Es gilt für alles, was in meine Bilderwelt eingearbeitet wird, zu entscheiden, ob eine Fotografie, ein Gemälde oder eine Grafik entsteht. In Anlehnung an Man Ray möchte ich die Entscheidung zwischen Fotografie und Malerei so beschreiben: Ich fotografiere, was mir schon wie ein Bild begegnet. Und ich male, was ich nicht fotografieren kann, weil ich die Bildwirklichkeit, die sich beim Sehen spontan in meiner Fantasie einstellt, erst auf der Leinwand herstellen muß. So äußerte der Künstler und Freund François Morellet aus Cholet in Frankreich in zweitausendundelf über meine künstlerische Arbeit, daß ich mit Ölfarben fotografiere.
Bilderwelten sind immer individuell und doch gewollt oder unbewußt eingebunden in Tradition. Sie knüpfen an eine bestimmte Stelle an. So ist auch meine Bilderwelt in einer bestimmten Tradition zu sehen, wie ich das nur rückblickend auf eine langjährige fotografische Tätigkeit feststellen kann. Es ist etwas von der Tradition eines Karl Blossfeld zu sehen, der wie ich fasziniert war von den Formen der Natur. Oder es ist die Art von William Eggleston, der nach neunzehnhundertundsiebzig ungewöhnliche Ansichten von Alltagsgegenständen zeigte. Meine Fotografie ist auch „Straight Photography” im Sinne eines Paul Strand und genaue Beobachtung wie bei Robert Häusser. Sie steht in meinem Werk parallel neben der Malerei. Meine über vierzig Jahre umfassende Aktivität im Bereich der künstlerischen Fotografie setzt nach neunzehnhundertundsiebzig ein, als Fotografie oft mit dem so genannten Fotorealismus oder Hyperrealismus in Malerei übersetzt wurde. Reine Fotografie hatte damals noch meist den Charakter des Dokumentarischen und Abbildhaften und stand erst ansatzweise gleichwertig neben der Malerei. Was sich daraus in der „Becher-Schule” entwickelte, blieb der breiten Masse und auch mir noch verborgen. Das dokumentarische Festhalten — im Sinne des Ehepaares Becher und der nachfolgenden Fotografengeneration — war nie mein fotografischer Ansatzpunkt.
Fotografie und Malerei knüpfen also immer an. Die spezifische Sicht ist jedoch in beiden Medien immer neu. Das erstaunt besonders bei der Fülle gegenwärtiger Kunstproduktion. Die Welt sehen wie ein Meer von Farben, oder wie ein abstraktes Gebilde; mit Bildern Geschichten erzählen, die Welt erleben wie einen Film, in ihr Kontraste oder die Vielfalt oder die Wiederholung von Strukturen und Formen entdecken; oder die Welt verstehen wie eine Collage, die alles auf einmal umfaßt; oder als Assemblage, als etwas, das einmal gefundene Kategorien wieder aufhebt, bestimmt den Unterschied.
Wir finden bei berühmten Fotografen alle möglichen unterschiedlichen Vorlieben. So interessieren sie sich für die Fläche, für Raum und Volumen, für Linienbildung, für die Atmosphäre, das Ornamentale, das besondere Licht. Heute ist das Foto oft nur noch Rohmaterial für digital hergestellte Bildprodukte. Selten nur noch ist vom Inhalt die Rede in Bildern der Malerei oder der Fotografie. Heute dient Inhaltliches oft der Bestätigung einer gesellschaftlichen Korrektheit oder als Beweis für Zeitgemäßheit. Ich vermute, daß weniger die erzählte Welt oder gar die Welt der Erzählungen heute ein Kunstwerk bestimmen, sondern die Form. Bis weit in das neunzehnte Jahrhundert war die inhaltliche Rezeption der formalen vorgeordnet. Heute heißt es, in der Form liege die Wahrheit. Die Zeit der Dokumentarfotografie scheint überwunden. Monumentalität oder das große Format, das Ausreizen von Techniken bis an ihre Grenzen scheinen die Virtuosität heutiger Kunst auszumachen.