Über den Autor

Jochen Hippler, Jahrgang 1955, ist promovierter und habilitierter Politikwissenschaftler und Friedens- und Konfliktforscher. Seine Hauptinteressen gelten politischer Gewalt, politischen Identitäten (ethnischer, religiöser oder anderer Art) sowie den Wechselwirkungen beider mit der Art, wie politische Macht organisiert und ausgeübt wird. Dieser Zusammenhang von Gewalt, Identität und »Governance« steht im Zentrum seiner Arbeit. Aufstände, Bürgerkriege und Militärinterventionen finden dabei seine besondere Aufmerksamkeit. Hipplers regionales Interesse reicht von Nordafrika über den Nahen und Mittleren Osten bis nach Afghanistan und Pakistan, eine Region, mit der er durch zahlreiche Reisen vertraut ist. Er war lange Zeit Mitarbeiter des Instituts für Entwicklung und Frieden (INEF) an der Universität Duisburg-Essen. Zuvor arbeitete er für Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag und leitete das Transnational Institute (TNI) in Amsterdam. Seit 2019 ist er Länderdirektor der Friedrich-Ebert-Stiftung in Pakistan und lebt in Islamabad. Webseite: www.jochenhippler.de

Einleitung: Auf dem Weg von Kadesh nach Aleppo – Nachdenken über den Krieg

Krieg hat heute meist keine gute Presse – zu offensichtlich sind die Verwüstungen und das menschliche Leiden, die er hervorbringt. Aber lange Zeit galt Krieg entweder als normal, als selbstverständlich, oder er wurde gar gepriesen – von Heraklit als »Vater aller Dinge«, also als schöpferisch und kreativ. Krieg erschien als moralische und körperliche Herausforderung, an der man sich zu bewähren habe. Stärke, Männlichkeit und Heldentum seien kriegsentscheidende Charakterzüge – und würden durch den Krieg erzeugt. Der Krieg forme den Charakter, mache aus blassen Jünglingen richtige Männer. Krieg erzeuge auch Identität, schweiße Gesellschaften zu Gemeinschaften zusammen, die ihren historischen Aufgaben gerecht würden. Krieg schaffe – so diese Sicht – Sinn in einem oft banalen und sinnentleerten Leben. Und er trenne die Spreu vom Weizen: Die Schwächlichen und Verzagten würden überwunden oder zur Seite geschoben, die Starken und Mutigen den Sieg erringen. In diesem Sinne diene Krieg der Reinigung, Verjüngung und Stärkung der Gesellschaft, ja, der ganzen »menschlichen Rasse«.

Solche Sichtweisen entsprangen zum Teil vormodernen Zeiten, zumindest der Zeit vor der Industrialisierung, als man sich noch als »Krieger« empfinden konnte und als Soldat nicht nur das kleine Rädchen eines bürokratischen Gewalt­apparates war. Das positive und gefühlvolle Bild vom Krieg funktioniert nur so lange, wie man sich einzureden vermag, dass er persönliche und kollektive Tapferkeit und Heldenmut fördere, und diese schließlich über Sieg und Niederlage entschieden. In den Schützengräben des Ersten Weltkrieges lernten viele Soldaten, dass dies zu einem naiven Kinderglauben geworden war. Bewegungs- und hilflos dem industriellen Dauerbombardement ausgesetzt, zu Recht vor Angst zitternd, von Giftgasschwaden überzogen, viel mehr von der Logistik und dem Zufall abhängig als von der eigenen »Tapferkeit« und immer mehr von der vollständigen Sinnlosigkeit des allgemeinen Schlachtens überzeugt – so verlor der Krieg seinen Glanz, seine Heroik, seine positive Rolle in der Gesellschaft, seine Anziehungskraft. Der »Krieger«, der »Held«, das kämpfende Individuum wurden bedeutungslos, die Organisation, die Waffentechnik und die Produktionskapazität der Rüstungsindustrie entscheidend. Einzelne Intellektuelle schafften es, sich gegen diese Entzauberung des Krieges zu immunisieren, indem sie dem Krieg nun als Kampf einer kleinen Gemeinschaft von »Kameraden« einen Sinn gaben, den er insgesamt verloren hatte. So suchten sie das identitätsstiftende »Kriegserlebnis« zu retten. Aber als der Zweite Weltkrieg begann, war von der Kriegsbegeisterung des Ersten außer bei kleinen Minderheiten keine Rede mehr. Und als er nach seinen Massenverbrechen, Massakern, Völkermord und mehr als 50 Millionen Toten endete, konnte man ihn zwar politisch als notwendig akzeptieren – der Faschismus war zerschlagen – aber auch ein notwendiges Übel blieb ein Übel. Die schwärmerische Begeisterung für den Krieg, die Inthronisierung des Krieges als gesellschaftliches Leitbild – solche Vorstellungen schienen überholt. Nur im Rechtsextremismus konnten sich die Idealisierung des Krieges im Allgemeinen und die der eigenen Kriegserfahrung halten. Zumindest schien dies einige Jahrzehnte so. Im beginnenden »Kalten Krieg« kam hinzu, dass die Vorstellung von Krieg nunmehr unter einem nuklearen Schatten stand. Was in einem Atomkrieg denn »Tapferkeit« und »Heldentum« bedeuten sollten oder wie er »der Vater aller Dinge« sein könne, ließ sich nicht mehr beantworten. Krieg konnte nun auf die gegenseitige Vernichtung hinauslaufen, die »mutually assured destruction« (MAD). Im Extremfall würde Krieg nun das Ende der Menschheit bedeuten, im besten Fall noch Völkermord mit vielen Millionen von Toten.

Heute denken wir selten an den großen, vielleicht letzten Krieg, sondern – wenn überhaupt – an verschiedene »kleine« Kriege. Diese können hunderttausende oder Millionen Tote kosten, aber da sie nicht bei uns oder vor unserer Haustüre stattfinden, erscheinen sie uns kleiner als sie sind. Häufig wirken sie so fern, dass wir sie übersehen. Nehmen wir den Krieg im Kongo.

»Der große Kongokrieg von 1998–2003 war der tödlichste auf allen Kontinenten in der Lebensspanne der meisten Menschen. An ihm waren Soldaten aus acht Ländern beteiligt. Massenvergewaltigungen wurden zur Routine. Niemand weiß, wie viele Menschen an Machetenwunden, Hunger und Krankheiten starben. Schätzungen reichen von 1 bis über 5 Millionen.«1

Trotz der großen Opferzahl, deren Unbestimmtheit ein Indiz für das geringe Interesse darstellt, wurde dieser Krieg in Europa kaum zur Kenntnis genommen. Wer heute auf der Straße Passanten nach den größten Kriegen der letzten Jahrzehnte fragt, der hört oft vom Syrienkrieg, von Afghanistan, manchmal auch von Bosnien oder dem Kosovo. Auch die Ukraine wird genannt, trotz einer vergleichsweise niedrigen Opferzahl von vielleicht 10.000 Toten – aber die bis zu 5 Millionen Toten im Kongo entgingen jeder Aufmerksamkeit.

Krieg erscheint uns heute meist im Plural, er scheint fern und oft exotisch oder zumindest unbegreiflich. Er scheint aus ethnischem Hass, religiösem Fanatismus, vormodernen Stammeskonflikten, insgesamt aus Irrationalität zu entspringen. Das ist bedrohlich, weil fremd und unverständlich – aber auch beruhigend, weil das alles scheinbar nichts mit uns zu tun hat. Wir sind zivilisiert und rational, so glauben wir, wir sind keine unberechenbaren Killer. Kriegerische Gewalt bleibt uns fremd und äußerlich. Wenn wir – »der Westen« – sie selbst anwenden, dann erscheint das therapeutisch, so wie ein Arzt oder Chirurg dem Patienten gegenüber. Früher führten europäische Länder Kriege prinzipiell gegen Gleiche, gegen andere europäische Staaten, so zumindest unsere Wahrnehmung. Heute ist ihr Krieg im eigenen Verständnis die quasi-polizeiliche Maßnahme der Ordnung gegen politische Triebtäter, der Zwang des Irrenarztes gegen den Wahnsinnigen. Das schafft im Westen ein gutes Gefühl und enthemmt seine Gewaltbereitschaft. Es bedeutet auch, dass Krieg nicht mehr gegen Gleiche, sondern gegen Andere geführt wird, gegen Kräfte, die nicht sind wie wir, sondern gegen das Böse, gegen das Fremde und gegen den Wahnsinn – gegen Saddam Hussein, Muammar Gaddafi, gegen die Taliban, oder gar gegen »den Terrorismus«. Subjektiv verliert der Krieg dann oft seinen Kriegscharakter, wird zu einem Akt des Altruismus, der Zivilisierung oder der Humanität. Er scheint auch seinen politischen Charakter zu verlieren, gibt sich nicht länger als gewaltsame Interessenswahrnehmung zu erkennen, sondern erscheint therapeutisch. Dem Krieg gegenüber aus gutem Grund misstrauisch, lieben wir es, ihn uns als Demokratisierung, als Maßnahme der Beseitigung von Massenvernichtungswaffen, als humanitäre Intervention oder als die Verteidigung der eigenen Werte schönzureden. In Deutschland sind wir hierbei besonders anspruchsvoll: Wir ziehen es vor, dass unsere Kriege gar nicht mehr mit diesem Begriff bezeichnet werden, sondern »Hilfsoperation«, »Friedenserzwingung« oder »Stabilisierungsmaßnahme« heißen. Das wärmt das Herz, zweifellos, aber es macht das klare Denken über den Krieg unmöglich.

Es ist paradox. Trotz der gefühlshaften Entsorgung des Krieges ins entweder Therapeutische oder Irrationale wird das Denken über Krieg weiterhin überwiegend von den Kriegen zwischen Staaten oder Monarchen bestimmt, wie sie sich in der Zeit des europäischen Absolutismus herausbildeten und dann, im 19. und 20. Jahrhundert, in moderne Massenkriege transformiert wurden. In der Anfangszeit bestimmten Streitkräfte aus (oft ausländischen) Söldnern, meist der Zeit entsprechend gut ausgebildet und relativ diszipliniert, das Bild. Die Herrscher verbannten die eigene Bevölkerung (»Untertanen«) soweit möglich vom Krieg und übten die völlige oder weitgehende Kontrolle über ihr Militär aus – zumindest solange sie dies angemessen bezahlen konnten. Kriege waren – gemessen an den Zeiten davor und danach – leicht zu beginnen, relativ leicht zu führen, und leicht zu beenden. Ihre operativen Ziele waren bescheiden: Es galt, die feindlichen Streitkräfte auszumanövrieren, in eine unhaltbare Position zu drängen oder notfalls kampfunfähig zu machen – immer unter der Voraussetzung, die eigenen keinem zu hohen Risiko auszusetzen. Neue Truppen zu rekrutieren war unangemessen teuer und nicht immer möglich. Vor dem und noch im 30-jährigen Krieg war diese Kontrolle der Herrscher über die Krieger nicht immer gegeben. Eigenständig operierende Kriegsherren und noch davor persönlich abhängige Vasallen mit oft begrenzten militärischen Pflichten operierten unter nur mäßiger und oft unsicherer Kontrolle des Landesherrn. Staatlichkeit war noch schwach, ein Gewaltmonopol des Staates noch selten, die Kriegführung entsprechend wenig zentralisiert. In der Periode des Absolutismus hatte sich dies weitgehend geändert, Kriege wurden zur Angelegenheit der Kabinette und Monarchen, die ihre Staaten um ihr Militär herum aufbauten.

Später löste sich diese Einfachheit der Kriegführung durch gesellschaftliche und technologische Entwicklungen und die Ausweitung der geographischen und funktionalen Reichweite der Kriege immer mehr auf. Auch die seit den französischen Revolutions- und den Napoleonischen Kriegen erfolgte Einbeziehung der Bevölkerung in den Krieg durch Freiwilligenheere und – später – die allgemeine Wehrpflicht veränderte seinen Charakter. Insgesamt wurden Kriege zwar komplexer, weil eine vervielfachte Truppenstärke schwerer zu führen und zu versorgen und weil der Krieg nicht mehr aus der Gesellschaft herauszuhalten war – aber Krieg ließ sich immer noch als »erweiterter Zweikampf« begreifen, also als prinzipiell nicht schwer zu verstehen und zu führen. Die »stärkeren Bataillone« würden den Sieg auf dem Schlachtfeld – und damit im Krieg – davontragen. Zwar waren die praktischen und organisatorischen Herausforderungen gewachsen, aber sie änderten den Charakter des Krieges nicht grundlegend. Nicht mehr die Monarchen, aber die Nationalstaaten führten Heere ins Feld, die nun die Entscheidung auf dem Schlachtfeld suchten. Dies galt bis in die Mitte des 19., und in vieler Hinsicht sogar noch bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts. Es überrascht nicht, dass diese Herangehensweise unser modernes Bild vom Krieg bis heute weitgehend prägt.

Inzwischen allerdings spielen – erneut – nichtstaatliche Gewaltakteure eine große und vielfältige Rolle, von Söldner- und Sicherheitsfirmen über staatlich geförderte Milizen oder Todesschwadronen bis zu Warlords, Drogenkartellen, Stammes- oder Clanverbänden, transnationalen jihadistischen Gruppen oder terroristischen Einzeltätern. Die Kriege in Afghanistan, Libyen oder Syrien sind Beispiele dafür, wie weit sich Krieg heute von der scheinbaren Übersichtlichkeit eines »erweiterten Zweikampfs« entfernt hat. Heute ist es manchmal schwer zu sagen, wer oder auch nur wie viele bewaffnete Gruppen an einem Krieg teilnehmen – oder auf welche Art sich politische Ziele mit wirtschaftlichen oder räuberischen Interessen verbinden. Auch durch das Hinzutreten des Luftraums, des Weltalls, oder des Cyberspace als Teile des Gefechtsfeldes potenzierte sich die Komplexität von Krieg – alles Dimensionen, die zur Zeit Napoleons undenkbar waren. Von der relativen Einfachheit der Kriege absolutistischer Herrscher ist heute kaum etwas geblieben – außer, dass viele Soldaten, Zivilisten und Politiker sie immer noch für die »normale« Form der Kriegführung halten. Heute ist es selten, dass sich zwei oder wenige Streitkräfte, meist mit sehr ähnlichen Waffen ausgerüstet, belauern und bekämpfen, auf einem »Schlachtfeld« aufeinandertreffen, und dort über Sieg und Niederlage im Krieg entschieden wird. Das Wort »Entscheidungsschlacht« impliziert ein ganz bestimmtes Bild vom Krieg, das nicht prinzipiell falsch sein muss, aber nur noch in einer winzigen Minderheit der Fälle zutrifft. In Afghanistan wird seit 1979 Krieg geführt – eine Entscheidungsschlacht gab es aber nur in den Träumen sowjetischer oder US-amerikanischer Generäle, die wider besseres Wissen systematisch verdrängten, dass sie dort nicht den Zweiten Weltkrieg oder die Schlachten bei Austerlitz oder Waterloo wiederholen konnten.

So werden die meisten modernen Kriege missverstanden. Zwar gibt es immer wieder Beispiele, bei denen diese Sichtweise zutraf, aber insgesamt blockiert sie ein realistisches Verständnis dessen, was Krieg tatsächlich ist. Schon Clausewitz’ Klassiker »Vom Kriege« (erschienen bereits 1832) eröffnete eine weit differenziertere Sichtweise. Er meinte, »daß der Krieg nicht bloß ein politischer Akt, sondern ein wahres politisches Instrument ist, eine Fortsetzung des politischen Verkehrs, ein Durchführen desselben mit anderen Mitteln«. Damit allerdings verliert der Krieg seine scheinbare Einfachheit: Politik ist schließlich selten nur ein Zweikampf, sondern immer multidimensional – sie spielt sich zwischen vielen Akteuren ab, und es geht bei ihr meist um viel mehr als nur um »Sieg« oder »Niederlage«. Die scheinbare Einfachheit des Krieges führt dazu, dass man unterstellt, militärische Überlegenheit, etwa ein größeres oder besser bewaffnetes Militär, führe zum Sieg. In manchen Kriegstypen ist dies tatsächlich der Fall. Aber häufig gilt diese plausible Regel nicht. In Afghanistan zum Beispiel standen vielleicht 350.000 afghanische Soldaten und bis zu 130.000 NATO-Truppen mit ihrer Luftwaffe und fast unbegrenzten Finanzmitteln und turmhoher militärtechnischer Überlegenheit etwa 35.000 Aufständischen (meist Taliban) gegenüber, die nur über eine notdürftige Ausbildung verfügten und schlecht bewaffnet waren. Eine klarere militärische Überlegenheit ist kaum vorstellbar. Trotzdem ist es der NATO und der afghanischen Regierung seit 2001 nicht gelungen, den Krieg militärisch für sich zu entscheiden. Der Sowjetunion war es in Afghanistan nicht besser ergangen, auch die US-Interventionen in Somalia oder im Irak führten trotz aller Überlegenheit nicht zur Erreichung der Kriegsziele. Die Liste solcher Fehlschläge ließe sich beliebig verlängern. Es drängt sich die Frage auf, warum ein Krieg oder ein größerer Gewaltkonflikt nicht durch überwältigende militärische Überlegenheit entschieden werden kann. Offensichtlich folgen Kriege wie der in Afghanistan, Irak oder Somalia nicht den Regeln eines »erweiterten Zweikampfs«. Wenn militärische Macht aber solche Kriege nicht entscheidet, was entscheidet dann über Sieg oder Niederlage? Diese Frage führt nicht nur zu einem tieferen Verständnis des – beispielsweise – Afghanistankrieges, sondern kann auch den Charakter von Krieg insgesamt deutlicher ausleuchten. Es drängt sich die Möglichkeit auf, dass es nicht nur eine Art von Krieg gibt, sondern sehr unterschiedliche, die unterschiedlichen Gesetzmäßigkeiten folgen. Daraus würde folgen, unterschiedliche Typen von Krieg zu unterscheiden. Vielleicht wäre es sogar angemessener, den Kriegsbegriff sparsamer und selektiver zu verwenden und nicht auf alle größeren Gewaltkonflikte anzuwenden. Ob ein »Stammeskrieg« weniger hundert Kämpfer wirklich mit dem gleichen Begriff bezeichnet werden sollte wie ein strategischer Atomkrieg, darüber lässt sich streiten.

Dieses Buch möchte zum Nachdenken über den Krieg anregen. Es ist kein Handbuch zur Führung von Kriegen und kein pazifistisches Manifest. Stattdessen bemüht es sich, zuerst Fakten und Zusammenhänge vorzustellen, die für das Verständnis des Krieges hilfreich sind, von der Klärung des Begriffes und den Grundzügen der Geschichte des Krieges, über die psychologischen Voraussetzungen und das subjektive Erleben von Krieg bis zu Fragen seiner Organisation und Technologie. Dabei werden durchaus eigene Akzente gesetzt – ohne einen Mut zur Lücke sollte man sich an ein solches Thema jedoch nicht heranwagen.

Danach geht es darum, unterschiedliche Kriegstypen näher zu untersuchen und zu zeigen, dass sie auf sehr unterschiedliche Arten geführt werden, und nach sehr unterschiedlichen Regeln »funktionieren«. Zwischenstaatliche Kriege und innerstaatliche Aufstandskriege stehen im Zentrum. Hierbei sollen die Leserinnen und Leser nicht mit Bekenntnissen über die Gesinnung des Autors behelligt werden. Sondern es soll erläutert werden, welche Kriege wie geführt werden und wovon Erfolg oder Scheitern im Kriege abhängt. Dabei sollte aber im Auge behalten werden, das dies keine implizite Billigung des Krieges oder seiner Gräuel bedeutet, sondern nur den Versuch darstellt, die Analyse des Grauens nicht zum Essay über die eigene Befindlichkeit werden zu lassen.

Ein Kapitel über die aktuellen Kriege im Nahen und Mittleren Osten dient dazu, die vorherigen, eher allgemeinen Überlegungen zu illustrieren, ohne zu versuchen, jede Verästelung der Kriege in Syrien, dem Irak oder Libyen nachzuvollziehen. Und schließlich werden am Schluss eine Reihe von Folgerungen aus den vorherigen Kapiteln gezogen und zur Diskussion gestellt, um erneut aus der Vogelperspektive die Veränderungen des Krieges in den letzten Jahrhunderten und seinen aktuellen – und zukünftigen – Charakter deutlich zu machen. Dabei geht es, im Unterschied zu den anfänglichen Kapiteln, eher diskursiv zu. Es werden auch einige Hinweise für den politischen Umgang mit dem Phänomen Krieg gegeben, mal eher indirekt, dann explizit – aber letztlich soll das Buch die Leserinnen und Lesern vor allem mit Material versorgen, selbst ihre politischen wie ethischen Schlussfolgerungen zu ziehen.

Dieses Buch wurde nicht geschrieben, um uns das Herz zu wärmen, um einer Pornographie der Gewalt zu frönen, oder um zu wiederholen, was ohnehin jede und jeder weiß: Nämlich, dass Krieg seit Jahrtausenden eine der blutigsten und brutalsten Unternehmungen des Menschen ist. Es soll dazu beitragen, dieses Phänomen begreiflich und rational diskutierbar zu machen. Krieg wird oft missverstanden – ein ernstes Problem, wenn man ihn schließlich überwinden will.

 

Jochen Hippler
Duisburg/Islamabad, im August 2019

 

1 Congo’s war was bloody. It may be about to start again, in: The Economist, Feb 15th 2018, online: www.economist.com