Mein Dank geht an Peter Windsheimer für das Design des
Titelbildes. Des Weiteren an Ariane und Michael Sauter.
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Der Verkünder der Lehre von der Erleuchtung, Gautama, der Buddha, d. h. der Erleuchtete, wurde ungefähr 600 Jahre vor der christlichen Zeitrechnung zu Kapilavatsu in Indien als der Sohn des Königs des Landes geboren. Er sah, wie alle Menschen den Leiden des Lebens und dem Tode unterworfen waren und wünschte den Grund davon, sowie die Mittel dagegen zu erforschen. Zu diesem Zwecke entsagte er im neunundzwanzigsten Jahre seiner prinzlichen Stellung und seinem Anrechte auf den Thron seines Vaters, verließ seinen Palast, zog sich in die Einsamkeit zurück und beschäftigte sich lange Zeit mit dem Studium der in Indien herrschenden philosophischen und religiösen Systeme, sowie mit der strengen Ausübung der vorgeschriebenen Regeln.
Da erkannte er, dass alles, was der Mensch aus eigenem Selbstwahne tut, sei es nun, dass er Bußübungen mache oder aus seiner Eigenheit hervorgehende Tugenden ausübe, im Ewigen keinen Wert hat und ihn der Erlösung vom Selbstwahne nicht näher bringen kann. Diesen Wahn des Sonderseins zu überwinden und in die Freiheit einzugehen, war sein Bestreben. Er versenkte sich in sein (göttliches) Selbst und erlangte nach langem und anhaltendem Mühen denjenigen Zustand, den man Nirwana nennt.
Nachdem Gautama ein Buddha geworden war und Nirwana erreicht hatte, lehrte er noch während vierzig Jahren, von Ort zu Ort wandernd, das Evangelium der Erleuchtung, der Gerechtigkeit und des Erbarmens, und starb in seinem achtzigsten Jahre zu Kusinagara in Indien.
Während er unter dem Aschwat-Baume saß und meditierte, wurde ihm folgendes den vier Elementen analoge klar:
Er erkannte, dass jedes Geschöpf, sei es hoch oder niedrig, menschlich oder tierisch, während es sich auf seiner Wanderung durch irgend eine der materiellen, halbmateriellen oder nicht materiellen Welten befindet, abwechselnden Zuständen von Leiden und Freuden unterworfen ist, und dass vollkommene Seligkeit nur in Nirwana, auch „Mokscha“ genannt, d. h. im völligen Selbstvergessen, oder richtiger gesagt, in dem Hinauswachsen aus dem täuschenden Selbstwahne und Eingehen in die wahre Erkenntnis, gefunden werden kann. Wird dies erlangt, so ist ein persönliches Auftreten im Reiche der Erscheinungen nicht mehr nötig, weil beim Tode des Körpers die Maske abgelegt wird.
Die Lehre Buddhas ist kein kirchliches System, sondern eine praktisch auszuführende Religionsphilosophie oder wissenschaftlich begründete Lebensregel, durch deren Befolgung das höhere geistliche und unsterbliche Leben im Menschen erwacht. Sie bezeugt uns, dass das menschliche Gemüt größer ist als ein Engel oder ein Gott; dass die erleuchtete Vernunft wertvoller ist, als alle kirchlichen Zeremonien oder äußerlichen Offenbarungen; dass es besser ist, sich selbst beherrschen zu lernen, anstatt sich mit Fasten, Beten und Bußübungen abzuquälen; dass die Liebe und das Erbarmen größer sind als Opfer und Kirchendienst; dass die innerliche Zufriedenheit höher steht als alle himmlischen Freuden, und dass die Seligkeit des Nirwana alle Welten umfasst.
Die hauptsächlichste Lehre Buddhas, oder der Grundzug aller seiner Lehren ist Gerechtigkeit, d. h. das Gesetz des Geistes in der Natur, mit anderen Worten, die Lehre vom Karma. Das Geheimnis des Daseins eines jeden Wesens oder Dinges, wo es auch immer, und in was immer für einem Zustande es sei, gut oder böse, hoch oder niedrig, liegt in ihm selbst. Dies ist die Lehre von den Ursachen und den daraus folgenden Wirkungen, das Gesetz der Notwendigkeit (Karma), von welchem schon Cicero sagt, dass man dasjenige ernten muss, was man sät. Die Lehre der Wahrheit erkennt keine äußerlichen Schöpfer und Heilande, Engel und Teufel, als die Urheber von Wesen, Dingen oder Zuständen, in dem Sinne an, wie sie die äußerlichen Religionssysteme lehren; sie findet die Ursache der Dinge in diesen Dingen, ja sogar die Ursache des Daseins des ganzen Universums nicht in etwas außerhalb desselben Befindlichem, sondern in diesem selbst.
Diese Lehren stimmen überein mit den Lehren der Wissenschaft unserer Zeit. Es handelt sich da um die Evolution und nicht um eine Erschaffung.
Nicht ein stumpfsinniges Dahinbrüten, oder ein Absterben der Verstandestätigkeit, sondern vielmehr eine Erhebung des Gemüts und eine Ausbildung des Intellektes, bis dass er ganz von der Erkenntnis der Wahrheit durchdrungen ist, ist die Lehre Buddhas. Da ist von keiner Anbetung, keinem Gehorsam gegen himmlische oder teuflische Wesen, oder deren irdische Stellvertreter zum Zwecke der Erlösung die Rede. Der Buddhist verlangt keine Begünstigungen im Jenseits, er erwartet nichts, als dass er dasjenige ernten wird, was er gesät hat, so wie es das im ganzen Weltall herrschende Gesetz bestimmt.
Für den Buddhisten sind Selbsterziehung, Erkenntnis des Wesens des Lebens und der menschlichen Natur, Ursache und Wirkung, Selbstbeherrschung und Nächstenliebe Dinge von höchster Wichtigkeit; dagegen aller kirchliche Hokus-Pokus, Kniebeugungen, Autoritätenglaube, Bittgesuche an die Gottheit, hypnotische, ekstatische oder magische Phänomene und Wunder, Gespenster, Engel, Götter u. s. w. von gar keiner Bedeutung.
Die geheime oder esoterische Lehre Buddhas ist niemals veröffentlicht worden und kann niemals veröffentlicht werden, denn sie ist deshalb geheim, weil sie nicht mit dem irdischen Verstande, sondern nur geistig, d. h. durch die innerliche Erleuchtung im Lichte der Wahrheit, erfasst werden kann, und wer sie kennen will, muss sie in sich selbst finden. Die göttlichen Geheimnisse sind in dem göttlichen Teile unserer Seele enthalten; deshalb lehrte der Meister seinen Schülern, ihre Gedanken von den Äußerlichkeiten und dem Götzendienst der Religionssysteme abzulenken und auf ihr eigenes göttliches Selbst (die Vierblättrigkeit) zu richten, worin allein die Kraft der Erlösung enthalten ist.
Die drei (exoterischen) Lichter der Buddhisten sind:
Die fünf den Tattwas analoge Gelübde der Buddhisten sind folgende:
Diese Gelübde werden von allen Buddhisten abgelegt. Für diejenigen, welche sich gänzlich dem höheren Leben widmen wollen, gibt es noch strengere Vorschriften. Die ältesten buddhistischen Schriften sind die folgenden den drei Ebenen analoge:
Die Lehre dieser drei Schriften kann in folgendem ausgedrückt werden:
Dies ist die Religion aller Buddhas. Die später erschienenen buddhistischen Schriften sind sehr zahlreich und behandeln andere Wesenheiten, Zustände und Welten, Magie, Okkultismus u. s. w. .
Ein Buddhist – Upasaka – ist ein Mensch, der es mit den buddhistischen Lehren hält, aber infolge seiner natürlichen Beschaffenheit nicht die Kraft besitzt, Buddha in allen Dingen nachzufolgen. Ein Bhikshu ist ein asketisch lebender Bettelmönch; ein Arhan ein Mönch von großer Erleuchtung und Seelenkraft; ein Bodhisatwa einer, der auf dem Wege ist ein Buddha zu werden. Ein Pacceka-Buddha ist, ein Arhan, der zur Selbsterkenntnis und Erlösung gelangt ist, aber nicht die Macht hat, direkt zur Erlangung der Selbsterkenntnis und Erlösung anderer beizutragen.
Hier dürfte eine nähere Erklärung dieses wichtigen Punktes am Platze sein. Es gibt zweierlei Arten, auf welche ein Mensch einem anderen zur Erlangung der Selbsterkenntnis und Erlösung behilflich sein kann. Die eine Art ist durch die Belehrung, sei es durch Wort oder Schrift oder durch direkte Gedankenübertragung. Die andere Art ist durch die Übertragung einer geistigen Kraft, wie es in der katholischen Kirche durch das Auflegen der Hände symbolisiert wird. Damit ist nicht eine Art von „Magnetisieren“ gemeint, sondern die Ausströmung der geistigen Kraft der Erkenntnis von dem Meister auf den Schüler, auch Ankhur genannt. Der Meister stellt gleichsam eine Feuerflamme dar, deren Licht in den Schüler einströmt, und den in ihm schlummernden göttlichen Funken zum Selbstbewusstsein erweckt (vgl. „Allzu Unmenschliches“). Diese geistig-göttliche Kraft könnte mit einer lebendigen, intelligenten, elektrischen Kraft verglichen werden. Um aber diese Kraft auf einen andern Menschen zu übertragen, muss man erst selbst durch jahrelange Übung in deren Besitz gelangt und hierdurch zu einer lebendigen Kraftquelle geworden sein!
Ein Buddha dagegen ist ein zur völligen Selbsterkenntnis und Selbstbeherrschung gelangter Bodhisatwa, der nur zu seltenen Zeiten oder Weltperioden, wenn nämlich die Menschen den Weg zu Nirwana vergessen haben, auf Erden erscheint. Er ist eine seltene Blume auf dem Baume der Menschheit, ein Lehrer der Weisheit und ein geistiger Führer der Menschen.
Der Buddhist betet nicht zu Buddha in der Art, in welcher andere fromme Leute zu ihren Göttern beten, sondern er verehrt ihn bloß als den größten Lehrer der Weisheit. Der Buddhist vermeidet es, Tiere zu töten oder töten zu lassen, sei es zum Zwecke sich Nahrung zu verschaffen, zum Vergnügen oder zu wissenschaftlichen Zwecken; er verwirft die Theorie, dass dieselben für ihn geschaffen seien und dass er ein Recht hätte, mit denselben zu tun, was ihm beliebt.
Im wahren Lichte betrachtet ist das Buddhistentum und das Christentum eins und dasselbe, denn wenn auch beide in äußerlichen Dingen und Formen auseinandergehen, insofern als die Systeme, in welche sie gekleidet sind, in Betracht kommen, so ist doch das Wesen der beiden gleich. Die einzige Grundlage, auf der jede wahre Religion beruht, ist die Erkenntnis der Wahrheit. Übrigens findet man im Buddhistentum des Nordens (in Tibet) auch dieselben Gebräuche, Zeremonien und Sakramente, wie in der christlich-katholischen Kirche.
Das Ideal, welches uns Buddha vor Augen stellt, ist Reinheit des Lebens, Ausgleich des Herzens und die Erlangung der wahren vierblättrigen Erkenntnis. In der Pari Nibbana Sutta sagt er: „Was uns so lange im Irrtum zu wandern und stets wieder von neuem in dem ziellosen Kreislaufe des Sterbens und Geborenwerdens zu treiben zwingt, ist die Nichterkenntnis und das Nichtbegreifen der vier elementaren Vorschriften des Gesetzes, nämlich:
Wenn ein reines heiliges Leben in uns sich verwirklicht, die innerliche Ruhe eingetreten und erkannt ist, die wahre Weisheit in uns offenbar geworden ist und wir die Freiheit erlangt und erkannt haben, dann ist es auch mit der Begierde nach persönlichem Dasein vorbei, dann brauchen wir nicht wiedergeboren zu werden.
Nicht jedem ist es gegeben, diesen gebenedeiten Daseinszustand zu erlangen; aber für jeden, der das Gute ernsthaft will und darnach handelt, ist der Weg zur mentalen Paradies offen. Viele wollen das Gute, aber sie sind nicht fähig, es zu erkennen. Da bedarf es oft nur eines geringen Anstoßes, damit sie die Augen öffnen und selber sehen lernen. Dies, und nicht die Befriedigung der wissenschaftlichen Neugierde, ist der Zweck der Lehre. Deshalb sprach Buddha zu seinen Schülern: „Gehet hin in die Welt zum Wohle der Vielen, zum Vorteile Vieler, aus Erbarmen für die Welt, zum Besten, zum Gewinn und zur Wohlfahrt von Göttern und Menschen.
Predigt die herrliche Lehre, verkündet die Lehre eines vollkommenen, vollendeten und reinen Lebens voll Heiligkeit. Es gibt Wesen, deren geistiges Auge nur ganz wenig verschleiert ist, aber wenn sie die Lehre nicht erfahren, so werden sie nicht frei. Sie werden die Lehre begreifen.“ (Mahavagga Vinaya Pitaka.)
Die vier tattwischen Sammappadanas.
Die vier tattwischen Iddhipadas.
Wer sich mit Lügen und Betrügen, Wortklauberei und Gesetzesverdrehungen beschäftigt, kann großen Witz und Scharfsinn besitzen, hat aber keine Spiritualität (geistiges Selbstbewusstsein). Wer den Lustbarkeiten dieses Lebens anhängt, der begreift nicht die Lehre der wahren Glückseligkeit. Die Fesseln, welche die Seele (den Menschen) an das Irdische binden, sind folgende:
Die vier erlösenden Kräfte.
Die fünf vergeistigenden Kräfte.
Die sieben Bauddhangas.
Der edle achtfache Weg – der Weg der Polarität und der vier Tattwas
Das Ideal, welches uns Buddha vor Augen hält, ist das der über allen Selbstwahn erhabenen Liebe, des Erbarmens und der Selbstaufopferung. Dieses Ideal war in seiner Person verwirklicht. Die Vollkommenheit des Daseins besteht in der vollkommenen Reinheit des Lebens. So lange der Mensch nicht zu dieser Erkenntnis kommt, und seine Erkenntnis wird erst dann vollkommen, wenn er diese universelle Reinheit erlangt hat, so lange ist er auch dem Gesetze des Sterbens und Wiedergeborenwerdens unterworfen. Die Erlösung aus dem ziellosen Kreislaufe des Lebens und Sterbens (der Welt der Erscheinungen) tritt erst dann ein, wenn das Verlangen (sei es nun instinktiv oder bewusst) nach den Freuden des Lebens hier oder in einer anderen Welt – nicht erloschen –, sondern überwunden ist. Desgleichen muss auch die ebenfalls selbstsüchtige Begierde nach dem Aufhören des Daseins in der Erscheinung verschwunden sein. Wo noch irgendein dem Selbstwahn entspringendes Verlangen, wo noch der Seelenspiegel unausgeglichen, wenn auch nur im Kleinsten vorhanden ist, da ist auch dieses täuschende Selbst, und da ist der Mensch an dasselbe gebunden. Nirwana ist das universelle Allselbstbewusstsein, in welchem kein Raum für die Beschränkung der Eigenheit ist. Es ist die Erkenntnis der Wahrheit, in welcher keine Täuschung vorhanden sein kann.
Deshalb handelt es sich darum, die zehn Irrtümer zu überwinden. Diese sind:
Außer der Überwindung der zehn Irrtümer muss der Jünger des Lichtes auf die Ausübung der folgenden zehn Tugenden bedacht sein (vgl. „Fragen an Meister Arion“, Kapitel 49, grobstoffliche Ebene):
Schon der geringste Wunsch nach den Freuden des Himmels oder nach einem göttergleichen Dasein lenkt vom Zustand des Nirwana ab. Auch handelt es sich nicht um das, was man heutzutage unter Altruismus versteht, und was einer Schwärmerei oder dem Eigendünkel entspringt. Wer sich selber in Wahrheit erkennt, der erkennt sein wahres Selbst (Gott) als das Selbst aller Wesen. Was er für die Anderen tut, das tut er in Wirklichkeit für sich selbst; denn es ist in Wahrheit kein „Anderer“ da.
Wer ein Leben in Heiligkeit beginnen will, muss vor allem frei von den vier folgenden Zuständen sein:
Ein begehrlicher, zorniger, feiger oder dummer Mensch kann den Kampf gegen seine niedere Natur nicht bestehen. Dazu gehören die Waffen der Reinheit, Liebe, Furchtlosigkeit und der Erkenntnis. Die erste Bedingung zur Erlangung der Selbsterkenntnis (d. h. der Erkenntnis des göttlichen Daseins) ist der Besitz der Fähigkeit, das Dauernde vom Vergänglichen zu unterscheiden, die Polarität des Tierischen vom Reinen im Seelenspiegel zu erkennen und richtig anzuwenden.
Die sieben Juwelen des Gesetzes des Guten – vergleiche die sieben Planeten-Ströme.
Die Methode, nach der das Bewusstsein seinen Träger aufbaut, ist etwas, worüber wir uns möglichst klar werden sollten, denn jeder Tag, ja jede Stunde unseres Lebens gibt uns Gelegenheit, sie für hohe Ziele anzuwenden. Ob wir wachen oder schlafen, stets bauen wir an unserem Mentalkörper; denn sobald unser Bewusstsein schwingt, beeinflusst es die umgebende Mentalmaterie (Matrize), und selbst die leiseste Regung des Bewusstseins, die nur durch einen flüchtigen Gedanken entsteht, zieht etliche Partikel Mentalmaterie in den Mentalkörper hinein und treibt andere hinaus. Soweit dies die Hülle – den Körper – betrifft, beruht dies auf den Schwingungen. Aber es darf nicht vergessen werden, dass das Wesen des Bewusstseins darin besteht, dass es sich ständig mit dem Nicht-Selbst identifiziert und ebenso sich ständig wiederum selbst behauptet, indem es das Nicht-Selbst zurückweist. Bewusstsein besteht aus ständiger Bejahung und Verneinung: „Ich bin dies“, „ich bin dies nicht“. Seine Bewegung besteht also aus der Anziehung M und Abstoßung E, die in der Materie die von uns so benannten Schwingungen hervorrufen. Die umgebende Materie wird ebenfalls in Wellenbewegungen versetzt und dient dadurch als Medium, durch das das Bewusstsein anderer beeinflusst wird.
Die Feinheit oder Grobheit der so angezogenen Materie hängt von der Qualität der Schwingungen ab, die durch das Bewusstsein hervorgerufen werden. Reine und hohe Gedanken bestehen aus sehr raschen Schwingungen, in die nur die feineren und subtileren Mental Stoffpartikel versetzt werden können. Die gröberen Partikel bleiben davon unberührt, da sie nicht fähig sind, genügend schnell zu schwingen. Wenn ein derartiger Gedanke den Mentalkörper in Schwingung versetzt, werden gröbere Partikel aus dem Körper herausgetrieben, und ihr Platz wird durch feinere Partikel eingenommen, so dass auf diese Weise das Baumaterial des Mentalkörpers verbessert wird. Umgekehrt ziehen niedrige und schlechte Gedanken das zu ihrem Ausdruck geeignete gröbere Material in den Mentalkörper hinein, das dann das dort vorhandene feinere Material verdrängt und hinaustreibt. Auf solche Weise wird durch diese Schwingungen des Bewusstseins fortwährend bestimmte Materie aus dem Mentalkörper herausgeschüttelt und andere in ihn aufgenommen. Daraus folgt, dass unsere gegenwärtige Fähigkeit, auf Gedanken zu reagieren, die von außen auf uns zukommen, davon abhängt, welche Art von Materie wir in der Vergangenheit in unseren Mentalkörper eingebaut haben. Besteht dieser aus feinerem Material, dann wird er auf rohe und böse Gedanken nicht reagieren, und diese können auch keinen Schaden stiften. Besteht er dagegen aus grobem Material, dann wird er von jedem vorbeiziehenden bösen Gedanken beeinflusst werden, auf gute Gedanken aber nicht reagieren und von ihnen keinen Nutzen ziehen.
Wenn wir mit einem Menschen in Berührung kommen, dessen Gedanken sich in hohen Regionen bewegen, dann werden seine auf uns einwirkenden Gedankenschwingungen in unserem Mentalkörper jene Materie in Schwingung versetzen, die darauf zu reagieren fähig ist, und diese Schwingungen werden etliches von jener Materie aufrühren und vielleicht auch austreiben, die zu grob ist, um diese hohe Schwingungsfrequenz mitmachen zu können. Inwieweit die Begegnung mit einem solchen Menschen für uns wohltätig sein kann, hängt deshalb weitgehend von der Qualität unseres bisherigen Denkens ab; unser „Verständnis“ für ihn, unsere Empfänglichkeit, ist dadurch bedingt. Wir können nicht für einen anderen denken, er kann nur seine eigenen Gedanken denken. Dadurch erzeugt er in der ihn umgebenden Mentalmaterie Schwingungen, diese wirken auf uns ein und verursachen in unserem Mentalkörper gleichartige Schwingungen. Diese wiederum wirken auf unser Bewusstsein ein. Ein außenstehender Denker kann also auf unser Bewusstsein nur dadurch einwirken, dass er in unserem Mentalkörper solche Schwingungen hervorruft.
Aber auf die Erzeugung solcher von außen verursachter Schwingungen folgt nicht immer sofortiges Verstehen. Manchmal gleicht die Wirkung jener von Sonne, Regen und Erde auf einen im Boden eingegrabenen Samen. Zuerst ist von einer Reaktion auf die den Samen treffenden Schwingungen äußerlich nichts zu merken; innerlich aber beginnt das beseelende Leben leise zu schwingen, und dieses Schwingen nimmt von Tag zu Tag zu, bis endlich das sich entwickelnde Leben die Samenhülle sprengt und eine Wurzel und einen Keim hervortreibt. So verhält es sich auch mit dem Verstand. Das Bewusstsein vibriert schon eine Zeit lang leise in sich selbst, ehe es fähig wird, eine Antwort nach außen zu geben. Wenn wir auch noch nicht imstande sind; einen edel gesinnten Menschen zu verstehen, so beginnt doch in uns ein unbewusstes leises Vibrieren als Vorbote der kommenden Resonanz. Wenn wir aus der Gegenwart eines großen Denkers fortgehen, so sind wir dem ihm entströmenden reichen Gedankenleben etwas näher, als wir es beim Eintreten waren. In uns ruhende Keime von Gedanken wurden belebt, unserer intellektuellen Entwicklung wurde geholfen.
Manches kann also zur Bildung und Entwicklung unseres Verstandes von außen beigetragen werden, das meiste aber muss sich aus der Tätigkeit unseres eigenen Bewusstseins ergeben, und wenn wir einen Mentalkörper haben wollen, der kraftvoll, von Leben erfüllt, aktiv und für uns dargebotene höhere Gedanken aufnahmefähig sein soll, dann müssen wir stetig bestrebt sein, richtig zu denken; denn wir sind unsere eigenen Bildner und formen unseren Verstand selbst.
Viele Leute sind große Leser. Aber bloßes Lesen trägt nichts zum Aufbau des Verstandes bei, nur das Denken bildet ihn. Das Lesen ist nur insofern nützlich, als es Material zum Denken liefert. Ein Mensch mag viel lesen, aber sein mentales Wachstum wird von dem Ausmaß an Denkarbeit abhängen, die er für sein Lesen verwendet. Der Wert der Gedanken, die er liest, hängt für ihn von dem Gebrauch ab, den er davon macht. Wenn er die Gedanken nicht aufgreift und selbst durcharbeitet, wird ihr Wert für ihn nur gering und vorübergehend sein. „Lesen stopft den Menschen voll“, sagte Francis Bacon, und es verhält sich mit dem Verstand geradeso wie mit dem Körper. Essen füllt den Magen an; aber geradeso, wie das Essen für den Körper keinen Wert hat, wenn es nicht verdaut und assimiliert wird, so kann zwar auch der Verstand mit Lesen angefüllt werden, aber wenn er nicht darüber nachdenkt, erfolgt keine Verarbeitung des Gelesenen, und der Verstand wächst dadurch nicht, sondern wird unter einer solchen Überladung eher Schaden leiden und durch die Last unverarbeiteter Vorstellungen eher geschwächt als gestärkt werden.
Wir sollten darum weniger lesen und mehr denken, wenn wir das Wachstum unseres Verstandes und die Entwicklung unserer Intelligenz fördern möchten. Wenn wir den ernstlichen Wunsch hegen, unseren Verstand wirklich auszubilden, sollten wir täglich eine Stunde dem Studium irgendeines ernsten und bedeutenden Buches widmen, und wenn wir fünf Minuten darin gelesen haben, dann sollten wir zehn Minuten lang über das Gelesene nachdenken, und so fort die ganze Stunde hindurch. Die gewöhnliche Art zu lesen ist es, die ganze Stunde rasch weiter zu lesen und dann das Buch zur Seite zu legen, bis die nächste Zeit zum Lesen gekommen ist. Deshalb wächst auch die Gedankenkraft der Menschen so außerordentlich langsam.
Ein ernstlich nach Wachstum strebender Studierender sollte den Entschluss fassen, keinen Tag vorübergehen zu lassen, an dem er nicht wenigstens fünf Minuten lang gelesen und etwa zehn Minuten gründlich über das Gelesene nachgedacht hat. In der ersten Zeit wird er diese Bemühung ermüdend und anstrengend finden, und er wird merken, wie schwach seine Denkkraft ist. Diese Entdeckung kennzeichnet den ersten Schritt, den er zu machen hat; denn es ist schon viel, einzusehen, dass man außerstande ist, scharf und folgerichtig zu denken. Menschen, die nicht denken können, sich aber einbilden, sie könnten es, machen keine großen Fortschritte. Es ist besser, man kennt seine Schwäche, als man bildet sich ein, stark zu sein, während man schwach ist. Das Sich-Bewusstwerden einer Schwäche, wie jener des Herumwanderns der Gedanken oder der Erhitzung, Verwirrung und Ermüdung, die sich nach einer länger fortgesetzten intensiven Denkarbeit im Gehirn geltend macht, entspricht ganz den ähnlichen Empfindungen in den Muskeln nach einer starken Anstrengung. Durch regelmäßige und ausdauernde, aber nicht übertriebene Übungen wird die Gedankenkraft ebenso gefördert wie die Muskelkraft, und in dem Maße, wie die Gedankenkraft wächst, erlangt man auch Herrschaft darüber und vermag sie auf bestimmte Ziele hinzuleiten. Ohne solche Denkschulung bleibt der Mentalkörper ein Gebilde ohne Organisation, und ohne die Fähigkeit zur Konzentration – zur Fixierung der Gedanken auf einen Punkt – kann die Kraft der Gedanken nicht benützt werden.
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Weiters: Bei der zweiten Methode der Gedankenübertragung sendet der Denker, der in seiner eigenen Sphäre eine Gedankenform gebildet hat, diese nicht in sein Gehirn herab, sondern leitet sie auf der Mentalebene unmittelbar einem anderen Denker zu. Die Kraft, dies willentlich auszuführen, setzt eine viel höhere mentale Entwicklung voraus als die physische Methode der Gedankenübertragung, denn der Sender muss auf der Mentalebene bewusst sein, um diese Tätigkeit vorbedacht ausführen zu können.
Die praktisch sehr bedeutsame Frage, die aus der Erkenntnis dieser fortwährenden allgemeinen Gedankenübertragung für den Einzelnen entsteht, ist nun aber die: Was kann ich an Gutem gewinnen und was kann ich an Schlechtem vermeiden, da ich sehe, dass ich in einer gemischten Atmosphäre leben muss, in der sowohl gute als auch schlechte Gedankenwellen ständig aktiv sind und an mein Gehirn anschlagen? Wie kann ich mich gegen eine nachteilige Gedankenübertragung schützen und aus einer wohltätigen Vorteil ziehen? Die Kenntnis der Art und Weise, wie unsere Kraft des Wählens wirkt, ist von lebenswichtiger Bedeutung.
Gedanken, die sich mit diesem Rhythmus nicht in Harmonie befinden, werden, wenn sie den Verstand berühren, sofort abgestoßen. Wenn ein Mensch Wahrheit denkt, können sich Lügen in seinem Verstand nicht einnisten; denkt er Liebe, so kann Hass ihn nicht beunruhigen; denkt er Weisheit, so kann Unwissen ihn nicht lahmen. Hierin allein herrscht Sicherheit, herrscht wirkliche Kraft. Der Verstand darf sozusagen nicht brachliegen, denn dann kann jeder Gedanke darin Wurzel schlagen und wachsen; es darf dem Verstand auch nicht gestattet werden, zu schwingen, wie es ihm gefällt, denn dann antwortet er auf jede an ihm vorbeiziehende Schwingung. Denn: Der Denker ist der Vater, die Sinnesempfindung die Mutter, der Gedanke das Kind.
Die erste Arbeit, die dem Erkenner obliegt, ist darum die, zu beobachten; wäre nichts zu beobachten, so würde er stets im Schlafzustand verharren. Sobald ihm aber ein Gegenstand dargeboten wird, sobald er als das Selbst eines Eindruckes bewusst wird, dann beobachtet er als Erkenner. Von der Genauigkeit dieser Beobachtung hängt der Gedanke ab, den er, aus vielen solchen Beobachtungen zusammengefasst, bilden soll. Beobachtet er ungenau, stellt er eine falsche Beziehung auf zwischen dem Gegenstand, der den Eindruck verursacht hat, und sich selbst, der den Eindruck beobachtet, dann wird aus diesem Irrtum bei seiner Arbeit eine ganze Anzahl von daraus folgenden Irrtümern entstehen, und nichts anderes als ein Zurückgehen zum allerersten Anfang kann diese richtig stellen.
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