Der Kuss - was für ein bezauberndes Thema!
Überraschend aber ist vor allem die erstaunliche Fülle an neuen Betrachtungsweisen und an profunden Erkenntnissen, die das Thema bietet.
So mag der Erste Kuss gewiss der spannend-ste unter den vielen sein, die ihm gefolgt sein mögen. Aber wer denkt bei einem Kuss auch an seine vielen Spielarten, vom Saumkuss, über den Handkuss bis zum Nasenkuss? Ganz zu schweigen von den Kuss-Spielarten nach altindischem Kamasutra-Vorbild oder nach den Regeln des altchinesischen Tao der Liebe?
Der Kuss hat viele Gesichter und eine lange Geschichte, deren Wurzeln sich allerdings im Spekulativen verlieren. Aber ganz ohne wissenschaftliche Erkenntnis müssen wir nicht bleiben, gibt es doch inzwischen sogar die Philematologie, die Wissenschaft vom Kuss, die sich sowohl mit den physikalischen als auch mit den sozialen und kulturellen Aspekten des Küssens befasst.
Das eine oder andere aus diesem Wissenschaftsbereich soll in dieses Buch einfließen - im großen und ganzen aber geht es um die heiteren, die romantischen und die faszinierend vielfältigen Seiten des Küssens und des Liebens.
Deshalb wird das Geschehen illustriert von einem ganz speziellen Medium: der Postkarte zwischen 1900 und 1940. Wie kein anderes Bildmaterial stehen die Postkartenmotive dieser Zeitspanne für die ins Sichtbare gehobene Seele des Kusses - und die hat ohne Zweifel romantischen Charakter.
Was Banausen als Kitsch diffamieren, offenbart sich als ein Zauberspiegel der Gefühle - er zeigt uns verstandesmäßig unzensiert die Wünsche, Träume und Hoffnungen, die man damals durch aufwändige Studioinszenierungen zum Ausdruck brachte.
Ausgezeichnete Fotografen haben teils in berühmten Pariser Fotostudios ihr bestes gegeben und die Sehnsüchte ihrer Zeitgenossen auf Filmplatte gebannt. Schauspieler und Tänzerinnen dienten als Modelle und gaben den Träumen Gesicht und Ausdruck. Koloristen verliehen den schwarz-weißen Fotografien eine ganz spezielle Farbigkeit und machten aus jedem Exemplar ein farblich eigenwilliges Unikat.
Die meisten dieser Postkarten sind verschollen und vergriffen, eine Vielzahl jedoch konnte gerettet und archiviert werden. Nur einige wenige konnten hier Eingang finden, aus der Unendlichkeit der Varianten, die aus dem Überbegriff „KUSS“ entstanden sind.
Geben wir es doch zu - dieser Kitsch hat Klasse.
Wir wünschen viel Vergnügen beim Streifzug durch die Welt der Küsse, Kulturen und Kuriositäten.
Ihr Merlino Menzel (Hrsg.) & Clarissa van Amseln
Der erste Kuss! Wer erinnert sich nicht daran, wie er ihn entweder sehnsüchtig erwartete, schüchtern fürchtete oder ihm mit einer Mischung aus beidem klopfenden Herzens entgegensah?
Der erste Kuss ist etwas ganz besonderes.
Ein Meilenstein, ganz egal wie er ausfiel: ob er auf Anhieb bezauberte und betörte, oder ob der Meilenstein eher ein Stolperstein war mit Ecken, Kanten und Pannen, oder sogar kleinen Verletzungen.
Wie auch immer er sich ereignete und ganz gleich, ob man ihn als schönes oder peinliches Erlebnis verbucht, in jedem Fall beeindruckte dieser erste unter vielen möglichen Küssen nachhaltig. Allein durch seinen einmaligen Status als Prämierenkuss wird er auf der Bühne unserer Biografie für immer ein Star bleiben.
Spannend und interessant ist es zu erfahren, wie unterschiedlich die Rollen dieser Kuss-Stars besetzt sind: es gibt Clowns und Diven, Casanovas und Piraten ebenso wie romantische und draufgängerische Rollen und sogar Kuss-Verweigerer.
Alle ersten Küsse sind, spätestens im Nachhinein, wenn man aus dem Abstand von Jahren und Jahrzehnten auf sie zurückblickt, ein Gewinn - selbst Peinlichkeiten werden in der Retrospektive zu erheiternden Kurzgeschichten, die man gerne erzählt und mit ebensolchem Genuss andere erzählen lässt.
Erinnern Sie sich an Ihr erstes Mal?
Umfragen zufolge erinnern sich ca. 70 % an dieses kleine, aber biografisch bedeutsame Ereignis. Schließlich hing von ihm womöglich ab, ob wir der Sache in Zukunft geneigt oder erst einmal eher abgeschreckt waren, ob wir die nächsten Küsse herbeigesehnt, abgewehrt oder schlimmstenfalls gefürchtet haben.
Freilich wünscht man niemandem ein unschönes „erstes Mal“ und dennoch mag es trösten, wenn man bedenkt, wie viele Chancen man noch hat, sollte es auf Anhieb nicht so gut gelaufen.
sein. Schließlich verbringen wir im Laufe eines 70-jährigen Lebens im Durchschnitt 110.000 Minuten alleine mit Küssen! Das kann sich doch sehen, bzw. schmecken lassen.
Sollte sich Ihr erstes Mal tatsächlich im Dunkel Ihrer Erinnerungen verloren haben, helfen wir Ihrem Gedächtnis gerne mit einigen Erstlingsküssen auf die Sprünge:
Den ersten Kuss bekommt man mit durchschnittlich 13 Jahren, (Quelle BGA), doch unser Paar auf der Postkarte dürfte ein paar Jahre älter sein. Die Karte ist ein Beispiel dafür, wie anspruchsvoll man in den Anfangsjahren mit dem Medium Fotografie umging. Der Fotograf wusste zu komponieren, malerisch sind Licht und Schatten verteilt, die Haltung eine Mischung aus Natürlichkeit und Dramaturgie - einfach perfekt.
Lippenbekenntnisse zum Ersten Mal:
Eine 43-jährige erzählt: „Meinen ersten Kuss bekam ich auf unglaublich altmodische, galante und romantische Weise - die aber meiner poetischen Seelennatur geradezu wie auf den Leib geschneidert war, so dass ich heute noch gerne daran zurück denke.
Es war während eines Urlaubaufenthaltes am ungarischen Balaton-See, dass ich mich erstmals traute, einem jungen Mann von meiner Luftmatratze aus schöne Augen zu machen. Er, der die scheue Botschaft durchaus verstanden hatte, fing alsbald an, ein paar leichtfüßige Scherze mit mir zu treiben, mich mit Wasser zu bespritzen und ein Gespräch anzuknüpfen.
Mit beiderseitig spärlichem Englisch tauschten wir uns so gut es ging aus und ergänzten mit Händen und Füßen, was der Wortschatz nicht hergab.
Ohne verabredet zu sein begegneten wir uns ein zweites Mal wieder, diesmal noch reizvoller unter einem großen Weidenbaum, der ein Schirmdach über uns bildete und wo ich, Gedichte schreibend, gesessen hatte.
Hier wurden die Blicke schon länger und die magnetische Kraft stärker, die ich damals wie heute noch spüre, wenn erotische Anziehungskraft im Spiel ist. Doch erst eine dritte zufällige Begegnung am Abend des gleichen Tages, auf dem immerhin nicht ganz kleinen Campingplatz, brachte den ersehnten ersten Kuss.
Ich war auf dem Weg zur Toilette, mit einer Klopapierrolle unter dem Arm, was mir im Anbetracht der folgenden Umstände ein wenig peinlich war, als ich im abendroten Dämmerlicht unter einer Allee hoher Bäume entlang ging.
Dort tauchte plötzlich und unerwartet mein ungarischer Freund vor mir auf, um mich lächelnd zu begrüßen.
Dieses warmherzige Lächeln und die schönen braunen Augen taten das ihre dazu, dass ich, wenn auch schüchtern, so doch vertrauensvoll war.
Wir blieben also stehen im Halbdunkel eines der Bäume, an den ich mich lehnte und diesmal waren wir nicht zum Scherzen aufgelegt, sondern der Augenblick verlangte eine andere Sprache.
Gerne ließ ich es geschehen, dass mein Verführer meine Hand ergriff und sachte an seine Lippen führte.
Die scheue Abwehr des ersten Kusses ist heute aus der Mode gekommen - jedenfalls, wenn die Anziehung und das Verlangen einvernehmlich sind. Sicherlich spielen der nachlassende Einfluss der Kirche und die größere Aufklärung eine Rolle dabei Ängste abzubauen.
Woraufhin er zarte Küsse auf meine Finger setzte, die er sodann den Arm hinaufwandern ließ über die Schulter und über Hals und Wange bis zu meinem Mund.
Ein Augenblick des Verharrens folgte, des Schauens und des fühlenden Verständigens über Begehr und Erlaubnis.
Da ich kein Nein in meiner Seele entdecken konnte, sondern süße Verzauberung, magnetische Anziehung und staunende Erwartung mich ganz eingenommen hatten, ließ ich es nur zu gerne geschehen, dass seine Lippen meine berührten und ein weicher, sanft liebkosender Kuss mich gänzlich in Wärme und Wohlgefühl einhüllte, als gäbe es nichts anderes mehr auf der Welt.
Ich war damals 12.
Und es störte mich nicht im geringsten, dass mein Kusspartner bereits 27 Lenze zählte - im Gegenteil fand ich diese Altersüberlegenheit angemessen - ja geradezu vorteilhaft - denn hätte ein Bursche von 12 oder 14 Jahren mich auf solch erlesene Weise küssen können? Gewiss nicht!“
Bodos Geschichte vom ersten Kuss atmet den Zeitgeist der 70-er und fällt entsprechend weniger klassisch-romantisch aus, dafür um so prickelnder:
Es passierte im Jahr 1975. Mädels und Jungs unserer Schulklasse machten in einem privaten Kellerraum „Party“. Wir kannten uns ja untereinander und waren gespannt, welche Freunde oder Freundinen noch „neu“ dazukommen würden!
Es war ziemlich düster. Spärlich flackerten die bunten Scheinwerfer von der Lichtorgel, die an der Musikanlage angeschlossen war, als „sie“ dann mit Kathrin hereinkam!
Ich sah nur, dass sie Haare wie Janis Joplin und auch so ein breites Lächeln hatte.
Bei den Jungs war nun großes Rätselraten. Keiner kannte sie und: jeder wollte „sie“!
Es war die Zeit des Glamour-Rock. Es wurden Bands wie Gary Glitter, T.Rex, Sweet, Slade, Uriah Heep, Led Zeppelin, David Bowie u.s.w. aufgelegt.
Als der Song von „Melanies-RubyTuesday“ aufgelegt wurde, fragte ich die „Neue“, ob sie mit mir tanzt.
Da war´s um „uns beide“ geschehen.
Immer enger und umschlungener drehten wir uns im „Song“ und “Sog“ von Ruby Tuesday, die Wangen aneineinder reibendend, bis Mund & Mund sich fanden.
Ein Hauch, ein Zünglein, ein Zittern!
Der „Sog“ zog uns unweigerlich aufs Sofa, in die dunkelste Ecke! Ab da war es kein einfacher Kuss mehr!
Ihr rasanter, feurig züngelnder Einschub in meinem Mund war so überraschend, dass ich ziemlich hilflos war. Meine Zunge schaffte kaum Gegenwehr gegen die ihre, die nun wie ein speiender Vulkan glühend heiß und mit machtvoller Kraft meinen Mundraum zu verschlingen suchte.
...goodbye Ruby Tuesday, who could hang a name on you,when you change with evey new day still I´m gonna miss you...
...Tschüss, Ruby Tuesday,wer könnte dir einen Namen anhängen wenn du dich mit jedem Tag veränderst vermisse ich dich immer noch...
P.S. ich weiß ihren Namen nicht mehr, ich sah sie nach der Party, viele Tage danach, nur noch einmal in Nachbars Garten. Kathrin war meine Nachbarin. Dort hatten wir ein kurzes Zaungespräch. Sie wirkte etwas verlegen, da sie sehr schnell redete... und ihre Lippen hin und wieder zusammenrollte...
Abschiedsküsse sind von Natur aus mit einer guten Portion Dramatik versehen. Egal wie innig das Versprechen des Wiederkommens und Wiedersehen ist - weiß man welche Wechselfälle das Leben bereithält? Man muss nicht in den Krieg ziehen, um Gefahren zu wittern - wieviele Männer sind schon vom Zigarettenholen nicht wieder gekommen?
Eine weitere Kuss-Geschichte ist die von Peer. Bei ihm lief das erste Rendezvous der Lippen auch nicht so, wie er es sich vielleicht erträumt hatte - aber es musste ja auch alles so schnell gehen:
Peer: „Ich war in den Staaten zu Besuch bei Verwandten. Es war eine lustige Sippe, alle haben viel gelacht. Besonders meine Banjo spielende Großtante sorgte immer für gute Stimmung. Ich war 17 und verstand mich gut mit meiner Cousine, die etwa im gleichen Alter war wie ich.
Sie war befreundet mit einem Mädchen von nebenan, die ich dadurch öfter zu Gesicht bekam. Leider nicht oft genug, denn die nächsten Nachbarn wohnten Meilen entfernt und man musste immer Auto fahren, um einander zu besuchen. Die tollen großen Straßenkreuzer hatten es mir allerdings angetan und ich fand es fabelhaft, dass die Kids dort schon mit 16 Jahren fahren durften.
Ebenfalls angetan hatte es mir Sandy, das Mädchen aus der Nachbarschaft. Aber ich war viel zu schüchtern, um ihr meine Liebe zu gestehen und meine Zuneigung zu zeigen. Das war eine echte Qual für mich, denn mir lief die Zeit davon. Das Rückflugticket war gekauft und eines Tages war es so weit. Ich war so tief traurig, dass ich wieder nach Hause sollte, weg aus dem Land der Freiheit, weg von meinen ebensfrohen Leuten, weg von dem Mädchen meines Herzens, dass ich mich am liebsten ganz allein und ohne Abschied davongestohlen hätte. Da hätte ich aber die Rechnung ohne den Wirt gemacht - die ganze Rasselbande wollte mich zum Flughafen begleiten und mir Lebewohl sagen - und Sandy war auch dabei...
Da standen wir also und einer nach dem anderen wurde gedrückt und umarmt - nur Sandy ignorierte ich bis zum Schluss, bis zum allerletzten Schluss. Der Aufruf für meinen Flug war längst durchgegeben und es waren nur noch Sekunden, die ich hinauszögern konnte. Ich weiß nicht wie, aber in diesem Moment packte mich die Verzweiflung - ich trat auf Sandy zu und drückte ihr wie von Sinnen einen heftigen Kuss auf die Lippen.
Spontan begannen die anderen um uns herum zu klatschen und zu johlen. Lange hat dieser Kuss nicht gedauert, aber in der Eile hatte sich meine Lippe in ihrer Zahnspange verheddert und so war die Trennung nicht nur seelisch schmerzlich, sondern auch körperlich. Die Lippe blutete leicht, als ich davon lief, um mein Flugzeug zu erreichen.
Bis heute denke ich, ich hätte vielleicht bleiben sollen - Traumland und Traumfrau! Beides habe ich bis heute nie mehr wieder gesehen.“
Schade, schade, kann man da nur sagen.
Trotzdem ist es immerhin eine außergewöhnliche Erinnerung, eine die bestimmt unauslöschlich im Gedächtnis bleibt. Besonders ist sie schon deshalb, weil der Kuss gleich eine Doppelrolle erfüllen musste - als Erster- und als Abschiedskuss in einem.
Der Gefühlscocktail, den eine solche Situation zusammengerührt hat, musste einige widersprüchliche Ingredienzien in sich gehabt haben: die Süße der ersten Liebe, das Bittere des Abschieds und die Schärfe des Zeitdrucks, unter dem alles geschah.
Connys Geschichte:
„Ich war 14, und mein Freund war der Bruder meiner besten Freundin. Beim ersten Kuss habe ich so einen Schreck bekommen, dass ich ihn geohrfeigt habe. Darauf hat er gelacht und mich gleich nochmal geküsst. Eigentlich, also insgeheim hatte ich mir das schon lange gewünscht, und so fand ich es sehr bald sehr schön. So schön sogar, dass wir die nächsten Wochen fast nichts anderes taten als küssen, küssen, küssen...“
Sabrina:
„OMG! Ich möchte mich an meinen ersten Kuss gar nicht erinnern - das war einer der Sorte schlabbrig und keiner weiß, was er eigentlich tut, Hauptsache man hat es auch endlich gemacht, um mitreden zu können ;-)
Dorothea:
„Es war mit meinem ersten Freund vor der Tanzschule, vor fast vier Jahren. Draußen ein leichter Novemberregen und drinnen lief „Apologize“, was man draußen noch leise hören konnte. Es war lausig kalt und er hat mich in den Arm genommen und dann haben wir uns geküsst.
Gaaanz laange.
Da kann man sich vorstellen, dass ich nach so einem romantischen ersten Kuss immer noch sehr gerne küsse, oder?"
Alicia:
„Also ich war 14 und der erste Kuss war sehr kurz, aber irgendwie trotzdem sehr beeindruckend. Es folgte eine 3-wöchige Beziehung und ich muss sagen, dass der erste Kuss der schönste blieb. Auch wenn ich noch keine anderen Vergleiche hatte, wusste ich schon da, dass er eigentlich ein schlechter Küsser war. Anscheinend war sein erster Versuch einfach Anfängerglück gewesen.
Nach 3 Wochen wars dann eh vorbei, als er mich mit meiner besten Freundin betrogen hat - aber ich habe ihn nicht wirklich sehr vermisst. Ich war froh, dass mein nächster Freund schon viel besser wusste, wie man küsst, dass da Gefühl dazu gehört und es wie eine Geheimsprache ist, nicht nur irgend eine Action, die man mit der Zunge macht."
Nelli:
„Meinen ersten Kuss habe ich beim Flaschendrehen gewonnen! Das war an meinem 13. Geburtstag wo das erste Mal auch Jungs eingeladen waren. Wir waren alle ziemlich aufgedreht und total albern - aber es hat trotzdem Spaß gemacht, weil ich einen Jungen erwischt habe, den ich tatsächlich mochte. Das hätte aber auch schief gehen können!“