Für Mika, Ben und Bel
Über den Klippen der Mittelmeerküste ragte ein gewaltiger Palast empor. Die gewölbten Dächer wurden von Marmorsäulen getragen. Zarte Stoffe, die als Sonnenschutz dienten, waren über Nacht zurückgeschoben worden, um der kühlen Brise Einlass zu gewähren. Sie wehten im Rhythmus der Wellen, die nicht weit entfernt ans Ufer brandeten. Meterhohe Statuen huldigten den Göttern, wie es seit jeher Brauch war.
Auf dem höchsten Plateau, das umsäumt war von blühenden Hibiskus- und Limoniumsträuchern, stand die Königin auf einem hölzernen Podest, den Blick auf den Horizont gerichtet, wo die Sonne gerade dem Meer entstieg.
Sie trug keine kostbare Seide, sondern ein schlichtes weißes Gewand. Ihr nachtschwarzes Haar, das sonst kunstvoll geflochten und mit einer Krone aus purem Gold verziert war, fiel ihr offen über den Rücken. Einzelne Strähnen umspielten ihr Gesicht, als wollten sie die Tränen fortwischen, die ihre Wangen benetzten. Ihre Arme hingen kraftlos an ihrer Seite herab und doch stand sie aufrecht, den Rücken durchgedrückt, die Schultern gestrafft.
Ganz die stolze Herrscherin, die sie einst gewesen war.
Nun war sie gebrochen, ein Schatten ihrer selbst.
Königin Élyssa achtete nicht auf die Flammen, die unter dem Podest hervorzüngelten und sich bereits nach ihrer Robe ausstreckten. Stattdessen starrte sie auf die kleine Flotte, die im Morgengrauen Segel gesetzt hatte und sich mit jedem ihrer Atemzüge weiter von der Küste Karthagos entfernte.
Ein Beben ging durch ihren Körper, und ihrer Kehle entwich ein Laut, so qualvoll, dass sämtliche Zuschauer hinter ihr zusammenzuckten. Es war der Klang eines gebrochenen Herzens, das keine Macht mehr zu heilen vermochte.
Auch nicht die Göttin der Weisheit.
Minerva stand getarnt als Sterbliche unter den Anwesenden. Sie alle leisteten dem Befehl ihrer Königin Folge und unternahmen nichts, um sie zu retten.
Als Élyssa die Hand hob, blitzte im Schein der aufgehenden Sonne die Klinge eines Dolches auf. Es war eine fein gearbeitete Waffe.
Eine Waffe aus Troja.
Ein Geschenk vom letzten Überlebenden des Herrschergeschlechts.
Aeneas, Sohn des Anchises und der Liebesgöttin selbst.
Das Flaggschiff, auf dem sich der Verräter nun befand, steuerte über das türkisblaue Tyrrhenische Meer einer neuen Welt entgegen. Er würde niemals zurückkehren. Alles Bitten und Flehen der Königin hatte ihn nicht erweichen und zum Bleiben bewegen können. Er hatte ihr jede Hoffnung auf ein glückliches Leben geraubt. Deshalb hatte Élyssa beschlossen, ihrer Qual ein Ende zu setzen.
Sie zögerte nicht, als sie den Dolch gegen sich selbst richtete. Stattdessen trieb sie sich die Klinge mit all ihrer Verzweiflung zwischen die Rippen.
Blut sickerte aus der Wunde und färbte ihr Gewand karmesinrot.
Das Leben verließ die Königin und mit ihm verging der Schmerz. Erleichtert schloss sie die Augen. Ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Dann brach sie auf dem Podest zusammen.
Die Flammen kannten keine Gnade. Sie fraßen sich zum Saum ihres Kleides empor und nahmen ihren leblosen Körper in Besitz. Rauch stieg auf vor dem blutroten Himmel. Wehklagen wurden laut. Die Gefolgschaft der gefallenen Königin trauerte nun ohne Zurückhaltung.
Nicht so die Göttin der Weisheit, denn es war nicht Kummer, was sie empfand. Sie war wütend über den Tod ihres irdischen Schützlings. Und das alles nur wegen eines Mannes. Weil er die Liebe der Königin zurückgewiesen hatte.
Hasserfüllt wandte Minerva den Blick aufs Meer und sah dem schwindenden Königssohn nach. Es wäre ein Leichtes für sie, den Verräter zu vernichten. Sie müsste lediglich die Hand heben. Das Schiff würde kentern und Aeneas’ Lungen würden bersten, noch bevor er das Ausmaß seines Fehlers begriff.
Doch das war nicht genug. Minerva gönnte ihm kein schnelles Ende. Er sollte leiden, genau wie Élyssa. So schwor die Göttin Rache:
»Aeneas, Stammvater der Ewigen Stadt und Ahnherr des neuen Volkes, Élyssas Schicksal soll auch dir und den Deinen widerfahren. Ihr sollt verraten werden von jenen, die ihr liebt und die eure Zuneigung erwidern, ehe ihr den Tod findet. Blut für Blut. Leben für Leben. Bis Liebe über Verstand obsiegt.«
Damit verschwand sie.
Jesper hatte Salat zwischen den Zähnen.
Ich fragte mich, ob ich ihn darauf hinweisen sollte, ließ es dann aber doch bleiben. Stattdessen versuchte ich, seine verstohlenen Blicke zu ignorieren, indem ich konzentriert die Krümel musterte, die aus dem Brotkorb auf die gestärkte Leinentischdecke gefallen waren.
Summertown hatte nicht besonders viele Restaurants zu bieten. Aber Jesper hatte sich für das hübscheste entschieden: ein gemütliches Steakhouse, das über einen zauberhaften Garten verfügte.
Der April war an diesem Abend erstaunlich mild. Die brennenden Fackeln, die überall in der Erde steckten, sorgten zusätzlich für eine behagliche Wärme. Der sanfte Wind trug den Geruch von Harz und moosbedeckter Erde aus dem nahe gelegenen Wald zu uns herüber und mischte sich mit dem herben Aftershave, das Jesper etwas zu großzügig aufgetragen hatte.
Leise Jazzmusik erklang aus Lautsprechern, die geschickt im Garten verteilt waren. Geschirrgeklapper und gemurmelte Gespräche der übrigen Gäste hallten zu uns herüber. Doch all die Geräusche konnten nicht über die peinliche Stille an unserem Tisch hinwegtäuschen.
Jesper schien dies ebenfalls zu bemerken, denn er räusperte sich angestrengt und zupfte am Kragen seines blauen Hemdes herum. Er hatte sich für unser Date reichlich in Schale geworfen. Keine Falte war auf seiner Kleidung zu sehen, als hätte er sie stundenlang vorher gebügelt – oder, was wahrscheinlicher war, seine Mutter.
»Schmeckt es dir nicht?«, fragte er und ging dazu über, seine kurzen blonden Haare abzutasten, die modisch in Form gestylt waren.
Ich ignorierte sein nerviges Gefummel und zwang mir ein Lächeln ins Gesicht. »Doch. Es ist lecker.«
Angespannt säbelte ich ein Stück Filet ab und schob es mir in den Mund, während mir nicht zum ersten Mal an diesem Abend die Frage durch den Kopf schoss, wie ich überhaupt in dieser Situation gelandet war.
Eigentlich ging ich nicht mehr auf Dates. Schon gar nicht mit Mitschülern. Das lag nicht daran, dass ich keine Angebote bekam. Es war nur so, dass meine Eltern, die im Grunde wirklich cool waren, ausgerechnet was diesen Punkt betraf, geradezu nervenaufreibend spießig waren.
Dates waren für mich tabu. Und egal, wie oft ich versuchte, Mom und Dad zu einer Lockerung dieser Regel zu bewegen, sie änderten ihre Meinung nie.
Keine Ahnung, warum sie mir in Bezug auf das andere Geschlecht so wenig vertrauten. Ich war schließlich nicht blöd. Ich wusste selbst, dass die meisten Kerle in unserem Alter nur eins im Kopf hatten, und ich hatte keine Lust, als Kerbe in einem Bettpfosten zu enden. Leider raubten mir meine Eltern durch ihre Vorurteile jede Möglichkeit, einen netten Typen überhaupt erst mal kennenzulernen.
Jesper war wie ich im letzten Jahrgang, aber bisher hatten wir kaum etwas miteinander zu tun gehabt. Deshalb war ich überrascht gewesen, als er mich gestern Nachmittag während eines Stadtbummels mit meiner besten Freundin angesprochen hatte.
Ich saß gerade im Schneidersitz auf einer Bank und scrollte mich durch die Insta-Posts auf meinem Smartphone, während Delilah im Buchladen gegenüber verschollen war. Jesper hatte freundlich gefragt, ob er mir Gesellschaft leisten durfte, und da ich ein höflicher Mensch war, stimmte ich zu.
Unsere Unterhaltung war angenehm gewesen. Er hatte mich zum Lachen gebracht und schien zumindest auf den ersten Blick kein Player zu sein, der bloß auf Sex aus war. Als Dee wieder aus den Untiefen von Pete’s Bookscorner auftauchte, war eine Stunde wie im Flug vergangen, und ich hatte mich prächtig amüsiert.
Nach der letzten heimlichen Verabredung vor ein paar Monaten, die sich als totaler Flop erwiesen hatte, war ich eigentlich entschlossen gewesen, meine Eltern nicht noch einmal zu hintergehen. Ich hatte mich sowieso nie sonderlich wohl dabei gefühlt, und es schien mir das Risiko einfach nicht wert zu sein. Aber Jesper hatte so süß um ein Date gebeten, dass ich letztlich doch zugestimmt hatte.
Dee war vor Begeisterung total ausgeflippt, weil ich meine rebellische Seite endlich wieder auslebte. Natürlich erklärte sie sich wie die anderen Male bereit, mir für heute Abend den Rücken freizuhalten. Während meine Eltern also davon ausgingen, dass wir uns einen Mädelsabend mit Popcorn und Jane-Austen-Filmen machten, war ich in Wirklichkeit in dieses Steakhouse gefahren. Und nun saß ich hier und ärgerte mich, dass ich einmal mehr einer Täuschung erlegen war.
Nur mühsam verkniff ich mir ein enttäuschtes Seufzen. Ich hatte wirklich gedacht, diesmal wäre es anders.
Leider hatte Jesper inzwischen sein wahres Gesicht gezeigt. Das neckische Funkeln in seinen Augen war erloschen und einem unangenehmen Starren gewichen. Sein Blick klebte schon wieder auf meinem Ausschnitt. Dabei war ich für eine Siebzehnjährige regelrecht züchtig angezogen. Ich trug eine locker sitzende Bluse, geflickte Skinny-Jeans, Sneakers und eine graue Strickjacke. Mein blondes Haar hatte ich zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Ich hatte nicht einmal besonders viel Make-up verwendet, weil ich es nicht leiden konnte, mir irgendeine überteuerte Kosmetikpaste ins Gesicht zu klatschen.
Jesper leckte sich über die Lippen – und mich überzog eine Gänsehaut.
Geräuschvoll ließ ich das Besteck fallen. Mir war der Appetit endgültig vergangen. Und das lag nicht an dem Salatblatt, das nach wie vor auf seinem linken Schneidezahn klebte.
»Lass uns zahlen«, sagte ich.
Jespers Aufmerksamkeit kehrte in mein Gesicht zurück. »Warum?«, fragte er überrascht. »Amüsierst du dich nicht?«
Beinahe hätte ich gelacht. Stattdessen riss ich mich zusammen und schüttelte nur milde lächelnd den Kopf.
Absolute Ratlosigkeit erschien in Jespers braunen Augen, und egal, wie viel Mühe ich mir gab, ich konnte beim besten Willen nichts mehr von dem coolen Typen erkennen, mit dem ich gestern noch auf der Bank gelacht hatte. Da ich ihn aber auch nicht einfach sitzen lassen wollte, winkte ich dem Kellner zu und signalisierte ihm, uns die Rechnung zu bringen.
»Was hast du denn erwartet?«, erkundigte er sich in beiläufigem Tonfall. Er schien sich keiner Schuld bewusst zu sein.
Unfassbar!
»Keine Ahnung.« Müde rieb ich mir über die Stirn. »Dass du dich mehr für mich interessierst als für meine Brüste. Das wäre zumindest ein guter Anfang gewesen.«
Verwirrt sah Jesper mich an. »Ich dachte, Frauen stehen drauf, betrachtet zu werden.«
Tja, nun, das hing wohl vom Betrachter ab. Seine Blicke verursachten mir mittlerweile eher Sodbrennen.
Ich konnte nicht fassen, dass ich meine Eltern belog und meine beste Freundin als Alibi missbrauchte für einen Kerl, der kaum mehr in der Lage war, mir länger als zwei Sekunden in die Augen zu schauen. Zu meiner Erleichterung eilte der Kellner herbei, der meine missliche Lage erkannt zu haben schien. Jesper zückte seine Geldbörse. Da ich ihm nichts schuldig bleiben wollte, kramte ich in meiner Handtasche und legte einen Zwanziger auf den Tisch. Dann stand ich auf und verließ das Steakhouse durch das Gartentor.
Jesper folgte mir schweigend. Auf dem Parkplatz blieb ich stehen und holte den Autoschlüssel aus meiner Handtasche.
»Wollen wir noch ein bisschen spazieren gehen?«, fragte Jesper unvermittelt.
Nun war ich es, die irritiert dreinschaute. Ich hatte eigentlich angenommen, dass mein überstürzter Aufbruch eine klare Botschaft vermittelte. Aber anscheinend musste ich noch deutlicher werden. »Ich möchte lieber sofort nach Hause.«
»Jetzt komm schon.« Jesper verringerte den Abstand zwischen uns und senkte die Stimme zu einem Raunen. »Wir könnten noch ein bisschen reden.«
Ich schüttelte ungläubig den Kopf. Klar doch. Das hatte beim Essen ja auch super funktioniert. Demonstrativ wich ich einen Schritt zurück. »Mach’s gut, Jesper.«
»Rufst du mich bald an?«
Ich verstand ehrlich nicht, wieso er nach diesem miesen Date ernsthaft eine Wiederholung in Betracht zog. Aber seinem hoffnungsvollen Gesichtsausdruck nach zu urteilen war genau das der Fall.
»Wir sehen uns doch in der Schule«, redete ich mich heraus und entriegelte die Tür zu meinem roten Honda Civic. Ich wollte nur noch hier weg.
Jesper streckte die Hand nach mir aus. »Jetzt warte doch.«
»Ich muss los.« Hastig wich ich ihm aus, stieg in den Wagen und zog die Tür hinter mir ins Schloss. Die Verriegelung schnappte zu, ein Automatismus, den ich meinem übervorsichtigen Vater zu verdanken hatte.
Ich pfefferte gerade meine Handtasche auf den Beifahrersitz, als Jesper wie ein Irrer gegen die Fensterscheibe hämmerte. Erschrocken sah ich ihn an, machte aber natürlich keine Anstalten, das Fenster herunterzufahren, geschweige denn noch einmal die Tür zu öffnen.
Als würde er mich für zu blöd halten, seine ausschweifenden Gesten zu verstehen, hob er die Stimme, sodass man ihn wahrscheinlich noch im Restaurant hören konnte. »Jetzt sei nicht so, Nayla. Der Abend ist doch noch jung.«
Da hatte er allerdings recht. Es war gerade mal zehn nach neun. Und das an einem Freitagabend. Da hätte ich auch gleich zu Hause bleiben können.
Missmutig funkelte ich Jesper an und schüttelte den Kopf.
Er schien einzusehen, dass er chancenlos war, denn er richtete sich auf. »Dann eben nicht«, brummte er und stapfte reichlich angepisst davon.
Na, das war ja spitzenmäßig gelaufen.
Seufzend kramte ich mein Smartphone hervor, wählte Delilahs Nummer und aktivierte den Lautsprecher. Während es klingelte, startete ich den Motor und fuhr vom Parkplatz auf die Landstraße, die nach Summertown führte. Das Steakhouse lag ein paar Meilen außerhalb der Stadt, weshalb ich mindestens eine zehnminütige Fahrt vor mir hatte, also ausreichend Zeit, mich bei meiner besten Freundin auszuheulen.
Nach dem sechsten Klingeln nahm Dee endlich das Gespräch an. »Nayla?«
»Hey.« Ich klang so traurig, dass sie nach Luft schnappte.
»Alles in Ordnung?«
»Nicht wirklich.«
»Bleib dran«, bat sie und sprach in gedämpfter Stimme weiter: »Mach mal kurz Pause. Ich muss mit Nayla reden.«
»Was ist los?«, erklang Matts Stimme.
Ich lächelte, als ich seine Sorge hörte. Abgesehen von Dee war Matt einer meiner wenigen wirklichen Freunde. Angefangen hatte alles, als wir im Kindergarten zusammen im Sandkasten saßen. Matt hatte mir eine Schaufel aus den Händen gerissen, um sie Delilah als Geschenk zu überreichen. Doch die briet ihm das Teil über, weil er es mir weggenommen hatte. Der arme Matt war so verdattert gewesen, dass er den ganzen Spielplatz zusammenbrüllte, und Dee weinte, weil sie ihm wehgetan hatte. Am Ende trösteten wir uns alle gegenseitig. Seitdem waren wir unzertrennlich.
Matt war auch der einzige Junge, den meine Eltern in meinem Umfeld akzeptierten, weil es geradezu lächerlich offensichtlich war, wie sehr er Dee liebte. Trotzdem hatte es Jahre gedauert, bis die beiden es endlich geschafft hatten, sich ihre Gefühle füreinander einzugestehen. Seit fünf Monaten waren sie nun offiziell ein Paar und widerwärtig glücklich.
Ich freute mich natürlich sehr für die beiden, war aber ehrlich genug, mir selbst einzugestehen, dass ich sie beneidete. Ich hätte auch gern einen großartigen Freund gehabt, der mir die Welt zu Füßen legte.
»Okay, ich bin wieder da«, sagte Dee. »Raus mit der Sprache. Was ist passiert?«
»O mein Gott, Dee. Es war grauenvoll«, jammerte ich. »Das schlimmste Date seit Brandon Mitchell.«
»Was? Aber wieso denn? Ihr habt euch doch gestern noch so gut verstanden.«
»Ich weiß auch nicht.« Hinter mir leuchteten Scheinwerfer auf, und ich drosselte das Tempo, als mich ein Wagen überholte. Zum Dank bekam ich ein Hupen, das keineswegs freundlich gemeint war.
»Arschloch«, brummte ich, was Delilah natürlich falsch verstand.
»Was hat Jesper gemacht?«, fragte sie alarmiert.
»Nichts«, erwiderte ich und runzelte die Stirn. »Er war einfach nur wie ausgewechselt. Gestern war er witzig und charmant. Aber heute Abend … Ich kann es überhaupt nicht richtig beschreiben.«
»Ach, Süße. Vielleicht war er einfach nur nervös.«
Schnaubend bog ich um eine Kurve. »Nein, ich denke, sein Problem lag definitiv weiter südlich, wenn du verstehst, was ich meine.«
Dee gluckste. »Na ja, du hast eben diese Wirkung auf Jungs.«
Ich stöhnte genervt auf. »Fang bitte nicht schon wieder damit an.«
Wir hatten diese Diskussion schon unzählige Male geführt. Sicher, ich war nicht hässlich. Aber auch nicht außergewöhnlich schön. Ich besaß Kurven und keine Modelmaße. Und ich lief auch nicht in Klamotten durch die Gegend, die mehr Haut als Stoff präsentierten. Ehrlich gesagt fand ich mich im Vergleich zu meinen Mitschülerinnen sogar eher langweilig.
»Es ist aber wahr. Du bist nun mal ziemlich sexy. Find dich damit ab«, beharrte Dee, bevor sie losprustete. »Matt meint gerade, einschüchternd beschreibt es besser.«
»Das ist doch lächerlich. Ich bin keine Femme fatale. Ich sehe nicht mal besonders gefährlich aus.«
»Nein, du siehst aus wie ein Engel«, erwiderte Dee unverblümt. »Und das ist definitiv noch schlimmer.«
»Großartig. Da fühle ich mich doch gleich viel besser.« Frustriert verzog ich das Gesicht, als plötzlich ein Knacken in der Leitung ertönte.
»Nayla? Bist du noch dran?«
»Ja, Funkloch. Kann sein, dass ich gleich weg bin.«
Dee seufzte mitfühlend. »Okay. Aber nimm dir das mit Jesper nicht so zu Herzen, Süße. Du findest schon noch einen netten Typen.«
»Wo denn?«, brummte ich, obwohl mir die Lust auf ein weiteres Date inzwischen endgültig vergangen war. Erschwerend kam hinzu, dass Summertown nicht unbedingt viel Auswahl bot. »Wir kennen bereits jeden Jungen in unserem Alter – und das sind alles Idioten.«
»Guter Punkt«, räumte Dee ein. »Den einzigen anständigen Kerl habe ich mir geangelt. Also müssen wir die Fühler über den Stadtrand hinaus ausstrecken. Lass uns doch mal zu einem Auswärtsspiel mitfahren. Ich glaube, unsere Basketballmannschaft hat nächste Woche ein Turnier in Williamsburg.«
»Äh, nein, danke. So verzweifelt bin ich nun auch wieder nicht.«
Dee lachte. »Du musst endlich deine Aversion gegen Sport ablegen und dir gesellschaftstauglichere Hobbys suchen.«
»Ich habe gesellschaftstaugliche Hobbys«, erwiderte ich pikiert.
Dee schnaubte belustigt. »So sehr ich dich auch dafür bewundere, aber stundenlang durch den Wald zu streifen, Fallen zu entschärfen oder verletzte Tiere zu heilen, ist nichts, mit dem du an einer Highschool bei den Jungs punkten kannst.«
Ich verdrehte die Augen. »Du bist büchersüchtig. Das ist auch nicht gerade cool.«
»Aber es bildet ungemein, sodass ich jederzeit einen coolen Spruch auf Lager habe.«
»Das stimmt wohl«, murmelte ich, während es erneut in der Leitung knackte.
»Du könntest natürlich morgen Abend auch mit zum Konzert kommen.« Ich sah praktisch vor mir, wie Dee den Kopf schief legte und nachdenklich die Lippen schürzte. »Wir kriegen sicher noch ein Ticket für dich an der Abendkasse. Vielleicht können wir deine Eltern ja doch noch überreden?«
»Unwahrscheinlich.« Meine Lippen verzogen sich zu einem zynischen Grinsen. »Schließlich gibt es dort böse, gefährliche Jungs, die mein armes, willensschwaches Herz brechen könnten.«
Dee gluckste. »Von deinem Jungfernhäutchen ganz zu schweigen.«
Unweigerlich musste ich an die Party denken, die ich kurz nach meinem sechzehnten Geburtstag heimlich mit Dee und Matt besucht hatte. Ich hatte den ganzen Abend mit einem süßen Typen aus Atlanta geredet, der seinen Cousin fünften Grades oder so hier besuchte. Er war nett und ich fand ihn toll. Irgendwann küsste er mich, und weil er das richtig gut konnte, hatte ich mich eine Weile mitreißen lassen. Zumindest, bis seine Hand immer tiefer gewandert und mir klar geworden war, dass ich vergessen hatte, wie er hieß. Ein Kübel Eiswasser hätte nicht wirkungsvoller sein können.
Mein Herz hatte an dem Abend zu keiner Zeit in Gefahr geschwebt. Dennoch war das nicht die Art, wie ich mit einem Jungen zusammen sein wollte. So war ich einfach nicht.
Im Hintergrund stimmte Matt Self Esteem von The Offspring an. Das tat er vermutlich weniger wegen der Message des Songs, sondern eher, weil er auf diese Weise inbrünstig »La la la« schmettern konnte. Er liebte Punk Rock.
Meine beste Freundin brach in schallendes Gelächter aus. »Ich glaube, Matt möchte nicht wissen, ob dein Jungfernhäutchen noch intakt ist.«
»Himmel, Dee!«, rief ich und verdrehte die Augen. »Können wir bitte aufhören, in Gegenwart von Matty über meine intimen Körperteile zu reden. Er ist wie ein Bruder für mich. Das ist widerlich.«
Sie lachte noch lauter. Als sie sich wieder eingekriegt hatte, atmete sie tief durch. »Geht es dir denn inzwischen ein bisschen besser?«
»Ja, ich denke schon. Danke.« Ich zuckte mit den Schultern, obwohl Dee mich gar nicht sehen konnte. »Vergessen wir das Ganze einfach. Ich habe sowieso keine Zeit für Jungs. In ein paar Monaten machen wir unseren Abschluss, und dann sind wir hier weg.«
Ein freudiges Kribbeln wärmte meinen Magen. Ich wusste genau, wie unsere Zukunft aussah. Dee und ich hatten schon vor Jahren beschlossen, zusammen nach Nashville zu ziehen, und wie ich Matt kannte, würde er uns bestimmt folgen. Ich würde Veterinärmedizin studieren und Delilah Literaturwissenschaften. Wir würden uns ein Zimmer in einem coolen Studentenwohnheim teilen und unser Leben in vollen Zügen genießen.
Ich sah es ganz deutlich vor mir. So scharf wie den Lichtkegel des Autos, das mir auf der schmalen Landstraße entgegenkam.
»O ja!«, rief Dee, woraufhin ich leise lachte.
Das Lachen blieb mir jedoch im Hals stecken, als ich bemerkte, wie schnell der andere Wagen war. Was zum Teufel trieb dieser Trottel da?
Fluchend ging ich vom Gas und steuerte meinen Honda weiter an den Straßenrand, um der dicken Kiste Platz zu machen.
»Nayla?«
»Ja. Ich …«
Meine Worte erstarben, als der SUV plötzlich ins Schlingern geriet und auf meine Spur schoss. Instinktiv trat ich auf die Bremse. Aber ich wusste, dass es zu spät war.
Schock, Entsetzen und nackte Angst überwältigten mich.
Eine Millisekunde später krachten unsere Wagen ineinander, und die Welt wurde schlagartig weiß.
Mit einem Schrei schreckte ich hoch. Das Blut rauschte mir so laut in den Ohren, dass ich nur am Rande ein leises Piepsen wahrnahm. Verstört sah ich mich um und erkannte, dass ich mich in einem Krankenhausbett befand.
Was zum …?
Scheiße! Mit einem Mal war die Erinnerung wieder da: Ich hatte einen Autounfall gehabt.
Der SUV, der auf mich zuraste, blitzte vor meinem geistigen Auge auf, und die Panik kehrte mit voller Wucht zurück. Sie hielt mich in ihren eisigen Klauen gefangen, bis ich beinahe hyperventilierte. Ich schüttelte den Kopf, um dieses furchtbare Bild zu vertreiben. Stattdessen konzentrierte ich mich auf meine Umgebung: blassgelb gestrichene Wände, ein Fenster mit Jalousien, zwischen deren Lamellen helles Tageslicht ins Zimmer drang, ein Nachttisch mit einem Strauß Blumen darauf. Wahrscheinlich hatte mein Vater ihn hingestellt. Er stand total auf Blumen.
Während ich versuchte, ruhig zu atmen, ließ ich meinen Blick an mir herunterwandern. Ich trug ein typisches Krankenhaushemdchen und war bis zur Taille mit einer weißen Decke zugedeckt. An meiner Zeigefingerkuppe haftete ein Pulsmessgerät, das mit der Maschine neben dem Bett verbunden war. Auf einem kleinen Monitor verfolgte ich, wie sich mein Puls verlangsamte, während ich weiterhin kontrolliert ein- und ausatmete.
Seltsamerweise spürte ich keine Schmerzen. Aber vielleicht war ich auch bis unter die Schädeldecke mit Medikamenten zugedröhnt, die mir durch die Kanüle in meinem linken Handrücken in die Venen gepumpt wurden. Das würde auch erklären, warum es mir vorkam, als hätte man mich in Watte gepackt. Mein Körper fühlte sich bleischwer an, vollkommen ausgelaugt. Aber immerhin hatte der Schock nachgelassen, und mein Puls schlug wieder in einem normalen Tempo.
Angespannt fuhr ich mir mit der Zunge über die Lippen. Sie waren rissig und spröde. Es kostete mich einige Anstrengung, die Hand zu heben und vorsichtig mein Gesicht zu betasten. Unter meinen Fingerspitzen konnte ich nichts Ungewöhnliches feststellen. Keine Verbände, keine Schwellungen oder blutige Hautabschürfungen. Auch an meinen Armen konnte ich nichts entdecken. Da ich zu kraftlos war, um die Decke anzuheben, rieb ich lediglich die Beine aneinander und wackelte mit den Zehen.
Alles fühlte sich unversehrt an. Bis auf die Tatsache, dass ich maßlos erschöpft war, schien es mir an nichts zu fehlen. Dabei hätte ich eigentlich mausetot sein müssen.
Erneut schwoll das Piepsen des Pulsmessgerätes synchron zu meinem steigenden Herzschlag an. Wie war das möglich? Wie hatte ich einen frontalen Zusammenstoß kerngesund überleben können?
In dem Moment ging die Tür auf, und meine Mutter kam herein. Als sie sah, dass ich wach war, blieb sie wie angewurzelt stehen. »Nayla!«
»Mom?« Meine Stimme klang rau und kratzig, völlig fremd in meinen Ohren.
Meine Mutter, Dr. Allegra Carlesso, war Chirurgin im Great Mountain Medical Center zwanzig Meilen südlich von Summertown, und ich konnte mich an keinen Moment erinnern, in dem sie nicht souverän auf mich gewirkt hatte. Egal, wie klein oder groß die Verletzungen von mir oder meinem Bruder waren, sie hatte es mit ihrer ruhigen Art immer geschafft, uns zu beruhigen und unsere Schmerzen zu lindern. Aber jetzt standen die braunen Strähnen ihrer modischen Kurzhaarfrisur wirr von ihrem Kopf ab. So, als hätte sie sich unzählige Male die Haare gerauft. Der blaue Kittel, der sonst immer tadellos sauber und faltenfrei war, hatte Kaffeeflecken und war zerknittert. Pures Grauen zeichnete sich in ihrem aschfahlen Gesicht ab. Sie hatte Angst.
Genau wie ich.
Tränen schossen mir in die Augen, und ein Schluchzen brach aus mir hervor. »Mom.«
»Oh, Liebling!« Sofort kam sie zu mir, setzte sich auf die Bettkante und zog mich in eine tröstende Umarmung. Behutsam rieb sie mir über den Rücken, während ich, die Stirn gegen ihre Schulter gepresst, hemmungslos weinte.
»Es tut mir so leid«, schluchzte ich.
»Ist schon gut«, murmelte sie. »Es ist alles in Ordnung.«
Gar nichts war in Ordnung. Ich war mit jemandem frontal zusammengestoßen. Ich müsste eigentlich tot sein. Und doch lag ich hier im Krankenhaus, unversehrt. Während …
Mein Puls beschleunigte sich erneut. »Was ist mit dem anderen Wagen?«, krächzte ich und lehnte mich ein Stück zurück, um sie anzusehen. »Wie geht es dem Fahrer? Waren noch weitere Personen an dem Unfall beteiligt? Ist jemand verletzt?«
Angespannt senkte sie den Blick. »Lass uns später darüber reden. Jetzt will ich dich erst untersuchen.«
»Nein, ich …«
»Später«, unterbrach Mom mich scharf, und da ich wusste, dass jede Diskussion zwecklos war, wenn sie diesen Ton anschlug, klappte ich artig den Mund zu.
Nachdem ich die Nase hochgezogen und mir die Tränen weggewischt hatte, setzte ich mich aufrecht hin und ließ sie ihr Programm durchziehen. Als Erstes hob sie die Hand, um mir mit einer kleinen Taschenlampe in die Augen zu leuchten. Das Licht war unangenehm, aber ich hielt trotzdem still, um es möglichst schnell hinter mich zu bringen.
»Wie fühlst du dich?«, fragte sie nun etwas sanfter.
»Ganz okay.«
Sie wackelte mit der Lampe vor meinem Gesicht herum. »Ist dir schwindlig? Hast du Kopfschmerzen? Siehst du doppelt?«
»Nein, ich bin bloß erschöpft. Das ist alles.«
»Hmm.« Sie reckte sich zum Bettende, angelte meine Patientenakte aus der Halterung und blätterte konzentriert darin herum.
Neugierig beugte ich mich vor und musterte verwundert die vielen Bilder und Befunde. »Was ist das alles?«
Meine Mutter zuckte mit den Schultern. »Röntgen, MRT, Labor. Auf den ersten Blick wirktest du unverletzt, aber wir haben noch mal alles gecheckt, um sicherzustellen, dass du keine inneren Verletzungen hast.«
»Ist das nicht ein bisschen übertrieben?«, fragte ich unsicher.
Ihr linker Mundwinkel hob sich zu einem schiefen Grinsen. »Wozu bin ich Oberärztin in diesem Krankenhaus?«
»Gutes Argument«, erwiderte ich und sah sie hoffnungsvoll an. »Und? Ist alles in Ordnung?«
Sie nickte. »Die Befunde sehen alle gut aus.« Mom holte tief Luft und betrachtete mich nachdenklich. »Du hast unglaubliches Glück gehabt.«
»Vermutlich«, murmelte ich zustimmend, doch es wollte sich partout keine Erleichterung einstellen. »Und der andere Wagen?«
Meine Mutter senkte den Blick auf die Akte in ihrer Hand.
»Wie schlimm ist es?«, flüsterte ich.
Sie presste die Lippen zusammen. Es war ihr anzumerken, dass sie mir nicht die Wahrheit sagen wollte.
»Mom?« Ich krallte die Finger in den Stoff ihres Arztkittels. »Bitte.«
Sie stieß ein leises Seufzen aus. Als sie wieder aufschaute, war ihre mütterliche Fürsorge einer professionellen Distanz gewichen. »In dem anderen Wagen saßen zwei junge Frauen. Sie haben den Unfall leider nicht überlebt.«
»Das kann nicht sein.« Ungläubig schüttelte ich den Kopf. »Ich bin unverletzt. Also müssen sie es auch sein.«
Irgendwo tief in meinem Inneren wusste ich, dass dieses Argument völlig unlogisch war. Doch ich weigerte mich zu glauben, dass ich ohne einen einzigen Kratzer davongekommen war, während andere ihr Leben verloren hatten.
»Es tut mir so leid, Nayla«, sagte Mom und strich mir liebevoll über den Kopf.
Fassungslos starrte ich sie an. Ich kapierte es immer noch nicht. »Aber wie ist das möglich?«, stammelte ich und versuchte, mich an die Details des Unfalls zu erinnern, obwohl sich mir dabei der Magen umdrehte.
Ich hatte mit Dee gesprochen, als mir der SUV entgegenkam. Der Wagen war schnell gewesen, aber nichts hatte darauf hingedeutet, dass er plötzlich auf meine Spur rasen könnte. Trotzdem war er irgendwie ins Schlingern geraten. Ich hatte noch versucht zu bremsen, aber es war zu spät gewesen. Licht hatte mich geblendet. Und dann war da ein Kreischen gewesen, als sich das Metall unter mir verbog. Ich konnte das Echo noch immer in meinen Ohren hören. Wie Fingernägel, die über eine Tafel kratzten, nur tausendmal lauter. Sogar die Wucht des Aufpralls hatte ich wie aus weiter Entfernung gespürt.
»Das kann nicht sein«, sagte ich bestimmt. »Der SUV kam geradewegs auf mich zugeschossen. Er hätte meinen Honda zerquetschen müssen.«
Wieder wich meine Mutter meinem Blick aus. »Dein Wagen wurde nur leicht touchiert und in ein Buschwerk gedrängt. Der SUV hingegen …« Zittrig holte sie Luft. »Er hat sich mehrfach überschlagen, bevor er an einem Baum zerschellt ist. Für die beiden Frauen kam jede Hilfe zu spät.«
Verwirrt schüttelte ich den Kopf. Also hatte ich mir den Frontalzusammenstoß bloß eingebildet?
Nein. Keiner von uns hatte noch die Zeit gehabt auszuweichen. Da war ich mir sicher. Andererseits ergab nur diese Erklärung Sinn. Ich wäre sonst nie unverletzt davongekommen. Vielleicht … vielleicht hatte ich ja eine Art Blackout und mir fehlten ein paar entscheidende Millisekunden in meiner Erinnerung?
Plötzlich fiel mir auf, dass ich nicht bloß eine Gedächtnislücke hatte, was den genauen Unfallhergang betraf. »Wie bin ich eigentlich hierhergekommen?«
Angespannt strich Mom eine kurze Haarsträhne glatt. »Mit einem Krankenwagen.«
Stirnrunzelnd biss ich mir auf die Unterlippe. »Ich kann mich überhaupt nicht mehr daran erinnern.«
»Das liegt vermutlich am Schock. Die Sanitäter haben dir auf dem Weg hierher ein starkes Sedativum gegeben. Deswegen hast du auch so lange geschlafen.«
Mein Blick fiel auf die Digitaluhr, die an der rechten Wand hing. Es war zwölf Uhr mittags. Aber das beunruhigte mich gar nicht so sehr. Es war vielmehr das Datum, das mich schockte. »Sonntag?«, rief ich ungläubig aus. »Ich war mehr als einen Tag völlig weggetreten?«
»Wie gesagt, dir wurde ein starkes Beruhigungsmittel verabreicht.« Mom legte mir die Hände auf die Schultern und drückte mich sanft zurück aufs Kissen.
Ich ließ es widerstandslos geschehen.
»Ich hole dir etwas zu trinken.« Meine Mutter erhob sich und schob die Akte wieder in die Halterung am Fußende des Bettes. »Ruh dich noch etwas aus.«
»Okay«, murmelte ich, obwohl an Schlaf überhaupt nicht zu denken war, weil meine Gedanken gerade völlig durchdrehten.
Zwei Frauen waren tot. Ich dagegen war lediglich mit dem Schrecken davongekommen. Wieder blitzten vor meinem inneren Auge die zwei Scheinwerfer auf, die frontal auf mich zukamen.
Frontal.
Ich hatte gebremst. Aber wie groß war der Abstand zwischen uns gewesen? Mehr als fünfzig Meter? Reichte das überhaupt aus, um auszuweichen, wenn man vierzig Meilen pro Stunde fuhr? Wobei der SUV deutlich schneller war als ich.
In der Fahrschule hatten wir die Formel für Bremswege auswendig lernen müssen und auch ziemlich oft berechnet. Doch in meinem Kopf herrschte zu viel Chaos, um sie jetzt mit Variablen zu füllen.
Ungeduldig wartete ich, bis meine Mutter mit einem gefüllten Wasserkrug und einem Glas zurückkehrte. »Dein Vater und Victor sind schon auf dem Weg. Sie sollten in einer halben Stunde hier sein, dann können wir nach Hause.«
»Okay.« Nachdem ich ein paar Schlucke getrunken hatte, sah ich meine Mutter fragend an. »Wo ist mein Handy?«
Mom zog einen Schokoladenriegel aus ihrer Kitteltasche und reichte ihn mir. »Es ist an der Unfallstelle verloren gegangen.«
Entgeistert riss ich die Augen auf. »Aber ich muss Dee anrufen. Sie flippt bestimmt schon völlig aus …«
Ich verstummte, weil meine Mutter die Augen zu schmalen Schlitzen zusammenkniff. Zornesflecken bildeten sich auf ihren Wangen, und mir wurde klar, dass meine Probleme noch viel, viel größer waren, als ich bis eben geglaubt hatte.
»Delilah weiß bereits, was passiert ist.« Mom verschränkte die Arme und musterte mich mit einer Mischung aus Wut und Enttäuschung. »Möchtest du mir vielleicht erklären, wo du am Freitagabend wirklich gewesen bist?«
Ich rutschte tiefer ins Kissen. Wir wohnten im nördlichen Teil von Summertown, wo sich ein Einfamilienhaus ans nächste reihte. Dee lebte auf der östlichen Seite, unweit der Ellington High. Leider lag das Steakhouse ein paar Meilen in Richtung Südwesten, also in einer völlig anderen Richtung. Ich konnte Mom ansehen, dass sie längst einen Verdacht hegte. Trotzdem kostete es mich Überwindung, die Wahrheit laut auszusprechen.
»Ich habe mich mit einem Jungen aus meiner Schule getroffen«, gestand ich leise.
Moms Augen weiteten sich, als hätte sie bis zum Schluss nicht geglaubt, dass ich sie wirklich hintergangen hatte. Sie schüttelte sogar den Kopf.
»Wir haben nur zusammen gegessen«, nuschelte ich und nestelte an der Decke. »Mehr nicht.«
»Verdammt noch mal, Nayla!«
Ich zuckte zusammen. Nicht nur aufgrund der Schärfe in ihrer Stimme, sondern auch, weil meine Mutter normalerweise nicht fluchte.
»Wie konntest du unser Vertrauen nur derart missbrauchen? Du weißt doch …«
Erneut schossen mir Tränen in die Augen, und ich blendete den Rest aus. Ich hatte jetzt keine Kraft für eine weitere Grundsatzdiskussion. Mir ging es auch so schon mies genug. Ein Schluchzen brach aus meiner Kehle hervor, und ich schlug mir beschämt die Hände vors Gesicht. Nie hatte ich es mehr bereut, eine Regel gebrochen zu haben.
Obwohl ich wusste, dass ich den Unfall nicht verursacht hatte, fühlte ich mich schuldig. Ich hatte den SUV gesehen, und ich wusste, dass er zu schnell gefahren war. Dass es streng genommen nicht meine Schuld war. Aber wenn ich nicht mit Dee telefoniert hätte, hätte ich vielleicht anders reagiert. Ich hätte nicht bloß mein eigenes Tempo verringert, sondern hätte versucht, dem Wagen richtig auszuweichen. Vielleicht hätte ich den Unfall so verhindern können. Und dann würden die beiden Frauen noch leben.
Trauer und Reue überwältigten mich. Ich konnte spüren, wie mir diese Erkenntnis das Herz zerquetschte. Es tat weh. Furchtbar weh. Als würde ich von innen heraus verbrennen. Heiße Tränen strömten mir über die Wangen, während meine Atmung zunehmend heftiger ging. Sogar das Pulsmessgerät schlug erneut Alarm.
»Nayla.« Der Ton meiner Mutter war nun wieder sanft, als sie mich zögerlich mit den Armen umschloss. Sie wiegte mich wie früher, als ich noch ein kleines Mädchen war. Aber den Schmerz vermochte sie nicht zu lindern.
Letztlich war es wohl nur dem Eintreffen von Dad und Victor zu verdanken, dass ich es nach einer gefühlten Ewigkeit doch schaffte, meinen Kummer zu verdrängen und ein verzerrtes Lächeln aufzusetzen.
»Nana!« Mein kleiner Bruder verlor keine Zeit. Er stürzte zum Bett, kletterte darauf und warf sich in meine Arme, kaum dass Mom sich zurückgezogen hatte. Mit erstaunlicher Kraft klammerte er sich an mir fest. Er zitterte am ganzen Körper.
Victor war erst sechs. Doch der Altersunterschied hatte unserer Zuneigung keinen Abbruch getan. Ich liebte ihn über alles. Seinetwegen riss ich mich zusammen. »Hey, Äffchen.«
Über seinen braunen Wuschelkopf hinweg suchte ich den Blick meines Vaters. Er war blass und schien um zehn Jahre gealtert zu sein, seit wir uns am Freitagabend zuletzt gesehen hatten. Sein Kiefer war mit Bartstoppeln besetzt, seine dunklen Locken zerzaust. Auch er musterte mich mit Angst und Sorge.
»Was sagen die Befunde?«, fragte er mit rauer Stimme.
»Es ist alles in Ordnung, Julius«, erwiderte meine Mutter und lächelte. »Sie ist okay.«
Er entspannte sich ein wenig, aber längst nicht genug, um mich zu beruhigen. Mir war klar, dass ich noch nicht aus dem Schneider war. Trotzdem streckte ich die Hand nach ihm aus.
Dad ergriff sie, ohne zu zögern. Sein Adamsapfel hüpfte, als er meine Hand leicht drückte. Es schien fast so, als würde er seinen Augen nicht trauen und müsste sich auch haptisch davon überzeugen, dass ich immer noch hier war.
»Du hast so fest geschlafen«, nuschelte Victor in mein Ohr. Er zog sich zurück, um mich anzusehen. Den Blick aus seinen braunen Kulleraugen, die denen unserer Mutter unfassbar ähnelten, konnte man nur als vorwurfsvoll bezeichnen. »Ich dachte, du wachst nie wieder auf.«
Meine Kehle schnürte sich zu. »Entschuldige. Ich wollte dich nicht erschrecken.«
Victor schaute erst zu Mom, die immer noch neben uns auf der Bettkante saß, dann wieder zu mir. »Ist jetzt alles wieder gut?«
»Ja, Vic«, log ich. »Alles ist wieder gut.«
Als wir später am Nachmittag vor unserem Haus parkten, überraschte es mich nicht, Dee und Matt auf den Stufen unserer Veranda zu sehen.
Meine beste Freundin hatte die Knie angezogen und wippte ungeduldig vor und zurück. Ihre intelligenten blauen Augen, die von einer modischen Hornbrille umrahmt wurden, waren auf den Boden gerichtet, während sie ihre Unterlippe mit den Zähnen malträtierte. Sie trug ausgefranste Jeans, einen rosafarbenen Wollpullover und passende Chucks. Ihre schulterlangen braunen Haare hatte sie zu einem lässigen Dutt auf dem Hinterkopf aufgetürmt.
Matt saß dicht neben ihr, rieb sanfte Kreise über ihren Rücken und redete beruhigend auf sie ein. Normalerweise zierte ein schiefes Grinsen sein Gesicht, und seine braunen Knopfaugen blitzten schalkhaft. Aber heute war sein Blick getrübt. Sorgenfalten beherrschten seine Miene.
Dass die beiden meinetwegen derart außer sich waren, rührte mich so sehr, dass ich aus dem Auto sprang, sobald Dad in den Parkmodus geschaltet hatte. Obwohl ich noch ziemlich wacklig auf den Beinen war, lief ich Dee und Matt auf dem Steinweg entgegen, der durch unseren Vorgarten führte.
Sie sprangen gleichzeitig auf, als sie mich sahen, und hasteten die Stufen hinunter. Mit einem Schluchzen warf Dee ihre Arme um mich. Matt stand zwei Sekunden ratlos daneben, dann umarmte er einfach uns beide.
»Du blöde Kuh!«, stieß Dee hervor. Ein Beben ging durch ihren Körper. »Ich hatte solche Angst um dich.«
»Ich übrigens auch«, fügte Matt hinzu und löste sich wieder von uns.
Ich schniefte und lachte gleichzeitig. »Tut mir leid, Leute.«
Dee schob mich etwas von sich und musterte mich von Kopf bis Fuß, als wollte sie sichergehen, dass ich noch in einem Stück war. Sie klappte den Mund auf, um etwas zu sagen, zögerte jedoch, als Mom neben uns trat.
Sie hielt Victor an der Hand und maß meine besten Freunde mit strengem Blick. Dee und ich traten nervös von einem Bein auf das andere, und auch Matt wich unwillkürlich einen Schritt zurück.
Ich wappnete mich bereits für eine Standpauke, weil Dee mich gedeckt hatte, doch zu meiner Erleichterung blieb sie aus. Stattdessen drückte Mom mir meine Strickjacke in die Hand und wies uns an, in den Garten zu gehen, damit wir dort ungestört reden konnten.
Hinter uns heulte der Motor auf, und ich runzelte die Stirn, als ich meinen Vater wegfahren sah.
»Dein Dad muss noch ein paar Dinge erledigen«, erklärte Mom, ehe sie mit Victor im Haus verschwand.
Sobald die Tür hinter ihnen zufiel, stießen Matt und Dee fast gleichzeitig geräuschvoll die Luft aus.
»Du weißt, ich liebe deine Mom«, sagte Dee, »aber heute hatte ich zum ersten Mal richtig Schiss vor ihr.«
»Geht mir ähnlich«, gestand ich leise. Da es draußen tatsächlich recht kühl war, schlüpfte ich in die Strickjacke, und wir nahmen den Weg durch das Seitentor in den Garten hinter dem Haus.
Der vertraute, erdige Geruch des Waldes, der direkt an unser Grundstück grenzte, verband sich mit dem süßen Duft verschiedener Blüten. Ich hatte keine Ahnung, wie mein Vater das anstellte, aber unser Garten blühte immer. Egal zu welcher Jahreszeit ich über den Rasen schritt, erhoben sich rechts und links von mir prächtige Gewächse. Seit Kurzem erstrahlten Narzissen, Anemonen, Tulpen und Fresien in Weiß, Gelb und Rosa. Auch der Rasen war durchsetzt von Frühblühern, die Dad und Victor letzten Herbst gemeinsam gesteckt hatten. Es war ein herrlicher Anblick, doch für mich war das Blumenmeer schon so zur Gewohnheit geworden, dass ich ihm kaum noch Beachtung schenkte.
Am Ende des Gartens standen zwischen alten, hochgewachsenen Bäumen zwei große Gehege und drei Holzkäfige. Zwei der Käfige waren leer, doch in einem hauste derzeit eine Igeldame namens Thorn, die ich vor einiger Zeit im Wald gefunden hatte. Sie war allerdings nicht die Einzige, die in unserem Garten Zuflucht bekam. Letzten Monat hatte ich außerdem drei Rotfuchswelpen aus einer Lebendfalle geborgen, die an einen Fuchsbau angeschlossen war. Insgesamt waren es fünf Junge gewesen, doch zwei waren bereits tot, als ich sie gefunden hatte – genau wie ihre Mutter.
Inzwischen waren die drei etwa zehn Wochen alt und glichen sich wie ein Ei dem anderen. Sie bewohnten eines der beiden großen Gehege, die ich mit Dads Hilfe abgezäunt hatte. Mittendrin hatten wir einen provisorischen Bau für die Füchse errichtet. Es war zwar nicht ideal, aber besser als nichts.
Zum ersten Mal an diesem Tag hoben sich meine Mundwinkel zu einem aufrichtigen Lächeln, weil die drei Racker sofort an den Zaun stürzten, sobald sie mich entdeckten. Sie wuchsen rasch, und ich wusste jetzt schon, dass es hart werden würde, wenn ich sie in ein paar Wochen auswildern musste.
»Kannst du diese putzigen Kerlchen überhaupt auseinanderhalten?«, fragte Matt, ehe er sich ins Gras plumpsen ließ und die Beine zum Schneidersitz anzog.
»Klar.« Ich setzte mich ihm gegenüber ins Gras und zeigte der Reihe nach auf die Drillinge. »Willis, Lee und Norris.«
Matt grinste anerkennend. »Coole Namen.«
»Das sagst du nur, weil ihr beide die gleiche abartige Vorliebe für Actionfilme habt«, meinte Dee und kuschelte sich an seine Seite. »Ich hätte ja etwas Traditionelleres bevorzugt.«
Spöttisch hob Matt eine Braue. »Zum Beispiel Darcy, Heathcliff und Rochester?«
Ich unterdrückte ein Lachen. Delilah liebte die alten Klassiker. Und wir liebten sie dafür, obwohl wir sie ständig damit aufzogen.
Glücklicherweise wusste Dee sich zu verteidigen. Ich konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen, als sie Matt in den Oberarm boxte. Anschließend schob sie sich die Brille ein Stück nach oben und sah mich ernst an. »Jetzt erzähl uns endlich, was passiert ist.«
Ich schlang die Arme um die Knie. »Ehrlich gesagt weiß ich es nicht mehr genau. In einem Moment haben wir noch am Telefon gelacht, im nächsten geriet der andere Wagen außer Kontrolle. Ich habe gebremst, aber plötzlich rasten zwei Scheinwerfer auf mich zu, und dann …« Ich schluckte schwer. »Dann war da nur noch dieses weiße Licht.«
»Krass«, hauchte Matt und musterte mich mit großen Augen. »Du warst wahrscheinlich tot.«
Ich lachte zittrig. »Wäre ich wirklich tot gewesen, würde ich jetzt wohl kaum ohne einen Kratzer hier sitzen, oder?«
Er runzelte die Stirn. »Na ja, vielleicht hattest du auch bloß einen Herzinfarkt?«
»Jetzt hör doch mal auf«, schaltete Dee sich entrüstet ein. »Nayla war nicht tot.« Sie schaute mich voller Überzeugung an. »Dich haben sicher nur die Scheinwerfer geblendet.«
»Gut möglich.« Ratlos zuckte ich mit den Schultern, während sich in meinem Kopf immer wieder der gleiche Film abspielte. »Mom hat zwar erzählt, dass ich es doch geschafft habe, dem Wagen auszuweichen. Aber ich kapiere nicht, wie das abgelaufen ist. Es ergibt einfach keinen Sinn.«
Andererseits, warum sollte meine Mutter lügen? Das ergab noch viel weniger Sinn.
»Ist doch vollkommen egal, wie du es geschafft hast.« Matt lächelte angespannt. »Hauptsache, das Ganze ist glimpflich ausgegangen.«
Reue schnürte mir die Kehle zu, und ich spürte wieder ein Brennen in den Augen. »In dem anderen Auto saßen zwei Frauen«, berichtete ich mit zitternder Stimme und schaffte es kaum, meine Freunde länger anzusehen. »Sie sind tot.«
Matt wurde kreidebleich, während Dee sich voller Entsetzen die Hand vor den Mund schlug.
»Es tut mir leid«, krächzte Matt. »Das … das wusste ich nicht. Sonst hätte ich das doch nie gesagt.«
»Ich weiß«, erwiderte ich beschwichtigend, denn auch wenn er oft kein Fettnäpfchen ausließ, war er nie vorsätzlich taktlos. Seufzend rieb ich mir über das Gesicht. »Wäre ich bloß zu Hause geblieben.«
»Du konntest doch nicht wissen, dass das passiert«, erwiderte Dee sanft und griff nach meiner Hand.
»Es war ein Unfall«, stimmte Matt ihr zu. »Du darfst dir dafür nicht die Schuld geben.«
Tränen raubten mir die Sicht, während ich angestrengt schluckte. Sicher hatten sie recht. Leider änderte das nicht das Geringste daran, dass mein Herz vor Schuldgefühlen lichterloh brannte.
Matt tätschelte mir mit seiner typisch unbeholfenen Art die Schulter. »Das wird schon wieder. Du brauchst einfach nur ein bisschen Zeit, um das Ganze zu verdauen. Die brauchen wir alle. Es war schließlich ein Riesenschock.«
Dees Augen wurden ebenfalls glasig. »Als das Gespräch plötzlich unterbrochen wurde, dachten wir erst, es läge an einem weiteren Funkloch. Aber eine Stunde später gingen unsere Anrufe immer noch auf deine Mailbox. Irgendwann habe ich es nicht mehr ausgehalten und deine Mom angerufen. Da war sie schon bei dir im Krankenhaus.« Dee holte zittrig Luft. »Sie ist völlig ausgerastet, Nayla. Im ersten Moment dachten wir, du würdest die Nacht nicht überleben. Ich habe sie kaum verstanden, weil sie so hysterisch war. Also hat dein Vater das Gespräch übernommen. Es war total merkwürdig. Wir wollten natürlich sofort zu dir ins Krankenhaus fahren, aber dein Dad hat es uns verboten. Er meinte plötzlich, dass es doch nicht so schlimm sei und dass wir lieber warten sollten, bis du nach Hause kommst.«
»Was wir natürlich nicht getan haben«, ergänzte Matt und zwinkerte mir verschwörerisch zu. »Wir waren gestern bei dir.«
»Ihr wart im Great Mountain?«, fragte ich überrascht.
Dee schnaubte. »Natürlich! Was dachtest du denn? Glaubst du wirklich, uns hält ein läppisches Verbot auf, wenn du im Krankenhaus liegst?«