Inhaltsverzeichnis

1.   Vorwort

Karl ist 85, aus seinem Gedächtnis erscheinen Bilder aus der Vergangenheit. Hier lesen Sie aus erster Hand über sein Leben. Die hier aufgezeichneten Erinnerungen enthalten einen großen Erfahrungsschatz. Was waren die Motive im Menschen Karl? Wer Manager werden will, kann vorerst im Ausland sein Glück suchen, hier lesen Sie wie es gemacht wird. Für ein solches Leben braucht es eine gehörige Portion Mut, viel Menschenkenntnis, Bereitschaft sich anzupassen und eine positive Einstellung zu Mitmenschen. Wichtig ist auch ein Talent, sich selber zu führen und andere mitzuziehen. In diesem Buch erfährt der Leser viel über gutes Management unter schwierigen Umständen.

2.   So begann es

Der Vater war Techniker in einer Fabrik für Textilfarben. Kurz vor dem zweiten Weltkrieg wurde die Produktion vom schweizerischen Ufer des Bodensees nach Deutschland verlegt, die Wehrmacht brauchte für Uniformen, Fahrzeuge und Waffen eine Unmenge Farben. 300 Mitarbeiter wurden in der Schweiz entlassen. Die wenigsten wollten fort von daheim und auch nicht nach Nordrhein Westfalen. Eine harte Zeit begann am Bodensee, eine Periode der Krise und der Enttäuschung. Einige jüngere Arbeitslose waren froh, in die schweizerische Armee eingezogen zu werden, die Grenzwache gegen das mächtige Deutsche Reich wurde mobilisiert. Ältere Arbeitslose mussten sich eine neue Arbeit suchen, so auch Karls Vater. Nach einiger Zeit der Angst und Unsicherheit fand er eine Stelle bei einer Mosterei. Der Kanton Thurgau führt im Volksmund nicht umsonst den Namen „Mostindien“. Äpfel, Birnen und andere Früchte gedeihen gut und werden in großen Mengen verarbeitet.

Während und nach dem Kriege waren auch in der Schweiz die Lebensmittel knapp und die Löhne tief. Die einst florierende Wirtschaft war ins Stocken gekommen, die Produktion musste aus Mangel an Arbeitskräften an vielen Orten reduziert oder gar eingestellt werden. Frauen arbeiteten tapfer an der Werkbank und auf dem Hof, doch viele Hände fehlten.

Der Feuerschein der Bombardierungen von Industriegebieten in Friedrichshafen, jenseits des Bodensees, und die lange Wache an der Grenze war in quälender Erinnerung.

In der Jugend Karls, er war 1945 gerade 14 Jahre alt, bot der nahe Bodensee tolle Gelegenheiten für allerlei Spiele und Abenteuer. Er war stolz darauf, der Mutter frische Fische nach Hause zu bringen. Geangelt wurde vom Land aus oder mit einem Boot draussen auf dem See. Was aber soll aus dem Burschen werden, wenn er aus der Schule kommt?

Hasenbraten in kargen Zeiten

In Arbon, etwa 7 Kilometer von Egnach entfernt, gab es die damals hoch angesehene Saurer Lastwagenfabrik. Durch zuverlässige, qualitativ hochstehende Fahrzeuge und Dieselmotoren, hat sich Saurer einen guten Ruf über die Landesgrenzen hinaus erworben. Im Krieg lieferte man an die schweizerische Armee und auch an die Wehrmacht. So mancher Saurer Lastwagen hat in den Weiten des Ostens seinen Dienst bis zum bitteren Ende mitgemacht. Später, im Wirtschaftswunder, waren die Saurer im Einsatz bei vielen zivilen Transportunternehmen. Die Lastwagen aus Arbon erreichten in der Schweiz, zusammen mit der Marke „Berna“, einen Marktanteil von 50%.

Mit dem Sohn des Direktors Ruprecht war Karl in die gleiche Schulklasse gegangen. Er wurde von den Eltern bei der Firma Saurer für eine Lehre angemeldet. Etwas Rechtes musste es sein, das man auch später im Leben gebrauchen könne. Eine vierjährige Lehre als Maschinenschlosser begann. Am Anfang der Lehre wurde während Wochen präzises Handschleifen von Metallen geübt. Genauigkeit und Ausdauer wurden gedrillt und eine entsprechend sichere und starke Hand entwickelte sich. Auch schweissen nach verschiedenen Methoden und mit unterschiedlichen Metallen wurde gelernt. Danach begann die eigentliche Lehre in den Abteilungen der Produktion. Speziell faszinierend fand Karl die Technik des Dieselmotors und der Diesel-Einspritzpumpe. Bald wurde Karl in die Abteilung für Reparaturen versetzt, das war eine Auszeichnung während der Lehre. Nach vier Jahren Lehre bei Saurer war Karl eine Zeitlang verantwortlich für die Transportfahrzeuge der Textilfabrik in Oberuzwil.

Zu jener Zeit wurden junge Leute aus der deutschen Schweiz für ein Jahr ins französisch sprachige Welschland gebracht, fern von der eigenen Mutter. Meistens eine harte Zeit für die jungen Leute. In Porrentruy, im schweizerischen Jura, kam Karl zu einem Bäckermeister. Zuerst fühlte er sich einsam, doch er raffte sich auf und ging hinaus in die Bars um Leute zu treffen. Er lernte, sich an die neuen Umstände anzupassen. Mit einem Fahrrad verteilte er Backwaren in der Stadt. Trinkgeld war eine willkommene Einnahme in den engen finanziellen Verhältnissen. In Spitzenzeiten, an Wochenenden und bei Festen, half er früh um 04:00 Uhr freiwillig in der Backstube. Daneben besuchte er Sprachstunden in Französisch. Die Sprachkenntnisse sollten ihm im späteren Leben grossem Nutzen bringen.

Bereits mit 19 rückte er vorzeitig in die Rekrutenschule ein. Natürlich in eine Einheit für Motormechaniker. Nach den Übungen für die militärische Disziplin, kam er zu einer Einheit mit schweren Motorwagen. Die Nordostschweiz ist gesegnet mit einer militärfreundlichen Bevölkerung. Quasi in jedem zweiten Haus in den Dörfern wird gewirtet. Auf den Bauernhöfen gibt es sicherlich zuerst einen Schnaps (meist Träsch: Ein Kondensat aus Apfel und Birne). Die Bauern dürfen pro Kuh einen Liter ohne Steuerabgabe brennen und nicht jedes Jahr sind alle Kühe krank. Karl absolvierte seinen Grad in der Armee bei einer Transporteinheit. In jener Zeit wurde die echte Kavallerie (reitende Truppe) vom Pferd auf Geländefahrzeuge umgerüstet. Die vornehmlich aus Bauernsöhnen bestehenden Einheiten mussten ihre Pferde zu Hause lassen, es folgte die Umschulung auf Geländefahrzeuge. Karl lernte, wie er vor die neuen „Motordragoner“ hin zu stehen hatte, um die neue Fahrzeugtechnik zu erklären. Mut und ein gewisses Showtalent waren notwendig. Der Charakter des jungen Mannes wurde geformt: die Fähigkeit zu überzeugen und die selbstbewusste Präsentation.

Am Ende einer lehrreichen Zeit im Militär, vermittelte ihn sein Onkel in ein Praktikum für Dieselmotoren bei Mercedes Benz in Stuttgart-Sindelfingen. Er wurde zu einem Spezialisten für Dieselmotoren und Einspritzpumpen ausgebildet.

Mit einem deutschen Diplom war es nach dem Krieg in der Schweiz nicht einfach, eine Stelle zu finden. Dieselfachleute mit inländischer Ausbildung und Erfahrung hatten den Vorzug. Karl suchte weiter. Eines Tages sah er ein Inserat im Kaufmännischen Zentralblatt: Die französische „Societe de l´Afrique d´Ouest“ (SCAO) suchte einen Fachmann für ihre Fahrzeugbetriebe in Westafrika. Karl sandte seine Bewerbung mit Lebenslauf, natürlich in französischer Sprache, die er im Jura ja gelernt hatte. Bald darauf kam die Antwort aus Paris: Eine Einladung für ein Bewerbungsgespräch inklusive Bahnticket und Hotelgutschein. Man wolle psychologische und praktische Tests durchführen. Mit dem Zug reiste Karl über Basel nach Paris. Zu Fuss, mit Hilfe eines Stadtplanes, fand er das vorgesehene Hotel. Paris war nach dem Krieg ohne Luxus, und die Unterkünfte mehr als einfach. Zudem waren noch 20 junge Franzosen in den Zimmern des gleichen Hotels untergebracht, sie hatten sich alle um dieselbe Stelle beworben. Karl war nahe daran aufzugeben und hoffnungslos zu werden. Doch wieder raffte er sich auf und trotzte der grossen Konkurrenz: Am nächsten Tag wurden die Kandidaten bei der Firma SCAO begrüsst und willkommen geheissen. Zuerst musste jeder ein kompliziertes Testformular ausfüllen, intensive Gespräche folgten. Geprüft wurde auch praktisch: Karl kam dazu, sein Spezialwissen anzubringen, er erklärte die Funktionen der Diesel-Einspritzpumpe. Das konnte er und zudem sprach er neben Französisch auch Englisch, das er an der Oberstufe in Egnach gelernt hatte. Die Sprachen waren schlussendlich sein entscheidender Vorteil, denn die SCAO hatte neben Niederlassungen in Französisch-Westafrika auch eine Vertretung im englischsprachigen Nigeria.

Nach einem Monat des bangen Wartens erhielt Karl, wieder in Egnach, eine schriftliche Zusage: Er solle nach Lagos in Nigeria reisen und sich dort im Betrieb der Gesellschaft „SCAO“ melden. „We need you in Nigeria“. Also, auf nach Afrika!

Aber vorerst nach Paris ins Headquarter, die Firma stellte sich ihm vor. Eine Gelegenheit, im Vorfeld mit den massgeblichen Leuten am Hauptsitz eine angenehme Beziehung aufzubauen. Dann aber ab, mit der Air France von Paris nach Lagos. Der Flug mit einer Constellation Propellermaschine dauerte, mit Landungen in Lyon und Tunis, 14 Stunden.

Afrika! Junger Karl mit Schönheiten

3.   Nigeria

„Warum sich Sorgen machen, Gott ist verantwortlich“

Diese philosophische Einstellung erleichtert das Leben der Afrikaner. Ermüdende Hitze, Armut und schwierige hygienische und gesundheitliche Verhältnisse werden so besser ertragen. Den gleichen Lebensstil hatten nicht nur die islamischen Stämme im Norden Nigerias, auch die verschiedenen, teilweise zum Christentum bekehrten Stämme im Süden des Landes. Karl gefiel das, doch er konnte und wollte sich nie ganz dieser Geisteshaltung hingeben. Seine Erziehung und seine Ausbildung liessen dies nicht zu.

Am Flughafen von Lagos erwartete ihn Hansi Leibundgut, ebenfalls ein Schweizer, er war der Leiter von SCOA in Nigeria. Das Headquarter in Paris hatte ihm bereits seit einiger Zeit über einen neuen Superman berichtet, der da ankommen sollte. Karl war vorerst unsicher, alles war neu und er fühlte sich verloren. Er erwartete nach der Ankunft eine Einführung in die Firma. Doch gleich am ersten Tag wurde ihm eine Gruppe von 20 Afrikanern zugeteilt, die an Autos von Kunden Reparaturen und Unterhalt durchführten. Die Kunden waren fast ausschliesslich „Expats“ (temporär im Land lebende Ausländer). Nur wenige Afrikaner waren in dieser Zeit finanziell in der Lage, ein Auto zu kaufen. Karl passte sich an, er fand rasch guten Umgang mit den Arbeitern, er hat noch heute gute Erinnerungen an diese Zeit. Es hiess, er sei der neue „Engineer“. Bald wurde er von seinen Leuten akzeptiert und die Zeit verging wie im Fluge.

Karls erste Werkstatt in Lagos

Nachdem Karl sich einigermassen eingelebt hatte, die Gepflogenheiten verstand und guten Umgang mit seinen Afrikanern hatte, kam ein neuer Auftrag aus dem Headquarter Paris (1954): Versetzung nach Apapa, etwa 100km nördlich von Lagos. Der Leiter der Werkstatt, ein Franzose wurde entlassen, er hatte Leute eingestellt, die Teile stahlen. SCOA montierte dort Lastwagen der englischen Marke Austin. Immer noch als Greenhorn musste Karl nun eine Werkabteilung mit 120 Arbeitern übernehmen. Er wurde Leiter der Produktion im Range eines „Master Engineers“. Von Beginn weg hatte er das Gefühl, die Mitarbeiter seien gut ausgebildet (positive Einstellung). Sie kamen aus verschiedenen Provinzen Nigerias, es gab Eingeborene der Stämme der Ibos (katholisch, irische Missionare), der Yoruba (protestantisch, baslerische Missionare) und der Hausas (muslimisch) und aus ein paar anderen Stämmen. Draussen im Urwald herrschte oft Krieg zwischen den verschiedenen Tribes.

Frieden: Handschlag zwischen gegnerischen Stämmen

An einem der ersten Betriebsmeetings teilte Karl den Afrikanern mit, dass sie ihn nicht mehr mit „Master“ anzureden brauchten (das war damals in den britischen Kolonien üblich), er habe wie alle hier einen Namen. Bald wurde er als Vorgesetzter akzeptiert und hatte das Gefühl, seine Kontrollarbeit wurde verstanden.

Jede Woche sollten 6 Lastwagen und 3 kleine Transporter zusammengebaut werden. Die Teile kamen in Holzkisten aus England, wurden ausgepackt und montiert.

Werkstatt in Apapa, montieren englischer Transporter

England war eine industrielle Grossmacht und Nigeria gehörte zum British Empire.

Die Briten hatten versucht, den verschiedenen Ethnien Nigerias eine Struktur und eine Verwaltung zu geben. Die Ordnung wurde durch Häuptlinge, Magier, Polizisten und einer kleinen Armee aus Afrikanern aufrecht erhalten. Dies gelang nicht schlecht, die Stabilität und eine gewisse Sicherheit zogen Investoren an und ermöglichten eine vorsichtige, wirtschaftliche Entwicklung. Der Wohlstand stieg langsam. Einige risikofreudige Geschäftsleute kamen ins Land. Wie üblich, versuchten auch hier europäische Abenteurer und die vorher in England gut ausgebildete, schwarze Oberschicht, mit Rohstoffen und Urwaldholz Geschäfte zu machen. Die neuen Unternehmen wussten, junge und qualifizierte Nigerianer würden später leitende Posten in den Betrieben übernehmen. Die Ausbildung und Vorbereitung auf höhere Positionen waren wichtig für das Land. Mit viel Rücksichtnahme auf die lokalen Gegebenheiten widmete man sich dieser Aufgabe. Es war eine anspruchsvolle und oft enttäuschende Tätigkeit. Die einheimischen Menschen waren überraschend impulsiv und sehr emotional, oft geschahen Ausbrüche des Temperamentes. Für Europäer eher beängstigend, alles könnte passieren.

Die natürliche Autorität und der freundliche Umgang Karls mit seinen schwarzen „Freunden“ brachte bald gute Stimmung in den Betrieb. Vorerst wurde längere Ausbildung für die schwierigen Arbeiten der Werkstatt durchgeführt. Der Ablauf wurde neu organisiert. An den Montageplätzen wurden Teams mit eigenem Vorarbeiter eingerichtet. Schwierige Arbeiten, wie der Zusammenbau einer Hinterachse, brachten sogar Karl ins Schwitzen. In der Nähe des Äquators bleiben die Temperaturen dauernd über 35 Grad, auch nachts. Karl wohnte in einem klimatisierten Haus mit eigenem Garten. Er begann, Partys mit saftigem, gegrilltem Fleisch für alle zu organisieren. Die Arbeiter zeigten sich nach den Grillabenden von der besten Seite und die Montagearbeiten begannen rund zu laufen. Natürlich gab es immer kleinere und grössere Probleme, mit vereinten Kräften wurden diese aber im Team doch gelöst.

die Hinterachse

Das nun gut organisierte Werk begann nun Karl Spass zu machen. Er wurde auch Gast im Offiziersclub der regierenden Engländer, dort erhielt er wichtige Informationen über die Politik und über potentielle Kunden für seine Fahrzeuge. In den Lokalen von Apapa spielten die Afrikaner ihre eigene Musik, man fühlte sich relativ sicher, es gab wenig Kriminalität. Nigeria war lebenswert zu jener Zeit.

Karls Haus mit Auto, im Garten ein 25m Pool

Eines Tages kam der Koch mit zittrigen Händen zu Karl, er schaukelte unsicher von einem Bein aufs andere und sagte in seinem Slang:

„Der grosse Zitronenbaum im Garten hatte einmal viele Zitronen, jetzt sind nur noch wenige übrig, die Marktfrauen, die morgens vorbeigehen, nehmen immer welche mit“.

Es wurde beraten, was zu tun sei: Vielleicht eine Mauer um das Grundstück, einen elektrischen Zaun oder eine Hecke? Schlussendlich stimmte Karl dem Vorschlag zu, einen Voodoo-Zauberer herzuholen. Gesagt, getan: Der Zaubergeselle hängte unter Beschwörungen einige Hühnerbeinknochen und Federn an den Baum und von diesem Tage an verschwanden keine Zitronen mehr.

montierter Lastwagen mit Fahrersitz aus Holz

Neben der Montage von Lastwagen war Karl auch verantwortlich für den Transport der neuen Fahrzeuge in die Provinz. Den Verlad auf andere Lastwagen gab es noch nicht, die Ladeflächen waren zu klein. Im Konvoi wurden die Fahrzeuge über viele hundert Kilometer verschoben, zum Beispiel nach Kano 800km nördlich oder nach Port Harcourt 500km östlich. Vieles konnte unterwegs passieren, tiefe Löcher in den Urwaldstrassen mussten umfahren werden. Die Waffen lagen griffbereit, denn in den Urwäldern gab es Räuber. Banden trieben ihr Unwesen, bohrten Löcher in Ölpipelines und verübten Überfälle.

aus Palmwein Schnaps destillieren

Die Banden trauten sich nur nachts auf die Strasse, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang konnte gefahren werden. Nachts standen Wachen um das Camp. Die Lastwagen hatten noch keine Führerkabinen, sie wurden erst bei den Aussenvertretungen aufgebaut. Die Fahrer sassen auf provisorischen Holzkisten am Steuer, ohne Schutz vor Regen und Wind. In der Urwaldzone regnet es oft und stark, die flachen Gebiete werden nach kurzer Zeit überschwemmt und verwandeln sich in unüberwindliche Sümpfe. In solchen Zeiten hiess es: warten bis das Wasser wieder abgeflossen war, der Konvoi konnte manchmal weder vorwärts noch zurück. Einmal musste 14 Tage gewartet werden, bis das Wasser weg und die Strasse wieder passierbar war. Die Fahrer schliefen derweil unter Planen auf den Lastwagenbrücken. Man suchte ein Dorf in der Nähe, die Frauen erhielten Münzen um an ihren Feuern das Essen für die Crews zuzubereiten. Trinkwasser und Verpflegung musste auf den Lastwagen mitgeführt werden. Bei längeren Wartezeiten verschwand der eine oder andere Fahrer, doch die überwiegende Mehrzahl war auf das Geld angewiesen, das erst bei der Ablieferung am Bestimmungsort ausgezahlt wurde. Wegen fehlender Fahrer und wegen allenfalls auftretenden Krankheiten, mussten mehrere Ersatzfahrer mitgenommen werden.

Unterwegs wurden Defekte an Fahrzeugen repariert oder, wenn das nicht möglich war, wurden sie mitgeschleppt. Mit Seilwinden zog man eingesunkene Fahrzeuge aus dem Schlamm. Bäume wurden gefällt um mit den Stämmen die aufgeweichte Strasse zu befestigen. Es kam auch vor, dass die Strassen von Rohöl getränkt und beinahe unpassierbar waren. Man kann sich vorstellen, wie die Leute nach Rutschpartien auf solchen „schwarzen“ Abschnitten ausgesehen haben.

Karl begleitete die Fahrzeugkolonnen als Autoritätsperson, er überwachte den ganzen Transport und erteilte die notwendigen Aufträge (wichtig: gute Akzeptanz). Er fuhr einen kleinen Austin, der nicht allzu schwer war. Mehrere starke Männer konnten das Fahrzeug auf kleineren Baumstämmen mit blossen Händen über Hindernisse auf der Strasse tragen.

Neue Austins in Enugu

Im Nigerdelta startete die UN ein grosses Projekt, auf den ausgedehnten Flächen sollte Reis angepflanzt werden. Ganz Westafrika hätte mit Reis versorgt werden können. Dafür waren aber auch Traktoren nötig. Karl war einige Male in Rom um Lieferungen von Ford-Traktoren zu besprechen. Afrikaner wurden ausgebildet, sie sollten das Projekt weiterführen. Als Karl nach zwei Jahren wieder einmal schauen ging, war weit und breit kein Reis zu sehen, alle Maschinen und die gelieferten Traktoren waren unauffindbar verschwunden.

Im Nigerdelta wurde dann Erdöl entdeckt, das brachte Änderungen ins Land. Der Wohlstand stieg, hauptsächlich in den urbanen Gebieten. Autos wurden vermehrt gekauft, die SCOA in Paris wollte expandieren. Was war die Folge? Ein neuer Auftrag an Karl (1956): Nach zwei Jahren erfolgreicher Tätigkeit in Ibadan, soll er in der Stadt Onitsha, 450km östlich, ein neues Automobil-Center aufbauen. Die Gesellschaft SCOA führte zu jener Zeit in Nigeria die Vertretungen der Marken Peugeot, Austin und Chrysler.

das erste Auto: Peugeot 203

Der Architekt der neu zu errichtenden Garage hiess Straubhaar, ein Schweizer, der seine Büros in Paris bei der SCOA hatte. Er kam mit den Plänen angereist. Mit Hilfe eines hohen, regionalen Chiefs, vom Stamme der Ibo, wurde die Handänderung des Grundstückes durchgeführt. Der Chief kann alles es gibt kein Grundbuch. Ein anderer Chief inaugurierte die Baustelle mit Wedel und Sprüchen mit einem grossem Fest und riesigem Tamtam. Eine italienische Baufirma erhielt den Auftrag für die Bauarbeiten. Karl überwachte die Bauarbeiten und verlangte eine zusätzliche Etage über einem Teil der Hallen, er brauchte Platz für Unterrichtsräume. Was würde ausgebildet: Ventile einstellen, Hinterachse zusammenbauen, Vergaser einstellen, elektrisches System kontrollieren inkl. Kohlen wechseln usw.