Marc-Anton Braun
Steuern? Nein, danke!
Teuer gestorben ist man schnell
© 2020 Marc-Anton Braun
Titelbild © by Pepsch Gottscheber
Verlag und Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg
ISBN |
|
Paperback: |
978-3-347-10497-6 |
Hardcover: |
978-3-347-10498-3 |
e-Book: |
978-3-347-10499-0 |
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Vorwort
I. Fakten und Zahlen zum Steueraufkommen
II. Erbschaft- und Schenkungsteuergesetze von damals bis heute
III. Mythen und Irrglauben
IV. Steuerliche Aspekte bei der Vermögensübertragung
1. Welche Gesetze braucht man hier?
1.1 Für wen gilt was?
1.1.1 Gesetze und Durchführungsverordnungen
1.1.2 Richtlinien und Hinweise
1.1.3 Gerichtsurteile
1.1.4 Fazit
1.2 Begriffsklärung
1.3 Steuerpflichtige Person
2. Anzeigepflichten, Fristen, Fristversäumnis, Verjährung
2.1 Wer ist wann zur Anzeige verpflichtet?
2.2 Steuerliche Fristen
2.3 Fristversäumnis
2.3.1 Anzeigepflicht
2.3.2 Steuererklärung
2.4 Steuerliche Verjährung …
2.4.1 … bei Erbschaften
2.4.1.1 Festsetzungsverjährung (§ 169 Abs. 2 Nr. 2 AO)
2.4.1.2 Spätere Festsetzungsverjährung
2.4.1.3 Steuerverkürzung oder Steuerhinterziehung (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO)
2.4.2 … bei Schenkungen
3. Steuererklärung und Steuerbescheid
3.1 Einspruch
3.2 Änderungsanträge
4. Bewertung des Vermögens
4.1 Bargeld und Kapitalanlagen
4.2 Schulden und Forderungen (§ 12 BewG)
4.3 Versicherungen
4.4 Hinterbliebenenbezüge
4.5 Hausrat und andere bewegliche Gegenstände
4.6 Immobilien und Grundstücke
4.6.1 Vergleichswertverfahren
4.6.2 Ertragswertverfahren
4.6.3 Sachwertverfahren
4.6.4 Abschließende Hinweise
4.7 Nutzungen und Leistungen (z. B. Nießbrauch usw.)
5. Steuerbefreiungen, Freibeträge und Steuersätze
5.1 Zugewinnausgleich (§ 5 ErbStG)
5.2 Hausrat und andere bewegliche Gegenstände (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG)
5.3 Familienheim (§ 13 Abs. 1 Nr. 4a bis 4c ErbStG)
5.4 Gelegenheitsgeschenke und angemessener Unterhalt (§ 13 Abs. 1 Nr. 12 und 14 ErbStG)
5.5 Spenden (§ 13 Abs. 1 Nr. 16 und 18 ErbStG)
5.6 Betriebsvermögen, Betriebe der Land- und Forstwirtschaft und Anteile an Kapitalgesellschaften (§§ 13a und 13b ErbStG)
5.7 Steuerbefreiung für zu Wohnzwecken vermietete Grundstücke (§ 13d ErbStG)
5.8 Freibeträge (§ 16 ErbStG)
5.9 Besonderer Versorgungsfreibetrag (§ 17 ErbStG)
5.10 Steuersätze (§ 19 ErbStG)
6. Stundung
7. Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG)
V. Erbrechtliche Aspekte bei der Vermögensübertragung
1. Gesetzliche Erbfolge
2. Adoptivkinder
3. Pflichtteil und Pflichtteilergänzungsanspruch (§§ 2303 bis 2338 BGB)
4. Ausschöpfen der Freibeträge
5. Erbengemeinschaften
6. Testament, Vermächtnis, Auflage, Testamentsvollstrecker und Erbvertrag (§§ 1939 bis 1941 und 2064 bis 2302 BGB)
6.1 Testament (§§ 2064 bis 2272 BGB)
6.1.1 Das eigenhändige Testament
6.1.2 Das öffentliche (notarielle) Testament
6.1.3 Das außerordentliche Testament (Nottestamente)
6.1.3.1 Bürgermeistertestament (§ 2249 BGB)
6.1.3.2 Dreizeugentestament (§ 2250 BGB)
6.1.3.3 Seetestament (§ 2251 BGB)
6.1.3.4 Gültigkeitsdauer der Nottestamente (§ 2252 BGB)
6.1.4 Das gemeinschaftliche Testament und das Berliner Testament
6.1.5 Kann jedes Testament jederzeit geändert werden?
6.2 Vermächtnis (§§ 1939 und 2147 bis 2191 BGB)
6.3 Auflage (§§ 1940 und 2192 bis 2196 BGB)
6.4 Testamentsvollstrecker (§§ 2197 bis 2228 BGB)
6.4.1 Wann oder wie beginnt das Amt des Testamentsvollstreckers?
6.4.2 Welche Aufgaben hat der Testamentsvollstrecker?
6.4.3 Wann endet das Amt des Testamentsvollstreckers?
6.4.4 Ist das Amt des Testamentsvollstreckers ehrenamtlich?
6.5 Erbvertrag (§§ 1941 und 2274 bis 2302 BGB)
6.6 Erbrechtliche Fristen und Ausschlagung
VI. Wer kann helfen und bei was?
1. Steuerberater
2. Rechtsanwalt
3. Notar
4. Bestatter
5. Nachlassgericht
6. Gutachter
VII. Übergabegestaltungen und Tipps zur Steuersenkung
1. Enterbung
2. Tiere
3. Rückabwicklung von Schenkungen im Pflegefall
4. Gerechte Verteilung einer Immobilie auf drei Kinder
5. Erben bei Patchwork-Familien (= Stieffamilie)
6. Geldschenkung zum Kauf einer Immobilie
7. Nießbrauchsverzicht oder Nießbrauch ruhen lassen
8. Gemeinsamer Nießbrauch ≠ gemeinsamer Nießbrauch
9. Antrag auf Steuersenkung …
9.1 … bei vorzeitigem Tod
9.2 … bei Wegfall des Erbgutes
10. Erbenhaftung verhindern oder akzeptieren
11. Anfechtung unzulässiger Steuerfestsetzung
12. Vor- und Nacherbschaft
13. Berliner Testament
Gutschein
Anhang
Artikel 80 Grundgesetz (GG)
Artikel 106 Absatz 2 Grundgesetz (GG)
§ 5 Abgabenordnung (AO): Ermessen
§ 42 Abgabenordnung (AO): Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten
§ 14 Lebenslängliche Nutzungen und Leistungen (BewG)
§ 181 Grundstücksarten (BewG)
§ 182 Bewertung der bebauten Grundstücke (BewG)
§ 185 Ermittlung des Gebäudeertragswerts (BewG)
§ 190 Ermittlung des Gebäudesachwerts (BewG)
§ 528 Rückforderung wegen Verarmung des Schenkers (BGB)
§ 529 Ausschluss des Rückforderungsanspruchs (BGB)
§ 1371 Zugewinnausgleich im Todesfall (BGB)
§ 1928 Gesetzliche Erben vierter Ordnung (BGB)
§ 1929 Fernere Ordnungen (BGB)
§ 1931 Gesetzliches Erbrecht des Ehegatten (BGB)
§ 2088 Einsetzung auf Bruchteile (BGB)
§ 2 Persönliche Steuerpflicht (ErbStG)
§ 3 Erwerb von Todes wegen (ErbStG)
§ 5 Zugewinngemeinschaft (ErbStG)
§ 7 Schenkungen unter Lebenden (ErbStG)
§ 8 Zweckzuwendungen (ErbStG)
§ 13 Steuerbefreiungen (ErbStG)
§ 13d Steuerbefreiung für zu Wohnzwecken vermietete Grundstücke (ErbStG)
§ 15 Steuerklassen (ErbStG)
§ 16 Freibeträge (ErbStG)
§ 17 Besonderer Versorgungsfreibetrag (ErbStG)
§ 19 Steuersätze (ErbStG)
Härteausgleich zu § 19 ErbStG
§ 30 Anzeige des Erwerbs (ErbStG)
§ 342 Begriffsbestimmung (FamFG)
§ 3 Allgemeine Ausnahmen von der Besteuerung (GrEStG)
Rechtsquellenverzeichnis
Internetrecherche
Abbildungsverzeichnis
Haftungsausschluss
Abkürzungsverzeichnis
ABl. |
Amtsblatt |
AO |
Abgabenordnung |
AStG |
Außensteuergesetz |
BewG |
Bewertungsgesetz |
BFH |
Bundesfinanzhof |
BGB |
Bürgerliches Gesetzbuch |
BGBl. I |
Bundesgesetzblatt Teil I |
BGF |
Brutto-Grundfläche |
BGH |
Bundesgerichtshof |
BRAGO |
Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte |
BStBl. II |
Bundessteuerblatt Teil II |
BVerfG |
Bundesverfassungsgericht |
BVerfGE |
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts |
BVerwG |
Bundesverwaltungsgericht |
DV |
Durchführungsverordnung |
ErbSt |
Erbschaft- und Schenkungsteuer |
ErbStG |
Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz |
ErbStDV |
Erbschaftsteuerdurchführungsverordnung |
EuErbVO |
Europäische Erbrechtsverordnung |
FamFG |
Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit |
GG |
Grundgesetz |
GrEStG |
Grunderwerbsteuergesetz |
GrStRefG |
Grundsteuer-Reformgesetz |
GVBl. |
Gesetz- und Verordnungsblatt |
JurBüro |
Das juristische Büro |
NJW |
Neue Juristische Wochenschrift |
RGBl. |
Reichsgesetzblatt |
RHK |
Regelherstellungskosten |
s. v. S. |
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Vorwort
Ich bin seit vielen Jahren als Steuerberater tätig und erlebe in meinem Alltag vieles. Durch werbewirksam eingesetzte Begriffe wie: „Damit können Sie Steuern sparen!“ oder „Das ist von der Steuer absetzbar!“ reagieren viele reflexartig und kaufen so manche Dinge. Leider sind aber viel zu viele nur darauf bedacht, die Einkommensteuerbelastung zu verringern. Das bekomme ich auch täglich bei meinen Mandanten mit. Und ja, es ist verständlich, dass niemand zu viel Steuern zahlen will.
Die Erbschaft- und Schenkungsteuer ist eine der dankbarsten Steuern, um zu hohe Steuerzahlungen zu verhindern. Leider jedoch wird diese von den meisten eher stiefmütterlich behandelt. Warum? Ich weiß es auch nicht. Eine mögliche Ursache mag darin liegen, dass man sich dann mit dem Tod beschäftigen müsste. Eines wird aber wohl jedem klar sein: Gestorben wird immer. Im Falle der Erbschaftsteuer muss man leider sagen, dass auch oft zu teuer gestorben wird.
Trotz der Tatsache, dass das Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz regelmäßig, zumindest teilweise, für verfassungswidrig erklärt wird, ist dies die planbarste Steuer überhaupt. Und das sollte auch gemacht werden. Mitunter entsteht durch den Besitz einer oder mehrerer Immobilien ein Millionenvermögen. Das hängt davon ab, in welcher Region Sie wohnen. Und auch hier ist es möglich, mit Weitblick und Planung ─ wenn nicht zum Nulltarif, dann zumindest so günstig wie möglich versteuert ─ zu übertragen. Es muss einem nur bewusst sein, dass manche Übertragungswege viele Jahre in Anspruch nehmen können. Wer also das durch seine Hände aufgebaute Vermögen ungeschmälert auf die nächste Generation übertragen möchte, sollte sich darüber Gedanken machen und zwar rechtzeitig!
Manchmal sitzen Mandanten bei mir in der Kanzlei und haben über die Vermögensübertragung nachgedacht. Das ist schon mal löblich. Wenn diese dann jedoch über 80 Jahre alt sind, wird es oft schwierig, noch steuerlich günstige Wege zu gehen. Es mangelt dann sehr oft an der verbliebenen Zeitachse. Um dem entgegenzuwirken, habe ich mich entschlossen ein Buch dazu zu schreiben. Mit dem provokanten Titel möchte ich alle wachrütteln. Im Hier und Jetzt zu leben, ist gut und sinnvoll. Im Hinblick auf die Vermögensübertragung ist Planung wertvoller als Nichtstun. Doch um etwas planen zu können, muss man auch wissen, was man will. Auch sollte man die Rahmenbedingungen kennen. Ich versuche mit diesem Buch etwas Licht in das Ganze zu bringen und alle zu ermutigen, sich mit dem Lebensende zu beschäftigen.
Abschließend ist mir noch wichtig, darauf hinzuweisen, dass dieses Buch nicht den Anspruch hat, vollumfänglich alle Möglichkeiten die es bei der Vermögensübertragung gibt, aufzuzählen. Ferner können nicht alle Sonderfälle, welche die rechtliche Lage eröffnet, in meinem Buch erfasst werden. Dafür gibt es zum Glück jede Menge Fachleute, die sicherlich gerne mit Rat und Tat zur Seite stehen.
I. Fakten und Zahlen zum Steueraufkommen
Um zu verstehen, wie wichtig die Erbschaft- und Schenkungsteuer (kurz ErbSt) für den Staat ist, muss man sich einige Punkte vor Augen führen. Zuallererst ist die ErbSt eine Landessteuer, geregelt in Artikel 106 Absatz 2 GG. Wer die Diskussion um das aktuelle Erbschaftsteuergesetz im Jahre 2016 mitverfolgt hat, könnte glauben, dass dies wohl eine sehr bedeutende Steuer ist, die entscheidend zur Haushaltsfinanzierung beiträgt. Doch was sagen die Zahlen hierzu?
Der Bundeshaushaltsplan für 2020 vom 21.12.2019 (BGBl. I, S. 2890) weist Steuereinnahmen in Höhe von 325.290.000.000 Euro aus. Dies entspricht 89,86 % der Haushaltseinnahmen. Leider konnte ich hier jedoch keine Angaben zur Erbschaft- und Schenkungsteuer herausfinden. Daher greife ich auf das Zahlenmaterial für das Jahr 2018 zurück.
Abbildung 1:
Bundeshaushalt für 2018 vom 12.07.2018
Der Bundeshaushaltsplan für 2018 vom 12.07.2018 (BGBl. I, S. 1126) weist Steuereinnahmen von 329.123.495.000 Euro aus. Dies entspricht 95,79 % der Haushaltseinnahmen. Laut einer Pressemitteilung des Bundesamts für Statistik (Destatis) vom 16.08.2019 betrug die Erbschaft- und Schenkungsteuer 6.810.000.000 Euro. Das entspricht also 2,07 % der gesamten Bundessteuereinnahmen.
Da diese Steuer jedoch Ländersache ist, schauen wir uns auch anhand des Beispiels Bayern an, welche Bedeutung sie dort hat. Entsprechend dem Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Freistaates Bayern für die Haushaltsjahre 2017 und 2018 vom 20.12.2016 (GVBl. 2016, S. 399) wurden Steuereinnahmen für das Jahr 2018 von 47.668.300.000 Euro angesetzt. Dies entspricht 79,33 % der Haushaltseinnahmen. Die Erbschaft- und Schenkungsteuereinnahmen beliefen sich auf 1.630.000.000 Euro und betrugen somit 3,42 % der gesamten Haushaltssteuereinnahmen. Bayern trägt mit 23,94 % zum bundesdeutschen Erbschaft- und Schenkungsteueraufkommen bei. Neben Bayern verdient auch Hamburg mit dieser Steuer viel Geld. Die Schlusslichter bilden Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen, Sachsen und Brandenburg.
Abbildung 2:
Landeshaushalt Freistaat Bayern für 2018 vom 20.12.2016
Wie man also schön erkennen kann, handelt es sich bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer um eine eher zweitrangige Steuer. Darüber, ob sie sinnvoll ist oder man sie lieber streichen sollte, könnte man trefflich streiten. Da diese Steuer nun mal existiert, sollte sich jeder damit beschäftigen.
II. Erbschaft- und Schenkungsteuergesetze von damals bis heute
Erbschaftsteuergesetze gibt es schon über viele tausend Jahre lang. Eines das erstmals für das gesamte Deutsche Reich galt, wurde am 03.06.1906 verfasst (Reichsgesetzblatt Band 1906, Nr. 31, S. 654 - 674). Es umfasste 62 Paragraphen und beinhaltete auch schon ein Schenkungsteuerrecht. Wer darin schmökert, wird aus heutiger Sicht auf manch kuriose Gesetzespassagen stoßen. Ich habe mir hierzu ein paar Beispiele herausgesucht.
1) Betrag der Erbschaftsteuer § 10 ErbStG 1906:
Die Erbschaftsteuer beträgt:
I. vier vom Hundert:
1. für leibliche Eltern;
2. für voll- und halbbürtige Geschwister sowie für Abkömmlinge ersten Grades von Geschwistern;
II. sechs vom Hundert:
1. für Großeltern und entferntere Voreltern;
2. für Schwieger- und Stiefeltern;
3. für Schwieger- und Stiefkinder;
4. für Abkömmlinge zweiten Grades von Geschwistern;
5. für uneheliche, von dem Vater anerkannte Kinder und deren Abkömmlinge;
6. für an Kindes statt angenommene Personen und deren Abkömmlinge, soweit sich auf diese die Wirkungen der Annahme an Kindes statt erstrecken;
III. acht vom Hundert:
1. für Geschwister der Eltern;
2. für Verschwägerte im zweiten Grade der Seitenlinie;
IV. zehn vom Hundert in den übrigen Fällen, soweit es sich nicht um einen Erwerb der im § 12 bezeichneten Art handelt.
Im heutigen Erbschaftsteuerrecht werden die Personen in drei Steuerklassen eingeteilt. In diesen werden dann die Steuersätze im günstigen Fall mit 7 % und im teuersten Fall mit 50 % zugeteilt. Zu finden wäre dies heute im § 19 ErbStG.
2) Befreiungen § 11 ErbStG 1906: Von der Entrichtung der Erbschaftsteuer befreit sind der Landesfürst und die Landesfürstin.
Ich glaube, dass heutige Politiker auch davon träumen würden, eine solche Steuerbefreiung zu haben. Jedoch wäre diese wohl eindeutig nicht mit dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes vereinbar.
3) Pauschversteuerung § 44 ErbStG 1906:
Die oberste Landesbehörde ist ermächtigt, auf Antrag des Steuerpflichtigen von der genauen Ermittlung der Masse und der Vorlegung eines Verzeichnisses (§ 37) ganz oder zum Teil abzusehen und einen Pauschbetrag für die Erbschaftsteuer anzunehmen, auch die Pauschversteuerung solcher Anfälle, deren Versteuerung sonst noch ausgesetzt bleiben müsste, zu gestatten.
Eine solche Pauschalierung ist heute nicht mehr möglich.
4) Erbschaftsteuerbescheid § 46 ErbStG 1906:
Die Beschwerde gegen den Steuerbescheid ist binnen einer Frist von zwei Monaten bei dem Erbschaftsteueramt anzubringen. Es genügt auch die Einlegung bei der Oberbehörde (§ 34) …
Heute beträgt die Einspruchsfrist einen Monat und ist in § 355 der Abgabenordnung geregelt.
5) Verjährung der Erbschaftsteuer § 54 ErbStG 1906:
Der Anspruch der Staatskasse auf die Erbschaftsteuer verjährt in zehn Jahren. Die Frist beginnt mit dem Schlusse des Jahres, in welchem der Anspruch auf die Steuer entstanden ist, im Falle einer Sicherheitsleistung für die Steuer jedoch nicht vor dem Ablaufe des Jahres, in welchem die Sicherheit erlischt.
Heut beträgt die Regelverjährung vier Jahre und ist in § 169 Absatz 2 Nummer 2 der Abgabenordnung zu finden.
6) Zuschläge zu der Steuer § 58 ErbStG 1906:
Den Bundesstaaten bleibt es überlassen, für eigene Rechnung Zuschläge zu der nach den Vorschriften dieses Gesetzes verlangten Steuer zu erheben.
Glücklicherweise gibt es eine solche Regelung heute auch nicht mehr.
Das Erbschaftsteuergesetz von 1906 unterlag zahlreichen Änderungen und wurde in der Fassung vom 17.04.1974 grundlegend geändert. Das heute gültige Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz stammt vom 27.02.1997, nachdem das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 22.06.1995 (2 BvR 552/91, BStBl. II 1995, S. 671) den kompletten § 12 ErbStG für verfassungswidrig erklärte. Heute umfasst es nur noch 39 Paragraphen und wurde am 26.11.2019 zum 25. Male geändert. Darunter musste es auch dreimal wegen verfassungswidriger Passagen geändert werden (BVerfG Beschluss vom 07.11.2006, 1 BvL 10/02, BStBl. II 2007, S. 192; Beschluss vom 21.07.2010, 1 BvR 611/07 und 1 BvR 2464/07, BVerfGE 2011, S. 400; Beschluss vom 17.12.2014, 1 BvL 21/12, BStBl. II 2015, S. 50, 90).
III. Mythen und Irrglauben
Bevor ich mit meinen Ausführungen zu den steuerlichen und erbrechtlichen Aspekten beginne und am Schluss noch Gestaltungsmöglichkeiten aufzeige, habe ich einen kurzen Wissenscheck vorbereitet. In den folgenden zwölf Fragen können auch Sie Ihr Wissen testen:
I. Sie lassen sich scheiden und müssen dem Ehepartner einen Zugewinnausgleich bezahlen. Ist das eine Schenkung?
a) Ja
b) Nein
c) Nur wenn ein Schenkungsvertrag geschlossen wird
II. Welche Schenkung unterliegt der Schenkungsteuer?
a) Geldgeschenke zur Hochzeit
b) Ein Ehemann schenkt seiner Ehefrau einen Diamantring im Wert von 40.000 Euro zu Weihnachten
c) Ein Onkel schenkt seinem Neffen ein Auto im Wert von 80.000 Euro zum Geburtstag.
d) Ein Vater schenkt seinem Sohn spontan 150.000 Euro
e) Alle genannten Beispiele
f) Die Beispiele Diamantring, Auto und Bargeld
g) Die Beispiele Auto und Bargeld
h) Keines der genannten Beispiele
III. Wann verjähren Schenkungen, die dem Finanzamt nicht bekanntgegeben wurden?
a) Nach 4 Jahren
b) Nach 10 Jahren
c) Mit dem Tod des Schenkers
d) 4 Jahre nach dem Tod des Schenkers
IV. Sie schenken heute Ihrer Tochter 400.000 Euro. Können Sie in zwei Jahren weitere 200.000 Euro steuerfrei verschenken?
a) Ja, weil es zwei Schenkungen sind
b) Ja, weil der Freibetrag jährlich 400.000 Euro beträgt
c) Nein, weil der Freibetrag im Zehnjahreszeitraum überschritten ist
d) Nein, weil man den Freibetrag nur einmal im Leben bekommt
V. Welches Testament ist rechtsfähig?
a) Eigenhändig geschriebenes Testament
b) Notarielles Testament
c) Digitales Testament oder Videobotschaft
d) Alle genannten Testamente
e) Eigenhändig geschriebenes und notarielles Testament
VI. Sie haben mit Ihrem Ehepartner ein gemeinsames Testament (Berliner Testament) verfasst. Wann können Sie dies ohne Zustimmung des anderen ändern?
a) Jederzeit
b) Nie
c) Nach Ehescheidung
d) Nach dem Tod des anderen
e) Wenn das Testament eine Änderungsklausel enthält
VII. Können Sie Ihrem Haustier etwas vererben?
a) Ja
b) Nein
c) Nur wenn es sich dabei um einen Hund handelt
VIII. Können Sie mit einem Testament den Ehepartner und/oder die Kinder vollständig enterben?
a) Ja
b) Nein
c) Nur wenn der Pflichtteilsanspruch und der Pflichtteilsergänzungsanspruch bereits notariell ausgeschlossen sind
IX. Sie wurden als Minderjähriger adoptiert. Bei wem sind Sie erbberechtigt?
a) Nur bei den leiblichen Eltern
b) Nur bei den Adoptiveltern
c) Bei beiden
d) Weder noch
X. Bei einem kinderlosen Ehepaar verstirbt der Ehemann. Wer erbt?
a) Nur die Ehefrau
b) Nur die Eltern des Ehemanns
c) Ehefrau und Eltern des Ehemanns
d) Keine der genannten Personen
XI. Sie schenken heute Ihrem Sohn den maximal möglichen steuerfreien Betrag von 400.000 Euro. Kann er in drei Jahren bei Ihrem Tod weitere 30.000 Euro steuerfrei erben?
a) Ja
b) Nein
c) Nur wenn der Sohn maximal 15 Jahre alt ist
XII. Sie werden als Volljähriger adoptiert. Bei wem sind Sie erbberechtigt?
a) Nur bei den leiblichen Eltern
b) Nur bei den Adoptiveltern
c) Bei beiden
d) Weder noch
Nehmen Sie sich ruhig Zeit und versuchen Sie, alle zwölf Fragen zu beantworten. Glauben Sie mir, das hilft. Sie sind auch nicht die Ersten, denen ich diesen Wissenscheck vorlege.
Um mir ein Bild zu machen, welche Meinungen denn in der breiten Masse zum Thema Erben und Schenken vorherrschen, habe ich diesen Wissenscheck öffentlich durchgeführt. In der folgenden Tabelle sind die Ergebnisse der Teilnehmer zusammengestellt, die freundlicherweise daran teilgenommen haben.
Die richtigen Antworten habe ich grün hinterlegt und die Fundstellen, die dies bearbeiten eingetragen. Dabei bedeutet z.B. IV 4 dass man dies in Kapitel IV Abschnitt 4 nachlesen kann.