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Zum Buch

Viele Eltern hören von Lehrern, Erzieherinnen, Freunden oder anderen Familienmitgliedern: Ihr Kind sei zu laut oder zu leise, zu aufgedreht oder zu ernst, zu ruhig oder zu aggressiv – jedenfalls nicht so, wie es sein sollte.

Heidemarie Brosche ermuntert Eltern, solche Zuschreibungen kritisch zu hinterfragen und mutig anders zu sehen. Ist ein Kind in den Augen seiner Lehrerin zum Beispiel zu langsam, kann das heißen, dass es ganz bei sich ist und nicht zu übereiltem Handeln neigt. Oder wird ein Kind als zu dominant und aggressiv beschrieben, kann die positive Seite Durchsetzungs- und Willensstärke sein.

Ein Mutmachbuch für Eltern, das stärkt und Zuversicht schenkt.

Zur Autorin

Heidemarie Brosche, geboren 1955, ist Mittelschullehrerin und erfolgreiche Autorin von Kinder-, Jugend- und Sachbüchern. Sie ist Mutter von drei Kindern und lebt mit ihrer Familie in Friedberg/Bayern.

www.h-brosche.de

Heidemarie Brosche

Mein Kind ist genau richtig,
wie es ist

Das Ermutigungsbuch für Eltern

Kösel

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Copyright © 2017 Kösel-Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Umschlag: Weiss Werkstatt, München

Umschlagmotiv: plainpicture / Jakob Fridholm

Umsetzung eBook: Greiner & Reichel, Köln

ISBN 978-3-641-21074-8
V002

www.koesel.de

Inhalt

Ein persönliches Vorwort

1 Unikate – in Schubladen sortiert

Vom einzigartigen Geschenk »Kind« zur bewerteten Ware

Auch Unikate kann man sortieren – ein Ausflug in die Persönlichkeitstypologie

Schubladeninhalte genauer betrachtet

Ist der Inhalt der einen Schubladebesser als der der anderen?

Kann man den Inhalt der Schubladen ändern?

Das ewige Vergleichen

2 Mäkler und Schwächen-Finder

Verwandte, Freunde und Bekannte

Zufallsbegegnungen

Kita und Kindergarten

Institution Schule

Wir Eltern selbst

3 Was Bemängelung anrichten kann

Wie sich Bemängelung auf Eltern auswirkt

Wie sich Bemängelung auf Kinder auswirkt

Immer auf dem Prüfstand – ein Gedankenexperiment

Mögliche Folgen in Kindheit und Jugend

Mögliche Folgen im Erwachsenenleben

4 Wer entscheidet, waswünschens- oder »bemängelnswert« ist?

Bewertungen sind relativ

Zeitgeist

Land, Kultur, Religion

Mädchen oder Junge?

Elternhaus

Ein und dasselbe Kind in unterschiedlichen Umgebungen

Das spätere berufliche und private Leben als Bewertungskriterium

5 Vermeintliche Schwächen anders sehen

Stärken neben den Schwächen sehen

Stärken in den Schwächen sehen

Widerstände gegen ein »Anders-Sehen«

Warum es sich lohnt, Stärkenin den Schwächen zu sehen

Was Eltern aus der neuen Sichtweise lernen können

6 Stärken in den Schwächen – ganz konkret

Zu faul, zu bequem, zu wenig ehrgeizig

Die vermeintliche Schwäche

Die Stärke in der Schwäche

Tipps für Eltern

Zu introvertiert, zu schüchtern, zu ängstlich, zu ruhig, zu ernst, zu nachdenklich, zu grüblerisch, zu sensibel

Die vermeintliche Schwäche

Die Stärke in der Schwäche

Tipps für Eltern

Zu unkonzentriert, zu verträumt

Die vermeintliche Schwäche

Die Stärke in der Schwäche

Tipps für Eltern

Zu extravertiert, zu lebhaft, zu geschwätzig, zu albern, mit zu wenig Ernst bei der Sache

Die vermeintliche Schwäche

Die Stärke in der Schwäche

Tipps für Eltern

Zu schnell, zu flüchtig, zu oberflächlich, zu unordentlich

Die vermeintliche Schwäche

Die Stärke in der Schwäche

Tipps für Eltern

Zu langsam, zu begriffsstutzig, zu unpünktlich

Die vermeintliche Schwäche

Die Stärke in der Schwäche

Tipps für Eltern

Zu eigensinnig, zu undiszipliniert, zu frech, zu aufmüpfig

Die vermeintliche Schwäche

Die Stärke in der Schwäche

Tipps für Eltern

Zu gewissenhaft, zu ehrgeizig, zu verbissen, zu perfektionistisch

Die vermeintliche Schwäche

Die Stärke in der Schwäche

Tipps für Eltern

Zu aggressiv, zu jähzornig

Die vermeintliche Schwäche

Die Stärke in der Schwäche

Tipps für Eltern

Mängelhäufung mit gutem Ausgang

Schlusswort

Anhang

Dank

Anmerkungen

Literaturverzeichnis

Ein persönliches Vorwort

Als Kind war ich zwar freundlich, aufgeweckt und ehrgeizig, wenn man den Bemerkungen in meinen Grundschulzeugnissen Glauben schenken darf. Ich war aber auch zu schnell, zu flüchtig, zu schwärmerisch und ein bisschen zu mitteilsam – in den Augen meiner diversen Lehrerinnen und Beobachter. Im Beichtstuhl bekannte ich als Zehnjährige, zu jähzornig zu sein, weil mir meine Umgebung das Gefühl vermittelt hatte, dies sei eine Schwäche von mir. Meinem Vater war ich zu eitel, weil er mich öfter mal beim Blick in den Spiegel ertappte. Mir selber war ich immer zu unsportlich, weil ich an den Foltergeräten in der Turnhalle versagte. Am Anfang der Pubertät war ich manchen Mitschülerinnen zu streberhaft und zu uncool, wie sie mich gerne wissen ließen. Wenig später war ich den Lehrkräften zu diskussionsfreudig und plötzlich zu wenig ehrgeizig. Als Erwachsene erhielt ich von meiner Umgebung Etiketten verpasst wie »zu bescheiden«, »zu arbeitsam«, aber auch »zu emotional«, »zu lebenslustig«.

An jedes einzelne Zu seit Kindertagen erinnere ich mich gut, auch an das Gefühl, das damit einherging: Ich erfüllte irgendwelche Erwartungen nicht. Etwas an mir war nicht in Ordnung. An mir wurden Mängel festgestellt.

Als meine Kinder Schüler waren, ließ mich die Schule wissen, sie seien wechselweise zu ruhig, zu lebhaft, zu ernst, zu albern, zu laut, zu kontaktfreudig, zu verschlossen, zu impulsiv, zu eigensinnig. An jedes einzelne Zu seit Muttertagen erinnere ich mich, auch an das Gefühl, das damit einherging: Eines meiner Kinder erfüllte irgendwelche Erwartungen nicht. Etwas an ihm war nicht in Ordnung. An ihm wurden Mängel festgestellt.

Nur, dass diesmal neue Gefühle hinzukamen: War ich als Mutter womöglich an den Mängeln schuld? Musste ich gegensteuern? Hätte ich nicht längst gegensteuern sollen?

Dann wurden die Kinder größer, älter. Sie wurden keine perfekten Wesen, natürlich nicht! Aber ich stellte fest: Sie waren, wie sie waren. Jedes von ihnen war, wie es war. Manche der einst konstatierten Mängel hatten sich ausgewachsen, manche waren Markenzeichen geblieben. Und bei alledem war nichts Schlimmes passiert. Im Gegenteil: Manche ehemaligen Schwächen hatten sich langsam, aber sicher sogar als Stärken erwiesen.

Ich begann intensiv nachzudenken. Was sollte dieses ewige »Du bist zu …«, »Sie sind zu …«, »Ihr Kind ist zu …«? Warum musste ich mich kläglich fühlen, weil irgendjemand beschlossen hatte, ich sei so, wie ich war, nicht in Ordnung? Warum musste ich mich kläglich fühlen, weil irgendjemand beschlossen hatte, mein Kind sei so, wie es war, nicht in Ordnung? Warum musste sich dieses Kind kläglich fühlen, weil irgendjemand beschlossen hatte, es sei so, wie es war, nicht in Ordnung? Hatten all diese Beanstandungen irgendetwas Gutes bewirkt? War ich weniger jähzornig, weniger eitel, weniger emotional geworden, weil man mich dieser Schwächen bezichtigt hatte? Waren meine Kinder besser gediehen, nachdem man sie mit ihren Mängeln konfrontiert hatte? War ich als Mutter besser in der Lage, meine Kinder gut zu erziehen, nachdem ich über ebendiese »Mängel« informiert worden war?

Das Ergebnis meines Nachdenkens und -forschens lautete: Jede einzelne dieser Bemängelungen hatte ungute Gefühle ausgelöst, keine dieser Bemängelungen hatte etwas zum Guten bewegt. Im Gegenteil: Manchmal hatte das Bemühen, gegen die Schwächen anzukämpfen, den Blick auf die Stärken verstellt, auf die Stärken, die nicht nur neben den Schwächen existierten, sondern die in den sogenannten Schwächen selbst verborgen waren.

»Diese eingepflanzte Zu-…-Handbremse hat mich länger begleitet, als mir lieb war«, gestand mir eine Bekannte neulich.

All diese Gedanken waren der Auslöser für das vorliegende Buch. Ich habe es geschrieben, um Sie, liebe Leserinnen und Leser, zu einem anderen Blick auf die Eigenarten und Verhaltensweisen Ihrer Kinder zu motivieren. Um Ihnen Mut zu machen, die Dinge anders zu sehen und das abwertende Zu in die Ecke zu verbannen. Auf dass kleine und große Menschen sich nicht als Mängelwesen fühlen müssen, weil sie so sind, wie sie sind, sondern voller Zuversicht darauf vertrauen, genau mit diesem So-Sein ein gutes Leben führen zu können.

So weit war ich mit meinem Vorwort gekommen, als ein Vorfall durch die Presse ging, der sich in einem deutschen Klassenzimmer abgespielt hatte: Ein Lehrer war vor Gericht gelandet, weil er einem Schüler nicht erlaubt hatte, bei Unterrichtsschluss das Klassenzimmer zu verlassen. Begründung: Die vom Lehrer geforderte Arbeit war vom Schüler noch nicht fertiggestellt worden. Als ich das las, fuhr mir der Schreck in die Glieder: Hoffentlich werden die Leser dieses Buches mich nicht missverstehen. Hoffentlich werden sie meine Worte nicht so interpretieren, dass der Lehrer diesen Jungen nicht hätte abwerten dürfen. Hoffentlich werde ich den Beifall nicht von der falschen Seite erhalten.

Warum mir das so wichtig ist: Ich kann das Verhalten dieses Lehrers sehr gut verstehen. Ich selbst befand mich als Lehrerin nicht nur einmal in der Situation, dass ich einem Schüler klar zu verstehen gab: »Ehe du dies oder das nicht getan hast, gehst du hier nicht raus.« Dies selbstverständlich nie angesichts eines jungen Wesens, das einfach nicht schneller konnte, aber sehr wohl als Reaktion auf bewusste Trödelei oder Arbeitsverweigerung.

Insofern greife ich an dieser Stelle dem Inhalt des vorliegenden Buches vor und richte einen leidenschaftlichen Appell an die Leser: nicht abwerten, aber auch nicht verhätscheln!

Noch ein Hinweis gleich zu Beginn: Sie finden in diesem Buch nicht nur viele Verweise auf Fachbücher, sondern auch auf Fachartikel, vor allem aus der Zeitschrift Psychologie Heute. Das hat einen einfachen Grund: Seit Jahren informiere ich mich in dieser Zeitschrift über neue Forschungsergebnisse. Immer wieder auch ist die Lektüre Anlass für mich, in den dort erwähnten Büchern genauer nachzulesen. Für das vorliegende Buch habe ich viele Jahrgänge durchforstet und bin erstaunlich oft bestätigt worden: Ja, man kann die Dinge auch anders sehen!

Eine letzte Anmerkung vorab: In diesem Buch werden Sie auf zahlreiche Erfahrungsberichte stoßen. Ich bin allen, die hier so ehrlich Einblick in ihr Erleben gewährt haben, dankbar. Und ich verstehe, wenn nicht jede und jeder mit ihrem/seinem echten Namen abgedruckt werden möchte. Deshalb sind manche dieser Berichte mit einem anderen Namen unterzeichnet. Ich bin sicher, auch Sie, liebe Leserinnen und Leser, haben dafür Verständnis.

Nun wünsche ich Ihnen viele Aha-Erlebnisse und viel Zuversicht!

Ihre Heidemarie Brosche