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2. Auflage
© 2020 Chevalier Verlag
Alle Rechte vorbehalten.
Herstellung und Verlag:
BoD - Books on Demand GmbH, Norderstedt
Covergestaltung: Beatrice Tiple, Aachen
Umschlagabbildung: Adobe Stock
ISBN: 978-3-7504-5821-5
Das Durchschnittliche gibt der Welt ihren Bestand. Das Außergewöhnliche ihren Wert.
Oscar Wilde
Eleanor trägt alle Schuld. Sie allein. Ich kann nun wirklich nichts dafür. Im Gegenteil. Ich habe mich gewehrt. Habe jede Menge Ausflüchte gesucht. Aber vergebens. Wieso, was ist mit dieser Eleanor – fragen Sie. Nun, ich hatte geplant, wirklich nur eine kleine Auflage dieses privaten Sammelsuriums drucken zu lassen um es an unsere engsten Freunde zu verschenken. Und was macht Eleanor? Sie ließ nach der Lektüre meines kleinen Büchleins nicht locker. Alle ihre Freundinnen sollten es auch lesen können – darauf beharrte sie. „Verleihe das Buch doch!“ flehte ich sie an. Nein, unsere gute Eleanor spielte mit allen Mitteln. Erst beschwor sie meine Frau, mich umzustimmen. Als sie dort auf Granit biss, rief sie alle unsere gemeinsamen Freunde an und zog dabei die gleiche Nummer ab. Wirklich verwerflich dieser Egoismus. Dann klingelte tagelang das Telefon, immer die gleiche Masche: „Costa – sei ein Schatz. Es wollen doch noch mehr Leute von Dir lesen. Denke an Dein erstes Buch. Es war doch so wunderbar erfolgreich!“ Und so weiter, und so fort. Sie lagen mir dann irgendwann alle in den Ohren. Victor, von dem hier gleich noch mehr zu lesen sein wird, war ein wirklicher Freund. Er stand mir bei. Wie ein Fels in der Brandung. Aber alle anderen forderten ihren Ego-Tribut: sollte ich nicht klein beigeben, würde ich ernsthaft die Freundschaft in Gefahr bringen. Und wer will das schon? Gut, dachte ich, sollen sie alle ihren Willen haben. Ich knickte einfach ein, angesichts dieser Psycho-Erpressungs-Folter. Und das Resultat ist nun dieses kleine private Sammelsurium, das jedermann in jeder Buchhandlung, ob in Wallsbüll bei Flensburg oder in Jauchen bei Oberstdorf, für ein paar Euro erwerben kann.
So ist es nun mein innigster Wunsch, dass die nachfolgende Ansammlung von zum Teil überaus privatimen Schilderungen, Gedanken, Anekdoten und Bonmots jeden Leser animieren möge, einen Lebensstil zu huldigen, der den grauen Alltag zu überwinden hilft. Man kann die folgenden Seiten auch als Ovation an all das verstehen, was mir ganz persönlich am Herzen liegt.
Mir ist jedoch bewusst, dass nicht jeder Leser dieses Buches ein Leben in idyllischer Opulenz anstrebt oder sich dieses leicht und ohne Mühe realisieren lässt. Dennoch hege ich die leise Hoffnung, es möge sich in diesem kleinen bescheidenen Büchlein für jeden etwas finden, was es ihm gestattet, dem Trio Langeweile, Monotonie und Gleichförmigkeit einen Dolchstoß zu versetzen, und sei es nur in seiner Fantasie.
Einige zart besaitete Naturen möchte ich dennoch vor der Lektüre dieses Lebenskunst-Sammelsuriums freundlichst warnen, um bei ihnen kein Unbehagen mit meinen Auslassungen zu entfesseln. Völlig wertlos scheint mir daher diese Abhandlung der Lebensfreude und des Genusses generell für alle Pessimisten, Miesmacher, Nihilisten und Defätisten zu sein. Rabattmarkensammlern und notorischen Pfennigfuchsern vermag dieses Buch vermutlich keine weitere Inspiration geben. Vegetariern ist eine Lektüre durchaus zumutbar, hingegen werden sich strenge Veganer auf Grund der im Text enthaltenen Rezepte von Fisch-, Fleisch- und Eierspeisen womöglich angewidert abwenden. Ich bitte auch dringend alle Antialkoholiker und Abstinenzler, die hier erwähnten Cocktailrezepte nur oberflächlich zur Kenntnis zu nehmen, eine Geschmacksprüfung sollte zur Vermeidung von Rückfällen nicht vorgenommen werden. Ornithologen und Vogelschützern wird mein Buch keine größeren Probleme bereiten, sie sollten jedoch, im eigenen Interesse, das Essay JAGDGLÜCK aussparen. In vergleichbarem Maße bin ich mir auch bewusst, dass ich mich mit dem Essay HERRENESSEN in den Augen einiger Feministinnen auf ganz dünnem Eis bewege. Nichtraucher und Anti-Raucher-Lobbyisten können dieses kleine Brevier in vollen Zügen genießen, sie werden jedoch gebeten, die Hinweise bezüglich der Rauchwaren, welche sich auf den letzten Seiten verbergen, zu ignorieren. Ich bitte zudem schon jetzt um Nachsicht bei allen Gegnern der Monarchie, da im vorliegenden Text Königinnen, ehemalige Regenten, Maharadschas und andere Blaublütige sporadisch erwähnt werden. Es ließ sich aus meiner Sicht einfach nicht völlig vermeiden.
Hypersensiblen Lesern rate ich, das Brevier vielleicht nicht vor dem Einschlafen zu lesen, es könnte sie vermutlich an der einen oder anderen Stelle zu sehr aufregen. Gegebenenfalls ist es in diesen Fällen ratsam, die Lektüre auf den Vormittag zu verlegen oder direkt nach dem Mittagsschlaf damit zu beginnen. Generell liest sich dieses kleine Brevier am besten bei einem Glas alten, gut abgelagerten Bordeaux-Wein, möglichst am prasselnden Kamin. Alternativ tut es auch eine Tasse Lavendeltee mit Honig, vorzugsweise aus der Provence.
Die restliche Leserschaft wird an der Lektüre meines neuen Buches vermutlich keinen größeren psychischen und physischen Schaden nehmen (außer, sie stolpern über das Büchlein und verletzen sich dabei).
Zu guter Letzt möchte ich nicht versäumen, von ganzem Herzen jeden aufrichtigen Leser zum Erwerb dieses Druckwerkes zu beglückwünschen. Zeigt es doch feinstes Gespür, auch in der schier endlosen Auswahl von Literaturerzeugnissen, die Spreu vom Weizen trennen zu können.
Alkohol löst keine Probleme.
Aber das tut Milch auch nicht.
ANGELN
Mein Clubfreund Victor ist nicht nur ein passionierter Jäger, er wirft auch gerne seine Angel aus, ob beim Hochseefischen in Norwegen oder am heimischen Flusslauf, bisweilen auch nach entzückenden Damen (das aber ist ein ganz anderes Thema). Jedoch scheint ihm das Angeln der Fische ohne Begleitung etwas fad zu sein. So beschloss er, mich zum Lachsangeln nach Schottland einzuladen. Anfang Oktober, zur „schönsten schottischen Jahreszeit“, quartierte er uns im bekannten Ballathie House Hotel, nahe Perthshire ein. Dieses fabelhafte Anwesen, am River Tay gelegen, bot jegliche Annehmlichkeiten. An drei aufeinander folgenden Tagen, ausgerüstet mit Victors Angel-Accessoires und nebst wasserfester Kleidung, suchten wir den nahe gelegenen Fluss auf, um immerhin jeden Tag mit stolzem Fang heimzukehren. Der Chefkoch des Ballathie-Houses war gewissermaßen erfreut, über die ihm überlassenen Lachse. Selbstredend erkundigte er sich, wie er das größte gefangene Prachtexemplar für uns und weitere zwei Freunde zubereiten solle. Allgemeine Ratlosigkeit herrschte. Ich telefonierte umgehend mit Amelie, unserer langjährigen Haushälterin, welche mir mein Lieblingsrezept nach Schottland per Fax übermittelte: „Den Fisch mit Fischfond und Weißwein dämpfen, auf eine Gratinierschüssel legen und die Haut abziehen. Frische Butter (möglichst aus Frankreich) schaumig rühren, einige Eigelb und geriebene Semmel daruntermengen. Mit dieser Masse den Fisch bestreichen, mit Krebsbutter zaghaft beträufeln und im Ofen überbacken. Mit einem Ragout von Champignons, Trüffeln, Fischklößchen und Krebsschwänzen, in Genfer Sauce gebunden umlegen (ich hoffe, der Koch in Ihrem Hotel weiß, was Genfer Sauce ist???).“
Unserem Chef de Cuisine gab ich die Rezeptinstruktion unserer Amelie und bemerkte an einer gewissen Stelle im Text, leichte Faltenbildung auf seiner Stirn. Ich rief umgehend Amelie an und ließ mir telefonisch auch noch das Rezept für eine perfekte Sauce Genevoise durchgeben: „Lachsgräten, Lachsköpfe, die Abfälle von Lachsforellen oder sonstigen Edelfischen zerhacken, mit allerlei Wurzelwerk und Zwiebeln anschmoren, mit Champignonabfällen und einem Liter Weißwein (möglichst deutscher Riesling) einkochen. Mit ½ Liter spanischer Sauce auffüllen und 1 ½ Stunden weiterkochen. Dann passieren, entfetten und mit 150 Gramm Sardellenbutter aufschlagen.“
Vor unserem Fischessen versammelten wir uns im Kaminzimmer des ehrwürdigen Ballathie´s. Genüsslich würdigten wir unsere bevorstehende Mahlzeit mit einem Dubonnet-Cocktail, wie ihn auch die Queen favorisiert, jedoch mit anderen Mischungsverhältnis: 70 % Gin, 30 % Dubonnet. Wir tranken auf unseren Fang und ließen schon im Vorfeld unseren Koch, angesichts der schwierigen kulinarischen Aufgabe, hochleben.
Der Chefkoch meisterte die Instruktionen bravourös. Wir bekamen den perfekten „Lachs à la Maréchal“, wie ihn unsere Amelie nicht besser hätte zubereiten können. Seit diesem Zeitpunkt ist das Lachsangeln in Schottland fester Bestandteil unseres Terminkalenders im Herbst eines jeden Jahres.
APERITIF
Wann ist der beste Zeitpunkt, um den ersten Drink des Tages zu genießen? In England rufen unsere Freunde schon gegen sechs Uhr zur Happy Hour. Gin-Tonic, Whisky-Soda oder Sherry sind dort gängige Aperitifs. In unserer zweiten Heimat, Südafrika, wird täglich gegen sieben zum Sundowner eingeladen. Die beliebtesten Drinks sind dort Weißwein, Sekt (Methode Cap Classique - auch Bubbles genannt) oder Champagner.
Wir haben uns zur Angewohnheit gemacht, gegen halb acht abends unseren Aperitif zu nehmen. Mein aktueller Favorit ist der Negroni (Campari, Gin, Wermut), meine Frau bevorzugt entweder einen Dubonnet Cocktail (roter Dubonnet, Gin) oder im Sommer einen Lillet-Cocktail (Lillet plus Gin). Mein Lieblingsdrink an kalten Winterabenden ist ein Sloe Vermouth (Sloe Gin, Wermut und Zi-tronensaft). Unsere Haushälterin gönnt sich schon mal ein großes Glas Kochwein am späten Nachmittag, unsere Hunde müssen sich immer mit einem frischen Napf Wasser zufrieden geben.
Kürzlich reflektierte der Master-Sommelier Frank Kämmer im Magazin Der Feinschmecker über das Thema Apéro und gibt uns damit einige interessante Lektionen auf den Weg:
Bei diesen Betrachtungen stellt sich unweigerlich die Frage: Ist ein Leben ohne Alkohol möglich? Durchaus! Aber mal ehrlich, wäre diese Vorstellung nicht schrecklich unattraktiv?
AUSGESUCHTES
Vor zehn Jahren avancierte ein kleiner Katalog zum Geheimtipp. Auf gerade mal 52 Seiten präsentierte TORQUATO eine „ausgesucht gute“ Warenwelt von hochwertigen Produkten und Geschenken. Die Idee zu diesem Unterfangen kam den Brüdern Axel und Max Stürken, als sie die Frankfurter Messe besuchten und feststellten, dass es noch keinen exklusiven Versandhandel für Endverbraucher gab. Frei nach Goethes Torquato Tasso „erlaubt ist, was gefällt“ boten die Brüder kurze Zeit später eine kleine Produktpalette an, die höchste Ansprüche an Qualität und Produktgestaltung erfüllt. Oder um es kürzer zu sagen: Sie verkauften Dinge, die sie sich am liebsten selber schenken würden.
Aus dem schmalen Katalog sind mittlerweile stattliche 230 Seiten mit rund 3.500 Artikeln geworden. Angefangen bei Trüffelpralinen von Trahison, Beauville-Tischdecken, Hunde-Halsbänder aus Appenzell bis hin zu meinem Lieblingsduft „Penhaligon´s Blenheim Bouquet“ gibt es nichts, was die anspruchsvolle Klientel des Geesthachter Familienunternehmens eventuell vermissen würde.
Kürzlich lag im Briefkasten der neueste Coup der Stürken-Brüder: ein brandneuer Delikatessen-Katalog, der den sinnigen Namen „Food-Brothers“ trägt. Beim Durchblättern und Betrachten der offerierten Köstlichkeiten werden sämtliche Genuss-Sinne angeregt. Das Credo der Drei klingt gut: „Mit unseren Ideen möchten wir Ihnen Anregungen geben für den Genuss, Inspirationen für köstliches Essen und guten Wein - Rezepte für die Freude am Leben.“ Wir bestellen gleich diverse Grillsaucen von Stonewall-Kitchen und den Gutshaus Stolpe Fruchtaufstrich (Himbeere für meine Frau; Zitrone für Hohenstein-Junior und Kirsche für Hohenstein-Senior). Senior Hohenstein gönnt sich ebenfalls den Lufthansa-Cocktail Classic, wie er in den 1950er bis in die 1960er Jahren auf den Lufthansa Flügen serviert wurde. Nun erhältlich in der praktischen 0,5 Liter Flasche.
AUSTERN
Wir sitzen in der Austernbar des weihnachtlich geschmückten KaDeWe. Dieser Platz eignet sich fabelhaft, um den Strom von passionierten Gourmets und Schaulustigen an sich vorbeiziehen zu lassen. Hier und da ein bekanntes Gesicht. Der ehemalige Regierende Berliner Bürgermeister vertieft in die weihnachtliche Geschenkeliste. Ein ehemaliger Oppenheim-Banker in trauter Zweisamkeit mit Gattin und Einkaufstüten. Eine frisch blondierte Schauspielerin nippt an ihrem Glas Champagner.
Meine Frau ordert den Chablis. Dann die quälende Entscheidung: Welche der Schalentiere sind die Besten? Die angebotene Auswahl macht die Wahl nicht einfach: Fines de Claires, Sylter Royal oder die Huîtres de Bélon? Oder vielleicht doch die Donegal Oyster? Die Tsarskaya soll auch hervorragend sein. Als Patriot bestelle ich ein Dutzend Sylter Royal, meine Frau mag lieber die Bélon. Am Nebentisch meint ein Herr im Covert-Coat zu seiner jungen Begleiterin, dass er hier immer mindestens vier Dutzend Austern ordere, nur heute würde ihm die leichte Magenverstimmung verbieten, auch nur eine davon zu essen. Mich beschlich der leise Verdacht, unser Tischnachbar mag entweder keine Austern oder ist einfach ein Austernhochstapler. Nun sind ja wahrlich die delikaten Schalenweichtiere nicht jedermanns Sache. Denn: wenn man das geöffnete unscheinbare Muschelchen so betrachtet, einen nassen Klumpen lebender Materie, formlos, wabbelig und grau, dann muss man eigentlich Jonathan Swift durchaus recht geben, der einmal gesagt hat, es müsse ein mutiger Mensch gewesen sein, der die erste Auster schluckte. Ich jedenfalls bin diesem Mutigen ewig dankbar. Und über die Menge, die man von dieser Köstlichkeit vertilgen kann, streiten sich seit jeher die Geister. So soll der Vater der Gastrosophen, Monsieur Grimod de la Reynière gesagt haben, dass die Austern nach dem fünften oder sechsten Dutzend aufhören, ein Genuss zu sein. Dessen Nachfolger, Brillat-Savarin berichtet, dass vor der Französischen Revolution, als noch jedes einigermaßen festliche Mahl mit Austern begann, die Gäste, vornehmlich die Abbés und Chevaliers, nicht eher nachließen, als bis sie zwölf Dutzend Austern verschluckt hatten. Gleiches wird auch vom größten Liebhaber aller Zeiten, Giacomo Casanova behauptet. Er soll die Meeresfrucht jeden Tag in dieser Menge verzehrt haben, um seine sexuelle Leistungsfähigkeit erhalten zu können.
Unsere junge Dame am Nebentisch bekam ihr halbes Dutzend Austern und quetschte Unmengen von Zitronensaft über die Köstlichkeiten. Wäre unser Freund Victor bei uns gewesen, er hätte vermutlich süffisant bemerkt, dass man an der Unart des Zitronenertränkens der Austern einen sogenannten Schickimicki erkennt, jedoch keinen Gourmet. Ein Sternekoch verriet mir einst, dass einige wenige Tropfen Zitronensaft am Schalenrand in früheren Zeiten ausschließlich als Frischetest dienten. Lebte die Auster noch, zog sie sich leicht zusammen.
Die sanfte Septembersonne brach sich in unseren Weingläsern. Wir saßen auf der Terrasse des Restaurants Bota Sare im kroatischen Mali Ston. Es sollte nur eine Stippvisite auf dem Weg zu unserem neuen Domizil in Split sein. Der Patron des Hauses lud uns jedoch spontan zu einer Bootsfahrt zu den hauseigenen Austernbänken ein. Nach nur zehn Minuten erreichten wir ein schwimmendes Ponton und unser Gastgeber erntete aus der türkisblauen Adria etliche Austern. Noch an Bord wurden diese meisterhaft aufgebrochen und uns zum Verzehr angeboten. Korrespondierend gab es herrlich kühlen Malvasia. Einfach köstlich!
Wie schmecken Austern nun aber am besten? Roh oder in irgendeiner Weise zubereitet? Jeder nach seinem Gusto! Es existieren hervorragende Rezepte. Allein Grimod de la Reynière kannte über zwanzig Arten ihrer Zubereitung, zum Beispiel mit Parmesan, als Hackfleisch, in Stroh, gedämpft, geschmort, gefüllt, geröstet, gebacken, als Ragout oder als Pastete. Ich bat unsere Köchin Amelie ein Rezept aus dem alten handgeschriebenen Kochbuch unserer Familie herauszusuchen. Es ist auch mein Favorit: Austern im Napf. Die Zubereitung ist denkbar einfach (sagt zumindest unsere geniale Amelie): Kleine Porzellankassoletten mit leichter Fischfarce ausstreichen. Austern in Butter und Weißwein dämpfen und mit frischen Champignons, in Scheiben geschnitten, mischen. Den Austernfond mit Fischvelouté binden, mit etwas Butter aufschlagen und an die Austern geben. Diese in die Kassoletten füllen, mit Farce schließen, Krebsbutter darüber träufeln und 12-14 Minuten im Ofen backen. Einfach köstlich!
AUTOMOBIL
Unlängst versicherte mir ein befreundeter Selfmade-Millionär hinter vorgehaltener Hand, er sei völlig verzweifelt, ja hilflos, welches Auto er noch fahren könne, um sich von der breiten Masse abzuheben. Einen Mercedes, so seine Feststellung, fahre ja mittlerweile schon jeder gut verdienende Angestellte, ja selbst Landwirte aus Westfalen und Württembergische Winzer sitzen in einer E-Klasse. Ich bedauerte ihn inständig und suchte nach Wegen, ihn aus seiner Zwangslage zu befreien. Spontan schlug ich vor, er müsse sich entweder eine der teuersten Marken zulegen, ein Elektroauto in Betracht ziehen oder einen Kleinwagen fahren. Dazwischen gibt es einfach nichts für ihn, wenn er nicht wolle, dass andere an seinem Ego kratzten. Bei einem Kleinwagen könnte er zum Beispiel sagen, er hätte die großen Wagen satt, schon wegen der nervigen Parkplatzsituation in den Innenstädten und der Manövrierschwierigkeiten im dichten Stadtverkehr.
Als wir uns einige Zeit später auf irgendeiner unbedeutenden Party wiedersahen, erkundigte ich mich nach seiner Automobil-Wahl. „Ich fahre nun B-M-R“, ließ er verlautbaren. Ich schaute ihn ungläubig an, dachte ich doch, er meine wohl BMW. Er lächelte süffisant: „B wie Bentley, M bedeutet Maybach und R ist mein Rolls Royce.“
Wohl dem, der so aus dem Vollen schöpfen kann wie mein Freund. Ich freute mich für ihn und seine Markenwahl. Jetzt war er in der glücklichen Situation, je nach Gusto und Laune, eine entsprechende Limousine zu wählen, welche seinen finanziellen Möglichkeiten Ausdruck verlieh.
Zufällig begegneten wir uns einige Monate später in Berlin. Ich saß am Steuer eines nagelneuen Tesla (ich fuhr in zur Probe), er ließ sich von einem seiner Chauffeure im Maybach kutschieren. Erregt kam er auf mich zu: „Was für ein fabelhaftes Auto du hast! Wo kann ich es kaufen?“ Nun, der umweldfreundliche Tesla ist mittlerweile sein Lieblings-Toy.
AUTOMOBIL-RENNEN
Autorennen finden permanent in vielen Metropolen der Welt statt, hochkarätige, interessante und langweilige. Der Liebhaber schneller Rennwagen kann nach Hongkong, Dubai oder Monaco reisen, um bei diesen Events die Herren Vettel, Alonso oder Button zu bestaunen, wie sie fast schwerelos mit den automobilen Meisterwerken über die Pisten fliegen um dann bei einem Sieg Champagner zu verspritzen. An sich nicht besonders aufregend. Jedoch gibt es da ein Automobilrennen, welches als das wahre, das einzige und originellste gilt: Goodwood Revival.
Zusammen mit drei weiteren Blech-Fanatikern machte ich mich auf nach Chichester, einem verschlafenen Nest in der Grafschaft West-Sussex. Untergekommen waren wir im fabelhaften Goodwood-Hotel. Hier auf dem Areal von Goodwood-House, dem Stammsitz der Herzöge von Richmond, findet alljährlich das wohl berühmteste historische Autorennen der Welt statt. Eine Inszenierung der besonderen Art und Mekka für Fans historischer Automobile. An einem Sonntag war es dann soweit: das traditionelle Royal Automobile Club TT Celebration Rennen mit den wertvollsten Rennwagen der Welt sollte stattfinden. Wir folgten dem gewünschten Dresscode und kleideten uns stilecht: „Knickerbocker-Anzüge“ aus schwerem Tweed, Weste und Hut. Ein Ereignis der Superlative. Erstmals nach 80 Jahren fuhren auch die legendären „Silberpfeile“ von Mercedes und Audi wieder gemeinsam auf einer Rennbahn. Die (theoretisch) 300 km/h schnellen Rennwagen fuhren in angemessenem Tempo durch den „Vorgarten“ von Lord March (die Rennstrecke ist ca. 3,8 km lang). Beeindruckend: der 750 kg schwere Mercedes-Benz W125 von 1937 – er galt mit seinen 650 PS über 40 Jahre als der am stärksten motorisierte Rennwagen der Welt.
Neben vielen anderen Highlights faszinierte uns ein spezielles Ferrari-GTO-Rennen. Hier traten gleich mehrere der teuersten „Oldtimer“ der Welt gegeneinander an. Unter ihnen war auch der für 26,7 Millionen Euro verkaufte GTO mit der Chassis-Nr. 3505GT – der teuerste freigehandelte Klassiker der Welt. Fazit: Goodwood Revival ist das Festival für den begeisterten Oldtimer-Fetischisten mit dem schönsten nostalgischen Flair und sucht seinesgleichen.
Ein Dinner ohne einen opulenten Braten
ist doch immer nur ein Imbiss.
BAYREUTH
Wenn ich mich an dieser Stelle als Wagnerianer oute, so hoffe ich nicht, dass dieses bei der Mehrzahl der Leser etwa Unbehagen auslösen wird. Insofern gebe ich hier gerne eine entsprechende Hintergrundinformation, welche diese Nähe zu Wagners Musik beleuchten soll. Meine Eltern gingen schon früh das Wagnis ein, mich an Wagners Musik heranzuführen. Mein Vater besaß alle Einspielungen der großen Dirigenten wie etwa Furtwängler, Böhm und Knappertsbusch. Einmal, ich war gerade zarte fünf Jahre, tönte aus dem heimischen Plattenspieler der Ritt der Walküren und ich wurde ohnmächtig. Meine Mutter hielt es fortan für besser, mich mit Wagner erst einmal nicht zu behelligen, denn sie fürchtete um meine Gesundheit. Mein Vater entgegnete, es sei mit Wagner wie mit einer starken Havanna. Wenn man zu schwach für starken Genuss sei, sollte man dennoch immer wieder davon kosten. Irgendwann hat sich auch der schwächlichste Charakter an starke Zigarren und auch an Wagners Musik gewöhnt. Ich verlor zwar nicht wieder das Bewusstsein, dennoch erinnere ich mich noch genau an jenen Sommerabend. Der elterliche Tonträger gab Siegfrieds Tod wider. Die Musik übermannte mich in ihrer eindringlichen und dramatischen Weise, sodass mir übel wurde. Das abendliche familiäre Dinner musste daraufhin für mich ausfallen und ich bekam von der Nanny gezuckerten Haferbrei mit Sahne. Auch dieses Wagner-Malheur überlebte ich mit leichten Blessuren. Danach wurde ich strikt und rigoros bei jeglicher Art von Wagner-Musik auf mein Zimmer verbannt, wohl um mich nicht zu belasten. Dennoch hämmerte und dämmerte Richard Wagner fortan in meinem Kopf. Zaghaft wagte ich mich wieder an den Meister und es kam nach einigen Jahren reichlicher Wagner-Abstinenz zu folgendem peinlichen Eklat:
Den ersten „Life-Wagner“ meines Lebens erlebte ich im Bayreuther Festspieltempel. Ausgerechnet fiel meine Wahl auf Parsifal, Richards tragisch-tragendes Spätwerk, dem allerheiligsten Bühnenweihfestspiel. Völlig ahnungslos und allein saß ich auf den harten Klappsitzen inmitten von Kennern. Vier Stunden geniales Sing- und Klangspiel, Sinopoli dirigierte. Vier Stunden Hitze (damals noch ohne Belüftung). Nach dem ersten Akt der Fauxpas: ich applaudierte. Placido Domingo und Waltraud Meier waren einfach fabelhaft. Geschätzte hundert strafende Augen schauten in diesem Moment auf mich. Mein Nachbar im Smoking und mit Kummerbund versuchte sogleich meinem frevelhaften Gebaren Einhalt zu gebieten – er legte seine Hand auf die meinigen und unterband damit ein für allemal meinen ungehörigen Ausbruch von Begeisterung. Belehrende Worte („man applaudiert nach dem ersten Parsifal-Akt nicht“) und Einsicht meinerseits folgten. Domingo störte das, glaube ich jedoch, nicht.
Seit diesem ungeheuerlichen Vorfall ist Bayreuth ein gern absolvierter Kulturgenuss. Mittlerweile verfügt das Festspielhaus glücklicherweise über eine, die größte Hitze lindernde Kühlung und ich bin stets in der besten Begleitung, die ich mir nur wünschen kann (meine Frau erträgt das alles sehr tapfer). Und seit die Wagner-Urenkelin Katharina die Herrin auf dem Grünen Hügel ist und diesen von den Relikten ihres Vaters entstaubt hat, verjüngt sich nach und nach auch das Publikum. Nur auf die begehrten Karten müssen die Hügel-Neulinge immer noch zehn Jahre warten. Man sollte eine „Wagner-Lotterie“ einführen, bei der die Karten unter den oft jahrelang Wartenden verlost werden. Tipp: Wenn man zu der Einsicht gelangt, als Mäzen den Kulturbetrieb auf dem Hügel unterstützen zu wollen, ist es ratsam, über die Mitgliedschaft in der Vereinigung der Freunde von Bayreuth nachzudenken. Denn deren getreue Mitglieder erhalten, meist wie durch ein Wunder, viel schneller Karten für die Festspiele, als das bei den Normalsterblichen der Fall ist.
BEHÜTET
Als Hutträger fühlt man sich zeitweise wie ein Relikt. Angesichts einer Mehrzahl von unbehüteten Zeitgenossen kommt man sich mit einer Kopfbedeckung irgendwie verloren vor. Dennoch liebe ich meinen Borsalino und mag ihn nicht mehr missen und geschweige denn hergeben.
Der Legende nach soll sich in Alessandria ein wahrheitsliebender Senator namens Lobbia nicht nur Freunde gemacht haben. Eines Nachts lauerte man ihm auf und verpasste ihm „eins auf die Mütze“. Der Senator nahm keinen Schaden, doch sein Hut behielt eine Delle. Da sich der Senator jedoch nicht einschüchtern und erst recht nicht beugen wollte, trug er fortan seinen eigensinnigen Hut. Daraufhin begannen die Freunde und Anhänger des Senators ebenfalls Hut mit Delle zu tragen – hergestellt von Giuseppe Borsalino. Seitdem ist der Hut mit Delle Borsalinos Markenzeichen.
Wenn Hüte reden könnten, hätten die Borsalinos sicherlich einiges zu berichten: von Verbrechen, Gaunern, Ganoven, Casablanca. Unter den prominenten Trägern waren neben Al Capone auch Churchill und Roosevelt. Gorbatschow erstand seinen ersten Borsalino bei einem Staatsbesuch in Helsinki. Was macht einen Borsalino zum außergewöhnlichen Hut?
Das Kernstück des Kult-Hutes ist die Manufaktur. Der Filz für die Hüte besteht nicht nur aus Wolle, sondern aus Kaninchenhaar. Die Fasern werden zunächst zusammengeblasen, dann stundenlang in Farbbädern gekocht, geformt, gestanzt und gebogen. Die Banderole und das Innenfutter genäht. Und am Schluss, wenn der Rohling sämtliche 47 Arbeitsschritte und Kontrollen durchlaufen hat – nach ungefähr sieben Wochen – erhält das Modell sein Herzstück: den Borsalino-Schriftzug aus 24-karätigem Gold. Und das nun schon seit 150 Jahren.
Ein italienischer Verkäufer überzeugte mich bei meinem Kauf mit den Worten: „Ein Borsalino ist ein Zeichen von Klasse, ein Markenzeichen, um jemanden zu identifizieren und wiederzuerkennen. Borsalino ist für Herren mit Kultur, andere sollten ihn nicht tragen.“
BONVIVANT
Ich glaube, die Bonvivants sterben langsam aus. Früher war das mal anders. Da gab es Gunter Sachs. Und vor ihm eine auserlesene Schar von Notabeln, welche es verstanden, die Annehmlichkeiten des Lebens zu erkennen und in vollen Zügen zu genießen. Einfach so und gänzlich ohne Schwarzgeldkonten in den bekannten Steueroasen.
Ein Bonvivant legt auf kultivierten Genuss Wert. Menge und Kostspieligkeit der Genussobjekte sind dabei für ihn irrelevant. Eventuell wird er einen Mouton Rothschild dem Trollinger vorziehen, jedoch schmeckt auch ein Trollinger superb, wenn er in Gegenwart einer bezaubernden Dame genossen wird.
Der weise Lord Whimsy (alias Victor Allen Crawford) gibt uns in seinem fabelhaften Büchlein: „Die Kunst mit einem Hummer spazieren zu gehen“ nicht immer ganz ernst zu nehmende Ratschläge, Hinweise und Bonmots für Bonvivants und die, die es werden wollen. Es liest sich einfach köstlich wenn er schreibt:
Überdehnt beherzt die Konventionen, aber brecht sie nicht.