Cover

Jan Andersen

Vignetten von

Cathy Ionescu

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© 2021 cbj Kinder- und Jugendbuchverlag

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Alle Rechte vorbehalten

Umschlagbild: Bente Schlick, www.benteschlick.com

Umschlagfertigstellung: init Kommunikationsdesign, Bad Oeynhausen

ck · Herstellung: EM

Satz: KompetenzCenter, Mönchengladbach

ISBN 978-3-641-27853-3
V001

www.cbj-verlag.de

Für Lotta, Abby, Spot, Carlos und Akira

Er zerrt ungeduldig an der Leine. Aber das hilft natürlich nichts. Und er will nicht bellen, weil Paul sonst mit ihm schimpft. Obwohl Paul wissen müsste, dass er es gar nicht mag, vor dem Supermarkt angebunden zu werden.

Er mag überhaupt nicht, irgendwo angebunden und allein gelassen zu werden. Und warten zu müssen, bis Paul wiederkommt. Weil er ja am liebsten mit Paul mitlaufen würde. Überallhin! Auch in den Keller. Oder aufs Klo und in die Schule und ins Schwimmbad.

In den Keller und aufs Klo schafft er auch meistens. Er drückt sich einfach so schnell neben Paul durch die Tür, dass Paul es erst merkt, wenn er fast über ihn stolpert. Aber Schule und Schwimmbad hat noch nie geklappt. Obwohl er es versucht hat! Und er glaubt sogar, dass Paul gar nichts dagegen hätte, wenn er mitkommen würde. Nur dass da immer noch andere Leute sind – und die haben was dagegen! Lehrer, zum Beispiel. Oder schimpfende Hausmeister. Und schimpfende Bademeister und kreischende Männer und Frauen in komischen Höschen, die Angst vor einem Hund haben, der ihnen entgegengepaddelt kommt. Als ob ein Hund so was wie ein Krokodil wäre!

Im Supermarkt ist es leider genauso. Da haben sie auch Angst vor Krokodilen. Was nicht nur albern, sondern auch ärgerlich ist. Wenn er sich nämlich nicht sehr täuscht, muss es im Supermarkt ziemlich gut sein. Jedes Mal wenn Paul wieder rauskommt, riecht er nach tausend Sachen, die neu und aufregend sind. Und auch wenn andere Leute rauskommen und an ihm vorbeilaufen, kann er alles Mögliche riechen, was er zu gerne genauer untersuchen würde.

Aber stattdessen wird er an einem blöden Haken festgebunden. Und heute ist es ganz besonders schlimm. Er muss die ganze Zeit niesen, weil ein paar Meter vor ihm ein Auto mit laufendem Motor steht. Das Auto stinkt so sehr, dass er noch nicht mal irgendwas von den guten Sachen aus dem Supermarkt riechen kann.

Sogar den anderen Hund riecht er erst, als der schon mit gesträubtem Nackenfell hinter ihm steht und böse knurrt. Es ist einer von diesen großen Hunden mit den spitzen Ohren, die glauben, dass sie stärker als die anderen sind. Das Blöde ist nur, dass sie leider recht haben. Sie sind wirklich stärker! Nicht besonders schlau, aber echt stark. Und schnell! Weshalb er auch meistens versucht, keinen Streit mit ihnen zu kriegen. Sondern einfach weiterzulaufen und so zu tun, als wären sie gar nicht da. Aber das geht natürlich nicht, wenn man angebunden ist!

Zum Glück wird der Hund mit den spitzen Ohren jetzt auch angebunden. Aber er muss trotzdem aufpassen, der andere knurrt nämlich immer noch. Und zerrt wie wild an der Leine und versucht, nach ihm zu schnappen.

Eigentlich hat er keine Lust auf blöde Spiele. Er hofft, dass Paul endlich mal zurückkommt und ihn losbindet, damit sie nach Hause laufen können. Dann kann er auch an dem Stoffbeutel riechen, den Paul bestimmt aus dem Supermarkt mitbringt. Und in dem garantiert auch irgendwas für ihn drin ist, was er dann zu Hause bekommt. Vielleicht ein getrocknetes Schweineohr! Oder wenigstens ein paar Kaustangen.

Aber egal, wie lange er auf den Eingang starrt, Paul taucht immer noch nicht auf. Dafür fängt der andere Hund jetzt wirklich an, ihm mit seinem Geknurre auf die Nerven zu gehen. Deshalb knurrt er kurz zurück und zeigt dem anderen die Zähne. Was den aber nur noch wütender macht!

Jetzt wirft der Idiot sich mit aller Kraft gegen die Leine, so dass ihn sein Halsband fast erwürgt und er kaum noch genug Luft bekommt. Aber statt endlich aufzuhören und sich hinzulegen, zerrt und bellt er immer weiter.

Er blickt wieder zur Eingangstür. Paul ist nicht zu sehen. Und bevor er sich jetzt weiter das nervtötende Gekläffe anhört, kann er dem Blödmann eigentlich auch mal einen kleinen Schrecken einjagen …

Er stellt sich vor die silberne Wasserschüssel, die da an der Wand vom Supermarkt steht. In dem bisschen Wasser, das noch in der Schüssel ist, schwimmt jede Menge Dreck. Haare und Fliegen und sogar eine Zigarettenkippe!

Aber er will ja auch gar nicht trinken. Er tut nur so. Und dabei schiebt er die Schüssel mit den Vorderpfoten immer weiter nach hinten, bis er direkt darübersteht. Und noch ein Stück weiter, bis er die Hinterpfoten gegen den Rand drücken kann. Dann spannt er alle Muskeln an und schleudert die Schüssel nach hinten, direkt auf den bellenden Blödmann zu.

Die Schüssel knallt scheppernd vor dem Blödmann auf den Boden und hüpft noch mal hoch und scheppert wieder. Und der Blödmann vergisst vor Schreck zu bellen und springt zurück. Nur dass genau hinter ihm ein hoher Stapel mit leeren Bierkästen steht.

Und als der Blödmann mit voller Wucht gegen die Kästen rummst, fängt der ganze Stapel an zu wackeln und neigt sich immer weiter zur Seite und fällt um.

Der Blödmann kann sich gerade noch in Sicherheit bringen, bevor die Kästen auf den Boden krachen und ihre Bierflaschen ausspucken. Und der Lärm ist so groß, dass von allen Seiten Leute angerannt kommen, um zu gucken, was los ist.

Natürlich ist klar, dass nur der Blödmann den Stapel umgeworfen haben kann. Er steht ja mittendrin in dem Durcheinander. Und hat den Schwanz zwischen die Beine geklemmt und kapiert überhaupt nichts mehr.

Vom Eingang her kommt ein Typ, der zum Supermarkt gehört. Und hinter ihm der Boss von dem bellenden Blödmann mit den spitzen Ohren. Der Blödmann kriegt jetzt richtig Ärger mit seinem Boss. Und sein Boss kriegt Ärger mit dem Typen vom Supermarkt. Bis der Blödmann losgebunden wird und mit seinem Boss in irgendein Auto steigt.

Der Typ vom Supermarkt schimpft vor sich hin und fängt an, die leeren Flaschen zurück in die Kästen zu stellen. Die meisten Zuschauer sind auch schon wieder weg. Nur ein Mann steht noch da.

»Bravo!«, ruft der Mann und klatscht in die Hände. »Sehr gut! Da hast du es dem bellenden Spinner aber ordentlich gezeigt.«

Er braucht einen Moment, bis er kapiert, dass der Mann ihn meint. Seine Stimme klingt ganz freundlich, als er näher kommt und die Hand ausstreckt, um ihn zu streicheln. Er wedelt mit dem Schwanz. Der Mann lässt ihn an seiner Hand schnuppern. Die Hand riecht nach Käse. Jetzt taucht auch noch eine Frau auf.

»Der arme Hund«, sagt sie. »Ist hier draußen angebunden und muss warten. Guck mal, wie traurig er guckt! Er erinnert mich an …«

»Sag es nicht«, sagt der Mann. Und streichelt ihn wieder. »Guter Hund.«

Er dreht den Kopf, um noch mal über die Käsefinger lecken zu können.

Aus den Augenwinkeln sieht er, wie der Typ vom Supermarkt den letzten Kasten wieder auf den Stapel stellt und weggeht. Paul kann er immer noch nirgends entdecken.

Der Mann geht jetzt zu dem Haken an der Wand und macht die Leine los.

»Was tust du?«, fragt die Frau.

»Führ ihn ein bisschen spazieren.« Der Mann bückt sich zu ihm. »Komm, wir laufen zum Auto, da hab ich was für dich.«

Das hat er verstanden! Er wedelt mit dem Schwanz und läuft neben dem Mann her.

Die Frau folgt ihnen. Sie hält den Mann am Arm fest. »Du hast doch nicht etwa vor …«

»Unsinn«, unterbricht der Mann sie. »Ich geb ihm nur ein bisschen Käse.«

Er schließt ein Auto auf. So ein Auto, wie es auch Pauls Eltern haben. Mit einer Klappe hinten. Aus dem Innenraum duftet es nach Käse.

»Such den Käse«, sagt der Mann. »Braver Hund!«

Im Kofferraum steht eine Einkaufstasche. Und es ist klar, dass der Käse in der Tasche sein muss. Aber dazu müsste er ins Auto springen!

»Ist okay«, sagt der Mann. »Hopp, spring rein!«

»Und wenn jemand kommt und uns sieht?«, fragt die Frau. Er kann hören, dass sie nervös ist, ihre Stimme zittert ein bisschen.

Der Mann antwortet nicht. Sondern beugt sich über seinen Kopf hinweg und greift in die Tasche. Das Stück Käse, das er ihm hinhält, sieht gut aus. Aber egal, wie weit er den Kopf vorstreckt, er kommt nicht an die Hand.

»Hopp!«, sagt der Mann wieder. »Spring!«

Er drückt sich mit den Hinterpfoten ab und springt hoch.

»Gut gemacht«, lobt ihn der Mann.

Vorsichtig nimmt er den Käse nur mit den Lippen, dann dreht er sich um und will wieder nach draußen springen.

»Stopp!«, ruft der Mann. »Platz und bleib!«

»Nein!«, ruft seine Frau. »Hör auf, mach das nicht!«

Er sieht, wie der Mann den Arm hebt und nach der Klappe greift, um sie zuzuknallen.

1. Kapitel

»Super, dass wir gequatscht haben«, sagt Paul gerade. »Aber jetzt muss ich echt los! Sie warten zu Hause garantiert schon auf mich. Und ich habe Dusty draußen angebunden, der ist bestimmt voll genervt. Ich weiß ja, dass er nicht gerne wartet, aber ich dachte, es geht ganz schnell. Ich konnte ja echt nicht ahnen, dass ich dich hier treffe.«

Paul steht an der Tiefkühltruhe. Und seine Finger werden langsam taub, weil er die Packung Fischstäbchen schon die ganze Zeit in der Hand hält. Eine Großpackung mit zwanzig Fischstäbchen aus Norwegen. Bio-Fischstäbchen! Seine Mutter hat ihn extra noch mal daran erinnert, dass er auf das Symbol vorne auf der Packung achten soll. »Blau mit einem Fisch drauf.«

Paul hat eine ganze Weile in der Tiefkühltruhe suchen müssen, bis er die richtigen Fischstäbchen entdeckt hat. Und dann wollte er mit der Packung gerade zur Kasse spurten, als plötzlich Alex vor ihm stand.

Was tatsächlich komisch war, weil Alex sonst NIE in diesem Supermarkt einkauft. Schließlich wohnt sie ja ganz woanders. Und Paul hat auch gleich das Gefühl gehabt, dass sie nicht zufällig da war!

Alex ist Pauls beste Freundin. Sie sind in derselben Klasse und sie haben zusammen schon so viel erlebt, dass sie glatt ein ganzes Buch draus machen könnten. Oder sogar gleich mehrere!

Zu Alex gehört Bella. Bella ist eine schwarze Hündin, die vor ein paar Monaten erst einen kleinen Welpen bekommen hat. Einen Jungen mit einem weißen Strich auf der Nase, der Paulchen heißt. Der Hund natürlich, nicht der Strich. Und wahrscheinlich ist Dusty der Vater von dem Kleinen. Es ist nicht ganz sicher, aber sonst kommt eigentlich kein anderer Hund infrage. Außerdem hat Dusty fast den gleichen Strich auf der Schnauze, nur ein bisschen breiter.

Na ja, und weil Dusty vielleicht der Vater ist, ist Paulchen jetzt bei Pauls Familie gelandet. Außerdem wollte Pauls kleine Schwester Karlotta unbedingt einen Welpen haben!

Natürlich ist Alex deshalb auch ein bisschen traurig, klar. Aber es ging gar nicht anders, weil in der Wohnung von Alex und ihrer Mutter eigentlich überhaupt keine Hunde sein dürfen. Bella ist die große Ausnahme, aber noch ein weiterer Hund wäre unmöglich gewesen.

Jetzt kommt Alex, so oft sie kann, mit Bella zu Paul und Karlotta. Und dann lassen sie die Hunde zusammen im Garten spielen. Dusty und Bella und Paulchen. Wobei Dusty meistens nach einer halben Stunde keine Lust mehr hat, weil ihm das Rumgetobe mit dem Welpen zu viel wird. Dann legt er sich lieber zu Paul, Alex und Karlotta auf die Wiese. Mit dem Kopf auf den Vorderpfoten und gespitzten Ohren, damit er jederzeit aufspringen kann, wenn irgendwas passiert.

Das Problem ist allerdings, dass es heute gar nicht gut wäre, wenn Alex mit Bella zu Besuch käme. Weil sich nämlich noch ein anderer Besuch angesagt hat. Anna! Anna ist ihren Eltern auf der Durchreise, das heißt, sie kommen nur kurz vorbei, für eine Stunde vielleicht, am Nachmittag. Dann müssen sie weiterfahren, weil sie heute noch irgendwo anders hinwollen. Wohin genau, hat Paul schon wieder vergessen.

Aber es ist auch völlig egal. Wichtig ist nur, dass sie kommen. Anna und ihre Eltern. Sie waren vorher noch nie da. Wobei man das so eigentlich auch nicht sagen kann, weil sie ja immerhin mal in dem Haus gewohnt haben, in dem jetzt Pauls Familie lebt. In der alten Villa mit den knarrenden Holzbalken und dem undichten Dach, oben am Waldrand. Die Villa, in der natürlich auch Dusty früher gewohnt hat! Weil er ja mal zu Annas Familie gehörte, bevor dann das furchtbare Unglück passiert ist. Am alten Schwimmbad in dem dunklen Waldsee. Das Unglück, wegen dem Annas Familie sogar in eine andere Stadt gezogen ist. Und weshalb Dusty schließlich bei Pauls Leuten gelandet ist …

Es kommt Paul manchmal so vor, als wäre Dusty schon ewig bei ihnen. Aber klar ist natürlich auch, dass Anna ihren alten Hund gerne mal wiedersehen möchte.

Als Paul dann Alex von dem Besuch erzählt hat, ist etwas Komisches passiert: Alex ist richtig sauer geworden. Okay, das wird sie öfter mal, aber diesmal war es anders. Paul hat einen Moment gebraucht, bis er kapiert hatte, worum es eigentlich ging – Alex war eifersüchtig! Als ob es schlimm wäre, dass Anna einfach nur mal kurz vorbeikommen wollte. Wahrscheinlich sogar noch nicht mal, um Paul zu sehen, sondern wegen Dusty. Aber selbst wenn es umgekehrt gewesen wäre, war das noch lange kein Grund, um zu sagen: »Ich weiß gar nicht, was die blöde Doofkuh hier will.«

Paul weiß schon, dass damals auch ein paar Sachen mit Dusty passiert sind, die ziemlich fies waren. Und Alex kennt die Geschichten natürlich auch! Genauso wie sie Anna kennt. Aber spätestens beim nächsten Satz war klar, was sie eigentlich meinte: »Die hässliche Misthaufen-Krähe soll bloß nicht glauben, sie könnte einfach herkommen und jetzt plötzlich deine Freundin oder so was sein. Das läuft nicht. Da habe ich auch noch ein Wort mitzureden.«

Paul hat keine Ahnung gehabt, was sich Alex so vorstellt, wenn sie »ein Wort mitreden« will, aber er wollte es auch lieber gar nicht wissen. Und deshalb gab es nur eine einzige Möglichkeit: Er musste Alex und Bella für heute ausladen!

Hat er auch gemacht, gleich heute Morgen in der Schule, noch vor Mathe.

»Wir müssen reden, Alex«, hat er gesagt. »Heute ist der Tag, du weißt schon. Heute Nachmittag. Und irgendwie glaube ich, dass es für Dusty zu viel wird, wenn du und Bella dann auch noch kommen. Ich meine, Dusty ist jetzt bald schon sieben, und das ist eigentlich sieben mal sieben, also … äh, fast so viel wie mein Vater, das ist echt alt. Da verkraftet er so viel Besuch nicht mehr so gut, weißt du?«

Mit dem Ergebnis, dass Alex geantwortet hat: »Schon kapiert. Ich bleibe zu Hause. Wäre ich sowieso! Oder glaubst du etwa, ich wäre scharf darauf, die doofe Stinkbombe zu treffen?«

»Na damit ist ja alles klar«, hat Paul gemeint. Und im Stillen gedacht, dass das ja leichter ging, als er erwartet hatte. Und dass er noch mal Glück gehabt hat!

Dass er sich zu früh gefreut hatte, hat er erst gemerkt, als Alex ihm dann in Englisch mit Absicht eine falsche Antwort vorgesagt hat. »I would like to become a scrambled egg for dinner.« Statt »to get a scrambled egg«. Ich würde gerne ein Rührei werden, sehr witzig!

Als er sich in der Pause beschwert hat, hat sie nur gemeint: »Frag doch deine neue Freundin, vielleicht weiß die es ja besser.«

Und dann hat ihn seine Mutter nach der Schule noch mal losgeschickt, um Fischstäbchen zu holen, weil Karlotta behauptet hat, dass Anna vielleicht keinen Kuchen mögen würde. Und dass es dann gut wäre, wenn zufällig ein paar Fischstäbchen in der Pfanne liegen.

Paul hat das Fahrrad genommen. Und Dusty ist hinter ihm hergerannt. Wie immer, wenn sie irgendwohin fahren. Und eigentlich wäre Paul auch in drei Minuten wieder aus dem Supermarkt rausgewesen. Tiefkühltruhe, Fischstäbchen, Kasse, fertig. Aber dann stand Alex da! Und hat sich entschuldigt, dass sie in der Schule so blöd zu ihm war. Und ihm sogar noch extra Quatsch vorgesagt hat. Da konnte Paul gar nichts anderes machen, als ein bisschen mit ihr zu reden.

Es war ja völlig klar, dass sie nur wegen ihm in dem Supermarkt war, in dem sie sonst nie einkaufte. Alex hat es sogar zugegeben, als er sie gefragt hat.

»Ich bin nur wegen dir hier«, hat sie gesagt. »Ich habe bei euch zu Hause angerufen. Und deine Mutter hat gesagt, dass du gerade losgefahren bist, um noch schnell was zu holen.«

Alex ist echt klasse, denkt Paul, während sie jetzt zusammen zur Kasse gehen. Und es tut ihm fast schon wieder leid, dass er sie für heute Nachmittag ausgeladen hat. Schließlich ist sie seine Freundin und nicht Anna!

Er muss ein bisschen kichern, als ihm wieder einfällt, wie Alex Anna genannt hat: »Hässliche Misthaufen-Krähe« gefällt ihm fast noch besser als »doofe Stinkbombe«. Aber jetzt hat Alex sich ja entschuldigt und alles ist wieder gut zwischen ihnen.

Kurz vor der Kasse steht das Regal mit den Schokoriegeln.

»Welchen willst du?«, fragt Paul. »Ich geb dir einen aus.«

Alex nimmt einen Riegel mit Kokos-Füllung.

»Habe ich gewusst«, sagt Paul und grinst. »Ich habe dich noch nie eine andere Sorte essen sehen.«

»Ist irgendwie cool, oder?«, fragt Alex.

»Was jetzt? Ich kapiere gerade nicht …«

»Wenn man mit jemandem so gut befreundet ist, dass man sogar weiß, welche Schokoriegel er am liebsten mag. Du nimmst einen mit Erdnüssen, wetten?«

»Stimmt.« Paul grinst schon wieder. Und als Alex zurückgrinst, wartet er fast darauf, dass sie jetzt auch gleich noch irgendwas sagt wie: »Anna mag wahrscheinlich gar keine Schokoriegel, sondern nur Kaugummi mit Zwiebelgeschmack.« Oder so was in der Art.

Aber stattdessen beugt sich Alex nur ganz schnell vor und drückt ihm einen Kuss auf die Wange. Weshalb Paul einen so roten Kopf bekommt, dass die Kassiererin ihn fragt, ob alles okay ist.

»Alles bestens«, sagt Paul. »Mir ist nur ein bisschen heiß hier drin.«

»Nicht nur dir«, erwidert die Kassiererin und zeigt auf die Packung mit den Fischstäbchen in seiner Hand. Die am Rand schon ganz aufgeweicht ist und eine kleine Pfütze auf dem Band hinterlassen hat. »Ich glaube, du solltest dich mal beeilen, damit nach Hause zu kommen.«

»Mach ich. Ich hole nur noch Dusty und mein Rad und ab geht’s.«

»Ich komme noch kurz mit, um Dusty Hallo zu sagen«, erklärt Alex, als sie neben Paul durch die Tür geht. Sie reckt den Kopf und blickt suchend zu den aufgestapelten Flaschenkästen hinüber. »Wo hast du ihn denn angebunden?«

»Wo ich ihn immer anbinde natürlich«, sagt Paul. »Bei den beiden Haken an der Wand, wo sonst? – Hä?«, macht er gleich darauf, als er kapiert, warum Alex gefragt hat. »Was soll das denn?«

Er rennt los. Alex rennt hinter ihm her. Bei dem Stapel mit den leeren Kästen bleibt Paul so abrupt stehen, dass Alex gegen ihn stößt.

»Was … wo … ich meine, wieso …«, stammelt Paul. »Ich habe ihn doch hier angebunden!«

Die beiden Haken an der Wand sind leer. Es liegt auch nirgends eine durchgebissene Leine. Nur der umgestürzte Wassernapf liegt in einer Pfütze auf dem Boden. Das ist alles. Dusty ist weit und breit nicht zu sehen.