekühlt und somit war es endlich möglich auch niedrigsiedende Substanzen wie Alkohol zu destillieren.

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