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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.
© 2019 Werner Lobinger
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 978-3-7494-2518-1
Seit über dreißig Jahren ist die ISO 9001 der weltweit bekannteste und erfolgreichste Normenstandard für Qualitätsmanagementsysteme. Viele weitere Regelwerke orientieren sich an den Inhalten bzw. setzen die Erfüllung der ISO 9001 Anforderungen voraus.
Mit der Revision der ISO 9001:2015 fand nach dem Jahr 2000, als die Prozessorientierung in das Regelwerk Einzug hielt, wieder eine größere Änderung statt. Eine Neustrukturierung der ISO 9001 sowie der Managementsystemnormen anderer Disziplinen (Umwelt, Arbeitssicherheit…) zugunsten einer gemeinsamen Struktur, der sogenannten High-Level-Structure, wurde vorgenommen. Die High-Level-Structure bringt nicht nur eine gemeinsame Gliederung, sondern teilweise auch gemeinsame Textpassagen mit sich, damit von den Unternehmen leichter Synergien bei der Umsetzung der Normenstandards erkannt und umgesetzt werden können.
Neben verstärkten Anforderungen zur Prozessorientierung, den Anforderungen zur Handhabung des Wissens in der Organisation, wird vor allem über die Umsetzung der Anforderungen zum risikobasierten Denken diskutiert.
Aus meiner Sicht erwecken die Diskussionen dabei oft den Eindruck, dass wie vor Gericht verhandelt wird, was der Normenstandard genau einfordert und was eine Organisation nicht unbedingt umsetzen muss. Dabei wird außer Acht gelassen, dass die Überlegung eine ganz andere sein sollte: Was macht für das Unternehmen bzw. die Organisation Sinn auf dem Gebiet des Qualitätsmanagements umzusetzen, damit der Erfolg des Unternehmens bzw. der Organisation gewährleistet bleibt. Siehe Einleitung 0.1 Allgemeines der ISO 9001: „Die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems ist eine strategische Entscheidung einer Organisation, die helfen kann, ihre Gesamtleistung zu steigern und eine gute Basis für nachhaltige Entwicklungsinitiativen bereitstellt.“
Die ISO 9001 sollte nicht als Fragencheckliste verstanden werden, bei der ich für jede Frage eine unterschiedliche Antwort parat haben muss. Vielmehr fordert die ISO 9001 den Aufbau eines prozessorientierten Qualitätsmanagementsystems, dass zum Vollständigkeitscheck mit den Anforderungen der ISO 9001 abgeglichen wird.
Dabei kann es sein, dass auf verschiedene Anforderungen der ISO 9001 dieselbe Antwort gegeben wird. Zum Beispiel könnten sich bei einem Dienstleister, der Konstruktionstätigkeiten ausführt folgende Fragen aus den Normanforderungen ergeben:
Antwort: Durch Unterschrift des zuständigen Konstrukteurs auf der Zeichnung.
Dieses Beispiel zeigt, dass das Unternehmen in erster Linie seine Prozesse organisieren soll. Sind diese festgelegt (nicht unbedingt in dokumentierter Form) und umgesetzt, ist es die Aufgabe der Auditoren festzustellen, ob noch eventuelle Lücken oder Verbesserungsmöglichkeiten im Qualitätsmanagementsystem bestehen.
Die ISO 9001 ist dafür konzipiert Anforderungen an Qualitätsmanagementsysteme verschiedenster Branchen, Organisationsgrößen, Länder, etc. zu definieren. ISO 9001; Anwendungsbereich: „Alle in dieser Internationalen Norm festgelegten Anforderungen sind allgemeiner Natur und auf jede Organisation zutreffend, unabhängig von deren Art und Größe oder von der Art der von ihr bereitgestellten Produkte und Dienstleistungen.“
Dadurch entstehen Formulierungen, die zwar aus terminologischer Sicht „richtig“ sind, aber für viele Anwender an Klarheit verlieren. Nehmen wir mal den Abschnitt 8.5.4 „Erhaltung“ der ISO 9001:2015. Für Dienstleister ist jetzt aufgrund der Formulierung des Normentextes eine großzügigere Interpretation möglich: „Die Organisation muss Ergebnisse während der Produktion und Dienstleistungserbringung in dem Umfang erhalten, der notwendig ist, um die Konformität mit den Anforderungen sicherzustellen.“ Auf Anhieb kann sich allerdings keiner mehr vorstellen, was er genau regeln sollte. Die frühere Überschrift des vergleichbaren Vorgängerabschnitts der ISO 9001:1994, Abschnitt 15 „Handhabung, Lagerung, Verpackung, Konservierung und Versand“ gab schon konkretere Hinweise, führte jedoch zu Schwierigkeiten, zum Beispiel für Dienstleister, wie Weiterbilder, Berater, etc.
Dies soll keine Kritik an der ISO 9001 sein, da gemeinsame Standards, die Einigung auf gemeinsame Begrifflichkeiten und Formulierungen notwendig machen. Ähnlich verhält es sich mit Gesetzestexten.
Ich möchte deswegen in diesem Buch versuchen, nicht wissenschaftlich genau die Anforderungen der ISO 9001 darzustellen und sämtliche Interpretationsmöglichkeiten zu diskutieren. Mit geht es um eine verständliche Übersetzung der Normanforderungen.
Wie eben erwähnt, möchte ich eine verständliche Übersetzung der Normanforderungen in den Vordergrund dieses Buches stellen. Deswegen spreche ich in diesem Buch dich in der Rolle des Unternehmers bzw. Verantwortlichen für ein Qualitätsmanagementsystem an. Ich unterstelle dir die Absicht, dass du ein Qualitätsmanagementsystem einführen willst, dass dem Unternehmen einen Beitrag zum nachhaltigen Unternehmenserfolg liefert.
Egal, ob du ein Dienstleistungsunternehmen oder ein Produktionsunternehmen betreibst, die Inhalte des Buches bieten Umsetzungsbeispiele, sowohl aus dem Produktions- als auch den Dienstleistungsbereichen. Im Vordergrund der Umsetzungsmöglichkeiten stehen vor allem Beispiele, die in jedem Qualitätsmanagementsystem zu Hause sind. Auf branchenspezifische Ausführungen, die sicherlich auch maßgeblich sind für das Erreichen einer Produkt- bzw. Dienstleistungsqualität, habe ich verzichtet. Es würde den Rahmen sprengen Verfahren, wie das APQP (Advanced Product Quality Planing) der Automobilindustrie oder zum Beispiel das Manchester-Triage-System zur Einschätzung von Notfällen in Kliniken darzustellen.
Ich verzichte auch auf die wissenschaftlich korrekte Erwähnung sämtlicher Varianten von betroffenen Aspekten. Statt immer von Produkten und Dienstleistungen zu sprechen, nehme ich zum Beispiel häufig nur den Begriff Leistung oder verwende nur einen der Begriffe. Auch die Einschränkung der ISO 9001 auf Aspekte, „die für den Zweck und ihre strategische Ausrichtung relevant sind und sich auf ihre Fähigkeit auswirken, die beabsichtigten Ergebnisse ihres Qualitätsmanagementsystems zu erreichen“ erwähne ich nicht in jeder Buchpassage.
Ich gebe zu, dass ich mich zugunsten der Verständlichkeit an einigen Stellen etwas pauschaler ausdrücke. Somit kann es immer einen Anwendungsfall geben, für den es ein adäquateres bzw. noch besseres Vorgehen bzw. Umsetzungsbeispiel gibt.
Das Buch soll gängige Herangehensweisen für die Umsetzung der ISO 9001 schildern und vielleicht etwas Begeisterung für das Instrument Qualitätsmanagement als sinnvollen Beitrag zum Unternehmenserfolg wecken.
Ich würde mir wünschen, dass die ISO 9001 nicht nur als Forderungskatalog verstanden wird, den wir erfüllen müssen, damit wir uns das Zertifikat an die Wand nageln können, sondern als hilfreiches Instrument zur Unternehmensführung. Es geht vor allem um die Umsetzung von Maßnahmen und nicht um die Produktion von Papierbergen.
Die Abschnitte dieses Buches folgen ab dem Kapitel 4 der Gliederung der Anforderungskapitel der ISO 9001. Du kannst als Leser meine Übersetzung somit mit den Texten der ISO 9001 vergleichen.
In jedem Abschnitt versuche ich die grundlegende Zielsetzung bereits in der Unterabschnittsüberschrift darzustellen. D.h. diese ist bereits eine Interpretation der Originalunterabschnittsüberschrift.
Ein Beispiel:
4.2 Ermittle die Anforderungen relevanter interessierter Parteien
Ziel: alle Anforderungen und Erwartungen kennen, die an das Unternehmen gestellt werden
Des Weiteren stelle ich die Hauptaufgaben dar, die zur Erfüllung der Zielsetzung umgesetzt werden sollten.
Jedes Kapitel enthält dann eine Erläuterung zu den Hintergründen und Umsetzungsmöglichkeiten sowie mögliche Lösungsansätze:
So könnte das Ergebnis in der Praxis aussehen:
Beispieltext, Beispieltext, Beispieltext….
4.2 Verstehen der Erfordernisse und Erwartungen interessierter Parteien
Ziel: Sensoren einrichten, damit du zukünftige Änderungen rechtzeitig erkennst
Erläuterung:
Um relevante Themen ermitteln, musst du erst mal festgelegt haben, wohin sich dein Unternehmen entwickeln soll. Es macht wenig Sinn, die politische Lage in Australien zu beobachten, wenn du ein Schreiner in Mecklenburg-Vorpommern bist. Außer du willst zukünftig nach Australien exportieren. Du musst allerdings Prioritäten setzen; wahrscheinlich hast du zu wenig Ressourcen alles zu beobachten. Außerdem würdest du dann in der Informationsflut untergehen. Geh mal folgende Checkliste für Umfeld-Themen durch, wo dich Veränderungen in den nächsten Jahren beeinflussen könnten:
Die Liste ist ziemlich allgemein gehalten, vielleicht musst du diese mit etwas Phantasie auf dein Unternehmen anpassen. Hier ein paar Beispiele:
Unternehmen | Umfeld-Thema | Beobachtungspunkte |
Arztpraxis | Sozial | Finanzielle Situation der Patienten in deiner Gegend (Arbeitslosigkeit, Einkommensverhältnisse, Anteil Privatpatienten, Altersstruktur) |
Autohändler | Interessierte Parteien | Hersteller (Markenentwicklung, Auflagen, Umgang mit Händlern) Schlüssellieferanten (Lackiererei) Gemeinde Lokale Wettbewerber (Preise, Service-Angebot) |
Anwohner, die von der Nachtanlieferung betroffen sind Personalmarkt und Mitarbeiter (Verfügbarkeit, Erwartungshaltung und Motivation) | ||
Anlagenbauer | Technik | Produktneuerungen Veränderte Fertigungstechniken IT-Entwicklung Neuerung im Energiemanagement und bei Lärmemission |
Chemiefabrik | Gesetzgebung | Chemikaliengesetz Abfallgesetz Gefahrstoffverordnung Seveso III Richtlinie |
Fleischhandel | Gesellschaftliche Trends | Entwicklung Fleischabsatz Anteil veredelter Waren Angebote der Wettbewerber Branchenumfragen zur Marktentwicklung BIO-Labels und deren Entwicklung |
Seminaranbieter | Wirtschaftliche Veränderungen | Förderprogramme Bereitschaft der Kunden zur Weiterbildung Trends bezüglich offener Seminare, Inhouse-Seminare |
Themen für die Beobachtung des eigenen Unternehmens sind klassischerweise die Veränderung der eigenen Leistung, ergänzt durch weitere, die Unternehmenskultur und Wissen betreffende Beobachtungsaspekte. Somit kannst du aus den Leistungen der Prozesse und einiger weiterer Indikatoren einen Großteil deines Inputs für mögliche Risiken und Chancen ziehen. Das Verstehen und Steuern zusammenhängender Prozesse als ein System trägt zur Wirksamkeit und Effizienz einer Organisation beim Erreichen ihrer beabsichtigten Ergebnisse bei. Denke somit an Indikatoren, die Aussagen über die Wirksamkeit (Effektivität) und die Effizienz deines Unternehmens liefern. Hier ein paar Beispiele:
Es geht nicht darum nur die harten Fakten zu beobachten, sondern auch die Wahrnehmung für weiche Faktoren, wie zum Beispiel Änderungsbereitschaft, Bereitschaft zur Teamarbeit oder zur Fehlerkultur zu berücksichtigen. Natürlich wären Zahlen, Daten, Fakten zu bevorzugen, sind aber nicht immer ohne einen unverhältnismäßigen Kostenaufwand zum Nutzen verfügbar. Aus der Beobachtung dieser Themen kannst du dann später durch Bewertung festlegen, wo du Chancen und Risiken für die Weiterentwicklung und Verbesserung deiner Prozesse siehst.
Damit ist dieses Thema bei der Führung des Unternehmens angesiedelt. Sie sollte sich in Abstimmung ggf. mit der zweiten Führungsebene Gedanken machen, welche Themen es wert sind beobachtet zu werden, um daraus mögliche Chancen und Risiken abzuleiten.
So könnte das Ergebnis in der Praxis aussehen:
Darstellung einer Übersichtsliste der relevanten Themen, kurze textliche Darstellung im Management-Handbuch oder eine Prozessbeschreibung zur Strategie und Zielvereinbarung.
Beispiel einer Übersichtsliste zur Beobachtung externer, interner Themen und Interessierter Parteien eines Unternehmens:
Externes/ Internes Themenfeld/ Interessierte Partei | Überwachungsmethodik | Berichterstattung |
Marktbeobachtung | Jährliche Kundenzufriedenheitsermittlung; Auswertung der Kundenreklamationen Analyse des Kaufverhaltens nach Produkten und Ländern | Input für SWOT-Analyse des Führungskreises in Form der Top-Fünf an Chancen und Risiken (Vertriebsleitung) |
Wettbewerbsanalyse Technologie relevant für Produkt |
Produktbenchmarking Messebesuche Jährliche Analyse des Produktportfolios der zwei Hauptwettbewerber | Input für SWOT-Analyse des Führungskreises in Form der Top-Fünf an Chancen und Risiken (Entwicklungsleitung) |
Personalmarkt | Bewerbungszahlen auf ausgeschriebene Stellenangebote Qualitative Analyse der Bewerbungsgespräche | Input für SWOT-Analyse des Führungskreises in Form der Top-Fünf an Chancen und Risiken (Leitung Human Ressource) |
Lieferanten | Jährliche Lieferantenentwicklungsgespräche mit den definierten Schlüssellieferanten Preisentwicklungen und Lieferzeiten | Input für SWOT-Analyse des Führungskreises in Form der Top-Fünf an Chancen und Risiken (Einkaufsleitung) |
Gesetze und Behörden | Monatliche Analyse des Verbandsnewsletters über anstehende Gesetzesänderungen | Input für SWOT-Analyse des Führungskreises in Form der Top-Fünf an Chancen und Risiken (Qualitätsmanager) |
Kernprozesse | Analyse der definierten Performance-Indicators der Kernprozesse | Input für SWOT-Analyse des Führungskreises in Form der Top-Fünf an Chancen und Risiken Operative Ableitung von Maßnahmen und Berichterstattung in der Verantwortung des jeweiligen Prozess-Owners |
Mitarbeiter | Mitarbeiterfluktuation Analyse der angegebenen Gründe für Verlassen des Unternehmens Altersstruktur | Input für SWOT-Analyse des Führungskreises in Form der Top-Fünf an Chancen und Risiken (Leitung Human Ressource) |
Technologie relevant für IT | Teilnahme an Fortbildungen durch IT-Mitarbeiter | Input für SWOT-Analyse des Führungskreises in Form der Top-Fünf an Chancen und Risiken (Leitung IT) |
Technologie relevant für Herstellungsverfahren | Messebesuche | Input für SWOT-Analyse des Führungskreises in Form der Top-Fünf an Chancen und Risiken (Leitung Instandhaltung in Abstimmung mit Produktionsleitung) |
4.1 Verstehen der Organisation und ihres Kontextes
Analyse und Bewertung der relevanten Themen
Externen Themen:
Internen Themen:
Ziel: alle Anforderungen und Erwartungen kennen, die an das Unternehmen gestellt werden
Erläuterung:
Ähnlich wie bei der Festlegung der relevanten externen und internen Themen sollst du die interessierten Parteien bestimmen. Du musst nicht alle interessierten Parteien auflisten und deren Anforderungen überwachen. Du kannst die Auflistung auf diejenigen interessierten Parteien beschränken, die aus deiner Sicht qualitätsrelevant sind. Wichtig ist, zu betonen, dass sich die Relevanz der interessierten Parteien immer auf die Qualität der Produkte und Dienstleistungen bzw. auf das Qualitätsmanagement bezieht.
Du könntest zum Beispiel drei Level der interessierten Parteien festlegen:
Man kann davon ausgehen, dass die interessierten Parteien Kunde, Gesetzgeber bzw. Behörde auf jeden Fall dabei sind. Du musst nämlich die relevanten Anforderungen ermitteln. Anforderungen sind Aspekte, die du umsetzen musst, d. h. Dinge, die du versprochen oder aus anderweitigen Gründen einzuhalten hast.
Wir können diskutieren, wie der Begriff „Kunde“ sich von „interessierter Partei“ unterscheiden lässt. Dies könnte zum Beispiel bei Angehörigen von Patienten in einem Krankenhaus der Fall sein. Die DIN EN ISO 9000 definiert Kunde als jemanden, der eine Leistung empfängt. Nahestehende Angehörige wären demnach als Kunden zu sehen, die Auskunft über den Patienten (rechtliche Regelungen) erhalten müssen. Entfernte Angehörige wären somit nicht als Kunden relevant und würden unter den Begriff interessierte Partei fallen. Festzuhalten bleibt, dass Kunden immer eine Teilmenge der interessierten Parteien sind. Wir könnten eine interessierte Partei durchaus auch als Anspruchsgruppe bezeichnen.
Viele Unternehmen beschränken sich nicht auf die „Mindestauswahl“ an zu berücksichtigenden interessierten Parteien, da sie den langfristigen Unternehmenserfolg im Blick haben. Dafür sind natürlich auch die Erwartungen der Mitarbeiter oder der Inhaber sehr relevant.
Wichtig ist auch in diesem Abschnitt, dass du dich nicht verzettelst und eine Priorisierung vornimmst. Lege fest, welche interessierten Parteien für dich wichtig sind und definiere die Ermittlungs- bzw. Überwachungsmethodik bezüglich der Anforderungen und Erwartungen dieser interessierten Parteien. Im Idealfall kombinierst du diese Liste mit der Auflistung der externen und internen Themen.
So könnte das Ergebnis in der Praxis aussehen:
Beispiel einer Übersichtsliste interessierten Parteien eines Automobilhändlers mit Servicewerkstatt: Die Begründungen in der Relevanz-Spalte für die Auswahl der interessierten Parteien dienen nur zur Erläuterung und sind in der Praxis nicht dokumentiert:
Interessierte Partei | Relevanz | Überwachung der Anforderungen |
Kunde Neuwagenkäufer Gebrauchtwagenkäufer Service-Kunde Firmenkunde Privatkunde Teilekunde |
Priorität 1 | Laufende ereignisorientierte Zufriedenheitsbefragungen nach Kauf, Werkstattbesuch … Kennzahlenanalysen zu ausgewählten KPI |
Wettbewerb | Priorität 3 | Derzeit keine systematische Überwachung |
Lieferanten | Priorität 2 | Nur Überwachung bzgl. Lackiererei durch jährliches Lieferantengespräch |
Hersteller | Priorität 1 | Regelmäßige Abstimmungsgespräche entsprechend des Rahmenvertrages |
Mitarbeiter | Priorität 2 | Jährliche Gruppengespräche im Servicebereich Jährliche Mitarbeitergespräche mit Führungskräften und Verkäufern |
Gemeinde | Priorität 3 | Verfolgung der lokalen Presseberichterstattung |
Gesetzgeber | Priorität 1 | Liste relevanter Gesetze, Aktualisierung über Verbandsinformationen |
Inhaber | Priorität 1 | Jährliches Inhabergespräch der GF mit Inhaber |
Händlerverband | Priorität 2 | Teilnahme an Mitgliedsversammlungen |
4.2 Verstehen der Erfordernisse und Erwartungen interessierter Parteien
Ziel: klare Abgrenzung des Geltungsbereichs des Qualitätsmanagementsystems
Erläuterung:
Aus dem Zertifikat für ein QM-System nach ISO 9001 muss klar hervorgehen, für was das Unternehmen zertifiziert wurde, so dass Externe nachvollziehen können, ob zum Beispiel nur der Handel mit Waren oder auch die Herstellung, die Standorte in Übersee oder nur die Zentrale in Deutschland im Zertifikatsbereich enthalten sind. Deswegen musst du in deiner QM-System Festlegung den Anwendungsbereich des QM-Systems in dokumentierter Form darlegen. Lege dabei die zugehörigen Organisationseinheiten, Produkte und Dienstleistungen fest. Du musst nicht alle einzeln aufzählen; es reicht, wenn du Bereiche und die grundsätzlichen Produkte bzw. Dienstleistungen angibst. Gleiche bei der Festlegung den Anwendungsbereich mit den Anforderungen aus dem Umfeld und den interessierten Parteien ab. Es macht zum Beispiel keinen Sinn, auf einem innovativen Markt (Mobiltelefonhersteller) die Entwicklungsabteilung aus dem QM-Systembereich auszugrenzen.
Falls für dein einige Anforderungen der ISO 9001 Unternehmen nicht umsetzbar sind, kannst du diese für nicht anwendbar erklären. Du musst dies allerdings in dokumentierter Form mit Begründung in deiner QM-Systemdokumentation darlegen. In der Praxis ist es unwahrscheinlich, dass ganze Abschnitte der ISO 9001 nicht anwendbar sind. „Die Organisation kann nur dann entscheiden, dass eine Anforderung nicht zutreffend ist, wenn ihre Entscheidung zu keinem Misserfolg beim Erreichen der Konformität von Produkten und Dienstleistungen führt.“ (ISO 9001)
Beispiele für mögliche Nicht-Anwendbarkeiten:
Art des Unternehmens | Nicht-Anwendbarkeit | Erläuterung |
Beratungsunternehmen für Managementsysteme | 7.1.5.2 Messtechnische Rückführbarkeit | Das Beratungsunternehmen besitzt keine qualitätsrelevanten Messmittel, die auf einen Standard zurückgeführt werden müssen. Briefwaage und Tachometer im Auto sind für die Qualität der Dienstleistung nicht relevant. |
Altenpflegeeinrichtung | 8.3 Anforderungen aus diesem Abschnitt, welche die Produktentwicklung betreffen | Die Altenpflegeeinrichtung „erfindet“ keine neuen Therapieansätze. Die Nicht-Anwendbarkeit des ganzen Abschnitts ist nicht zulässig, da die Einrichtung neue Therapien (welche in anderen Unternehmen erfunden wurden) bei sich einführt. |
Restaurant | 8.5.3 Eigentum der externen Anbieter | Das Restaurant kauft seine Ware frisch auf dem Markt. Es geht mit keinerlei Lieferanteneigentum um (z. B. Transportbehälter des Lieferanten, vertrauliche Lieferantendaten …) |
So könnte das Ergebnis in der Praxis aussehen:
Der Auszug aus einer QM-Dokumentation zeigt, wie die Definition eines Anwendungsbereiches aussehen könnte.
Das Qualitätsmanagementsystem ist gültig für das Unternehmen XY AG am Standort 87822 Haselberg. Es schließt den Verkauf, die Herstellung, Installation sowie den Wartungsservice von Brandmeldeanlagen ein. Alle Anforderungen der DIN EN ISO 9001 sind auf unser Qualitätsmanagementsystem anwendbar.
4.3 Festlegen des Anwendungsbereichs des Qualitätsmanagementsystems
Ziel: alle benötigten Prozesse so festlegen, dass die gewünschten Ergebnisse erzielt werden
Erläuterung zu 1 und 2:
Umfang der Dokumentation
Dies ist der wichtigste Abschnitt der ISO 9001: wenn du die Festlegung der Prozesse mit gesunden Menschenverstand und die richtige Balance zwischen notwendiger dokumentierter Festlegung der Prozesse im Gegensatz zur zu detaillierten, bürokratischen Festlegung der Prozesse findest, ist ein Großteil der Arbeit zum Aufbau eines QM-Systems bereits getan.
Viele Anwender verstehen unter der Anforderung „etwas festzulegen“ eine schriftliche, dokumentierte Festlegung. Das ist nicht der Fall. Die ISO 9001 fasst die Festlegung als eine Anordnung auf, die sowohl mündlich als auch schriftlich oder in anderer Form definiert sein kann. Würde in der ISO 9001 stehen, dass wir unsere Prozesse dokumentiert festlegen müssen, dann könnten Auditoren jeden kleinen Arbeitsschritt als Dokument einfordern: Gehe zum Kühlschrank, öffne die Tür, nimm die rechte Hand, greife einen Joghurt, gehe einen Schritt zurück …