Esther Blank

Australien

Esther Blank

Australien

Ein Länderporträt

Für Frank und Hannah
Thank you for your patience and loving support.

Für Siegfried B. und Herbert G.,
die mich ermutigten, Journalistin zu werden.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet
diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
www.dnb.de abrufbar.

Inhalt

Einleitung

9

Landschaft und Tierwelt

13

Ein Paradies für paläontologische »Entdeckungsjunkies«

13

Kängurus, Echidnas und Schnabeltiere

16

Kookaburra und Lorikeets

19

Schlangen, Spinnen und Riesenechsen

20

Begegnung mit dem Walhai

22

Landschaft in Kunst, Musik und Literatur

26

Von den Buschpoeten bis Tim Winton

26

Pünktchen, Licht und starke Farben

30

Australischer Rock /Pop und Sculthorpe

35

»Hanging Rock«, Apokalypse in der Wüste, Australien-Western

36

Die australischen Ureinwohner

38

Walpiri am Uluru

38

Es begann vor 60 000 Jahren

39

Die Rückgabe des Uluru

41

Uralte Felsenkunst

45

Massaker

47

Gestohlene Kinder

49

Sorry

54

Maralinga

56

Referendum und Freedom Rides

58

Australia Day 2014

62

Wirtschaftliche Entwicklung

64

Dritte Welt in einem reichen Land

67

Eine ungewisse Zukunft

72

Geschichte und Politik

75

Sträflingskolonie

75

Goldrausch, Wirtschaftsboom und Bushranger

78

Föderation und Kriege

84

Wahlpflicht und Politikmüdigkeit

88

Murdoch und Co

92

Mit dem Premierminister auf Du und Du

95

Wirtschaft

100

Tom Price

100

Mining-Geschichte

102

Fly-in /Fly-out

105

Mining Tycoons

111

Die Zukunft liegt in Asien

117

Zweigleisige Wirtschaft

121

Investitionsland

122

Multikulturelle Gesellschaft

126

Cabramatta

126

White Australia

127

Einwanderung nach dem Zweiten Weltkrieg

128

Deutsche in Australien

130

Das Ende der White-Australia-Politik

132

Bootsflüchtlinge – ein hässliches Kapitel

138

Leben in der City

148

Sydney

148

Melbourne

159

Hobart

163

Adelaide

164

Perth

166

Darwin

167

Brisbane

169

Canberra

170

Outback – Leben auf dem Land

172

Roadtrip

172

Gulargembone

178

Das große Schweigen

181

School of the Air

184

Bachelors and Spinsters Ball

187

Ein zähes Volk

193

Australischer Humor

196

Umwelt

201

Tasmanische Wildnis

201

Artensterben

204

Klimawandel

206

Bedrohung des Great Barrier Reefs

212

Alternative Energien

214

»No worries, she’ll be right, mate«

217

Anhang

219

Literatur

220

Basisdaten Australien

221

Übersichtskarte

222

Einleitung

»I am compelled into this country ...«
Patrick White, australischer Literaturnobelpreisträger, in seinem Roman Voss

Das laute Lachen zweier Kookaburras hallt in der Dunkelheit unter dem verblassenden Sternenhimmel. Niemand rührt sich in den wenigen Zelten zwischen duftenden Teebäumen und Zitronenmyrten. Bis zur Quelle ist es nicht weit. Ich gleite in kühles Wasser. Die ersten Strahlen der Morgensonne lassen den oberen Rand einer ockerfarbenen Felswand hinter mir erglühen. Drei blauschillernde Eisvögel fischen von den Ästen eines Eukalyptusbaums, dessen Wurzeln im Felsen direkt über der Wasserlinie Halt gefunden haben. Plötzlich taucht die Sonne die ganze Felswand in rotgoldenes Licht. Tausende bunte Schmetterlinge fliegen auf, tanzen in den Sonnenstrahlen unter dem violettblauen Himmel. Ein sandfarbenes Wallaby, eine Art kleines Känguru, hüpft ans Wasser, sieht mich an, trinkt. Bald leisten ihm schwarze Kakadus, rosagraue Papageien und zwei glattschuppige Echsen Gesellschaft. Man hört nur den Wind, Insekten und das leise Gemurmel der Vögel.

Butterfly Springs ist ein kleines Stückchen Paradies in der weiten Savanne der australischen Golfregion, hoch im Norden des Landes. Es ist das einzige Wasserloch im Limmen-Nationalpark, in dem man ungefährdet von Salzwasserkrokodilen schwimmen kann. Dies ist das Australien, das Besucher aus aller Welt fasziniert, ein Traumland vieler Deutscher, die einmal endlose Weite und wilde, unberührte Natur erleben wollen. Dies ist das Australien, das Australier aus aller Welt immer wieder in ihre Heimat zurückzieht. Die überwältigend schöne, aber auch unerbittliche Natur Australiens, die einzigartige Tier- und Pflanzenwelt, das strahlende Licht und die Weite prägen die Menschen, die dort leben, auch wenn sich über 80 Prozent der Australier in den Großstädten an den Küsten der Rieseninsel zusammendrängen. In der Kunst und Kultur der australischen Ureinwohner ist Country – das Land an sich, die Landschaft und die damit verbundenen Mythen – von zentraler Bedeutung. Die Landschaft inspirierte Schriftsteller wie Patrick White, David Malouf und Kate Grenville. Sie zeigt sich in den Bildern australischer Maler wie Arthur Streeton und Brett Whiteley und spielt in international bekannten australischen Filmen wie »Picknick am Valentinstag«, »Mad Max« oder »Priscilla, Königin der Wüste« eine Hauptrolle.

Die Vielfalt der Landschaften Australiens geht jedoch weit über die Klischees der Australienfilme hinaus. Der fünfte Kontinent hat alles: riesige Korallenriffe und schneebedeckte Berge, tropische Dschungel, rotsandige Wüsten und endlose Savannen, kühle Regenwälder mit Moosen und Farnen, versteckte Täler, endlose Strände, tosende Meeresbrandung, lebendige Großstädte und verschlafene Country Towns.

Australien ist so groß wie die USA ohne Alaska. Die Entfernungen sind riesig: Von Sydney bis nach Perth in Westaustralien ist es mit dem Auto fast doppelt so weit wie von Köln nach Moskau. Doch es leben nur etwas mehr als 23 Millionen Menschen in diesem Gebiet.

Die ersten Menschen, die australischen Aborigines, kamen vor circa 60 000 Jahren aus Afrika über Asien nach Australien. Sie erreichten den isolierten Kontinent über eine Inselbrücke im Norden und verschmolzen mit Landschaft und Natur, wie man es heute noch aus ihren Mythen, den Dreamings, erfahren kann.

Alle anderen Australier kamen viel später. Ab 1788 schickte die britische Krone Strafgefangene aus ihren überfüllten Gefängnissen auf den neu »entdeckten« und prompt zur Kolonie erklärten Kontinent. Spuren dieser Geschichte kann man manchmal noch heute in der Politik und Wirtschaft des Landes begegnen. Den Sträflingen folgten freie Siedler, Goldsucher, Abenteuerlustige, Flüchtlinge und Freiheitssuchende aus Europa, dem Nahen Osten, Asien und Afrika. Dazu kommen heute von der Immigrationsbehörde sorgfältig ausgesuchte, oft hochqualifizierte Einwanderer, die im rohstoffreichen, wohlhabenden Australien Arbeitsplätze und ein neues Zuhause finden. Über 28 Prozent aller Australier wurden außerhalb Australiens geboren, 44 Prozent haben mindestens ein Elternteil, das nach Australien einwanderte, und die Vorfahren fast aller anderen Australier kamen ebenfalls als Einwanderer ins Land. Die einzige Ausnahme, die australischen Ureinwohner, machen heute knapp drei Prozent der Bevölkerung aus.

Jeder Einwanderer, jede Einwanderergruppe bringt etwas von der Kultur seines oder ihres Heimatlandes mit nach Australien. Dadurch ist eine multikulturelle Gesellschaft entstanden, die sich ständig verändert. In manchen Stadtteilen Sydneys oder Melbournes leben Menschen aus über 150 Ländern und verschiedensten ethnischen Gruppen erstaunlich friedlich neben- und miteinander. Wer schnell Englisch lernt, auf gemeinsame Werte wie Demokratie und die Gleichberechtigung der Geschlechter schwört, die Nationalhymne singen kann und weiß, was Cricket, Rugby und Aussie Rules Football sind, oder wer viel Geld investiert, darf innerhalb von vier Jahren australischer Staatsbürger werden, sich als Australier fühlen und voll am Leben der Gesellschaft teilnehmen.

Noch neu und ungefestigt schwankt diese Gesellschaft zwischen oft widersprüchlichen Extremen. Einerseits zeichnet sie sich durch großzügige Toleranz, Lockerheit, fröhlichen Optimismus und egalitäres Denken aus, andererseits findet man kleinbürgerliche Engstirnigkeit, hässlichen Rassismus, nationale Minderwertigkeitsgefühle und unrealistische Großmannssucht.

Den »typischen Australier« gibt es im multikulturellen Australien nicht, auch wenn einige Politiker diese mythische Figur immer wieder heraufbeschwören wollen. Eine gemeinsame Identität finden die Australier vielleicht am ehesten beim sportlichen Wettkampf mit Mannschaften anderer Länder, wo jeder Australier, egal welcher Herkunft, Kultur oder Religion, bedenkenlos »seine Aussies« anfeuern kann.

Doch einigen gemeinsamen Wesenszügen bin ich in Australien immer wieder begegnet: Mut, Ausdauer und Beharrlichkeit angesichts von Problemen und der Bereitschaft, Risiken einzugehen, Neues zu probieren oder sich neuen Gegebenheiten anzupassen. Dazu kommen oft ein guter Schuss hintergründiger Humor, Respektlosigkeit gegenüber Obrigkeiten, spontane Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft.

Vielleicht braucht man diese Eigenschaften, wenn man das Risiko auf sich nimmt, in ein fremdes Land am »anderen Ende der Welt« zu gehen, in dem katastrophale Brände, Überschwemmungen, jahrelange Dürreperioden, Heuschreckenplagen, Sandstürme und Hitzewellen jeden Menschen immer wieder an die unberechenbare Natur erinnern.

Jeder Einwanderer, jeder Besucher sieht Australien anders. Jeder entdeckt sein eigenes Australien. Als Journalistin habe ich Teile des Landes gesehen, die auch vielen Einheimischen noch unbekannt sind. Ich erhielt Einblicke in die Kultur und das Leben der australischen Ureinwohner, habe mit starken Frauen in abgelegenen Bergbausiedlungen gesprochen, konnte Premierminister und Wissenschaftler interviewen, bin mit dem Walhai geschwommen und mit Mountain Men über schneebedeckte Hochebenen galoppiert. Mit Hilfe meines australischen Mannes und meiner Tochter bin ich in diesem faszinierenden Land heimisch geworden.

In diesem Buch möchte ich mein Australien vorstellen: die Landschaft und die Menschen, denen ich darin begegnet bin, ihr Leben und ihre Geschichte.

Sydney, Mai 2014,
Esther Blank

Landschaft und Tierwelt

Ein Paradies für paläontologische »Entdeckungsjunkies«

Der Asphalt der schmalen, schnurgeraden Straße flimmert in der Hitze bis zu einer langgezogenen Hügelkette weit am Horizont. Rechts und links zieht sich eine endlos scheinende rotsandige Ebene mit flachen Sanddünen, Geröll, Inseln von spitzigem Spinifexgras, vereinzelten stacheligen Büschen und kleinen schwarzstämmigen Bäumen entlang. Dies ist die Pilbara im westaustralischen Outback. Seit Stunden habe ich kein anderes Auto, keinen anderen Menschen mehr gesehen – ein berauschendes und gleichzeitig ein wenig beängstigendes Gefühl. Ich halte neben einem dürren Busch, um meine Beine zu strecken. Die Kühle aus dem klimatisierten Wagen hält noch für einige Sekunden, dann trifft mich ein trockener, heißer Wind, eine dörrende Hitze, die jede Feuchtigkeit auf der Haut in Sekunden aufsaugt und die Lippen in Pergament verwandelt. Im grellen Licht zeichnet sich jeder Busch, jeder Felsbrocken scharf gegen den violetten Himmel ab. Ich höre nur das Säuseln des Sands, den der Wind über Asphalt und Gräser treibt.

Dies ist eine uralte Landschaft, entstanden über Jahrmillionen, von der Erosion rund und flach geschliffen, mit tiefen versteckten Schluchten und einer in Isolation entstandenen einzigartigen Tier- und Pflanzenwelt. Nach dem Zerfall des Riesenkontinents Gondwana vor über 60 Millionen Jahren wurde Australien allmählich von allen anderen Kontinenten getrennt. Nach dem Untergang der Dinosaurier setzten sich in Australien die Beuteltiere durch. Sie erreichten Riesengröße. Paläontologen, wie Professor Mike Archer von der Universität von New South Wales in Sydney, haben unter anderen die Fossilien eines drei Meter großen fleischfressenden Riesenkängurus, eines auf Bäume kletternden Urkrokodils und eines überdimensionalen Beutellöwen gefunden. »Ursprünglich gab es in Australien auch sehr viele plazentare Säugetiere. Doch sie wurden von den Beuteltieren verdrängt. Wir denken immer, weil wir selber zu den plazentaren Säugetieren gehören, dass diese den Beuteltieren irgendwie überlegen sind, aber das stimmt nicht. Beuteltiere können ihren Nachwuchs regulieren. Die Babys werden winzig geboren und leben im Beutel. Und wenn das Muttertier feststellt, dass die Lebensumstände zu schwierig sind, dass es sie zu viel Energie kostet, zu diesem Zeitpunkt ein Baby aufzuziehen, dann schmeißt sie es einfach aus dem Beutel. Daher sind Beuteltiere viel widerstandsfähiger und anpassungsfähiger, vor allem in einer immer feindlicheren, immer trockeneren Umwelt, in der die Nahrung keineswegs gesichert ist.«

Mike Archers Beobachtungen zufolge sind die meisten australischen Beuteltiere daher auch »opportunistische Allesfresser«. »Katzen fressen keine Gurken, nicht wahr? Aber mein Quoll, ein Beuteltier, das in Australien die Rolle einer kleinen Raubkatze einnimmt und eigentlich ein Fleischfresser ist, frisst genauso gern Gemüse und Obst. Und mein Swamp Wallaby, ein kleines pflanzenfressendes Känguru, hat mich mal vor dem offenen Kühlschrank fast umgerissen, weil es unbedingt an mein Brathähnchen wollte!« Ein Nymphensittich hüpft auf Mike Archers Kopf herum, während er spricht. Als ich ihn zum ersten Mal interviewte, kroch ein spitzköpfiges, gesprenkeltes Quoll aus seiner Schreibtischschublade und schmiegte sich liebevoll an seinen Hals.

Der Tierliebhaber und begeisterte Wissenschaftler verbringt jedes Jahr mehrere Monate bei Ausgrabungen in »Riversleigh«. Die ehemalige Rinderfarm im Lawn Hill National Park in Queensland ist ein Mekka für Paläontologen aus der ganzen Welt. Der Nationalpark liegt unweit des Savannah Ways, einer 3700 Kilometer langen alten Viehtreiberroute zwischen Cairns und Broome. Zwischen den schroff aufragenden Kalksteinfelsen, in Höhlen und tiefen Schluchten mit kühlen, klaren Wasserlöchern haben Paläontologen bereits über 250 Fundstätten mit Fossilien bisher völlig unbekannter Tierarten gefunden. Einer der neuesten Funde, der Schädel eines 80 Zentimeter langen Schnabeltiers, mit spitzen Zähnen im Schnabel (!), ist 15 Millionen Jahre alt. Das ist für Mike Archer »schon fast keine Überraschung mehr«. Sein von der australischen Sonne gegerbtes Gesicht leuchtet, er fuchtelt enthusiastisch mit den Armen, wenn er über sein Lieblingsthema spricht: »Manche der Tiere, die wir gefunden haben, sind so seltsam, dass wir sie erst einmal ›Thingodota‹, ›Dingsdadonta‹ oder ›Weirdodonta‹, ›Seltsamtier‹, genannt haben, weil es keine vergleichbaren Arten gibt, weil man so etwas noch nie gefunden hat. Wir sind hier richtige Entdeckungsjunkies, wir sind ständig high, weil wir ständig etwas Neues und Seltsames finden!«

Unter den Sensationsfunden der australischen Paläontologen befinden sich die versteinerten Überreste mehrerer Arten von Beuteltigern. Der letzte seiner Art war 1936 in einem Zoo in Tasmanien gestorben. Mehr als 50 Jahre später wurde auf den verstaubten Regalen eines Naturkundemuseums ein alter Glasbehälter mit einem in Flüssigkeit bewahrten Beuteltigerbaby gefunden. Archer hat fragmentierte DNA des Tiers sichergestellt und möchte damit den Beuteltiger wieder zum Leben erwecken. Über 50 Tierarten sind seit der Ankunft der ersten weißen Siedler auf dem fünften Kontinent ausgestorben. Über 180 Tierarten gelten als bedroht. Ein enger Verwandter des Beuteltigers, der tasmanische Beutelteufel, ist besonders gefährdet. Mike Archer glaubt, dass die Wiedereinführung des Beuteltigers seinen scheuen, aber mit scharfen Zähnen bewaffneten, schwarzfelligen Cousin vor dem Aussterben retten könnte. »Wir brauchen den tasmanischen Beuteltiger, um das biologische Gleichgewicht in Tasmanien wiederherzustellen.«

Zurzeit arbeitet Professor Archer mit einem Team internationaler Wissenschaftler an dem »Projekt Lazarus«. Die Wissenschaftler haben eingefrorene Zellkerne des 1983 ausgestorbenen Gastric Brooding Frog, der seine Kaulquappen im Magen ausbrütete, in die Zellen einer verwandten Art eingesetzt. Es bildeten sich Embryos, die das genetische Material des ausgestorbenen Froschs aufwiesen. Mike Archer ist überzeugt, dass damit der erste Schritt zum Klonen der Amphibie getan ist. Die Wiederbelebung des tasmanischen Beuteltigers ist für ihn nur eine Frage der Zeit und der Entwicklung der Gentechnologie.

Kängurus, Echidnas und Schnabeltiere

Doch auch ohne einen wiederbelebten tasmanischen Tiger ist Australiens Tierwelt einzigartig: Über 130 Beuteltierarten leben in Australien, von der winzigen Pebble Mound Mouse, die kunstvolle Pyramiden aus Kieseln baut, bis zum zwei Meter großen roten Känguru Zentralaustraliens.

Kängurus sind ihrer Umwelt perfekt angepasst. Sie haben weiche Füße, die die kargen, empfindlichen Böden Australiens schonen, anstatt zu zerstören wie die harten Hufe eingeführter Rinder, Pferde oder Schafe. In Dürrezeiten regulieren sie ihren Nachwuchs. Sie können selbst harte Gräser, Rinden und junge Äste fressen. Sie meiden die Hitze des Tages und werden, wie die Mehrheit der australischen Tiere, erst in der Dämmerung aktiv.

Es gibt über 40 Känguruarten. Manche sind nur so groß wie ein kleines Kaninchen, andere können sich mannshoch aufrichten. Im tropischen Norden Australiens können Kängurus gar auf Bäume klettern. Die Tiere sind selten scheu. In Nationalparks und auf Campingplätzen hüpfen sie oft zwischen den Zelten herum, lassen sich hinter den Ohren kratzen oder dösen im Schatten der Cabins, einfacher Holzhäuser oder Wohnwagen, in denen viele australische Stadtfamilien ihre Ferien verbringen und die Natur erkunden. Schweinsgroße wollige Wombats mit runden Ledernasen grasen vor den Zelten, Rieseneichhörnchen ähnelnde Possums lassen sich abends auf Balkonen oder Campingtischen mit Obst füttern. Goannas, bis zu zwei Meter lange Echsen, stehlen Eier aus der Küche und rasen, wenn aufgescheucht, den nächsten Baumstamm hinauf. In den Eukalyptuswäldern an der Ost- und Südküste Australiens können die Camper in Baumkronen und Astgabeln die auf der ganzen Welt beliebten, aber in einigen Gegenden stark gefährdeten Koalas beobachten, Beuteltiere, die wie kleine graue Teddybären aussehen und stark nach Eukalyptus duften.

Eines der seltsamsten Tiere Australiens ist der Echidna, oder Schnabeligel, der gar kein Igel ist, sondern zu einer ganz eigenen, uralten Tiergattung gehört, zu den Monotremata. Im Out-back, aber auch oft schon in Parks und Gärten an den Rändern der Städte, können einem die stacheligen, etwa fußballgroßen Tiere mit dem länglichem Schnabel auch mitten am Tage über den Weg watscheln. Sie sind auf der Suche nach Ameisen oder Termiten, die sie laut schnüffelnd mit ihren kräftigen Krallen ausgraben und fressen. Oft sieht man mehrere Echidnas in einer schön geordneten Reihe hintereinander herlaufen: Aufgeregte Männchen folgen dem stachligen Objekt ihrer Begierde, einem Schnabeligelweibchen. Echidnamütter gebären ledrige Eier, die in einem Beutel gewärmt werden, bis die Kleinen ausschlüpfen. Die fast durchsichtigen Winzlinge mit noch weichen Stacheln beginnen sofort rosarote Muttermilch aus Drüsen am Bauch des Muttertiers zu saugen.

Der einzige Verwandte dieses faszinierenden Tiers lebt im Wasser. Der Platypus, oder das Schnabeltier, sieht aus wie eine Art kleiner Otter mit einem großen, ledrigen Entenschnabel und Biberschwanz. Als die ersten ausgestopften Exemplare und Zeichnungen dieses Tiers im 18. Jahrhundert Europa erreichten, dachten die ehrwürdigen Herrschaften der zoologischen Gesellschaften, dass man sich mit ihnen einen Scherz erlaubte und ein Fabeltier aus verschiedenen Tierarten zusammengenäht hätte. Erst als sie beim besten Willen keine Nähte finden konnten, gewöhnten sie sich an den Gedanken, dass der Platypus tatsächlich existiert. Wie der Echidna legt auch der Platypus winzige, weiche Eier. Das Platypusweibchen zieht sich dazu in einen bis zu 20 Meter langen Bau zurück. Es hält seine Eier zwischen dem weichen Bauchfell und dem schützend über die Brut gelegten Schwanz warm. Nach knapp zwei Wochen schlüpfen zwei oder drei Kleine aus und saugen reichhaltige Muttermilch aus Drüsen am Bauch der Mutter.

Wer Schnabeltiere in freier Wildbahn beobachten möchte, muss Ausdauer und Geduld mitbringen. Die scheuen Tiere kommen erst in der Dämmerung aus ihren tiefen Bauten in versteckten Buchten oder am Rande klarer, sanft plätschernder Bäche. Beobachter müssen oft stundenlang bewegungslos sitzen, wehrlose Opfer von Mücken und Schnaken, um auch nur einen kurzen Blick auf einen Platypus zu erhaschen, bevor er mit einem leichten Klatschen des Schwanzes abtaucht, um Krabben, Schnecken und Insekten zu jagen. Ich erinnere mich an einen langen Abend mit Platypus-Enthusiasten im Cradle Mountain-/Lake St Clair-Nationalpark in Tasmanien. Das Wasser glitzerte im Mondlicht, der Wald duftete, doch die Insekten waren fürchterlich – und kein einziger Platypus zeigte sich den begeisterten Fans. Auf der Rückfahrt zu unserer Ecolodge verirrten wir uns in ein altes Dorf. Wir hielten, um die Karte zu studieren, als unsere Tochter Hannah, die auf dem Rücksitz gedöst hatte, plötzlich laut »Platypus« schrie. Und da waren das Fabeltier oder vielmehr zwei von ihnen, die einander jagten – direkt vor uns im Dorfteich im Licht der Scheinwerfer. Sie schwammen um die Wette, schossen aus dem Wasser und wieder hinein, tobten gemeinsam unter dem Brunnenstrahl und verschwanden nach fast 20 Minuten mit einem lauten Glucksen.

Kookaburra und Lorikeets

Auch Vogelliebhaber kommen in Australien auf ihre Kosten. The Bush, wie die Australier ihre Wälder nennen, ist ein Zuhause für über 55 Papageienarten und für Baukünstler, wie den schwarzblauen Bowerbird, den lachenden Kookaburra und den Lyrebird, den großen Sänger und Nachahmer der australischen Vogelwelt. In Australien gibt es über 750 Vogelarten, 300 davon sind nur auf dem fünften Kontinent heimisch. Selbst in den Millionenstädten hört man frühmorgens das Lachen der Kookaburras, sieht Scharen gelbgekrönter Kakadus, oder die bezaubernden Rainbow Lorikeets.

Die amselgroßen, eleganten Papageien haben ein schillerndes Gefieder in allen Farben des Regenbogens: tiefblaue Köpfchen und Bäuche, rote Schnäbel und Krallen, rot, gelb und orange gesprenkelte Brüste und seidig grün schimmernde Flügel. Lorikeets lieben den Nektar australischer Blüten. Sorgfältig ziehen sie die Dolden mit einer Kralle heran und benutzen ihre langen, rauen Zungen und scharfen, gebogenen Schnäbel, um an den Blütennektar zu kommen. Dabei murmeln sie freudig vor sich hin oder kreischen ab und zu, um mit ihren Partnern Kontakt zu halten. Sie hüpfen auf den Ästen auf und nieder, hängen mit dem Köpfchen nach unten, streiten sich mit ihren Nachbarn um die nächste Blüte, um plötzlich gemeinsam in einer schillernden Schar davonzufliegen. Sie gedeihen hervorragend in den Großstädten, wo viele Australier extra für sie einheimische Büsche und Bäume in ihren Gärten pflanzen oder zumindest Vogelbäder aufstellen und kleingeschnittenes Obst auf ihren Balkonen auslegen. Die Lorikeets wissen genau, wann es wo in »ihrem Bezirk« etwas Gutes gibt, und sitzen frech kreischend pünktlich jeden Morgen auf den Balkonen ihrer Gönner. Ein Verschlafen gibt es da nicht: Wer nicht von seinen Nachbarn um 6.30 Uhr morgens gesteinigt werden möchte, rückt schnell mit dem Vogelfutter raus ...

Schlangen, Spinnen und Riesenechsen

Alle australischen Kinder wissen, dass sie nicht im Laub, Unterholz, hohen Gras, oder in alten Schuppen und Ställen herumtoben können, ohne auf Schlangen oder giftige Spinnen zu achten. Selbst in Parks und Gärten in Sydney gibt es die in fast ganz Australien verbreiteten Black Snakes und Brown Snakes. Beides sind Giftschlangen. Im Bush, Wäldern am Stadtrand, in Nationalparks und Wilderness Areas kann man 140 Schlangenarten begegnen. 25 sind giftig, einige, wie die kupferbraune King Brown Snake, für Menschen tödlich. Doch Menschen werden relativ selten gebissen.

Die meisten Schlangen sind sehr scheu und verkriechen sich, sobald sich jemand nähert. Nur in die Enge getrieben beißen sie zu. Australische Krankenhäuser halten gute Gegengifte auf Vorrat. Doch die meisten Gegengifte müssen innerhalb von 30 Minuten verabreicht werden. Daher muss jeder, der im Busch wandern oder spazieren gehen will, gut vorbereitet sein. Festes Schuhwerk und dicke Socken sind das Minimum. Wer durch hohes Gras und dichtes Unterholz muss, sollte auf jeden Fall lange Hosen tragen, in einigen Gegenden auch Beinschutz für die Unterschenkel, dazu langärmelige Hemden, Hut und Sonnenbrille. Auch ein Sonnenschutzmittel gehört zur Grundausstattung. Ein schwerer Sonnenbrand ist wahrscheinlicher als ein Schlangen- oder Spinnenbiss. Für viele Besucher Australiens sind giftige Schlangen und Spinnen ein eher abschreckender Gedanke. Doch die Australier machen sich selten Sorgen. Sie wissen aus Erfahrung, dass sie ohne große Probleme mit den Tieren leben können. Sie tragen Handschuhe bei der Gartenarbeit, spritzen vor Gebrauch ihre Gartenmöbel mit einem starken Wasserstrahl ab (und damit die kleinen, giftigen Redback Spiders) und installieren Mückennetze in den Fenstern. Viele bauen schattige Höhlen und Teiche in ihren Gärten für Amphibien und Echsen, die Insekten vertilgen und oft sehr zahm werden. Auch Carpet Snakes, Pythonschlangen, sind mitunter gern gesehene Mitbewohner. Sie leben oft in Dachböden und jagen Ratten, Mäuse und anderes Getier. Auf Campingplätzen sind Frösche, wie der glänzende, breitmäulige grüne Baumfrosch, ständige Gäste in Duschkabinen und Toilettenräumen, die nicht nur angenehm schattig und feucht sind, sondern auch den Gesang eines Frosches hervorragend verstärken. In der Nähe von Wasserläufen sonnen sich Water Dragons, die wirklich wie 30 bis 50 cm lange Minidrachen aussehen und völlig harmlos sind.

Weniger harmlos sind ihre Verwandten, die australischen Krokodile, die erfolgreichsten Überlebenden der Urzeit. Es gibt sie überall im tropischen Norden Australiens. Die Freshies, die selteneren, bis höchstens drei Meter langen Süßwasserkrokodile mir ihren zierlichen, spitzen Mäulern, sind in der Regel scheu und keine Gefahr für Menschen, solange man sie nicht provoziert oder in die Enge treibt. Sie leben in Flüssen und kühlen Wasserlöchern oder Billabongs. Man kann sie gut vom Kanu aus beobachten. Es sind blitzschnelle Jäger, denen kaum ein Fisch oder Wasservogel entkommt. Vor den Saltwater Crocodiles, den Salties, ihren bis zu sieben Meter langen, 500 bis 1000 Kilogramm schweren Cousins, muss man sich hüten. Die breitmäuligen, massiven Echsen leben nicht nur in brackigen Flussmündungen oder im Meer, sondern auch in Flussläufen und Wasserlöchern oft Hunderte Kilometer im Inland, die sie bei den alljährlichen Überschwemmungen während der Regenzeit erreichen. Salties fressen nicht nur Fische und Schildkröten, sondern auch wilde Hunde, Wildschweine, Kängurus, riesige Wasserbüffel – und Menschen, wenn diese so naiv sind, sich in ihr Reich zu begeben. Oft greifen die riesigen Echsen einheimische Fischer an. Sie stoßen dabei gelassen kleinere Boote um. Immer wieder kommen auch Touristen zu Schaden.

Vor allem Deutsche, Holländer oder Österreicher scheinen in der tropischen Hitze dem romantischen Meeresstrand oder dem kühlen Wasserloch unter dem Wasserfall nicht widerstehen zu können und gehen schwimmen, selbst wenn riesige Schilder in den Nationalparks sie davor warnen. Salties sind Meister der Tarnung. Selbst am Palmen gesäumten Strand mit kristallklarem Wasser sieht man die lauernden Krokodile nicht. Daher zelten oder schlafen die Australier im hohen Norden nicht direkt am Wasser, sondern nur in einiger Entfernung davon hinter dem Stahlzaun eines Campingplatzes. Nächtliche Begegnungen mit einem hungrigen Salty sind eher unangenehm!

Begegnung mit dem Walhai

Die Küste Australiens ist fast 36 000 Kilometer lang. Es gibt Tausende Strände zwischen Pazifik und Indischem Ozean, viele davon sind Strände mit steil aufragenden Klippen, Felsskulpturen und hohen Wellen, auf denen man surfen kann. Andere sind romantische weiße Buchten mit tiefhängenden Kokospalmen und leise plätschernder Dünung. Tausende Inseln und Riffe umgeben den australischen Festlandssockel, darunter das weltberühmte 2300 Kilometer lange Great Barrier Reef im Nordosten Australiens und das weniger bekannte Ningaloo Reef im Nordwesten. Ningaloo Reef ist ein Geheimtipp für Taucher. Hier geht die Wüste direkt in den Strand über. Es gibt keine großen Hotelanlagen, und man kann an vielen Stellen direkt vom Strand zum Korallengarten schwimmen.

Zur Zeit des Ei- und Samenausstoßes der Korallen von April bis Juli kann man hier dem geheimnisvollen Walhai begegnen. Mit bis zu 18 Metern Länge ist der Walhai der größte Fisch, den es gibt. Er hält sich in den wärmeren Gewässern der Welt auf und ernährt sich von Krill und Plankton. Vieles über sein Leben ist noch ungeklärt.

Das Ningaloo Reef ist einer der wenigen Orte der Welt, an denen man jedes Jahr größere Gruppen der Tiere beobachten kann. Das Abenteuer beginnt in Exmouth, einem kleinen Ort, fast 1200 Kilometer von der nächsten Stadt, Perth, entfernt. Hier gibt es Tauchschulen, die Gruppen aufgeregter Meeresbiologen und Touristen mit ihren schnellen Booten durch eine schmale Öffnung im Riff an den Rand des Festlandsockels Australiens bringen, wo der Ozean plötzlich kilometertief wird.

Unsere kleine Gruppe taucht tief in das warme Wasser des Indischen Ozeans. Ich schwebe in einem Lichtschaft Tausender glitzernder Luftperlen – schwerelos, fast geblendet von der Reflexion des grellen Sonnenlichts in den feinen Luftblasen der Sauerstoffgeräte der Taucher unter mir. Weißer Sand schimmert zwischen beigefarbenen Weichkorallen und Wäldern filigraner roter und rosafarbener Korallenbäumchen. Dazwischen ragen riesige hirnartige Gebilde auf. Ein großer, grüner, karpfenähnlicher Fisch taucht aus dem Schatten des Riffs auf. Tausende silbern- und goldglänzende Winzlinge schießen zu beiden Seiten meiner Tauchermaske auseinander, um sich direkt danach wieder in einem kugelartigen Schwarm zusammenzufinden. Eine Bewegung am Rande meiner Tauchermaske lässt mich zusammenschrecken. Ich drehe mich zur Seite und sehe zwei große schwarze Mantarochen unter mir vorbeiziehen – ihre breiten Flossen weit ausgebreitet wie die Schwingen eines riesigen Vogels.

Heather, die Tauchlehrerin, gibt ein Zeichen: Es ist Zeit, aufzutauchen. An Bord des Boots schärft uns Besitzer Tony Metcalfe noch einmal die Regeln für unsere Begegnung mit dem Walhai ein. Nie dürfen mehr als zehn Menschen versuchen, mit dem Fisch zu schwimmen. Es muss immer ein Walhaiexperte dabei sein. Der Mindestabstand zum Körper des Hais beträgt drei Meter, zur Schwanzflosse vier Meter. Wer absichtlich näher an das Tier heranschwimmt oder es gar anzufassen versucht, wird sofort ins Boot verbannt. Wer mit dem Hai schwimmen will, darf nur einen Schnorchel benutzen. Die Luftblasen von Tauchgeräten stören die Tiere. Vor allem, so Tony, sollen wir ruhig und besonnen bleiben und uns die individuellen Markierungen des Walhais merken, die die Meeresbiologen zur Identifizierung brauchen.

Schon kommt der Alarm vom kleinen Suchflugzeug über uns. Ein Walhai ganz in der Nähe, circa 12 Meter lang. Wissenschaftler und Touristen suchen wild durcheinander redend und fuchtelnd ihre Tauchausrüstung zusammen, streifen Flossen über, reinigen noch einmal die Gesichtsmasken, schütteln die Schnorchel aus. Dann geht es los. Schubsend und stolpernd stürzen wir uns vom Tauchbrett ins tiefe warme Wasser. Plötzlich ist alles still, ich höre nur den eigenen Atem. Von meinen Mittauchern ist nichts mehr zu sehen. Millionen kleiner Planktonteilchen trüben die Sicht. Dann erscheint ein riesiger Schatten aus der dunkelgrünen Unendlichkeit, ein meterbreites Maul, leicht geöffnet, zwei Doppelstreifen gegen den braunen, mit hellen Punkten übersäten, flachen Kopf des Walhais. Deutlich sieht man die kleinen Augen an den Seiten, die gewaltigen, arbeitenden Kiemen. Langsam gleitet der Riese an mir vorbei. Die Sonne malt schillernde Lichtkringel auf den mit Punkten und Streifen gezeichneten Rücken mit der typischen Dreiecksflosse. Die raue, fast ledrig wirkende Haut spannt sich über drei scharfe Knochenkanten, die sich den ganzen Körper des Tiers entlang ziehen. Dies ist ein Dinosaurier der Meere! Unter seinem Bauch schwimmen drei lange Raubfische. Kleinere Saugfische hängen an seinen Seiten. Sie scheinen ihn ebenso wenig zu stören wie seine menschlichen Begleiter. Langsam öffnet der Hai sein Maul. Dutzende gelbschwarze, fingergroße Fische flitzen in den Schlund und um ihn herum, reinigen ihn von Parasiten, während der Hai Kleinstlebewesen in sich hineinsaugt. Fast eine Stunde lang beobachten wir die mächtige Kreatur aus der Urzeit. Dann bewegt sie lässig die Schwanzflosse und verschwindet in der grünen Tiefe.

Auf dem Rückweg spielen Delfine um den Bug unseres Boots. Wir sehen Seekühe und riesige Meeresschildkröten, harmlose Riffhaie, aber auch Hammerhaie, Tigerhaie und White Pointer. Von Juni bis November kann man am Ningaloo Reef auch Buckelwale beobachten, die in den tieferen Gewässern ihre Jungen bekommen.

Wer in Australien Meereslebewesen oder Seevögel beobachten will, braucht nicht unbedingt weit zu reisen. Ein Spaziergang entlang der Küste der Großstadt Sydney reicht schon, um im Juni / Juli oder Oktober / November Wale oder ganze Herden von Delfinen zu sehen. Kleine Pinguine tummeln sich jeden Abend am Pier von St. Kilda, mitten in Melbourne. Wunderliche Seedrachen schwimmen im Hafen von Sydney und Botany Bay. Pelikane sitzen auf den Booten am Fischmarkt. Und Haie gibt es überall.

Landschaft in Kunst, Musik und Literatur

Von den Buschpoeten bis Tim Winton

I love a sunburnt country, / A land of sweeping plains, / Of ragged mountain ranges, / Of droughts and flooding rains. / I love her far horizons, / I love her jewel-sea, / Her beauty and her terror – / The wide brown land for me!
Aus »My Country« von Dorothea Mackellar (1885 – 1968)

Fast jedes australische Schulkind kennt diese Zeilen des Gedichts »My Country« von Dorothea Mackellar, einer privilegierten jungen Arzttochter aus Sydney. Sie schrieb die sechs Strophen des Werks, heimwehkrank, auf einer ihrer vielen Reisen nach Europa. Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs, in dem auch über 330 000 australische Soldaten kämpften, wurde das patriotische Gedicht in ganz Australien bekannt.

Mackellar gehörte zu den »Buschpoeten«, die die harsche Schönheit ihrer eigenen Heimat priesen, anstatt dem kolonialen Mutterland Australiens, Großbritannien, nachzutrauern. Die Tradition der »Buschpoeten« wird in vielen Teilen des Outbacks noch heute gepflegt. Viele Stockmen oder Drovers, Viehtreiber im weiten Hinterland, vertreiben sich die einsamen Stunden am Lagerfeuer wie noch vor hundert Jahren mit dem Vortrag oder der Dichtung langer »Buschballaden«. Die berühmteste, Banjo Patersons (1864 – 1941) »The Man From Snowy River«, wurde 1982 mit Kirk Douglas und den australischen Schauspielern Jack Thompson und Sigrid Thornton verfilmt und ein Welterfolg. Noch heute gibt es die Mountain Men und die wilden Pferde, die Banjo Paterson in seiner Ballade beschreibt. Paterson verfasste auch den Text zum »Nationallied« Australiens, »Waltzing Mathilda«, das die Australier mit wesentlich mehr Begeisterung singen als ihre gestelzte Nationalhymne. Das Lied besingt einen Vagabunden und Viehdieb, der im Outback herumzieht und lieber stirbt, als seine Freiheit aufzugeben.

Banjo Paterson und die anderen Buschpoeten idealisierten und romantisierten das Leben im ungezähmten Hinterland ihrer Heimat. Für die ersten europäischen Entdecker und Siedler war das Outback jedoch eine fremdartige und feindselige Landschaft.

Der australische Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger Patrick White beschreibt das in seinem mitreißenden Roman Voss