Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

© 2017 Julina Anders

Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN: 978-3-7448-4795-7

„Bücher und Dirnen
kann man ins Bett nehmen.“

Walter Benjamin (1892 – 1940)

Inhaltsverzeichnis

PROLOG

Nie ohne. Was für meinen Job gilt, scheint auch für ein Buch über Prostitution zu gelten. Ohne Vorwort geht es nicht. Man muss klarstellen, wo man steht. Bin ich die ausgebeutete Zwangsprostituierte, die hier gegen ihren brutalen Zuhälter anschreibt? Klage ich die Gesellschaft und die Männer an, die mich in eine erniedrigende Arbeit gezwungen haben? In beiden Fällen wären mir Beifall und Mitgefühl sicher.

Die Diskussion um die Ursachen von Prostitution dauert seit Jahrzehnten, wenn nicht Jahrhunderten oder Jahrtausenden an. Alle Lager haben längst ihre Geschütze in Stellung gebracht und warten nur auf Unbedarfte, die sich aus der Deckung wagen. Mir ist klar: ich stehe mitten in einem Minenfeld, das zudem bestückt ist mit zahllosen Fettnäpfchen.

Also – ich ducke mich und sage frei heraus: ich mag Sex, und ich werde gerne dafür bezahlt. Wenn Donner und Qualm verzogen sind, möchte ich bitte weiterreden. Ich spreche hier nur für mich – auch wenn mir klar ist, dass ich sofort eingeordnet werde in diverse Schubladen. Ich will mit diesem Buch keine Gesetze ändern oder erhalten, dies ist keine Anklageschrift, und es ist auch keine sozialkritische Abhandlung.

In diesem Buch erzähle ich ganz allein von mir und meinen Erlebnissen im Reich der käuflichen Lüste. Ja, ich schlafe mit Männern und bekomme dafür Geld. Ich ficke, und ich lutsche Schwänze gegen Kohle. Ich mache es gern. Es macht mir Spaß. Und ich hasse oder verachte die Männer nicht, die mich bezahlen. Puh, jetzt ist es raus.

Soviel vorweg, damit Sie wissen, wo ich stehe. Ich erzähle Ihnen gern davon, wie ich dazu kam – und wie ich den käuflichen Sex für mich entdeckt habe. Bitte sehen Sie davon ab, mich psychologisch analysieren oder therapieren zu wollen. Ich sehe meine Prägung nicht als Defekt, der von Fehlentwicklungen in der Kindheit oder der Pubertät herrührt.

Ich weiß, dass viele Frauen in der Prostitution ganz schreckliche Erfahrungen machen – diese Seite des Geschäfts will ich nicht verschweigen und nicht verharmlosen. Ich kenne sie aber nicht. Ich habe immer selbst bestimmt gelebt und gearbeitet. Wenn mir etwas nicht gefiel, habe ich es nicht gemacht. Zuhälter kenne ich nur aus schlechten Krimis im Fernsehen. Wenn Sie also immer noch Interesse an meiner Geschichte haben, dann müssen Sie akzeptieren, dass ich nicht die „klassische“ Hure bin.

Ich sitze nicht in einem Bordell oder Laufhaus herum – ich warte auch nicht zu Hause auf Kunden, die ich wie am Fließband abfertige. Ich mache bezahlten Sex nicht von morgens bis abends – sondern nur soweit es mir selbst gefällt. Ich habe ein Leben neben dem bezahlten Sex. Ich bin 28 Jahre alt. Ich bin eine Hure.

Die Bezeichnung geht in Ordnung – wenn Frauen aus dem Gewerbe ihn selbst verwenden. Es spricht von Härte aber auch von Stolz, wenn man einen Begriff nutzt, der sonst ein Schimpfwort ist. „Prostituierte“ und „Sex-Arbeiterin“ klingt nach Soziologen-Sprech. Es gibt aber auch so schöne Namen wie „Liebesdienerin“, „Kurtisane“ oder „Hetäre“. „Freudenmädchen“ gefällt mir am besten – das ist schlicht und schön.

In diesem Buch berichte ich über meine Erfahrungen als Freudenmädchen in Berlin. Ich habe mein ganzes Leben in dieser wundervollen Stadt verbracht – und wahrscheinlich hätte mein Leben an jedem anderen Ort nicht diesen Verlauf genommen. Sex ist in Berlin vermutlich so wenig reglementiert wie sonst nirgendwo auf der Welt – weder durch juristische, soziale oder finanzielle Schranken. Ich habe das nicht wissenschaftlich untersucht – ich bin mir aber ziemlich sicher.

Ich habe das Buch geschrieben, weil meine Kunden mich immer danach gefragt haben: wie bin ich so geworden, wie ich bin? Und nicht wenige haben gemeint, daraus müsste man mal ein Buch machen. Der käufliche Sex regt die Phantasie vieler Menschen an – so auch meine. Ich bin neugierig auf die Lüste, Vorlieben, Perversionen und Abgründe, die sich hinter den scheinbar gleichförmigen Fassaden dieser Stadt auftun. Wie langweilig wäre es doch, wenn alle stumpf ihrer geregelten Arbeit nachgingen, um dann zu Hause mit der Familie vor dem Fernseher vegetarische Würstchen zu futtern. Ist es nicht viel spannender sich vorzustellen, was nachts in Bars, Hotelzimmern oder in den einschlägigen Clubs dieser Stadt geschieht? Welche geheimen Wünsche gerade erfüllt und ausgelebt werden?

Einen Herrn muss ich in diesem Zusammenhang noch erwähnen: Adam Riese. Das Geld spielt natürlich auch eine Rolle – eine nicht zu unterschätzende. Mit vielen meiner Kunden würde ich nicht ins Bett gehen, wenn sie mich nicht dafür bezahlen würden. Ich kann Geld gut gebrauchen. Als Angestellte einer Event-Agentur verdiene ich nur so mäßig gut – und als Hure bekomme ich mehr als ich jemals mit einem anderen Nebenjob einspielen könnte. Außerdem mag ich Sex, ich bin gut darin. Warum also nicht? Ich behaupte nicht, dass ich mein Leben nicht anders finanzieren könnte. Das geht. Ist aber viel Arbeit. Ist der Job manchmal eklig? Ja. Die Bettpfannen im Krankenhaus hab ich aber auch nicht unter Freudenschreien geleert, als ich in der Ausbildung zur Krankenschwester war. Und das, was ich da an einem Tag verdiente, bekomme ich heute für eine Stunde. Ein bisschen mehr sogar. Noch Fragen?

Ich will niemanden zu dem Job überreden – aber ich stelle fest, dass in allen Diskussionen zu dem Thema meine sexuelle Lust dramatisch unterschätzt wird. Und ich vermute, es geht nicht nur mir so damit. Ist das nicht absurd? Nach der vorherrschenden Meinung hat der Mann einen unbändigen Hunger nach Sex – die Frau aber nicht. Feministinnen wie Alice Schwarzer erwecken den Eindruck, als ob Frauen Sex mit Männern keine große Freude bereiten kann. Und Sex gegen Geld finden sie grundsätzlich erniedrigend für die Frauen. Manchmal glaube ich, dass der rheinische Katholizismus Frau Schwarzer mehr geprägt hat als sie selber ahnt.

Was, wenn das alles gar nicht stimmt? Wenn es Frauen gibt, die versauten Sex mögen? Die es aus reiner Lust mit mehreren Männern gleichzeitig treiben? Ja, es kommt noch schlimmer: Ich war mit Männern zusammen, die meine Lust nicht stillen konnten. Was jetzt? Immer wieder werde ich mit der vorwurfsvollen Behauptung konfrontiert: das kann Dir doch keinen Spaß machen!

Doch! Ich habe ein großes sexuelles Verlangen, ich probiere gerne Vieles aus, ich habe eine große Neugier – und ich liebe Rollenspiele. Je weiter meine Rolle von meinem eigentlichen Charakter entfernt ist, umso besser! Und ganz wichtig: ich sehe mich nicht als nymphoman, gestört oder krank an.

Ich weiß, es fällt schwer – aber: Sie müssen sich das Freudenmädchen als einen glücklichen Menschen vorstellen.

HEISENBERG – Eine neue Dimension

Schon von weitem ist er zu sehen: dieser riesige Betonkasten im Osten Berlins. Früher mal ein gigantischer, grauer DDR-Plattenbau – heute immer noch gigantisch, aber leidlich renoviert. Hier residiert Heisenberg. Zweimal hab ich ihn schon besucht. Und es war jedes Mal ein außergewöhnliches Erlebnis.

Ich weiß, er hat heute große Erwartungen an mich. Und das macht mich an diesem Abend ein bisschen nervös. Irgendwo da oben im 14. Stock steht er vermutlich gerade am Fenster. Und sicherlich beobachtet er mich genau in diesem Augenblick. Er besitzt ein teures Fernrohr, das auf einem schweren Stativ ruht. Es war ihm wichtig, dass ich hindurch schaue. Und mein Staunen war nicht einmal gespielt. Mühelos blickte ich in die Wohnungen der Häuser gegenüber, wo kaum jemand sich durch Vorhänge vor Beobachtern schützte. Heisenberg, ein Voyeur? Aber nein. Das Beobachten gibt ihm keinen sexuellen Kick. Es geht ihm um mehr. Der Blick durchs Fernrohr gibt ihm das Gefühl von Macht und Allwissenheit. So hat er es mir zumindest beschrieben.

Ich habe den Eingang erreicht. Klingelschilder reihen sich über mehrere Meter aneinander. Mehr als hundert Mieter muss es hier geben. Wer nicht weiß in welche Etage er möchte, ist aufgeschmissen. Bei meinem ersten Besuch musste ich Heisenberg von unten anrufen: „Wo soll ich klingeln?“ Etwas genervt nannte er mir dann eine vierstellige Zahlenkombination – darunter stand tatsächlich sein Name.

Angst vor Indiskretion hatte Heisenberg offenbar nie. Von Anfang an nannte er mir seinen richtigen Namen – was nur Wenige tun. Erst recht, wenn sie so spezielle Wünsche haben. Außerdem bestellte Heisenberg mich schon beim ersten Treffen zu sich nach Hause. Für mich lag damit nahe, dass er allein lebte und bei seinen Nachbarn nicht um seinen Ruf fürchten musste. Es war einer der Gründe, warum ich ganz zu Anfang ablehnte, ihn überhaupt zu treffen. Doch er war äußerst hartnäckig, und schließlich gab ich nach.

Bei unserem ersten Treffen taufte ich ihn ziemlich bald auf den Namen „Heisenberg“. Er erinnerte mich an diesen verrückten Chemie-Lehrer aus „Breaking Bad“. Vermutlich schaue ich zu viele TV-Serien. Aber es hilft mir mit meinen Männern umzugehen. Ich kann sie einordnen, vergleichen – und mit ihnen irgendwie eine andere Realität betreten.

Immer wenn ich neue Kunden treffe, bin ich etwas nervös. Ich habe in der Regel ein paar Mails von ihnen gelesen – oft haben wir auch ein paar Minuten telefoniert. Mehr ist meistens nicht. Heisenberg klang am Telefon sehr aufgeregt. Er sprach schnell und laut. Als ich dann das erste Mal auf seiner Etage ankam, hörte ich seine Stimme plötzlich hinter mir. „Hallo! Hierher.“ Ich erschrak. Ich war an seiner Wohnung vorbei gelaufen. Ich hatte mich von der abblätternden Wandfarbe in diesem heruntergekommenen, finsteren Flur ablenken lassen. Ja, ich muss zugeben: ich hatte ein bisschen Angst bei meinem ersten Besuch. Ich drehte mich zu ihm um, und als ich ihm ins Gesicht sah, stellte ich (lautlos) fest: „Scheiße! Heisenberg.“

Er sieht tatsächlich dem Chrystal-Meth-Koch Walter White sehr ähnlich. Ein hagerer, blasser Mann mit Metallrandbrille – Ende 40. Ernste Miene, stechende Augen. Ständig unter Strom oder getrieben von einer unsichtbaren Kraft. Auch heute wirkt er fahrig und ungeduldig. Dabei bin ich wie stets überpünktlich. Er winkt mich rein, und ich ziehe gleich hinter der Wohnungstür meine Schuhe aus. Darauf legt er großen Wert – auch das weiß ich bereits. „Hast du alles dabei?“, fragt er gehetzt. Natürlich. Alles, was er sich gewünscht hat: diverse sexy Outfits und kniehohe, schwarze Stiefel. Ich ahne, was jetzt kommt. Er setzt sich aufs Sofa, gießt sich einen Kaffee-Likör ein und schaut mich erwartungsvoll an. Ich zeige ihm, was ich so dabei habe. Ein knappes Top, einen engen Rock, eine Korsage, einen transparenten Slip, diverse Shirts und ein enganliegendes Kleid.

Es folgt: eine kleine Modenschau. Ich probiere eins nach dem anderen an – er begutachtet alles und schlägt mir vor, was ich als Nächstes anziehen soll. Ich mache daraus keine Strip-Nummer. Das hier ist für ihn noch der organisatorische Teil – das macht ihn nicht an. Beim ersten Mal versuchte ich mich lasziv aus den Kleidern zu schälen. „Lass das! Einfach ausziehen!“, stoppte er mich wenig sensibel. Ok. Dann eben nicht.

Heisenbergs Wohnung besteht nur aus einem Zimmer. Die Decke ist niedrig und drückend – die beinahe bodentiefen Fenster bieten allerdings einen atemberaubenden Blick auf die Stadt. Fernsehturm, rotes Rathaus, der Dom. Die Möbel sind nicht sehr geschmackvoll gewählt. Eher zufällig zusammengewürfelt. Eine dunkle Schrankwand, ein kleines Zweisitzer-Sofa und eine schmale Küchenzeile. In der Ecke ein Hometrainer. Keine Deko. Nichts Persönliches. Der Fernseher ist an. Ein Nachrichtensender läuft. Heisenberg wird ihn den ganzen Abend plappern lassen.

Was er beruflich macht, sagt er mir nicht. Als ich darauf zu sprechen komme, weicht er mir aus. Ich habe den Verdacht, dass er mit Drogen handelt. Nicht weil er wie Heisenberg aussieht - nun ja, auch das stärkt meinen Verdacht - nein, sondern weil er mir schon beim ersten Treffen Drogen anbietet. Er könne alles besorgen, sagt er. Er kenne Leute im Haus. Da gebe es alles: Koks, Gras, Meth, Ecstasy, das ganze Programm. Ich lehne dankend ab. Doch Heisenberg meint, er müsse mich auflockern – wenigstens mit Alkohol. Eine Flasche Sekt packte er bei unserer ersten Begegnung aus – ich nippte am Glas und kippte es in einem unbeobachteten Moment in die Yucca-Palme neben dem Sofa. In Filmen klappt so was immer super. Doch diese komischen Hyd-ro-Steinchen reagierten irgendwie mit dem Sekt - es schäumte furchtbar. Heisenberg erwischte mich: „Na, magst wohl keinen Sekt, was?“. Ich murmelte was von einer Mücke im Glas – keine Ahnung, ob er mir das abnahm.

Doch zurück zu unserer kleinen Anprobe. Am Ende fragt er mich: „Was würdest Du nehmen?“. Ich überlege. „Wie wär´s mit dem Rock und dem Top hier?“. Er schüttelt den Kopf. „Zieh das Kleid da an!“ Auch so ein Klassiker. Er fragt mich nur, um mir dann etwas anderes vorzuschreiben. Das turnt ihn vermutlich mehr an, als meine An- und Auszieherei. „Ok“, verkündet Heisenberg. „Zieh Dich an, geh raus, und dann legen wir los.“ Das Kleid ist schnell übergestreift. Er zählt mir unterdessen mein Geld ab, und dann stehe ich auch schon wieder draußen im Flur. Einmal durchatmen. Der Heisenberg-Abend kann beginnen. Ich klingele.

„Hallo Katja. Komm rein.“ Er ist wie ausgewechselt. Höflich. Freundlich. Zuvorkommend. Den Namen „Katja“ hat er mir verpasst. Ich weiß nicht, was er damit verbindet. Ich weiß nur, welche Rolle er für mich vorgesehen hat: Ich bin eine junge Frau, die er auf der Straße angesprochen hat – nun komme ich auf Kaffee und Kuchen zu ihm auf die Stube. Allein das ist schon eine wahnwitzige Vorstellung. Welche Frau, die bei Sinnen ist, würde mit diesem Mann in diese Wohnung gehen. Aber gut. Gäbe es solche Frauen, wäre ich vermutlich nicht hier. Für ihn zählt allein die Vorstellung.

„Schön hast Du es hier!“. Ich antworte mit Sätzen, als hätte sie mir ein schlechter Serienschreiber in den Mund gelegt. Diese Art von Rollenspiel liegt mir nicht gerade. Ich mag Dirty-Talk. Ich kann auch Domina. Aber erfundener Small-Talk ist nicht so mein Ding. Na gut, ziehen wir es durch. „Und Du lebst hier ganz allein?“ Heisenberg freut sich über diese Vorlage: „Ja. Ich hoffe, das ist Dir nicht unangenehm.“ Puh. Ungefähr so hat man sich vermutlich im vorletzten Jahrhundert unterhalten. „Nein. Schon ok.“

Heisenberg holt eine Kaffeekanne. Er packt Kuchen aus. Bienenstich. Ich habe nie verstanden, wie man Bienenstich mögen kann. Ich habe auch noch nie jemand gesehen, der diese seltsamen Teile aus der Auslage der Bäcker freigekauft hätte. Bisher hatte ich immer gedacht, das sei nur Dekoration, aber ganz sicher nicht zum Essen bestimmt. „Nimm ruhig. Es wird Dir guttun.“ Fast muss ich lachen. Ist das jetzt Ironie? Macht er sich lustig über mich? Will er sehen, wie lange ich die Rolle durchhalte?

Ich entschließe mich, ebenfalls die Grenzen des guten Geschmacks auszutesten. Wenn auch nur, um aus dieser seltsamen Atmosphäre auszubrechen: „Weißt Du, ich habe ein wenig Probleme mit meiner Verdauung.“ Er lächelt: „Ach, tatsächlich? Ein Jammer.“ Jetzt muss auch ich grinsen. Heisenberg versteinert. Das gefällt ihm gar nicht. „Bleib bei Deiner Rolle!“, raunt er mir zu wie ein entnervter Theater-Regisseur.

Ich merke, wir kommen langsam zum Punkt. „Hast Du was dagegen, wenn ich mir die Hose ausziehe?“, fragt er höflich. „Du, das ist mir gar nicht recht!“, erwidere ich peinlich berührt. „Wir kennen uns ja noch gar nicht. Ich dachte wir unterhalten uns einfach nett zusammen...“ Heisenberg lässt sich nicht beirren.

„Weißt Du, warum ich Dich unten angesprochen habe?“

„So, warum denn?“

„Weil Du einen geilen Arsch hast.“

Ich bin etwas betreten. „Na, Du bist aber ganz schön direkt.“

„Einen geilen Arsch und eine geile Figur.“

„Ok.“

„Weißt Du, worauf ich stehe?“

„Nein.“

„Auf Ärsche.“

„Aha.“

Jetzt zieht er sich doch die Hose aus. Darunter trägt er karierte Boxershorts.

Ich protestiere: „Hey, was soll das?“

„Ich würde mir auch Deinen Arsch gern näher anschauen!“

„Du spinnst ja. Kannst Du vergessen. Ich geh gleich.“

Ich sehe, dass Heisenberg jetzt langsam einen steifen Schwanz bekommt.

„Ich würde Dir gern zuschauen“, verkündet er.

„Wobei zuschauen?“

„Naja, wie Du.... Dein Geschäft verrichtest.“

„Wie bitte?“

„Ja, ich will sehen wie Du pinkelst. Musst Du mal? Dann könntest Du das Glas hier nehmen. Natursekt. Sagt Dir das was? Sekt und Kaviar?“

Heisenberg greift nach einem Weizenbierglas. Ich bin entrüstet.

„Sag mal bist Du total übergeschnappt. Wir haben uns eben zum ersten Mal getroffen, und ich soll Dir einfach so ins Glas pullern?“

„Ja, und ich will Kaviar von Dir! Sekt und Kaviar.“

Das ist der Moment, in dem ich Heisenberg eine scheuere. Mit der flachen Hand ins Gesicht. Offenbar nicht fest genug. Er reibt sich lächelnd das Gesicht. „Oh. Süß!“, meint er nur. Ich hole weiter aus. Es klatscht laut. Meine Handfläche brennt. Das dürfte reichen.

Vielleicht muss ich an dieser Stelle einiges erklären. Heisenberg hat mich schon vor unserem ersten Treffen mit Emails bombardiert. Er schrieb mir, dass er auf Kot und Urin abfährt – und er war keineswegs der erste Kunde, der danach fragte. Es ist nicht mein Spezialgebiet muss ich dazu sagen. Ich hatte mal einen, der legte sich auf den Rücken, und ich sollte einfach nur auf seinen Bauch eine schöne Wurst setzen. Eine gute Stunde hockte ich über ihm. Wir unterhielten uns über Gott und die Welt, doch ich konnte einfach nicht. Er lag da, schaute meinen Unterleib an und wartete auf den warmen Kaviar, der einfach nicht kam. Er war dann sehr verständnisvoll: das sei ja menschlich, meinte er, und ich könne ja auch nicht zaubern. Dann zog er etwas betrübt davon.

Heisenberg hatte von Anfang an sehr konkrete Vorstellungen: er wollte von mir Sekt und Kaviar, um beides in meiner Anwesenheit zu verzehren. Das fand ich auf Anhieb so eklig, dass ich ihm erst einmal absagte. Meine Ablehnung stachelte Heisenberg allerdings nur noch mehr an. Er rief mich an, schlug vor, wir sollten uns einfach nur mal so kennenlernen – er werde bei unserem ersten Treffen nicht auf seiner Vorliebe bestehen. Ich gab nach.

Ich muss dazu sagen, dass ich mich mit menschlichen Exkrementen ganz gut auskenne. Ich habe immerhin mal eine Ausbildung zur Krankenschwester angefangen. Gleich in der ersten Woche schickte man mich auf die urologische Station. Warum auch immer. Erste Aufgabe am ersten Tag: der Pipi-Express. So nannten die Schwestern das Austauschen der Urin-Flaschen. Ich fuhr mit einem Wagen durch die Zimmer, sammelte die vollen Flaschen ein, verteilte neue und spülte dann die benutzten aus. Super eklig fand ich das anfangs. Aber ich gewöhnte mich daran. Es blieb meine tägliche Aufgabe.

Nächster Job auf der Station: die Männer waschen, die es selbst nicht konnten. Ich erinnere mich noch genau an meinen allerersten Patienten. Einen netten, älteren Herrn. Sehr schüchtern. Nervöser als ich. Ich hatte keine Ahnung, was ich tun sollte. Wischte ihm durchs Gesicht mit dem einen Lappen und über die Brust mit dem anderen – zog die Bettdecke wieder hoch und verabschiedete mich. Dann fragte ich die Krankenschwestern, ob das so okay sei. Die brüllten vor Lachen, als ich verschämt fragte, ob ich die Männer auch „untenrum“ waschen müsse.

Ich kehrte also zu dem freundlichen Herrn zurück – erklärte, dass wir noch nicht fertig seien und zog ihm mit hochrotem Kopf die Pyjama-Hose runter. Sein Hodensack war dick wie eine Orange, feuerrot und prall. Ich wischte vorsichtig. Vielleicht war er ja deshalb hier. Hodenprobleme. Erst viel später hörte ich, dass es innere Blutungen waren, die ich hätte melden müssen. Der Mann wäre fast zum Eunuchen geworden. Er selbst schien sich aus Scham nicht gemeldet zu haben.

Natürlich hatte ich später auch die Bettpfannen zu leeren und zu reinigen. Ich lernte den menschlichen Körper intensiv kennen – und seine Ausscheidungen. Ich hatte gedacht, ich würde mich irgendwann gewöhnen: an den Desinfektionsgeruch der Krankenhausflure, das kalte Neonlicht, das Leiden und das Sterben. Ich konnte es nicht. Schon nach wenigen Monaten gab ich auf.

Und falls es jemand genau wissen will: ich fand die Arbeit im Krankenhaus unangenehmer als meine jetzige Tätigkeit. Ich schenke Männern Momente der Lust, der Entspannung und des Glücks, für die sie mir aufrichtig dankbar sind. Ich kann selbst entscheiden, wann und mit wem ich Sex habe – die Umgebung ist meist gemütlicher als ein Krankenzimmer, und in der Regel riecht es auch besser. Über die Bezahlung müssen wir gar nicht erst reden.

Allerdings setzten Heisenbergs Wünsche selbst mir - der erfahrenen Pipi-und-Bettpfannen-Expresslerin - ordentlich zu. Die Vorstellung, dass er meinen Kot und meinen Urin in meinem Beisein verzehren würde, stieß mich ab. Doch zugleich war ich auch neugierig auf diesen Mann. Es klingt vielleicht komisch: aber was andere Menschen als „Perversionen“ abtun, finde ich einfach spannend.