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Über den Autor
Mehr Spannung von F. A. Cuisinier bei DeBehr
F. A. Cuisinier
Kommissar Picon
und der
Spieluhrmörder
Kriminalroman
DeBehr
Copyright by: F. A. Cuisinier
Herausgeber: Verlag DeBehr, Radeberg
Erstauflage: 2021
ISBN: 9783957538864
Grafiken Copyright by AdobeStock by ©soupstock, ©Sveta_Aho
Übersetzungen und Worterklärungen finden Sie im Stichwort-Verzeichnis am Ende des Buches.
Für alle Mädchen und Frauen,
die Opfer von brutalen Verbrechern geworden sind!
Wir sollten alles, was in unserer Macht steht, dafür tun, dass damit endlich SCHLUSS
ist!
„Es ist jetzt genau 16 Uhr und 35 Minuten! Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe heute zwar viel, aber leider nicht alles geschafft, was ich eigentlich diese Woche noch erledigen wollte! Da mir aber weder die Leiche wegläuft, noch die Hinterbliebenen im Genick bzw. Gewissen sitzen und Antworten haben wollen – weil es keine Hinterbliebenen gibt – habe ich beschlossen, heute mal früher Feierabend zu machen und mit dem charmantesten, aufregendsten und schönsten Mann auszugehen, den ich mir vorstellen kann!“
„Irène, du wirst doch nicht …!“
„Fremdgehen? Ich spreche doch von meinem Mann!“
„Du Glückliche!“
„Also, bis Montag!“
„Moment, da kommt gerade eine E-Mail auf deinem PC an!“
„Interessiert mich nicht! Bon weekend!“
„Es ist von Georges!“
„Georges Devereaux?“
„Oui!“
Irène Concort, Gerichtsmedizinerin in Marseille, war eine Powerfrau! Tagsüber schuftete sie, manchmal bis tief in die Nacht, im Gerichtsmedizinischen Institut und klärte mit viel Engagement, akribisch, ungewöhnliche Todesfälle und Morde auf! An den meisten Abenden und Wochenenden hatte sie aber noch genug Energie, um mit ihrem Mann Vincent gemeinsam zu kochen, lange Spaziergänge mit ihren Hunden zu machen oder gemeinsam mit dem Wohnmobil wegzufahren und die Seele baumeln zu lassen! Oder sich aufzubrezeln und ihren Mann in Restaurants, Bars oder Cafés einzuladen! Sie wurde eigentlich nie müde, etwas zu unternehmen, weil ihr Wahlspruch lautete:
„Aufhören zu arbeiten kann ich, wenn ich tot bin!“
Sie musste immer irgendetwas machen!
Deswegen war es für sie auch eine Selbstverständlichkeit, sich die E-Mail ihres Freundes Georges zumindest mal anzusehen! Mit ihm verband sie so viel, sie hatte gemeinsam mit ihm und ihrem Mann so unglaublich viel erlebt! Einige der schönsten Momente ihres Lebens hatten sie mit ihm geteilt und unzählige Mordfälle gemeinsam aufgeklärt! Wenn der jetzt, kurz vor dem Wochenende, eine Nachricht schickte, dann war es etwas Wichtiges!
Irène Concort öffnete ihr E-Mail-Postfach und las:
„Bonsoir, liebste Freundin! Ich bin untröstlich, dich so kurz vor dem bevorstehenden Wochenende stören zu müssen! Ich versichere dir allerdings, dass es dafür einen wirklich wichtigen Grund gibt!“
„Das hoffe ich für dich, mein Freund!“, dachte Irène.
„Ein Ehepaar namens Balladin hat heute Nachmittag in Saint-Michel-sur-Loire die nackte Leiche ihrer 17-jährigen Tochter zugedeckt im Bett liegend gefunden! Das ist zwar im Grunde leider nichts Ungewöhnliches, die Umstände ihres Todes allerdings umso mehr!
Das Mädchen wurde bestialisch ermordet! Und zwar mit dem Pfeil einer Armbrust, der ihr aus kurzer Entfernung in den Hals geschossen wurde! Die Spurenlage dokumentiert, dass sie im Bett liegend getötet wurde, das über und über voll Blut ist! Dem aber nicht genug! Auf der Bettdecke lagen rote Rosen, nur die Blütenblätter! Außerdem befand sich unter ihren auf der Brust gefalteten Händen ein USB-Stick, der ein Video enthält, auf dem die Hinrichtung genau gezeigt wird! Dabei ist auffällig, dass das Mädchen währenddessen bei vollem Bewusstsein, aber bewegungsunfähig, war! Sie verfolgte die Hinrichtung selber mit weit aufgerissenen Augen! Dabei sieht und hört man im Hintergrund eine alte Spieluhr mit Drehfigur, die das Lied:
„Guten Abend, gut’ Nacht“ von Johannes Brahms spielt!“
Irène Concort musste sich setzen! Sie atmete tief durch, gönnte sich eine kleine Pause von einer Minute und las dann weiter:
„Das Mädchen arbeitete auf dem Château de Villandry als Gärtnerin, war fast fertig mit ihrer Lehre!
Sie wurde offensichtlich nicht sexuell missbraucht!
Wir brauchen deine Hilfe! Kannst du bitte mit Picon sofort dorthin kommen und die genauen Untersuchungen leiten? Ich kann hier momentan wegen einer Bandengeschichte noch nicht weg! Ich komme aber am Montag nach! Die Spurensicherung aus Tours ist zwar vor Ort, ich habe aber angeordnet, dass nichts verändert werden soll, bis du kommst! Du hast einfach mehr Erfahrung als die Kollegen auf dem Land! Ich schicke dir einen Hubschrauber, der um 17.30 Uhr bei euch vor dem Institut landet!
Warum ich involviert bin? Seit zwei Wochen bin ich befördert worden – zum Kriminaldirektor und Chefermittler Frankreichs in Fällen von außergewöhnlicher Grausamkeit und Menschenverachtung, die im besonderen Interesse Frankreichs stehen! Pardon nochmals und Grüße an deinen Mann Georges.“
Irène Concort antwortete sofort:
„Glückwunsch zur Beförderung – in ganz Frankreich hätte man keinen Besseren finden können! Bin unterwegs!“
Erst danach sichtete sie das Video aus dem Anhang! Entsetzt von so viel Grausamkeit informierte sie ihren Mann per SMS:
„Chéri, es tut mir sehr leid! Eigentlich wollte ich dich heute Abend ins „Les Deux Garçons“ einladen, aber Georges braucht uns! Kannst du bitte sofort das Wohnmobil fertigmachen und nach Saint-Michel-sur-Loire kommen, ich fliege um 17.30 Uhr mit einem Hubschrauber, den mir Georges schickt! Bitte bring mir ausreichend Kleidung usw. mit, du weißt schon was! Merci!“
Pünktlich, wie vorhergesagt, landete der Hubschrauber vom Typ Airbus Helicopter H 145 vor Irènes Arbeitsstelle. Es war ein leichter, sehr schneller, zweimotoriger Einsatz-Hubschrauber der Polizei Marseille, der auf dem Flughafen Marignane stationiert war, der Firmen-Zentrale von Airbus-Helicopters. Sie kletterte mit ihrem „Notfallkoffer“ in der Hand gekonnt hinein, da es beileibe nicht ihr erster Flug mit diesem schnellen Verkehrsmittel war!
„Ich bin Irène Concort!“, schrie sie den Piloten gegen das Geräusch der Rotorblätter an. Der nickte nur!
Sofort hob der Hubschrauber wieder ab, drehte eine fast waghalsige Linkskurve und nahm Kurs auf Nord-West-Frankreich.
Vincent Concort hatte für solche Fälle, die durchaus öfter vorkamen, eine Wohnmobil-Packliste in seinem Computer gespeichert. Je eine für den Winter, das Frühjahr, den Sommer und den Herbst! So hatte er, zu jeder Jahreszeit, das Richtige dabei und konnte auf diese Weise innerhalb einer Stunde mit seinem Wohnmobil starten! Kraftstofftank, Ölstand, Reifendruck, Waschwasser, Ladestand von Batterien und Gasflasche kontrollierte er regelmäßig, da sein Camper in der Scheune neben seinem Haus in Vauvenargues stand, angeschlossen an das Stromnetz. Aber die WC-Cassette musste vorbereitet, der Frischwasser-Tank gefüllt, Kleidung für seine Frau und ihn eingepackt, Lebensmittel gebunkert und, vor allem, ausreichend Getränke kaltgestellt werden! So musste er nicht vorher noch mal zu einem Supermarkt fahren, um sich für mehrere Tage im Voraus zu versorgen! Anschließend Futter, Näpfe, Halsbänder und Leinen für seine Hunde einpacken, kurze Gassi-Runde mit denen und ab die Post! 56 Minuten diesmal – neuer Rekord!
Über Avignon, Valence, Saint-Etienne, Clermont-Ferrand, Bourges und Tours würde er knapp 8 Stunden für die ca. 800 Kilometer brauchen!
Da dieses Hubschrauber-Modell mit einem Zusatztank ausgestattet war, konnte der Pilot 875 Kilometer mit einer Tankfüllung fliegen und landete nach gut drei Stunden auf einem brachliegenden Feld zwischen der Bahnlinie, die parallel zum Fluss an Saint-Michel-sur-Loire vorbeiführt und der D 125.
Irène Concort wurde vom Bürgermeister des Ortes und dem Polizeichef des Départements Indre et Loire abgeholt und zu einem kleinen, etwas altmodischen Hotel gebracht, wo sie sich etwas frischmachen konnte. Sie wurde von der Besitzerin herzlich willkommen geheißen und man merkte, dass diese Begrüßung wirklich ernst gemeint war und nicht nur eine heute leider weitverbreitete Floskel!
Irène erklärte der Hotel-Inhaberin, dass dieses Zimmer eigentlich ab Montag für Georges Devereaux reserviert wäre, da sie, mit ihrem Mann, ab morgen in einem Wohnmobil übernachten würde! Nach den Zusammenhängen gefragt sagte sie:
„Ich bin Gerichtsmedizinerin in Marseille, mein Mann ehemaliger Leiter der Pariser Kriminalpolizei und Monsieur Devereaux, ein Freund von uns, ist Kriminaldirektor mit besonderem Aufgabengebiet!“
Nach ein paar Minuten verabschiedete sich Irène Concort und ging in Begleitung der beiden Herren zum Tatort, einem kleinen, unscheinbaren Haus gegenüber der Kirche.
Was sich ihr dort für ein Bild bot, war selbst für eine so erfahrene und schlimme Tatumstände gewohnte Gerichtsmedizinerin, wie sie eine war, sehr schwer verdaulich!
Das Zimmer der Toten war winzig und bestand nur aus einem alten Tisch, einem Stuhl, einem Kleiderschrank und einem Holzbett, auf dem das arme Mädchen in seinem Blut lag! Die Eltern, die ihr Kind am Nachmittag so gefunden hatten, erlitten einen schweren Schock und mussten im Krankenhaus stationär aufgenommen werden!
Das Mädchen lag nackt unter einer bunten Tagesdecke mit großen Teddybären, die sie vermutlich schon seit Kindertagen besaß. Mitten in ihrem Hals steckte ein Armbrust-Pfeil, auf der Stirn war die Zahl „1“ eingeritzt! Ihre Augen waren weit aufgerissen! Nachträglich wurde ihr unter die gefalteten Hände ein USB-Stick gelegt, auf dem ein Video der Hinrichtung des Mädchens gespeichert war! Die alte Spieluhr, die in dem Video zu sehen gewesen war und auf dem Tisch gestanden hatte, fehlte!
Die Spuren-Sicherung hatte jeden Zentimeter der Leiche, der Auffindungsumstände und des Zimmers fotografiert und dokumentiert und danach wieder alles so hergerichtet, wie sie es vorgefunden hatten.
Irène Concort nahm ihre Arbeit auf und dokumentierte ihrerseits per Sprachaufnahme durch ein Head-Set alles, was ihr spontan auffiel! Dann gab sie die Leiche zum Abtransport frei. Sie wurde ins gerichtsmedizinische Institut nach Tours gebracht! Dort würde sie ab dem nächsten Tag ihre weitergehenden Untersuchungen des Körpers der Toten beginnen!
Als sie nach 1 ½ Stunden mit ihrer ersten Tatort-Analyse fertig war, verließ sie das Haus, sog draußen mehrere Minuten lang frische Luft in ihre Lungen und ging dann in eine kleine Bar drei Häuser weiter auf der gleichen Seite, die Treffpunkt des Ortes, Tabakladen, Zeitungskiosk und Imbiss zugleich war!
„Einen doppelten Cognac, bitte – nein – geben Sie mir einen dreifachen!“, bat sie die Dame hinter dem Tresen.
„Sofort, Madame, Sie sind …?“
„Irène Concort, Gerichtsmedizinerin aus Marseille!“
„Oh, da haben Sie gerade Furchtbares ansehen müssen!“
„Das bin ich gewöhnt, aber so was Grausames sehe selbst ich nicht oft!“
„Erzählen Sie!“, sagte die Wirtin, gewohnt, mit jedem über alles in dem 689-Seelen-Ort zu sprechen und stützte sich mit ihren Unterarmen auf den Tresen, nachdem sie Irène den Cognac hingestellt hatte!
„Tut mir leid! Sie werden verstehen, dass ich Ihnen keine Einzelheiten zu einem laufenden Mordfall mitteilen kann!“
„Schade, aber ich verstehe Sie! Der arme Vater hat gerufen, seine Tochter sei mit einem Pfeil im Hals getötet worden, als er hier Hilfe geholt hat! Furchtbar, Nathalie Balladin war ein so liebes, unschuldiges und friedliches Mädchen! Ich kann mir gar nicht erklären, wer etwas gegen sie haben konnte!“
Irène Concort war zwar einiges gewöhnt, aber weit davon entfernt „abgebrüht“ zu sein! Sie kochte innerlich vor Wut, dass wieder ein junges Mädchen, welches im Normalfall noch ungefähr 70 Jahre Leben vor sich gehabt hätte, so furchtbar sterben musste!
„Dasselbe noch mal, bitte!“
Die Wirtin konnte den Gemütszustand ihres Gastes gut nachvollziehen und schenkte sehr schnell und großzügig nach!“
Irène leerte auch das zweite Glas auf Ex, legte zwanzig Euro auf den Tresen und sagte:
„Das Schwein krieg ich – und wenn es das Letzte ist, was ich in diesem Leben tue! Vielen Dank, bis später, ich komme mit meinem Mann bestimmt noch mal vorbei!“
„Ich hab zu danken, wie lange werden Sie hier im Ort bleiben?“
„Ein paar Tage, schätze ich! Au revoir!“
Irène Concort ging zu Fuß zum Hotel, das nur wenige Schritte entfernt war und genoss auf dem Weg die frische Landluft.
Um 23.45 Uhr ging sie ins Bett, konnte aber verständlicherweise lange nicht einschlafen!
Vincent Concort war bis Châtel-Guyon gefahren, 20 Kilometer nördlich von Clermont-Ferrand und hatte dort auf dem Campingplatz Station gemacht. Da er seinen Stellplatz telefonisch von unterwegs reserviert hatte, konnte er sofort, ohne Anmeldung, durchfahren! Er schloss den Camper an den Strom an und ging sich mit seinen Hunden die Füße vertreten.
Die Concorts hatten zwei Doggen, Garçon, eine 5 Jahre alte männliche Bordeaux-Dogge und Dschingis Khan, ein 4 Jahre alter englischer Mastiff-Rüde! Beide waren massige Hunde von 60 und 80 kg! Sie hatten, im Dienste der Polizei, schon oft großen Anteil an der Durchführung von Festnahmen schwerer Straftäter gehabt, da sie von Vincent Concort und seinem Freund Georges Devereaux bei gefährlichen Einsätzen oder zur Spurensuche mitgenommen worden waren. Auch als Schutzhunde waren die zwei fast unschlagbar!
Er gönnte sich noch ein Feierabend-Bier und ging dann schlafen!
Nach einer ruhigen Nacht auf dem Campingplatz startete er um 8 Uhr morgens wieder und war um die Mittagszeit in Saint-Michel-sur-Loire, wo er auf dem Hotel-Parkplatz stehen durfte. Die Hotel-Besitzerin hatte Irène Concort das mit den Worten angeboten:
„Wenn Sie schon von so weit herkommen, um hier bei uns einen furchtbaren Mord aufzuklären, dann sollen Sie auch mit Ihrem Wohnmobil sicher stehen können! Ich lasse Ihnen ein Stromkabel rauslegen!“
Inzwischen hatte seine Frau den Tatort und da vor allem das Bett penibel untersucht, um eventuelle Spuren so schnell wie möglich zu sichern! Der Täter musste das Mädchen mehrfach angefasst haben, einmal um sie zu betäuben und auf das Bett zu legen, vermutlich hatte er sie ausgezogen und ihr, nach der Tat, den USB-Stick unter die Hände gelegt. Akribisch untersuchte Irène Concort jeden Zentimeter nach DNA-Spuren vom Täter, Haare, die nicht zum Mädchen passten, Hautschuppen, etc. Den USB-Stick hatte sie bereits unmittelbar nach der Tatort-Begehung am Vortag per Kurier in ein Fachlabor bringen lassen.
Als sie auf dem Handy eine SMS von ihrem Mann bekam, dass er vor Ort wäre, hatte sie ihn vor dem Hotel begrüßt und gleich mit den beiden Hunden zum Tatort geführt. Die wurden vor dem Haus der Balladins abgelegt und demonstrierten so nach allen Seiten:
„Vorsicht! Mit Herr und Hunden ist nicht zu spaßen!“
„Ekelhaft! Ein so junges Leben auf so grausame Weise auszulöschen, einfach furchtbar!“, sagte Vincent Concort, sichtbar erschüttert, als er den Tatort besichtigte.
Anschließend sah er sich das Video an. Es war gut eine Minute lang.
Untermalt von der Musik des Johannes Brahms aus der Spieluhr, auf der sich eine Tänzerin drehte, sah man das arme Mädchen in Nahaufnahme, die Augen weit aufgerissen vor Angst. Plötzlich schoss von links ein Pfeil ins Bild und bohrte sich in den Hals des Opfers. Das Blut sprudelte sofort in hohem Bogen aus der Wunde. Als die Musik verstummte, war das Mädchen bereits tot.
Vincent Concort war sehr schockiert, was bei einem langjährigen Kriminal-Kommissar, der sehr viel Elend und Leid gesehen hatte, was heißen soll!
„Das wird nie aufhören, leider! Und wir können nichts dagegen machen, nur mit Tropfen auf heißen Steinen die schwersten Verbrecher ein ganz kleines Bisschen im Zaum halten! Es ist so frustrierend!“
„Tja, darüber dürfen wir uns keine Gedanken machen, sonst werden wir depressiv! Wir müssen uns auf jeden aktuellen Fall konzentrieren und unser Bestes geben! Mehr können wir, leider, nicht tun!“
„Und wir sind die Besten! Wenn Georges kommt, reißen wir dem Schwein den Arsch auf!“
„Das hast du wirklich sehr poetisch gesagt, Chéri!“
Mit seiner Kompetenz als Kriminal-Direktor hatte Georges Devereaux Irène Concort eine Genehmigung besorgt, auch am Wochenende das Gerichtsmedizinische Institut in Tours betreten zu dürfen! Am Samstagnachmittag fuhr Irène mit einem Brigardier der Polizei deshalb dorthin, um erste Untersuchungen abgeschlossen zu haben, wenn Georges an den Tatort kam! Bis spät in die Nacht war sie dort unermüdlich bei der Arbeit. In der Zwischenzeit hatte Kriminaldirektor Devereaux drei neutrale Mittelklassewagen der Polizei des Départements nach Saint-Michel-sur-Loire bringen lassen. Einen für ihn, einen zweiten für seinen Freund Vincent Concort und einen für dessen Frau, die Gerichtsmedizinerin. So waren alle drei ab sofort mobil und konnten ihre Recherchen unabhängig voneinander durchführen.
Um drei Uhr morgens wurde Irène Concort mit ihrem zukünftigen Auto abgeholt und ins Hotel gefahren.
Ihr Mann saß auf der Hotelterrasse und machte sich eifrig Notizen in einem kleinen Heft. Dort speicherte er alles Wissen über den Fall und nahm das Büchlein überallhin mit.
„Salut, Chéri, ich bin ziemlich kaputt!“
„Das glaube ich! Was hast du herausgefunden?“
„Pardon, ich brauch jetzt erst mal einen Cognac!“
„Voila! Schon vorbereitet!“
Vincent Concort griff hinter sich, wo auf einem kleinen Tischchen, neben seinem Bier, das Gewünschte stand!
Irène Concort hob das Glas, prostete ihrem Mann wortlos zu und leerte es auf einen Zug!
„Oh là là! Du musst ja ziemlich angefressen sein!“
„Angefressen ist gar kein Ausdruck! Ich bin, nach der Obduktion, gerade acht Meter groß und neun Tonnen schwer geworden, ein T-Rex war ein Dreck gegen mich! Wenn ich das Schwein erwische, mach´ ich Konfetti aus dem!“
„Jetzt bist du der Poetischere von uns beiden!“
„Was schreibst du da?“
„Ich sammele Fragen!“
„Ja, wie immer eben!“
„Und du? Was hast du herausgefunden?“
„Nichts was uns weiterbringt, fürchte ich! Keine fremden Haare, keine Hautschuppen und auf die Spuren an dem Stick muss ich bis Dienstag warten, genauso wie auf den Abschlussbericht der Spurensicherung!“
Als Georges Devereaux am Montagmittag mit dem TGV aus Paris in Monts, dem Schnellzug-Bahnhof bei Tours, ankam, wurde er von Vincent Concort abgeholt.
„Salut Georges!“
„Salut Picon!“
Seit seiner Zeit als Leiter der Kriminalpolizei in Paris hieß Vincent Concort bei allen nur „Picon“, weil er den gleichnamigen Apéritif so gerne trank!
Sie fuhren die 20 Kilometer mit dem Wagen nach Saint-Michel-sur-Loire. Georges checkte erst mal in dem kleinen Hotel ein, wo er von Picons Frau Irène herzlich begrüßt wurde.
„Salut Georges, ich hoffe, es stört dich nicht, dass ich schon eine Nacht in deinem Zimmer übernachtet habe! Die Hotel-Besitzerin hat aber die Bettwäsche gewechselt!“
„Salut liebste Freundin! Deine einmal benutzte Bettwäsche hätte mich aber nicht im Geringsten gestört! Du bist ja nicht giftig!“
„Na, manche sagen da was anderes!“
„Ja, die, denen du mächtig auf die Füße getreten bist!“
„Davon scheint es aber viele zu geben! Was da draußen so rumläuft, ist manchmal wirklich kaum zu ertragen!“
„Da hast du wohl recht! Halte es, wie ich, mit Konrad Adenauer – der hat mal gesagt:
„Was regen Sie sich über die Menschen auf – andere haben wir nicht!“
„Das kannst du? Ich arbeite seit Jahrzehnten daran, schaffe es aber nie! Im Gegenteil, je älter ich werde, desto wütender machen mich Dummheit, Menschenverachtung und Brutalität!“
Nach einem kleinen Wiedersehens-Umtrunk in der Bar an der Kirche (erstaunlich – die meisten Bars auf der Welt sind in der Nähe einer Kirche! – wahrscheinlich, damit es die Messeschwänzer nicht so weit haben!), berichtete Georges von seiner Beförderung und seinen Zukunftsplänen:
„Ich soll eine nationale Polizei-Ermittler-Gruppe aufbauen, die ausschließlich mit Aufgaben betraut ist, die schwerste Straftaten aufklären soll, welche im besonderen Interesse Frankreichs liegen! Die Schwerpunkte liegen in diesem Aufgabenbereich bei Taten mit besonderer Grausamkeit und Menschenverachtung, deren Täter sehr schnell hinter Gittern gebracht werden sollen. Das reicht von Vergewaltigung bis hin zu Morden organisierter Kriminalität, im In- und Ausland. Man hat mir ein Budget zur Verfügung gestellt, von dem Polizisten nur träumen können! Ich bekomme jede Unterstützung und habe sogar ein abhörsicheres Smartphone, auf dem auch die Handy-Nummer des Innenministers und des französischen Präsidenten gespeichert ist! So kann ich mir, in besonderes ekelhaften und wichtigen Fällen, innerhalb weniger Minuten ein O.k. für außergewöhnliche Aktionen und Maßnahmen holen!
Picon, ich würde gerne mit dir heute Abend meine Vorschläge für die Eingreif-Truppe diskutieren – nachdem ich den Tatort besichtigt habe!“
„Sehr gerne!“
Dort setzten Picon und seine Frau ihren Freund ins Bild und zeigten ihm das Video, das Irène bereits am Freitag auf ihren Laptop überspielt hatte!
„So eine widerliche Ratte! Den kriegen wir hoffentlich sehr schnell, damit der keinem mehr was antun kann! Das arme Mädchen! Werden die Eltern psychologisch betreut?“
„Selbstverständlich!“, sagte Irène. „Aber es ist zu befürchten, dass alle Bemühungen unsererseits nicht verhindern können, dass für die Eltern ihr Leben gefühlt zu Ende ist!“
„Ja, leider wird das beim Strafmaß für die Täter nie mitberücksichtigt!“, ergänzte Picon.
„Was hast du bereits herausgefunden, Irène?“
Sie erklärte, dass es außer dem Video auf dem USB-Stick und dem Armbrustpfeil keine Spuren gäbe und sie, vor allem den und die Spieluhr im besonderen Fokus habe und einige Informationen bei verschiedenen Stellen angefordert worden seien, die in den nächsten Tagen weitere Fakten zutage bringen würden!
„Keine Einbruchspuren, Fingerabdrücke, Spermaspuren, Textilfasern?“
„Leider nein! Der Täter, ich gehe jetzt mal davon aus, dass es ein Mann war, ist extrem vorsichtig gewesen! Das Mädchen wurde nicht sexuell missbraucht!“
„Oh, merde! Dann haben wir es mit einem grausamen, selbstverliebten Psychopathen zu tun – das sind die Schlimmsten! Und die kompliziertesten Fälle! Aber wir sind die Crème de la Crème der französischen Polizei – der Kerl hat keine Chance! Es ist nur eine Frage der Zeit!“
„Das sehe ich genauso!“, sagte Picon, „Irène wird schon was finden, was uns als Anhaltspunkt dienen kann, so wie sie bisher immer was gefunden hat!“
„Danke Jungs! Ich werde mein Bestes geben, mein Allerbestes! Morgen wissen wir vielleicht mehr!“
Am frühen Abend saßen sie zusammen in Georges Hotelzimmer, vor dem ein Polizist Wache stand und einer draußen am Hoteleingang!
„Hast du jetzt immer Bodyguards dabei, die dir Händchen halten?“, frotzelte Picon.
„Ja leider! Ich muss mich damit abfinden, dass die in Zukunft ständig an meiner Seite sind! Das hat aber auch sein Gutes! Denn so eine Katastrophe wie Germaines Entführung in Artagnac will ich nicht noch mal erleben!“
„Apropos Germaine! Wolltet ihr nicht heiraten?“