Herstellung und Verlag:
Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN 978-3-7322-6687-6
Das Buch wendet sich an alle, die mit Wirtschaftsförderung in Theorie und Praxis zu tun haben. Ich selbst habe eine derartig strukturierte und inhaltlich auf Wirtschaftsförderung und Standortpolitik fokussierte Publikation in meiner wissenschaftlichen Arbeit und im späteren praktischen Umgang mit Wirtschaftsförderung stets vermisst. Aus diesem Grund erschien es mir notwendig, ein Buch zu verfassen, welches einen Überblick über die verschiedenen Wirtschaftsförderinstrumente liefert und anhand von Beispielen die Wirkungsweise dieser erläutert. Es geht mir nicht darum, die Funktionsweise der einzelnen Instrumente in allen Verästelungen detailliert darzustellen. Vielmehr möchte ich erreichen, dass der geneigte Leser einen Überblick über die Ziele und Gründe staatlicher Wirtschaftsförderung gewinnt und über deren Folgen und Wirkungen informiert wird. Dies erscheint mir not- wendig, da viele Akteure, die sich mit Wirtschaftsförderung beschäftigen, oft nur einige Instrumente im Detail kennen, der Blick für das Ganze und die Zusammenhänge allerdings oft verstellt ist.
Gleichwohl Wirtschaftsförderung in Deutschland in großem Umfang betrie- ben wird, besteht ein erheblicher Mangel an analytischer und theoretischer Fundierung dieser Praxis. Dieses Buch will dazu beitragen, diese Lücke zu schließen und konzentriert sich hierbei auf die Beschreibung der Funktions- weisen und ökonomischen Wirkungen der einzelnen Wirtschaftsfördermaß- nahmen. Es wird versucht, dem Leser einen allgemeinen Zugang zum The- ma in einfacher Weise zu ermöglichen. Da die Entwicklung auch im Bereich Wirtschaftsförderung nicht stehengeblieben ist, wurde die dritte Auflage des Buches überarbeitet und ergänzt. Insbesondere wurde ein Kapitel zu revolvierenden Fonds eingefügt, die sich gerade in Zeiten rückläufiger EU- Fördermittel zunehmender Beliebtheit erfreuen. Darüber hinaus wurden auch kleinere Fehler die sich eingeschlichen hatten, beseitigt.
Erfurt, im Dezember 2015
Als Wirtschaftsförderung werden verschiedene Maßnahmen des Staates zur Begünstigung bestimmter wirtschaftlicher Tatbestände oder Verhaltensweisen bezeichnet. Konkret bezeichnet man als Wirtschaftsförderung die Summe aller staatlichen Maßnahmen, die unmittelbar für betriebliche Investition- und Standortentscheidungen von Bedeutung sind (Dieckmann und König, 1994). In der Praxis lassen sich drei qualitative Hauptformen der Wirtschaftsförderung unterscheiden:
Wirtschaftsförderung ist ein Teil der allgemeinen Wirtschaftspolitik, mit deren Hilfe der Staat2 versucht, die wirtschaftliche Entwicklung zu verbessern und zu verstetigen (van der Beek und Korn 2008,198). Wirtschaftsförderung lässt sich nicht eindeutig von anderen Politikfeldern abgrenzen, denn auch andere Politikfelder wie die Steuer-, Verkehrs-, oder Infrastrukturpolitik zielen mitunter darauf ab, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in einer Region zu stärken und damit zur Schaffung von Arbeitsplätzen und Wohlstand beizutragen (Meyer-Stamer 1999, 2). Träger der Wirtschaftsförderung sind staatliche oder halbstaatliche Einrichtungen auf der Ebene der EU, des Bundes, der Länder oder der Gemeinden. Wirtschaftsförderung kann durch eine Vielzahl von Maßnahmen und Instrumenten erfolgen. So können durch Subventionen, Bürgschaften die Unternehmen direkt gefördert werden oder durch Zuwendungen für die Konsumenten indirekt – über eine verstärkte Nachfrage – begünstigt werden. Wir wollen den Begriff Wirtschaftsförderung eher weit auslegen und alle Maßnahmen, die Unternehmen direkt oder indirekt begünstigen als Wirtschaftsförderung bezeichnen.
Neben dieser eher qualitativen Systematisierung von Wirtschaftsförderung und der Fokussierung auf die Frage, welche Unternehmensgruppen oder wirtschaftliche Tätigkeiten von der Förderung profitieren, kann Wirtschaftsförderung auch stärker quantitativ abgegrenzt werden. Die eher quantitative Abgrenzung zeigt auf, wie viele Unternehmen durch die jeweilige Art der Wirtschaftsförderung Vorteile erfahren. Profitieren sehr viele Unternehmen von der jeweiligen Fördermaßnahme, so spricht man von Wirtschaftsförderung im weitem Sinne. Maßnahmen wie die Senkung von Lohnnebenkosten oder der Verzicht auf strenge Umweltschutzvorschriften können beispielsweise zu Maßnahmen der Wirtschaftsförderung im weiten Sinne gezählt werden. Solche Fördermaßnahmen kommen einer Vielzahl von Unternehmen zugute und wirken daher weniger selektiv. Die nachfolgende Grafik bildet symbolisch alle Unternehmen einer Region ab. All jene Unternehmen, die sich innerhalb des Rahmens befinden, profitieren von der jeweiligen Wirtschaftsfördermaßnahme. Wie die Abbildung veranschaulicht, generiert die Maßnahme für alle Unternehmen der Region Vorteile.
Abbildung 1: Wirtschaftsförderung im weitem Sinne
Maßnahmen der Wirtschaftsförderung deren Wirkungskreis so weit reicht, werden als Wirtschaftsförderung im weiten Sinne bezeichnet. Hierzu zählen beispielsweise allgemeine Verbesserungen der steuerlichen oder infrastrukturellen Rahmenbedingungen wie z.B. eine Senkung der allgemeinen Unternehmenssteuern oder der Ausbau des Autobahnnetzes. Wirtschaftsförderung im weitem Sinne kommt dem ordnungspolitischem Ideal sehr nahe, welches besagt, dass sich der Staat auf die Schaffung jener politischen und infrastrukturellen Rahmenbedingungen konzentrieren sollte, die die wirtschaftliche Entwicklung von Unternehmen bestmöglich unterstützen und all jene Maßnahmen unterlassen sollte, die einzelne Unternehmen oder Branchen selektiv begünstigen. Im Sinne von Ludwig Ehrhard (1957) bedeutet dies, dass der Staat die für alle Unternehmen geltenden (Spiel)regeln aufstellt, aber in das Spiel selbst nicht eingreift.
„Da bin ich der Meinung, dass ebenso wie der Schiedsrichter nicht mitspielen darf, auch der Staat nicht mitzuspielen hat (…) Was ich mit einer marktwirtschaftlichen Politik anstrebe, das ist – um im genannten Beispiel zu bleiben – die Ordnung des Spiels und die für dieses Spiel geltenden Regeln aufzustellen.“ Ehrhard (1957,132)·
Die Vorstellung, Wirtschaftspolitik so zu betreiben, dass es zu keinerlei selektiver Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Branchen kommt, ist in der Praxis allerdings nahezu unmöglich. Jede wirtschafts- oder infrastrukturpolitische Maßnahme begünstigt bestimmte Unternehmen oder Branchen und generiert nicht für alle Unternehmen Vor- oder Nachteile in gleicher Weise. Beispielsweise verschafft der Bau einer Autobahn für ein Logistikunternehmen mehr Vorteile als für einen Friseurladen in der Innenstadt. Ordnungspolitik im reinen Sinne ist daher eine Idealvorstellung, denn jede wirtschaftspolitische Maßnahme nimmt Einfluss auf das Spiel, sosehr sich der Staat auch bemüht, nur die Spielregeln zu ändern. Von ordnungspolitisch sinnvollen Maßnahmen wird dann gesprochen, wenn die jeweilige staatliche Aktivität so angelegt ist, dass der Wettbewerb zwischen den Unternehmen nur wenig beeinflusst wird und die Wirkungen der Maßnahme für die Unternehmen in annähernd gleichem Maße Vorteile generiert.
In Abgrenzung zur Wirtschaftsförderung im weiten Sinne wird von Wirtschaftsförderung im engeren Sinne dann gesprochen, wenn es sich bei der jeweiligen Maßnahme um eine unternehmensspezifische und sehr selektive Förderung handelt oder um eine Maßnahme, die sich nur an einen bestimmten Kreis von Unternehmen richtet. Wirtschaftsförderung im engeren Sinne findet dann statt, wenn einzelne Unternehmen oder bestimmte Unternehmensbranchen gezielt durch Fördermaßnahmen unterstützt werden (kleiner Kreis an Begünstigten). Der Ausbau einer Zufahrtsstraße durch öffentliche Mittel, die nur von einem Unternehmen genutzt wird oder die Unterstützung eines ganz bestimmten Unternehmens durch eine staatliche Bürgschaft zählen zur Wirtschaftsförderung im engeren Sinne. Auch die Förderung von bestimmten Branchen, Netzwerken oder aber Maßnahmen zur Ansiedlung eines bestimmten Unternehmens in der Region zählen hierzu. Die nachfolgende Grafik veranschaulicht dies.
Abbildung 2: Wirtschaftsförderung im engeren Sinne
Die obige Abbildung stellt vereinfacht wiederum alle Unternehmen einer Region dar. Die Wirtschaftsfördermaßnahmen sind so gestaltet, dass nur einige wenige Unternehmen oder nur ein Unternehmen von der jeweiligen Förderung profitiert. Wirtschaftsförderung im engeren Sinne bezeichnet mithin Maßnahmen, die nur bestimmten Unternehmen oder Branchen zugutekommen und ist insofern abzugrenzen von anderen, gesamtwirtschaftlich wirkenden Maßnahmen, etwa zur Konjunktur- oder Wachstumsbelebung.
Neben der Unterscheidung von Wirtschaftsförderung hinsichtlich der Anzahl der Begünstigten lässt sich Wirtschaftsförderung auch danach unterscheiden, welchen Unternehmen die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen zugutekommen. Je nachdem ob die Firmen, die in den Genuss einer Wirtschaftsförderung gelangen, sich schon in der Region befinden oder nicht, unterscheidet man zwischen endogener und exogener Wirtschaftsßrderung.
Ziel der exogenen Wirtschaftsförderung ist es, Firmen und Unternehmen in einer bestimmten Gegend anzusiedeln, um diese wirtschaftlich und unternehmenskulturell zu bereichern. Den Unternehmen werden durch Maßnahmen wie reduzierte Steuersätze über einen bestimmten Zeitraum oder durch günstiges Bauland Anreize gesetzt, sich in diesem Gebiet niederzulassen. Maßnahmen der exogenen Wirtschaftsförderung sind eher kurzfristiger Natur; sie zielen sich vor allem darauf, Unternehmen zur Ansiedlung zu bewegen.
Ein Beispiel für eine erfolgreiche exogene Wirtschaftsförderung, ¡st die Ansiedlung von BMW in Leipzig. BMW hat in Leipzig 1,3 Milliarden Euro investiert, rund 360 Millionen davon stammten aus den verschiedenen öffentlichen Fördertöpfen. Diese finanzielle Unterstützung der Ansiedlung spielte wie der damalige Vorstandsvorsitzende von BMW, Helmut Panke, einräumte bei der Standortentscheidung eine wichtige Rolle. "Ohne Förderung hätten wir das nicht gemacht." Aus seiner Sicht, diente die staatliche Förderung dazu, die bestehenden Nachteile für Investoren in Ostdeutschland gegenüber anderen Regionen auszugleichen.
Traditionell zielt Wirtschaftsförderung in erster Linie auf die Ansiedlung von Unternehmen. Wichtige Instrumente exogener Wirtschaftsförderung sind das Standortmarketing und die Vergabe von Ansiedlungsvergünstigungen. Heutzutage ist die Bestandspflege und Entwicklung von ansässigen Unternehmen, die sogenannte endogene Wirtschaftsförderung, mindestens genauso bedeutsam (Meyer-Stamer 1999, 1). Moderne Wirtschaftsförderung umfasst daher sowohl Elemente der exogenen als auch endogenen Wirtschaftsförderung.
Endogene Wirtschaftsförderung richtet sich an ortansässige Unternehmen, die durch staatliche Maßnahmen unterstützt und gefördert werden und hat die Bestandspflege bzw. Bestandserweiterung der ortsansässigen Unternehmen zum Ziel. Die endogene Wirtschaftsförderung kann sich hierbei
Ortansässige Unternehmen sind in unterschiedlichem Ausmaß regional bzw. überregional mobil. Daher messen Gebietskörperschaften der Sicherung des Unternehmensbestandes und der Verhinderung von Unternehmensabwanderungen große Bedeutung bei. Eine Wirtschaftsförderung, die sich nur auf die Ansiedlung von neuen Unternehmen ausrichtet, lässt die endogenen Entwicklungspotentiale einer Region ungenutzt. Auch der zunehmend härtere Wettbewerb um Unternehmensansiedlungen zwingt Gebietskörperschaften sich auf heimische Stärken und die Erschließung der vorhandenen Potentiale zu konzentrieren. So ist beispielsweise bei einer Erweiterungsinvestition oder der Gründung einer neuen Produktionsstätte die endogene Wirtschaftsförderung zur Sicherung des Bestandes ein immer wichtiger werdender Teil moderner Wirtschaftsförderung. Maßnahmen der endogenen Wirtschaftsförderung sind beispielsweise Vorzugskredite, finanzielle Unterstützung für Start-ups, Technologie- und Gründerzentren sowie Cluster. Zur endogenen Wirtschaftsförderung zählt auch die Rettung einheimischer Unternehmen durch den Einsatz staatlicher Fördermaßnahmen.
Exemplarisch für eine solche „Rettung“ sind die Hilfsmaßnahmen für den Baukonzern Phillip Holzmann im Jahre 1999. Auf Druck des damaligen Bundeskanzlers Schröder erklärten sich die Banken bereit, dem angeschlagenen Baukonzern weitere Kredite zu gewähren und der Staat stellte seinerseits eine Bürgschaft in Höhe von 250 Mio. DM bereit. Nach dieser „Rettung“ des Unternehmens sprachen bei einer Umfrage des Forsa-lnstituts Bundeskanzler Schröder 38 Prozent der Befragten ihre Sympathie aus sieben Punkte mehr als in der Vorwoche3. Gerade dieses Beispiel zeigt, wie Wirtschaftsförderung durch Politiker instrumentalisiert wird. Im Jahre 2002 ging der Baukonzem endgültig insolvent.
Die theoretische Unterscheidung zwischen endogenen und exogenen Instrumenten ist einleuchtend, allerdings wirken die Instrumente in der Realität nicht so trennscharf. Denn endogene Instrumente der Wirtschaftsförderung wirken teilweise ähnlich wie exogene Instrumente, da sich ansiedlungswillige Unternehmen nicht nur von den in Aussicht gestellten Ansiedlungsförderungen (exogenes Instrument) locken lassen, sondern zumeist die Qualität des Siedlungsstandortes langfristig betrachten. Bei dieser Langfristbetrachtung spielen neben dem allgemeinen Wert des Standortleistungsbündels (siehe hierzu 2.1) eben auch endogene Wirtschaftsfördermaßnahmen eine Rolle, beispielsweise wie stark den Wünschen des Unternehmens nach einer Ansiedlung von der Gebietskörperschaft entsprochen wird. So kann eine FuE-Förderung die sich ausschließlich an ortansässige Unternehmen richtet einen Anreiz für mobile Unternehmen zur Ortverlagerung darstellen, d.h. das endogene Instrument (FuE-Förderung für ortansässige Unternehmen) wirkt exogen. Das Unternehmen siedelt sich nur deshalb in der betreffenden Region an, weil dort ansässigen Unternehmen sehr gute FuE-Förderkonditionen offeriert werden.
Eine interessante Frage ist, weshalb Kollektive überhaupt Wirtschaftsförderung betreiben. Denn Wirtschaftsförderung zählt keineswegs zu den klassischen Aufgaben des Staates und doch ist in allen Industriestaaten eine aktive Wirtschaftsförderung zu beobachten. Um zu verstehen, weshalb Wirtschaftsförderung betrieben wird, ist es sinnvoll, zunächst die Ziele der Bürger und daraus abgeleitet, die Ziele und Aufgaben der Gebietskörperschaften zu betrachten. Sofern der politische Prozess zu einer Aggregation der individuellen Präferenzen der Bürger führt, spiegeln sich in den Zielen und Aufgaben einer Gebietskörperschaft die aggregierten Präferenzen der Bürger wieder. Wenden wir uns daher zunächst den Präferenzen der Bürger zu.
In der Ökonomik ist es üblich, das individuelle Handeln von Personen aus deren Nutzenkalkülen abzuleiten. Dieser Herangehensweise folgend, ist die Aktivität von Gebietskörperschaften aus den individuellen (Nutzen-) Kalkülen der Bürger abzuleiten. Unterstellt man Bürgern beispielsweise, dass sie das Ziel haben, dass an ihrem Wohnort eine präferenzgemäße Versorgung mit öffentlichen Leistungen zu minimalen Kosten erfolgt, so lässt sich der Nutzen eines einzelnen Bürgers n formal wie folgt ausdrücken:
(1) Un = Un(L, t)
Hierbei bezeichnet L das vom Standort bereitgestellte Leistungsbündel und t den Preis, den der Einwohner oder die Einwohnerin in Form von Steuern und Gebühren zur Finanzierung des Leistungsbündels entrichten muss. Zu den angesprochenen Standortleistungen zählen beispielsweise das Angebot an Kindertagesstätten, Freibädern oder der Umfang des öffentlichen Nahverkehrs. Der Preis tbildet die Kosten ab, die ein Einwohner dieser Gebietskörperschaft für die Bereitstellung dieser Leistungen entrichten muss. Der individuelle Nutzen eines Bürgers soll mit steigenden Standortleistungen und sinkendem (Steuer-) Preis steigen, d.h. die Nutzenfunktion unter (1) wird charakterisiert durch:
(2)
Unterstellt man der Einfachheit halber, dass Politiker und Bürokraten lediglich Organe sind, die den Willen der ortsansässigen Bevölkerung ohne Verzerrung umsetzen und allein das Wohl der ortansässigen Bevölkerung (N) mehren wollen, so lässt sich die zu maximierende Nutzenfunktion eines Standortes4 darstellen als:
(3)
Doch auf welche Weise kann Wirtschaftsförderung nun zur Nutzenmehrung und damit zur Wohlfahrtssteigerung eines Standortes beitragen? Sofern es gelingt, am Standort eine florierende Wirtschaft zu etablieren, können durch höhere Steuereinnahmen die Standortleistungen verbessert oder die Standortpreise gesenkt werden. Da eine funktionierende Wirtschaft letztlich auch Anreize zur Zuwanderung setzt, kann über den Weg einer starken regionalen Wirtschaft auch Immigration generiert werden, die letztlich wiederum dazu führt, dass die Finanzierung lokaler öffentlicher Güter auf mehr Schultern verteilt werden kann. Dies bewirkt eine Absenkung des individuell zu entrichtenden Steuerpreises und führt auch zur Steigerung der regionalen Wohlfahrt.
In einer marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung ist allerdings der Kauf oder die direkte Schaffung von Arbeitsplätzen bzw. zusätzlichem Steueraufkommen durch staatliche Organisationen nicht möglich. Wohl aber können staatliche Organisationen Anreize schaffen, damit private Unternehmen Arbeitsplätze in einer bestimmten Region schaffen. Man kann daher Wirtschaftsförderung als eine Art Tauschhandel begreifen. Die Bürger offerieren Wirtschaftsunternehmen ein „Geschenk“ und hoffen gleichzeitig, dass sie ein ebenso großes (oder größeres) Gegengeschenk vom Beschenkten (Unternehmen) erhalten.
Noch heute ist der Spruch „Ein Geschenk verlangt nach einem Gegengeschenk!“ bekannt und findet bei der Auswahl von Geburtstagsgeschenken seine praktische Anwendung. Dies entspricht einer alten menschlichen Einstellung, zusammengefasst im Do-ut-des-Phnzip: „Ich gebe, damit du gibst“. Wenn man beispielsweise beim heidnischen Julfest für gute Ernte und Frieden opfert, dann tut man das in der Hoffnung, dass die Götter ihren Anteil an dieser guten Ernte haben werden, dass man sie also durch ein Geschenk zu einem Gegengeschenk veranlassen kann. Man macht profan ausgedrückt mit den Göttern einen „Handel“, man sichert seine eigene Existenz dadurch, dass man den Göttern opfert.
Bei Wirtschaftsförderung erfolgt also kein direkter Leistungsaustausch, was auch daran erkennbar ist, dass für Zuwendungen des Staates zum Zweck der Wirtschaftsförderung keine Umsatzsteuer zu entrichten ist5.
Wirtschaftsförderung als Austausch von „Geschenken“
Wie eben erwähnt, kann Wirtschaftsförderung im übertragenen Sinn als ein Austausch von Geschenken verstanden werden. Der Staat unterstützt Wirtschaftsunternehmen mit Fördermaßnahmen und hofft im Gegenzug, dass sie für die Region und ansässigen Bürger ein ähnlich großes Gegengeschenk erbringen. Wirtschaftsförderung hat mithin die Eigenschaften eines indirekten, zeitversetzten Geschenke-Tausches mit all den hiermit verbundenen Problemen.
Schon 440 vor Christus schildert Herodot Tauschaktivitäten zwischen Kollektiven folgendermaßen: „Die Karthager (= Phönizier) erzählen von einem Ort und von Menschen, die außerhalb der Säulen des Herakles (= Gibraltar) wohnen; wenn sie dahin kommen und ihre Waren herausbringen, legen sie dieselben ans Ufer und gehen wieder in die Schiffe, auf welchen sie Rauch machen. Wenn die Einwohner den Rauch sehen, kommen sie ans Meer und legen Gold für die Waren hin, worauf sie von den Waren wieder weggehen. Alsdann steigen die Karthager wieder ans Land. Scheinen die Waren mit dem Gold bezahlt, so nehmen sie es und fahren ab. Reicht das Gold aber nicht, so gehen sie wieder auf die Schiffe und warten. Jene kommen und legen so viel Gold zu, bis diese zufrieden sind. Sie betrügen einander nicht; denn sie rühren das Gold nicht an, bis es dem Wert der Waren gleich ist; jene rühren die Waren nicht eher an, bis diese das Gold genommen haben.“(Herodot (440 v. Chr. Buch 4, Kapitel 196)
Wirtschaftsförderung in modernen Industriegesellschaften weist einige Parallelen zu einem Austausch von Geschenken auf. Im Unterschied zu Tauschgeschäften ist aber Wirtschaftsförderung dadurch gekennzeichnet, dass zwar die Leistung des Staates relativ genau quantifiziert werden kann (z.B. die Höhe der Subvention), der Wert der Gegenleistung des Empfängers allerdings häufig nicht. Denn die Gegenleistung der Unternehmen ist nur durch Erfolge am Markt erzielbar. Daher ist sowohl die Höhe der Gegenleistung (steigende Steuereinnahmen, mehr Arbeitsplätze) als auch die Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts unsicher6 (vgl. hierzu weiterführende Erläuterungen unter 1.3.2). Eine Kosten-Nutzen-Analyse ist bei Wirtschaftsfördermaßnahmen aus den eben genannten Gründen daher schwierig. Aufgrund dieser Schwierigkeiten haben auch die Bürger keine genauen Anhaltspunkte für die Bezifferung ihrer Wertschätzung für Wirtschaftsfördermaßnahmen.
Die primäre Aufgabe von Gebietskörperschaften besteht – wie bereits beschrieben - nicht darin, Wirtschaftsförderung zu betreiben. Vielmehr wollen Gebietskörperschaften durch die Stärkung der regionalen Wirtschaftskraft übergeordnete Ziele erreichen7. Wirtschaftsförderung ist mithin nur ein Mittel zum Zweck, denn in der Marktwirtschaft können staatliche Institutionen viele Leistungen wie konkurrenzfähige Arbeitsplätze nicht selbst schaffen. Sind die Bürger einer Region daran interessiert, dass das vom Standort bereitgestellte Leistungsbündel ihren Präferenzen entspricht und zugleich einen möglichst niedrigen Preis aufweist, kann es eine sinnvolle Strategie einer Gebietskörperschaft sein, sich durch Wirtschaftsförderung zusätzliche Einnahmen zu verschaffen, die dann zu einer Verbesserung des Standortbündels oder zu einer Senkung des lokalen Steuerpreises verwendet werden können. Letztlich lässt sich der Einsatz von Wirtschaftsförderung als ein Mittel zur Maximierung der unter (1) genannten Zielfunktion verstehen.
Die zunehmend aktivere Wirtschaftsförderung in den letzten Jahrzehnten zeigt, dass zur Erreichung der oben genannten Ziele immer häufiger Instrumente der Wirtschaftsförderung genutzt werden. Dies mag auch daran liegen, dass sich Standorte bei vielen anderen Parametern immer weiter angeglichen haben und beispielsweise bei der öffentlichen Sicherheit oder der Ausstattung mit lokaler Infrastruktur (z.B. Schulen, Kindergärten o. ä.) zwischen den einzelnen Gebietskörperschaften kaum noch Unterschiede bestehen. Zudem sind moderne Unternehmen weit weniger auf die Existenz bestimmter natürlicher Standortfaktoren angewiesen, was dazu führt, das aus Unternehmenssicht die Standorte austauschbarer und aus Standortsicht der Wettbewerb härter wird. Wenn die Bedeutung natürlicher Standortunterschiede immer weiter abnimmt, kommt der Schaffung von künstlichen Standortunterschieden – z.B. durch unterschiedliche Wirtschaftsförderung an den Standorten – eine größere Bedeutung als in der Vergangenheit zu. Viele Standorte haben erkannt, dass die Erreichung der übergeordneten Ziele nur mit einer starken regionalen Wirtschaft möglich ist und messen daher der Wirtschaftsförderung großes Gewicht bei.
Wirtschaftsförderung als Schutz vor Vermögensverlusten
Den Tauschcharakter von Wirtschaftsförderung hat Müller (2000) anschaulich dargestellt. Er zeigt, dass private Firmen den Charakter von öffentlichen Gütern aufweisen können. In seinem Modell nimmt Mueller an, dass die Bürger eines Landes sich entsprechend ihren Präferenzen nach öffentlichen Leistungen in verschiedenen Gebietskörperschaften angesiedelt haben. Einzige Einkommensquelle neben der Beschäftigung im öffentlichen Sektor und dem Angebot von Dienstleistungen seien die Löhne eines Unternehmens, das einen bestimmten Anteil der Altsassen (Bürger) beschäftigt. Die Existenz dieses Unternehmens sichert in der Gebietskörperschaft Arbeitsplätze und Lohneinkommen für die Bürger. Darüber hinaus zahlt die Firma Steuern und ermöglicht die Bereitstellung von öffentlichen Gütern in dieser Region. Die Anwohner können durch das Lohneinkommen Nutzen aus ihrem als örtlich gebunden angenommenem Haus- und Grundvermögen ziehen und dessen Wert erhalten. Die Bürger binden sich durch ihre Investitionen in Haus- und Grundvermögen freiwillig an die betreffende Region.
Unterstellt man nun, dass dieses Unternehmen Schwierigkeiten hat sich im Wettbewerb mit anderen Unternehmen zu behaupten und kurz vor der Insolvenz steht. Welche Folgen ergeben sich hieraus für die Region und die Bewohner? Zunächst würden die Beschäftigten dieser Firma ihren Arbeitsplatz verlieren und es können aufgrund der fehlenden Steuereinnahmen weniger öffentliche Leistungen bereit gestellt werden. Die Bürger wären auch gezwungen, die Gebietskörperschaft zu verlassen, weil mit der Firma auch ihr Einkommen und damit ihre Lebensgrundlage verloren gingen. Doch was passiert dann mit dem Haus- und Grundbesitz der Bürger? Die Bürger könnten die hierfür investierten standortspezifischen Kosten zwar durch einen Verkauf amortisieren. Da es jedoch keine Nachfrage für ihren Besitz gibt, weil auch andere Bürger keine Lebensgrundlage in der Gebietskörperschaft finden würden, sind die Bürger gezwungen, ihr Haus- und Grundvermögen auf null abzuschreiben. Aus den standortspezifischen werden folglich irreversible Kosten. Zudem müssen die Bürger damit rechnen, weitere Nutzeneinbußen zu erleiden, wenn sie in eine andere Gebietskörperschaft wandern. Denn das dort angebotene Steuer-Leistungsbündel könnte verglichen mit dem Angebot der ehemaligen Jurisdiktion suboptimal sein8.
Mueller (2000) argumentiert nun, dass die Existenz der Firma für die Bürger der Gebietskörperschaft ein lokales öffentliches Gut darstellt. Niemand kann von den positiven Wirkungen der Firma in Bezug auf Arbeitsplatz, Steueraufkommen und dem Nutzen aus der Aufrechterhaltung des eigenen Haus- und Grundvermögens ausgeschlossen werden. Zudem besteht keine Rivalität in der Nutzung. Verzeichnet die Firma Verluste und plant einen Kapazitäts- oder einen Arbeitsplatzabbau, so muss damit gerechnet werden, dass die arbeitslosen Bürger in eine andere Jurisdiktion ziehen und ihr Haus- und Grundvermögen zurücklassen. Konfrontiert mit diesen Konsequenzen haben die Bürger einer Jurisdiktion einen Anreiz, dem Unternehmen eine finanzielle Unterstützung zu gewähren, die den Erhalt der Firma und ihr eigenes Vermögen sichert9.
Sind die Werte des Haus- und Grundvermögens zwischen den Jurisdiktionen verschieden, dann werden die Bürger verschiedener Jurisdiktionen aufgrund der divergierenden Werte des Haus- und Grundvermögens, in unterschiedlichem Maße bzw. in unterschiedlicher Höhe ansässigen Unternehmen finanzielle Hilfen gewähren. Folglich erleiden die Bürger derjenigen Jurisdiktion den Verlust von Kapazitäten oder gar der ganzen Firma und den damit verbundenen Wegfall an Arbeitsplätzen, Steuern und die Komplettabschreibung des Haus- und Grundvermögens, die infolge ihrer niedrigen Haus- und Grundvermögenswerte die geringsten Subventionen bieten können10. Müller liefert mit dieser Modellbetrachtung eine rationale Begründung für regionale Wirtschaftsförderung in einem marktwirtschaftlichen Unternehmungssystem. Wirtschaftsförderung kann mithin als ein Schutz vor Vermögensverlusten verstanden werden.
Zunächst erscheint es so, als sei es kein Problem wenn demokratisch legitimierte Gremien entscheiden, Wirtschaftsförderung zur Verfolgung ihrer Ziele einzusetzen. Weitet man den Blick und entfernt sich von der isolierten Sicht auf eine Gebietskörperschaft und deren Zielverfolgung, so sieht man sehr schnell, wo das eigentliche Problem des exzessiven Einsatzes von Wirtschaftsförderung liegt. Durch die Beeinflussung von unternehmerischen Entscheidungen wird der Wettbewerb zwischen den Unternehmen verzerrt und Ressourcen in ineffiziente Verwendungen gelenkt. Aus Sicht der einzelnen Bürger und Gebietskörperschaften mag die Auslobung von Wirtschaftsförderung sinnvoll erscheinen, gesamtwirtschaftlich kann diese – mikroökonomisch durchaus einleuchtende Handlungsweise – allerdings zu einer suboptimalen Allokation führen. Neben dem Interesse der Bürger an Wirtschaftsförderung können auch Marktversagensgründe für eine solche staatliche Aktivität sprechen.
Als Konkretisierung, welche Aufgaben der Staat über seine Schutzfunktion hinaus übernehmen sollte, hat sich in der Ökonomik als Legitimation staatlichen Handelns das Konzept des Markversagens etabliert. Begreift man die Marktversagenstheorie normativ, so zeigt sie, in welchen Situationen der Staat eingreifen sollte, d.h. aus welchen Gegebenheiten eine potentielle Rolle für den Staat erwächst (Blanckart 2001, 66). In der Literatur wird staatliche Wirtschaftsförderung oft mit Marktversagenstatbeständen gerechtfertigt. D. h. die Notwendigkeit der Wirtschaftsförderung wird damit begründet, dass die begünstigten wirtschaftlichen Tatbestände oder Verhaltensweisen unter den Funktionsbedingungen des Marktes allein nicht zu den volkswirtschaftlich oder gesellschaftlich erwünschten Ergebnissen führen. Es wird folglich von der Notwendigkeit einer Beseitigung von Marktversagenstatbeständen ausgegangen.
Der Begriff Marktversagen bezeichnet hierbei eine Situation, in welcher der Markt nicht fähig ist, die Ressourcen einer pareto-optimalen Allokation zuzuführen. Die neoklassische Theorie führt dies auf fehlende Information, externe Effekte, Unteilbarkeiten, Marktmacht oder auf die Öffentlichkeit der Güter zurück. Für eine Legitimation staatlicher Wirtschaftsförderung mit Hilfe von Marktversagensargumenten sind insbesondere externe Effekte und Informationsmängel von Bedeutung.
Informationsmängel
Infomationsmängel liegen vor, wenn die potenziellen Vertragspartner in einem Markt nicht über gleiche Informationen über die Qualität, das Risiko, den Nutzen oder den Preis einer angebotenen Ware oder Dienstleistung verfügen11. Auf einem perfekten, neoklassischen Punktmarkt, auf dem sowohl die Anbieter als auch die Nachfrager vollkommen über den Preis und die Qualität des jeweiligen Gutes informiert sind, spielt die Reputation des Anbieters bzw. Nachfragers keine Rolle. In einer Welt vollkommen informierter Akteure besteht keinerlei Bedarf an Signalen, da die Nachfrager ohnehin über die angebotenen Qualitäten und deren Preise Kenntnis besitzen. Verlässt man jedoch diese Modellwelt mit perfekter Information der handelnden Akteure, so ändert sich die Situation. Nelson (1970) und Akerlof (1970) haben für Produktmärkte gezeigt, dass Situationen möglich sind, in denen Nachfrager die feilgebotenen Produktqualitäten nur unzureichend beurteilen können und hierdurch die marktliche Allokation behindert werden kann bzw. ganz unterbleibt.
Nicht nur auf Produktmärkten können Nachfrager nach Gütern und Dienstleistungen Schwierigkeiten haben, die angebotene Qualität zu beurteilen. Auch auf dem Markt für Unternehmensansiedlungen besitzen ansiedlungswillige Unternehmen oft nur unzureichende Kenntnis über die angebotenen Qualitäten (Leistungsbündel) der Standorte. Gerade vor dem Hintergrund, dass die Leistungsangebote der Gebietskörperschaften heterogener Natur sind, erschwert sich der Vergleich zwischen den einzelnen Leistungsbündeln. Weil diese Leistungsbündel weitestgehend den Charakter eines „take it or leave it“-Angebotes annehmen und eine Entbündelung für die Standortnachfrager nicht möglich ist, erhöht sich die Komplexität des Entscheidungsproblems und damit die Einschätzung der tatsächlichen Qualität. Wiewohl gerade bei längerfristigen Investitionsentscheidungen die Informationssuche der Investoren weitaus stärker als bei Kaufentscheidungen auf Produktmärkten ausgeprägt ist, darf vermutet werden, dass auch gründlich planende Investoren die tatsächliche Standortqualität oft nur unzureichend beurteilen können12. Gerade bei Unternehmen, die neu in einer Region siedeln wollen, können Informationsrückstände auftreten. Wie später noch detaillierter gezeigt wird (vgl. 2.5.1) kann der Marktversagenstatbestand der asymmetrischen Informationsverteilung durchaus eine Legitimation für exogene Wirtschaftsförderung darstellen.
Externe Effekte
Eine weitere Ursache, durch die es zu Marktversagen kommen kann, sind technologische externe Effekte. Solche Effekte treten auf, wenn ein Handel zweier Marktteilnehmer (negative oder positive) Auswirkungen auf unbeteiligte Dritte hat. Wenn also die Handlungen eines Akteurs den Nutzen bzw. den Gewinn eines anderen Akteurs direkt beeinflussen, ohne dass dieser Zusammenhang durch den Marktmechanismus erfasst wird, dann spricht man von technologischen externen Effekten.
Das klassische Beispiel für negative externe Effekte ist der Fischer und das Chemiewerk. Dadurch, dass das Chemiewerk den Fluss verschmutzt, erfährt der Fischer Umsatzeinbußen bzw. ist existenziell bedroht. Ein derartiger externer Effekt kann nun auf verschiedene Weise intemalisiert werden. So kann der Fischer dem Chemieunternehmen etwas bezahlen, damit dieses den Fluss weniger verschmutzt. Oder aber das Chemiewerk entschädigt den Fischer für die Umsatzeinbußen durch seine Verschmutzung. Der gesamtwirtschaftlich optimale Verschmutzungsgrad kann also auf verschiedene Art und Weise gefunden werden.
Das klassische Beispiel für einen positiven externen Effekt ist die Bienenzucht. Der Imker verschafft mit seiner Bienenzüchtung dem Obstgärtner einen externen Vorteil, da durch die Bienen die Obstblüten befruchtet werden. (Genaugenommen verschafft aber auch der Obstbauer dem Bienenzüchter einen positiven externen Effekt, da durch die Anwesenheit der Obstplantage die Bienen leichter Honig produzieren können.
Wenn die Auswirkungen auf Dritte nicht in das Preiskalkül der handelnden Akteure einfließen, haben sie keinen Einfluss auf deren Entscheidung. Hierdurch kann es zu einer volkswirtschaftlich ineffizienten Allokation von Ressourcen kommen.
Als Internalisierung bezeichnet man in der Ökonomik die Einbeziehung sozialer Zusatzkosten/-nutzen, die durch externe Effekte verursacht werden, in das Kalkül des Verursachers. Ziel der Internalisierung ist es, die durch allokative Marktmängel (Marktversagen) entstandenen Ineffizienzen zu vermindern und so eine Steigerung der ökonomischen Wohlfahrt zu erreichen.
Externe Effekte spielen auch bei der Begründung von Wirtschaftsfördermaßnahmen durchaus eine Rolle. Denn Unternehmen berücksichtigen bei Ihren Ansiedlungs- oder Produktionsentscheidungen nicht alle hiermit verbundenen Wirkungen. Naturgemäß fokussieren unternehmerische Entscheidungsträger vor allem auf den Gewinn der Unternehmung und nur bedingt auf die Auswirkungen am Standort. Diese ausschließlich auf das Unternehmen und dessen Ziele fokussierte Sichtweise kann zu Entscheidungen führen, die aus betriebswirtschaftlicher Sicht für das Unternehmen richtig sind, aber aus volkswirtschaftlicher Sicht zu Ineffizienzen führen. (Vgl. hierzu ausführlicher 2.5.3). So erhoffen sich beispielsweise Gebietskörperschaften von der Ansiedlung bestimmter Unternehmen positive Effekte, die zur Ansiedlung weiterer Unternehmen führen (Clusterbildung), die aber das einzelne Unternehmen in seiner Siedlungsentscheidung nicht oder nicht hinreichend würdigt. Auch von unternehmensinterner FuE und der Generierung neuen Wissens können positive externe Effekte ausgehen, wenn das Unternehmen bei seiner FuE-Entscheidung die positiven Wirkungen von Forschung und Entwicklung auf andere Unternehmen und die Region nicht berücksichtigt. Denn andere ortsansässige Unternehmen profitieren unter Umständen von der Schaffung neuen Wissens über FuE- und Erfahrungsweitergabe und werden so in die Lage versetzt, ihrerseits wettbewerbsfähiger zu werden. Folgt man diesem Argument, so können positive externe Effekte durchaus einen Grund für Wirtschaftsförderung darstellen.
Möchte eine Gebietskörperschaft durch die Förderung von FuE-Aktivitäten die Schaffung von positiven externen Effekten belohnen, so verbinden sich hiermit zwei Probleme: Zum einen die Abschätzung der Größe und des Wertes des externen Effektes und zum anderen die Bewertung, ob dieser externe Effekt in der Region auch internalisiert werden kann. Die Komplexität verdeutlicht folgendes Beispiel in Anlehnung an Krugman und Obstfeld (2003, 278): Nehmen wir an, ein Unternehmen im Bundesland Thüringen entwickelt eine neue Technologie zur Veredelung von Stahl und die meisten Unternehmen dieser Branche in Europa, Asien oder Amerika können diese Technologie sehr leicht imitieren. Einer Weltregierung mag die die Förderung einer solchen Innovation sinnvoll erscheinen, für das Bundesland Thüringen muss dies nicht unbedingt zutreffen. Denn eine Förderung durch das Bundesland Thüringen würde zwar das Unternehmen zur Innovation anregen, aber die positiven Wirkungen würden vor allem anderen Regionen zugutekommen.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass aus Sicht der Marktversagenstheorie der Staat nur dann im Bereich Wirtschaftsförderung tätig werden dürfte, wenn einer der o.g. Marktversagenstatbestände in der jeweiligen Region und dem jeweiligen Markt vorliegt. Allerdings reicht der Nachweis des Marktversagens allein noch nicht aus. Genau genommen muss vor einem staatlichen Eingriff der Nachweis erbracht werden, dass durch die staatliche Aktivität ein besseres Ergebnis erzielt werden kann als ohne diesen Eingriff. Hierbei müssen die Kosten des staatlichen Eingriffs aber auch die Möglichkeit eines Staatsversagens berücksichtigt werden. Die Marktversagenstheorie kann durchaus für Teile der in der Realität zu beobachtenden Wirtschaftsförderung eine Legitimation bereitstellen. Dennoch bleiben Lücken, für die andere Erklärungsmuster greifen, denn es finden sich im Alltag Situationen, in denen (1) Wirtschaftsförderung nicht erfolgt, obwohl Marktversagenstatbestände vorliegen und (2) Wirtschaftsförderung betrieben wird, obwohl keine Marktversagenstatbestände vorliegen. Im Folgenden werden einige Argumente aufgezeigt, die Hinweise geben, weshalb von Gebietskörperschaften Wirtschaftsförderung betrieben wird, obwohl keine offensichtlichen Marktversagenstatbestände existieren.
Ein interessantes Argument für eine aktive Wirtschaftsförderung haben 1985 Barbara Spencer und James Brander in die theoretische Diskussion eingebracht. Ihr Argument lokalisiert das Marktversagen, welches die staatliche Aktivität legitimiert, im unvollkommenen Wettbewerb auf der Unternehmensebene. Spencer und Brander (1985) argumentieren, dass in einigen Industrien Unternehmen – aufgrund unvollkommenen Wettbewerbs - überdurchschnittliche Renditen erzielen können. D.h. Firmen erwirtschaften Profite, die deutlich über jenen liegen, die ähnlich risikoreiche Investitionen in anderen Wirtschaftsbereichen erzielen. Durch eine gezielte Wirtschaftsförderung dieser Firmen verbleibt ein Teil der Überschussprofite in der Region und wird nicht von anderen Standorten vereinnahmt. Für eine Region bestehen mithin Anreize solche Unternehmen in der Region anzusiedeln, bzw. aus anderen Regionen abzuwerben. Für Diese „beggar-thy-neighbour“ („Bring deinen Nachbarn an den Bettelstab“) Politik soll im Folgenden anhand eines kleinen Beispiels in Anlehnung an Krugman und Obstfeld (2003, 278) sowie Krugman (1987) erläutert werden.
Produktion eines Großraumflugzeugs (z.B. A-380 oder 7XX)
Unterstellen wir, dass zwei Unternehmen – nennen wir sie Airbus und Boeing - miteinander konkurrieren und die Firmen in unterschiedlichen Regionen beheimatet sind, Boeing in Amerika und Airbus in Europa. Nehmen wir ferner an, dass ein neues Produkt, welches beide Unternehmen planen – ein Großraumflugzeug für 600 Passagiere – einen Profit von 100 Geldeinheiten verspricht. Diesen Gewinn kann ein Unternehmen allerdings nur dann realisieren, wenn das andere Unternehmen auf die Produktion verzichtet, da es weltweit nur ein begrenzter Markt für ein solches Flugzeug gibt. Die nachstehende Auszahlungsmatrix veranschaulicht die Situation.
Abbildung 3: Auszahlungsmatrix beim Wettbewerb zwischen Airbus und Boing
In dieser Auszahlungsmatrix gibt es mithin zwei Nash-Gleichgewichte in reinen Strategien (Produktion Airbus, keine Produktion Boeing) und Produktion Boeing, keine Produktion Airbus). Wenn beide Flugzeughersteller ihre präferierte Option wählen (Produktion), kommt es zu einem Ergebnis, welches für beide nicht optimal ist, da beide Hersteller Verlust machen würden (-5, -5).
Das von Spencer und Brander (1985) vorgebrachte Argument geht nun wie folgt: Nehmen wir an, dass Europa dem europäischen Flugzeugbauer Airbus eine Subvention in Höhe von 10 Geldeinheiten offeriert, wenn Airbus sich entschließt, das Großraumflugzeug zu bauen. Die Auszahlungsmatrix verändert sich dann wie folgt:
Abbildung 4: Effekt einer Wirtschaffsforderung fur Airbus
Für Airbus ist es nunmehr sinnvoll ein entsprechendes Flugzeug zu bauen, unabhängig davon wie Boeing sich entscheidet. Die gezielte Unterstützung von Airbus bewirkt, dass Boeing nunmehr sicher sein kann, dass Airbus das Flugzeug bauen wird, da für Airbus „produzieren“ die dominante Strategie13 ist. Sofern sich Boeing entschließt selbst ein solches Flugzeug zu bauen, wird das Unternehmen einen Verlust realisieren. Die Wirtschaftsförderung bewirkt, dass die Produktion in Europa erfolgt und die ausländische Konkurrenz abgeschreckt wurde. Folgt man dem Argument von Spencer und Brander (1985), so kann Wirtschaftsförderung eingesetzt werden, um einen strategischen Vorteil gegenüber anderen Regionen oder Standorten zu erzielen. Wirtschaftsförderung ist mithin ein Instrument um die Wohlfahrt eines Standortes auf Kosten eines anderen Standortes zu erhöhen14. Diese „beggar-thy-neighbour“-Politik kann unter Umständen entsprechende Gegenreaktionen hervorrufen, sie ist aber sicherlich ein Motiv, welches Standorte bei der Nutzung von Wirtschaftsförderung auch im Hinterkopf haben.
Standortentscheidungen werden nach Krugman (1991, 15) entscheidend von Pfadabhängigkeiten beeinflusst, wie sie sich aus Agglomerationsvorteilen ergeben. Wie Krugman (1991) weiter betont, hängt es vor allem von historischen Zufällen („historical accident“) ab, wo industrielle Ballungen („Cluster“) entstehen.
So berichtet Krugman z.B. von einem zehnjährigen Mädchen, in dem amerikanischen Städtchen Dalton in Georgia, das 1895 eine selbstgeflochtene Bettdecke verschenkte. Ihr Geschenk fand so großen Anklang, dass sie später dazu überging, ihre Bettdecken zu verkaufen. Dies war der Beginn einer Entwicklung, die später dazu führte, dass Dalton das Zentrum der amerikanischen Teppichindustrie wurde. Hätte Catherine Evans – so der Name des Mädchens – irgendwo anders in den USA gelebt, so wäre die Entwicklung vielleicht dort eingetreten.
Eingedenk dieser Beobachtung erscheint es aus Standortsicht nun wünschenswert, diese Zufälligkeit zielgerichtet zu beeinflussen. Denn die Wahrscheinlichkeit des Zufalls, dass z.B. die oben erwähnte Entwicklung eintritt, ist umso höher, je mehr Mädchen die Fähigkeit haben, Decken selbst zu flechten. Übertragen auf unsere heutige Zeit, ist die Gründung eines Internet- (wie Google) oder Softwareunternehmens (wie Microsoft) umso höher, je mehr entsprechend ausgebildete Leute (wie beispielsweise im Silicon-Valley) in der betreffenden Region wohnen.
Auch Krugman (1991, 90) hält eine solche lenkende Beeinflussung regionaler Entwicklung für möglich. Diese von Krugman (1991) angestoßene „New Economic Geography“ hat den Blick für das räumliche Subventionsargument geschärft. Bei gleicher Anfangsausstattung der Regionen kann es mehrere stabile Endgleichgewichte geben, d.h. jede Region kann zum Agglomerationsraum werden. Selbst kleinste Maßnahmen können dann einen Konzentrationsprozess langfristig beeinflussen. Durch Maßnahmen der Wirtschaftsförderung (wie im eben erwähnten Beispiel, die europäischen Subventionen für Airbus) können Hysteresis-Effekte ausgelöst werden, die die Ansiedlung forschungsintensiver, innovativer Industrien fördert. Von diesem Prozess gehen wiederum regionale Externalitäten aus. Die Überlegungen von Krugman aber auch das Argument von Spencer und Brander (1985) veranschaulichen, dass es für Gebietskörperschaften durchaus strategische Anreize gibt, auch ohne Marktversagen Wirtschaftsförderung zu betreiben.