Vieles an der gesellschaftlichen und politischen Situation des heutigen Iran lässt sich erst aus der langen kulturellen Tradition Persiens verstehen.

Nicht zuletzt das Agieren der ehemaligen Kolonialmächte Großbritannien, Russland, Frankreich und in neuerer Zeit vor allem der USA in ihren jeweiligen Einflusssphären hat zu der komplizierten politischen Melange geführt, in der sich die Region heute darstellt.

Insofern hat die hier beschriebene Reise Informations- und Erkenntnisprozesse ausgelöst, die weit über das vordergründige Reise-Erlebnis hinausreichen.

Es wird versucht, die konkrete Beschreibung der Reise mit einer Vielzahl von Reflexionen persönlicher und allgemeiner Art zu verbinden, die sich während und vor allem nach der Reise ergaben.

Der Autor (Jg. 1939) ist Medienwissenschaftler mit ingenieur- und kulturwissenschaftlichem Hintergrund. Nach medienbezogener Tätigkeit in Forschungseinrichtungen war er bis zum Ruhestand als Leiter universitärer Medienzenten tätig. Große und kleine Reisen als meist selbstorganisierte Aktivität boten für ihn stets die Möglichkeit, medial verbreitete Urteile über andere Kulturen und politische Systeme durch die eigene Beobachtung und Erfahrung zu relativieren.

Die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Berufsleben bietet hierzu erweiterte Möglichkeiten. Zugleich bedingen die Einschränkungen des Alters veränderte Formen des Reisens, die im Zusammenhang mit der hier beschriebenen Reise zu reflektieren waren.

Rolf Pausch lebt in Köln.

Für Silvia
die seit einem halben Jahrhundert
die Reiselust mit mir teilt

Bis auf wenige Ausnahmen, bei denen dies vermerkt ist, sind die Fotos Eigentum des Autors. Aus naheliegenden Gründen musste teilweise auf einfache, unauffällig zu erstellende Handy-Fotos zurückgegriffen werden. Das Titelbild zeigt die Gruppe beim Verlassen des Bahnhofs Sa'adat Abat auf dem Wege nach Pasargadae und Persepolis. Für die Gestaltung der Rückseite wurde ein Foto benutzt, das den Vorgang des Teppichknüpfens nach der Vorlage auf einer Holztafel zeigt.

Soweit mit vertretbarem Aufwand möglich, wurde von Personen, die in der vorliegenden Arbeit explizit erwähnt oder im Bild gezeigt werden, das Einverständnis eingeholt. Sollte ein berechtigter Widerspruch gegen die Form der Darstellung bestehen, bittet der Autor um Nachricht und wird entsprechende Änderungen unverzüglich vornehmen.

Trotz sorgfältiger Recherche ist es naturgemäß nicht auszuschließen, dass der Text sachliche Fehler enthält. Entsprechende Hinweise werden dankbar entgegen genommen unter <general@rolf-pausch.de>

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

© 2018 Rolf Pausch

Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

Satz: Reproduktionsfertige Autoren-Vorlage

ISBN 9783752826586

Vorwort

Die vorliegende Schrift ist im Anschluss an eine Persienreise im April 201 7 entstanden. Es ist der Versuch, das konkrete Reise-Erlebnis mit den dadurch ausgelösten Informations- und Erkenntnisprozessen zu verbinden. Insofern gibt der Text außer der eigentlichen Reisebeschreibung eine Vielzahl von Reflexionen persönlicher und allgemeiner Art wieder, die sich während und vor allem nach der Reise ergaben.

Eine Rolle spielt in diesem Zusammenhang, dass der Autor sich vor knapp 50 Jahren, also noch in der Spätphase des Schah-Regimes, im Zuge der Erstellung eines Filmbeitrags für das WDR-Fernsehen schon einmal eingehen- der mit der politischen Situation des Iran beschäftigt hatte (s. Anhang). In der Zeit danach traten aber andere Dinge in den Vordergrund und die Wahrnehmung der Entwicklungen im Iran ging nur wenig über die des interessierten Zeitungslesers hinaus.

Erst die relativ kurzfristig geplante Reise weckte erneut ein weiterführendes Interesse an der Situation des Landes, das in der Berichterstattung der Mainstream-Medien mit einem deutlich negativen Image behaftet ist. Dabei erhärtete sich der Eindruck, dass manche der Vorstellungen politischer und zeitgeschichtlicher Art, die wir in den '68er' Jahren in Bezug auf den Iran entwickelt hatten, Bestand haben.

Entgegen der landläufigen Ansicht spricht manches dafür, die Erlebnisse einer Reise ohne allzu akribische Vorbereitung – die immer auch mit Vor-Urteilen verbunden ist – auf sich wirken zu lassen. Der schon kundige Leser möge daher die gelegentlich naive Herangehensweise an die Gegebenheiten sowohl des besuchten Landes wie auch die Form der Reise nachsehen, die aber auch den hohen Neuigkeitswert für den Besucher und die dadurch hervorgerufenen Lernprozesse widerspiegelt.

Wenngleich der Schwerpunkt der Reise auf kulturellen und kulturgeschichtlichen Aspekten lag, wurde deutlich, dass sich vieles an der gesellschaftlichen und politischen Situation des heutigen Iran im Umfeld der arabisch geprägten Welt des Nahen und Mittleren Ostens erst aus der langen kulturellen Tradition Persiens verstehen lässt. Dass dieses deutlich wurde, ist nicht zuletzt ein Verdienst der hervorragenden Reiseleitung und -organisation. Ein Gewinn in dieser Hinsicht war auch der Austausch mit den durchweg interessierten und kenntnisreichen Mitreisenden. Hervorzuheben ist das Ehepaar K., zu dem sich nach vielen Gesprächen ein weiterführender Kontakt entwickelte. Den Beteiligten ist zu danken. Sie haben die Reise zu einem bereichernden Erlebnis gemacht.

Inhalt

Das Profil der Reise

Irgendwie reizte es uns, ein gestandenes Ehepaar (77/75), trotz mancher Gebrechlichkeiten des Alters noch einmal eine besondere Reise jenseits des Üblichen zu unternehmen. So meldeten wir uns zu einer Reise durch den Iran an, die in der ZEIT ausgeschrieben war. Dies war für uns in mancherlei Hinsicht eine Ausnahmereise:

Vor allem aber hatten wir uns Gedanken darüber gemacht, ob wir den Anstrengungen dieser Art des Reisens im Alter würden gewachsen sein und ob sich gesundheitliche Probleme vor oder während der Reise ergeben würden. Wir fragten uns, wie sich der Teilnehmerkreis zusammensetzen würde und ob wir als alte Menschen mit dem Tempo, den Gewohnheiten und der körperlichen Verfassung der übrigen – vielleicht wesentlich jüngeren – Teilnehmer zurechtkommen würden.

Das schicke Prospekt-Foto des Zugs vor der eindrucksvollen Gebirgskulisse hatte uns schon ein bisschen verführt. Wenn wir hätten aussteigen können, hätten wir aber unseren Zug in ähnlicher Weise fotografieren können. [Das Foto ist der Webseite <zeitreisen.zeit.de/reise/iran-zugreise>, 09.05.2017, entnommen]

Unsere Bedenken erwiesen sich als grundlos: Wir waren bei weitem nicht die ältesten der Gruppe. Einer der Mitreisenden, der allerdings von seinem mitreisenden Sohn unterstützt wurde, war bewunderungswürdige 95 Jahre alt und dennoch geistig und körperlich recht fit. Ein 90jähriger war zwar auf einen Stock angewiesen, bemühte sich aber nach Möglichkeit, an allen Unternehmungen teil zu nehmen. Einige der Gruppe waren etwa in unserem Alter und der größere Teil Ende der 50er oder Anfang der 60er Jahre, also noch berufstätig. Durchgängig aber galt, dass es sich unabhängig vom Alter um agile und interessierte Menschen handelte. Wir hatten also keineswegs das Gefühl, mit einer (furchtbares Wort!) Seniorengruppe unterwegs zu sein. – Von Seiten der Reiseleiter wurde allerdings auch in fürsorglicher Weise auf die Bedürfnisse der weniger Leistungsfähigen Rücksicht genommen: Es wurde immer für Sitzmöglichkeiten gesorgt. Für diejenigen, denen lange Wege schwer fielen, wurden Taxis besorgt. Es gab ausreichend Gelegenheit zu einem Toilettengang – für alte Menschen nicht unerheblich. Es gab einen mitreisenden Arzt.

Die Reiseroute folgte dem Urzeigersinn: Ausgehend von Teheran nach Meschhed mit einem Abstecher von Garmsar aus über das Elburs-Gebirge (dünne Linie), weiter nach Kerman, von Kerman über Yasd nach Isfahan, nach Süden über Pasargadae und Persepolis nach Schiras und von dort in einer Nachtfahrt zurück nach Teheran. [Der Kartenausschnitt ist mit freundlicher Genehmigung des Verlages einer Begleitkarte zu Peter Kerber: Iran - Islamische Republik und jahrtausendealte Kultur. Berlin: Trescher 42015, entnommen.]

Persischer Garten - nicht im Iran, sondern in Bonn. In der Bundeskunsthalle hatte man anlässlich der Ausstellung 'Iran - Frühe Kulturen zwischen Wasser und Wüste' (13.04. bis 15.10.2017) einen solchen Garten aufgebaut. Die im Untertitel 'Die Erfindung des Paradieses' angesprochene Deutung weist daraufhin, dass der alttestamentarische 'Garten Eden' seinen Ursprung in den Mythen um die persischen Gärten hat.

Wie es inzwischen üblich geworden ist, werden Reisen in großem Stile über Zeitschriften vermarktet, im vorliegenden Falle über DIE ZEIT. Damit verbunden ist naturgemäß eine Eingrenzung der Zielgruppe, die uns ansprach. Wir waren aber daneben auch in anderen Zusammenhängen auf den Iran aufmerksam geworden: Durch die Medien ging eine Diskussion um die vorsichtige Öffnung des Landes sowie um die kulturelle Zusammenarbeit mit Deutschland bei der Durchführung von Ausstellungen im Kontext des jeweiligen politischen Klimas. Es deutete sich ein Auseinanderdriften der deutschen bzw. europäischen und der US-amerikanischen Bewertung an. Dies machte neugierig auf das Land.

Organisiert und durchgeführt wurde die Reise durch einen Veranstalter mit dem etwas umständlichen Namen 'Lernidee Erlebnisreisen GmbH', einer Inhaber-geführten Firma mit etwa 70 Mitarbeitern mit Sitz in Berlin. Außer dem etwas sperrigen Namen gab es aber kaum etwas an der Arbeit des Veranstalters zu kritisieren.

Die Reise fand in einem Sonderzug der iranischen Staatsbahnen statt. Die gut 50 Teilnehmer waren in drei Gruppen aufgeteilt:

  • Eine Art First Class-Gruppe ('Sultan') mit rund einem Dutzend Personen, die im Zug einen speziellen Wagen mit sechs Mini-Appartements mit Toilette und Waschmöglichkeit belegte. Mit den Teilnehmern dieser Gruppe hatten wir wenig Kontakt. Sie fuhr zu den Besichtigungen mit einem separaten Kleinbus und war in der Regel nicht mit uns im gleichen Hotel oder Restaurant. Der Preis für die Reise in dieser Kategorie war mit ca. 11 000 EUR/Person auch mehr als doppelt so hoch wie bei uns.
  • Eine Gruppe 'Grün' der Kategorie 'Aladin' mit ca. 1 5 Teilnehmern. Diese Gruppe genoss den geringfügig höheren Komfort der kleineren Teilnehmerzahl sowie einer Duschmöglichkeit am Waggon-Ende. Betreut wurde die Gruppe von der in der ZEIT-Ausschreibung genannten Archäologin, Dr. Völling, und einem Perser ('Ghasem'), der in Deutschland studierte und der während der Reise regelmäßig als Übersetzer fungierte.
  • Eine Gruppe 'Gelb' der Kategorie 'Ali Baba' mit rund 20 Teilnehmern. Betreut wurde die Gruppe durch einen etwa 50-jährigen Türken ('Ismail') und eine jungen Perserin aus der Provinz Aserbeidschan ('Narges'), die zusammen ein ungewöhnliches, aber gut funktionierendes Team bildeten.

Die beiden letzteren Gruppen agierten in der Regel zusammen. Lediglich da, wo es wegen der räumlichen Enge oder aus anderen Gründen sinnvoll war, in nicht zu großer Zahl aufzutreten, waren die Gruppen getrennt unterwegs.

Im vorliegenden Text werden zur Kennzeichnung der Personen (auch zum Zweck der Anonymisierung) jeweils die Vornamen benutzt, obwohl wir selbst im Gespräch die 'Sie'-Ebene beibehalten haben. Ein Teil unserer Mitreisenden gingen bei den Reiseleitern bald zum Du über. Wie auch in anderen Zusammenhängen verbindet sich jedoch nach unserer Auffassung mit dem Du bei Personen, mit denen man nicht befreundet ist, eine falsche Familiarität. (Ausnahmen sind lediglich gemeinsamer Sport oder gemeinsame Musik.) Immerhin bürgerte sich im allgemeinen Sprachgebrauch während der Reise ein, die Vornamen zur Kennzeichnung der Personen zu verwenden.

Hinflug und erste Eindrücke in Teheran

Ursprünglich hatte man uns einen Flug von unserem Wohnort Köln über Wien nach Teheran angeboten. Der Mitarbeiter des Veranstalters hatte gemeint, uns etwas Gutes zu tun. Das hätte für uns, die wir nicht gerade Helden des Frühaufstehens sind, bedeutet, um 5 Uhr nachts im Taxi zum Kölner Flughafen fahren und dann noch einmal in Wien auf dem Flughafen herumhängen zu müssen. Wir baten daher um die Standard-Verbindung mit einem Lufthansa-Direktflug von Frankfurt nach Teheran. So konnten wir unserem üblichen

Frühstücks-Ritual frönen, auf der ICE-Rennstrecke in 50 Minuten in den Frankfurter Flughafen fahren, ohne Zeitdruck das Gepäck abgeben und gegen 14 Uhr in das Flugzeug steigen.

Zwei kleine Episoden stimmten uns auf das Reiseziel ein: Der Kölner Taxifahrer, der uns zum Bahnhof brachte, fragte erstaunt nach, als wir über Teheran sprachen. Er gab sich als Perser zu erkennen. Das Land würde uns sicher gefallen. Er könne auch nach Persien reisen, sei aber dann eigentlich immer nur in Teheran. Schon früher hatten wir erfahren, dass ein großer Teil der Kölner Taxifahrer Exilperser seien. – Eine weiteres Mal wurden wir beim Lufthansa Check-in am Frankfurter Bahnhof von einer Perserin angesprochen, als sie unsere Bordkarte mit dem Ziel 'International Airport Imam Chomeini ' sah. Sie erkundigte sich welche Art Reise wir vorhätten und schwärmte ebenfalls von ihrem Land. Auch sie betonte, dass man von Persien und nicht von Iran spreche.

Ein bisschen aufregend fanden wir die Reise-Prozedur dann doch. Die letzten Erfahrungen mit 'großen' Flugreisen lagen schon etwas zurück und bei den selbstorganisierten Reisen etwa in die arabischen Länder hatten wir uns immer auch mit den mitreisenden Freunden austauschen können. Hier aber waren wir ganz auf uns gestellt. Was würde passieren, wenn wir – wie ich es ein paar Wochen vorher erlebt hatte – mit eineinhalb Stunden Verspätung in Frankfurt eintreffen und den Flug verpassen würden? Hatte ich beim 'elektronischen Check-in' alles richtig gemacht? Wie würde die Einreise in Teheran vor sich gehen? Würde unser Gepäck 'auseinander genommen' werden? Stünden wir nachts auf dem Imam Chomeini-Flughafen allein und ohne persisches Geld herum und müssten uns mit einem – vielleicht nicht vertrauenswürdigen – Taxi und ohne Verständigungsmöglichkeit zum Hotel durchschlagen?