Nathalie Lupberger

Auditive Verarbeitungs- und
Wahrnehmungsstörung
im Kindesalter

Ein Ratgeber für Betroffene,
Eltern, Angehörige und Pädagogen

Die Informationen in diesem Ratgeber sind von der Verfasserin und dem Verlag sorgfältig erwogen und geprüft, dennoch kann eine Garantie nicht übernommen werden. Eine Haftung der Verfasserin bzw. des Verlages und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen.

Besuchen Sie uns im Internet: www.schulz-kirchner.de

4., geringfügig überarbeitete Auflage 2015

3., überarbeitete Auflage 2011

2. Auflage 2009

1. Auflage 2007

ISBN 978-3-8248-0311-8

e-ISBN 978-3-8248-0680-5

Alle Rechte vorbehalten

© Schulz-Kirchner Verlag GmbH, 2015

Mollweg 2, D-65510 Idstein

Vertretungsberechtigte Geschäftsführer:

Dr. Ullrich Schulz-Kirchner, Nicole Haberkamm

Lektorat: Doris Zimmermann

Layout: Susanne Koch

Umschlagfotos: www.photocase.com

Druck und Bindung: TZ-Verlag&Print GmbH, Bruchwiesenweg 19, 64380 Roßdorf

Printed in Germany

| Inhalt

Vorwort zur 3. Auflage

Vorwort des Herausgebers

Einleitung

Was ist eine auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung?

Begriffsbestimmung

Definition der deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie

Was bedeutet eigentlich Wahrnehmung?

Grundlagen der auditiven Verarbeitung und Wahrnehmung

Peripheres Hören

Verarbeitung

Retrocochleäres oder zentrales Hören

Zusammenfassung

Zentrale Verarbeitung und Wahrnehmung im Gehirn

Ursachen

Woher kommt eine AVWS?

Teilleistungen der auditiven Verarbeitung und Wahrnehmung

Wie können sich die Schwierigkeiten in der auditiven Verarbeitung und Wahrnehmung auswirken?

Diagnostik bei AVWS

Folge- und Begleiterscheinungen

AVWS und Sprache

Allgemeine Hilfen/Fördermaßnahmen für Eltern

AVWS und Lese-Rechtschreibstörung

AVWS und Aufmerksamkeit

Hyperakusis

Behandlungsmöglichkeiten/Fördermaßnahmen/Therapie

Zusammenfassung

Übungsvorschläge für zu Hause

An wen kann ich mich wenden?

Nützliche (Internet-)Adressen

Literaturauswahl

Anhang

Beobachtungsbogen für Eltern

Beobachtungsbogen für Lehrer und Erzieher

| Vorwort zur 3. Auflage

Seit der Erstauflage im Jahr 2007 erfreut sich der Ratgeber zum Thema der Auditiven Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung im Kindesalter einer sehr großen Nachfrage von Eltern, Lehrkräften und Therapeuten.

Wir freuen uns deshalb sehr, mit diesem Buch bereits die dritte, aktuell überarbeitete Auflage vorlegen zu können. Die Verfasserin hat hierzu einige Ergänzungen und Aktualisierungen vorgenommen und sich darüber hinaus noch stärker an den Erfahrungen von Eltern, Erzieherinnen und Lehrerinnen orientiert. Die Themen und Hilfestellungen des Ratgebers können hierdurch noch direkter auf den Alltag des Kindes übertragen werden.

Ich wünsche dem Buch, dass es die Einschätzungs- und Handlungsmöglichkeiten von Eltern und pädagogischen Fachleuten zum Wohle der betroffenen Kinder erhöhen kann.

Prof. Dr. Claudia Iven

| Vorwort des Herausgebers

Die Ratgeber für „Angehörige, Betroffene und Fachleute“ vermitteln kurz und prägnant grundlegende Kenntnisse (auf wissenschaftlicher Basis) und Hilfestellungen zu ausgewählten Themen aus den Bereichen der Gesundheit, der Medizin und der Therapieberufe (Sprachtherapie, Ergotherapie, Physiotherapie). Die Autorinnen und Autoren der Reihe sind ausgewiesene Fachleute mit langjähriger Erfahrung in Therapie, Beratung und Lehre.

Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen (AVWS) im Kindesalter sind in den letzten Jahren stärker ins Bewusstsein der Fachwelt gedrungen, da es sich gezeigt hat, dass Kinder, die unter AVWS leiden, mit unterschiedlichen Problemen konfrontiert sind, die unter anderem eine normale Sprachentwicklung gefährden – eine Grundvoraussetzung für die schulische, berufliche und soziale Entwicklung. Frau Lupberger vermittelt in ihrem Ratgeber das Thema anschaulich und praxisbezogen. Ich hoffe, dass sich dadurch für Eltern, Angehörige, aber auch für pädagogisches Fachpersonal Einsichten und Anregungen ergeben, welche den betroffenen Kindern zugutekommen werden.

Prof. Dr. Jürgen Tesak †
Oktober 2006

| Einleitung

Liebe Leser, Eltern, Kinder, Großeltern und Erzieher,

kommen Ihnen folgende Situationen bekannt vor?

Lisa ist acht Jahre alt. Sie kennt alle Buchstaben, kann diese aber nicht zu Wörtern verbinden.

Sebastian liest gut und fließend, weiß nach dem Lesen aber den Inhalt nicht mehr.

Die Leistungen von Moritz im Diktat sind zu Hause erheblich besser als in der Schule.

Nina spricht immer sehr laut, es gelingt ihr meist nicht, sich der Umgebung anzupassen.

Paul ist sehr ängstlich, er zuckt bei jedem lauten Geräusch zusammen und kuschelt sich an seine Mama.

Melissa braucht stundenlang, um ihre Hausaufgaben fertig zu bekommen. Sie schaut oft verträumt aus dem Fenster hinaus.

Nick benötigt sehr lange, um sich ein Gedicht merken zu können. Nach kürzester Zeit vergisst er es auch wieder.

Alexander verwechselt in der 3. Klasse immer noch die Laute /k/ und /t/ (z. B. „Tanne“ statt Kanne) und vergisst immer wieder Buchstaben im Diktat.

Pius kommt meist besonders müde aus der Schule nach Hause, er berichtet, wie laut die Klasse war und dass er seine Lehrerin kaum verstanden hat.

All diese beschriebenen Symptome können auf eine auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung hinweisen, es sind nur einige Beispiele.

Kinder mit einer auditiven Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung können große Mühe haben, Gehörtes aufzunehmen und zu speichern. Oft können sie sich mehrteilige Anweisungen nicht merken. Sie hören bei Hintergrundlärm schlechter, verwechseln ähnlich klingende Wörter und sind teilweise schon überempfindlich gegenüber Lärm.

Der Ihnen vorliegende Ratgeber soll deshalb in vielerlei Hinsicht als Hilfestellung dienen. Ein Ziel ist es, Ihnen Einblicke in das Krankheitsbild der auditiven Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung zu geben. Andererseits soll Ihnen die Problematik, die das betroffene Kind erlebt, näher gebracht bzw. verständlich gemacht werden. Oft ist es den Eltern gar nicht bewusst, welche Schwierigkeiten ihr Kind hat.

Der Ratgeber will Ihnen außerdem Hilfen aufzeigen, die Sie zu Hause anwenden können und die Ihnen zu einem besseren Erkennen der Problematik verhelfen sollen.

Um überdies noch Verständnis für die Situation der Kinder zu wecken, werden die Ursachen, Auswirkungen und therapeutischen Möglichkeiten bei einer auditiven Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung bei Kindern dargestellt.

Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass im Folgenden vorwiegend die Bezeichnung auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung bzw. die Abkürzung AVWS benutzt wird.

| Was ist eine auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung?

Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in einem Café in Begleitung einer Freundin oder eines Freundes. Sie (normal hörend und verarbeitend) hören viele Geräusche auf einmal (Gläser klappern, die Türe schlägt zu, Gespräche vom Nachbartisch, Lachen, Husten, Hundegebell ...), dennoch können Sie Ihrem Gegenüber zuhören und dem Gespräch folgen, indem Sie alle Nebengeräusche ausblenden. Dieser Vorgang geschieht unbewusst und automatisch.

Kinder mit AVWS können dies nicht. Sie können nicht das Wesentliche (Sprache) herausfiltern, sondern sie nehmen alle Geräusche gleich laut wahr.

Dieses Beispiel schildert nur eine kleine Facette eines umfangreichen Störungsbildes. Im Folgenden soll dieses Störungsbild etwas näher dargestellt werden.

Begriffsbestimmung

Die auditive Verarbeitung und Wahrnehmung ist die Fähigkeit, Schallereignisse jeglicher Art differenziert aufzunehmen, diese weiterzuleiten, ihre Bedeutung zu verstehen, zu erfassen und in bereits Erlebtes einzuordnen. Wenn wir beispielsweise das Ertönen einer Sirene oder eines Signalhorns hören, wissen wir, dass es sich um einen Krankenwagen, ein Polizeiauto oder die Feuerwehr handelt. Mit dem Ertönen verbinden wir, dass wir vorsichtig sein müssen oder/und dass etwas passiert ist.

Im Zusammenhang mit der auditiven Wahrnehmung müssen die Begriffe auditiv und akustisch unterschieden werden.

Akustik als Lehre vom Schall und den Schallverhältnissen und die davon abgeleiteten Begriffe meinen den physikalischen Reiz. Die anatomischen Grundlagen des Hörvorgangs und die physiologischen Prozesse hingegen werden als auditiv bezeichnet. Man spricht also von auditiver Wahrnehmung, aber von akustischen Reizen.