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Lilis Hoffnung

Von Vivian Pasquet

Zusatzinfos

Zwei Diagnosen seltener Krankheiten

Gut zu wissen: Behandlungszentren, Wirkstoffe

Lilis Hoffnung

»Mein Gehirn juckt«, sagte Lili im Alter von sechs Jahren. Da war ihre Krankheit schon nicht mehr aufzuhalten: das mysteriöse Niemann-Pick-Syndrom. Eine von vielen extrem seltenen Erkrankungen, für die es keine Therapie gibt. Die Familien an den Rand ihrer Kräfte bringen. Und die unser Gesundheitssystem herausfordern

Von Vivian Pasquet

Auf der Liste, die über das Leben ihrer Tochter Lili entscheiden soll, stehen 25 Punkte. An manchen Tagen, sagt Sabine Fornfeist, schenke ihr die Liste Hoffnung. Oft mache sie ihr aber auch Angst. Das Papier verzeichnet alle Bedingungen, die Patienten erfüllen müssen, um an einer Medikamentenstudie teilzunehmen. Die meisten davon kann Lili erfüllen. Doch an zwei Punkten könnte sie scheitern: Die Versuchsperson muss selbstständig laufen können und außerdem einen Motoriktest bestehen.

Und hier beginnt das Problem.

Sabine Fornfeist spricht darüber im heimischen Garten in Brühl, einer Kleinstadt bei Köln. Frühling 2015, Kennenlernen der Familie Fornfeist, Mutter Sabine, Vater Michael, Sohn Bert. Und Tochter Lili, die in einem Strandkorb sitzt. Die Hände etwas verkrampft, sie spricht nicht, der Blick sucht mehr, als dass er fixiert.

Geistig ist Lili, 15, in etwa auf dem Stand einer Vierjährigen. Sie ist an Niemann-Pick Typ C erkrankt, einem seltenen Stoffwechseldefekt, der verhindert, dass ihr Körper Fette abbauen kann. So sammeln sich Cholesterin und andere Stoffe in den Zellen an und zerstören Organe. Die Leber, die Milz. Das Gehirn.

Etwa 200 Patienten leben in Deutschland mit diesem seltenen Leiden. Ein rettendes Medikament existiert nicht. Viele Pharmafirmen scheuen davor zurück, an „Orphan Drugs“, also Medikamenten gegen seltene Erkrankungen, zu forschen. Zu gering ist das wirtschaftliche Interesse, ein Mittel auf den Markt zu bringen, für das es viel zu wenige Abnehmer gibt.

„Selten“ – in Europa bedeutet das: Nur höchstens einer von 2000 Menschen ist an einem Syndrom erkrankt. Oft sind es noch viel weniger. Einer von hunderttausend, einer unter einer Million. Die Krankheiten tragen Namen wie Dubowitz-Syndrom, Morbus Pompe, Thanatophore Dysplasie – oder sie haben überhaupt keinen Namen, Ärzte nennen sie dann zum Beispiel: 3Beta-Hydroxysteroid-Delta5-C27-Steroid-Dehydrogenase-Mangel.