Da sind wir wieder: mitten im Darm! Gerade leckt sich da hinten ein Akkermansia muciniphila, ein schleimliebendes Bakterium, die Lippen. Es hat etwas an der Darmwand geknabbert – eine seiner Lieblingsbeschäftigungen. Gleichzeitig hilft es dadurch dem Darm bei der Regeneration. Diese gute Zusammenarbeit findet man hier in der bunt gemixten Darm-WG häufiger. Und dort hinter den Darmzotten versteckt sich eine Salmonelle. Hoffentlich wird sie rechtzeitig entdeckt und hinausgeworfen, denn wenn dieser Keim erst anfängt, sich zu vermehren, dann drohen Bauchschmerzen und Durchfälle. Direkt vor uns flagelliert ein E.-coli-Bakterium vorbei, immer auf der Suche nach einem gemütlichen Plätzchen an der Darmwand, wo es in aller Ruhe Vitamin K produzieren oder Eisen aus der Nahrung verarbeiten kann.
Und schauen Sie mal da, in der Nähe des Blinddarms steht eine Gruppe Firmicutes-Keime, die zur Familie der Hüftgoldbakterien zählen. Sie streiten sich gerade um ein Stück Schokotorte. Jetzt reißt sich jeder ein Eckchen heraus und verschlingt es bis auf den letzten Krümel. In der Wohngemeinschaft der Darmbakterien ist wieder eine Menge los. Aber gerade diese letzte Gruppe, die dick machenden Moppelbakterien und deren Gegenspieler, die Gruppe der Rank-und-schlank-Bakterien, interessieren uns auf den nächsten Seiten ganz besonders. Denn nur, wenn deren Zahl in einem vernünftigen Verhältnis zueinander steht, haben wir gute Chancen, dauerhaft schlank zu bleiben.
Fakt ist: Inzwischen führt die Hälfte der Mitteleuropäer einen täglichen Kampf gegen das Übergewicht. Gerade hat die WHO Alarm geschlagen. Bis 2030 wird es einem aktuellen Bericht zufolge einige europäische Länder geben, in denen kaum noch jemand normalgewichtig sein wird.
Die Hauptgründe dafür scheinen weithin bekannt zu sein: falsche Ernährung, zu wenig Bewegung und vielleicht ungünstige Erbanlagen. Doch seriöse Wissenschaftler haben jetzt noch einen weiteren Grund für Hüftspeck und Taillengift entdeckt: Es sind die Billionen von Darmbakterien, die sich im Dünn- und vor allem im Dickdarm tummeln. Seit Millionen von Jahren haben sich diese Keime zusammen mit uns Menschen entwickelt und helfen uns, hartnäckige Nahrungsfasern zu knacken oder das Immunsystem zu schulen. Doch die kleinen Helfer können weit mehr, als man ihnen bisher zugetraut hat. Inzwischen gibt es gute Belege dafür, dass die Darmflora unseren Appetit beeinflusst, die Art und Weise, wie wir Körperfett speichern, regelt und unseren Blutzuckerspiegel ausbalanciert. Und endlich ist auch belegt, was wir alle schon immer vermutet haben: Es gibt tatsächlich diese Menschen, die essen können, was sie wollen, ohne Bauchröllchen zu bekommen. Und es gibt auch die anderen, die ein Stück Kuchen nur ansehen müssen, und schon landet es auf den Hüften. Schuld daran scheint – zumindest in einigen Fällen – die Darmflora zu sein. Denn wer die falschen Bakterien in seinem Darm beherbergt, dem fällt es sehr viel schwerer, Gewicht zu verlieren, und selbst das einmal erreichte Gewicht dauerhaft zu halten, ist dann manchmal unmöglich. Die kleinen Kerle im Darm sind nämlich auch dafür verantwortlich, wie viele Kalorien vom Muffin oder den Spaghetti bolognese wirklich in unseren Körper geschleust werden und wie viel Nahrungsenergie ungenutzt ausgeschieden wird, anstatt sich an die Hüften zu heften.
Jahrhundertelang wurden Bakterien vor allem als Feinde betrachtet. Und man hat sich deshalb in der Vergangenheit in erster Linie mit den gefährlichen Keimen beschäftigt, denn die Tatsache, dass diese nur 0,0000000000001 Gramm leichten Keime einen 110 000 Gramm schweren Mann ins Jenseits befördern können, macht verständlicherweise Angst. Doch seit einigen Jahren erkennt man, dass nicht alle Mikroorganismen schlecht sind. Nun fällt der Blick verstärkt auf die nützlichen Bakterien und deren Fähigkeiten. Denn nur ein ausgewogenes Verhältnis der Keime, die auf und in uns leben, macht uns gesund, schützt uns vor Übergewicht und tut auch unserer Psyche gut. In unseren Därmen wuselt ein Heer von Lebewesen, die mit bloßem Auge nicht sichtbar sind, ohne die wir aber nicht gut leben würden. Jeder von uns beherbergt 100 Billionen Darmkeime, das sind zehnmal mehr Bakterien, als wir selber Körperzellen besitzen. In ihrer Gesamtheit bringen sie immerhin 2 bis 2,5 Kilo Biomasse auf die Waage. Das macht unser Gedärm zu der am dichtesten besiedelten Region auf Erden. Dort, in der Wärme und Dunkelheit des Verdauungstraktes, fühlen sie sich wohl. Und diese kleinen Kerle können mehr, als nur Geräusche und Gerüche produzieren. Ihr wohl bekanntester Job ist die Unterstützung der Verdauung. Unser Verdauungstrakt, der sich von den Zähnen bis zum After erstreckt, verfügt über eine Vielzahl von Werkzeugen, um unsere Nahrung in winzige Bestandteile zu zerlegen und Nährstoffe und Kalorien aufzunehmen. Er bearbeitet Schnitzel und Brokkoli mit mechanischen Zerkleinerungsmaschinen wie den Zähnen, befördert das Essen auf Transportbändern wie der Speiseröhre ins Zentrum der Verdauungsfabrik, wo es durch Säuren und Enzyme weiter verkleinert wird. Doch manche Nahrungsfasern kann unser Organismus einfach nicht verarbeiten, denn ihm fehlen die entsprechenden Mittel. Wenn unsere Organe sprechen könnten, würde sich eine Unterhaltung ungefähr so anhören: Magen an Dünndarm: „Habe hier ein großes Stück Apfelschale. Kann das Pektin in der Schale einfach nicht aufknacken, da ich hier an meinem Arbeitsplatz nicht das passende Werkzeug habe. Kannst du mir helfen?“ Dünndarm an Magen: „Hey Magen! Nee, kann dir auch nicht helfen. Wir haben doch die Pektinverdauung outgesourced. Reich mir das Apfelstück mal durch, ich leite es dann an den Dickdarm weiter. Dort sitzen doch unsere Leiharbeiter. Die Bakterien haben das passende Werkzeug bestimmt dabei.“
Wir kooperieren also eng und zum gegenseitigen Nutzen mit unserem Mikrobiom. Die Bakterien helfen uns bei Aufgaben – nicht nur im Verdauungstrakt –, die unsere Zellen alleine nicht bewältigen könnten, dafür haben die Keime das Privileg, in der nährstoffreichen und weitgehend sicheren Umgebung unsers Darms zu leben.
Den Verdauungsaufgaben widmen sich unsere Darmkeime mit unterschiedlicher Gründlichkeit. So langsam beginnen die Experten die Unterschiede zwischen einem dick machenden und einem gesunden Keim-Mix zu verstehen. Die Darmflora von Übergewichtigen ist nämlich häufig anders zusammengesetzt als die von Normalgewichtigen. Vereinfacht gesagt entscheiden zwei Bakteriengruppen im Darm darüber, ob wir ganz einfach schlank bleiben oder rasch zunehmen.
Aus den mehr als 1000 unterschiedlichen Darmkeimen, die bisher bekannt sind, ragen zwei Gruppen besonders hervor: Die Rank-und-schlank-Bakterien und die Hüftgoldbakterien (mehr dazu finden Sie auch im Buch Schlank mit Darm, Südwest Verlag 2014). Beide verfolgen andere Ziele im Kampf um die Nahrung.
Erstere sind wahre Kilo-Killer. Zu dieser Gruppe zählen unter anderem Keime mit schwer auszusprechenden Namen wie Akkermansia muciniphila, Bifidobakterien oder Bacteroidetes. Sie sind im Prinzip die lässigen, modernen Bakterien, die sich an unsere Lebensweise gewöhnt haben. Im Laufe der Zeit haben sie gelernt, dass die Supermärkte nur einige Stunden in der Nacht geschlossen haben und wir uns notfalls an der Tankstelle mit Kalorien versorgen können. Deshalb müssen sie ihre Arbeit nicht mehr so gründlich machen wie in der Steinzeit oder im Mittelalter, als Hungersnöte und Missernten an der Tagesordnung waren. Sie entziehen nicht mehr jeder Karotte noch die letzte Kalorie, sondern lassen auch mal den einen oder anderen Nahrungsbestandteil unverdaut in die Toilette plumpsen. Gleichzeitig kurbeln diese Rank-und-schlank-Bakterien auch noch die Produktion von Sättigungshormonen an und lassen Fettpolster schneller schmelzen. Haben in unserem Gedärm solche Keime das Sagen, haben wir weniger Appetit und es fällt uns viel leichter, weniger zu essen. Das kommt natürlich allen, die abnehmen wollen, zugute. Und das bringt auch uns modernen Menschen den entscheidenden Gewichtsvorteil.
Auf der anderen Seite des Spielfeldes stehen die Hüftgoldbakterien. Diese treten mit der Gruppe der Firmicutes-Keime an. Zu ihren Mitspielern gehören Milchsäurebakterien, Clostridien und Staphylokokken. Sie zählen zu den archaischen Keimen, die dem einen oder anderen in grauer Vorzeit sicher das Leben gerettet haben. Mit ihrer sehr pingeligen Arbeitsauffassung lassen die Fett-Freunde keine Kalorie entwischen. Die Nahrung wird bis zum letzten Krümmel aufbereitet, verarbeitet und dann für schlechte Zeiten – die derzeit glücklicherweise nicht zu erwarten sind – auf die Hüften gepackt. Eigentlich machen diese Bakterien nur das, was sie seit Jahrtausenden getan haben. Sie ziehen für uns, ihren Wirt, das Optimum aus der Nahrung heraus. Wer vor 1000 Jahren gut mit Hüftgoldbakterien bestückt war, überlebte die schlechten Zeiten leichter. Ohne diese Moppelbakterien wären bei ausbleibendem Jagderfolg oder Dürreperioden wahrscheinlich viel mehr Menschen verhungert. Doch heute in Zeiten des Überflusses wirken diese Keime wie eine Abnehmbremse und die überschüssige Energie landet dann auf Po und Oberschenkeln.
Hüftgoldbakterien verarbeiten bevorzugt Kohlenhydrate, also Zuckerverbindungen. Darauf sind sie so spezialisiert, dass sie selbst unverdauliche Ballaststoffe aufknacken und in kleine Zuckermoleküle spalten können. Dann stimmen natürlich die gängigen Kalorientabellen nicht mehr. Möhren, Tomaten oder Äpfel genauso wie Kekse, Schokolade oder Knödel liefern uns plötzlich mehr Kalorien als hier angegeben. Doch wie viele Kalorien nehme ich täglich mehr zu mir, wenn ich die dick machenden Bakterien im Darm habe? Die amerikanische Gesundheitsbehörde wollte das genauer wissen. Sie ließ den Stuhl von 21 Personen untersuchen. Der Unterschied zwischen Personen mit „dicken“ und „schlanken“ Bakterien machte rund 150 Kalorien am Tag aus. 150 Kalorien täglich hört sich nicht viel an, doch Kalorie summiert sich zu Kalorie und nach 365 Tagen bedeutet diese kleine Portion Extraenergie eine Gewichtszunahme von fast zehn Kilo, die sich gut sichtbar an der Taille festsetzen. Tag für Tag müssen alle, die eine große Horde Hüftgoldkeime beherbergen, deshalb rund 150 Kalorien mehr verbrennen oder an anderer Stelle einsparen. Auch bei Mäusen, deren Mikrobiom – das ist ein anderer Begriff für die Gesamtheit der Darmflora – verändert wurde, stieg die verwertete Nahrungsenergie um zehn Prozent an.
Noch übler ist es, dass die kleinen Zuckermoleküle, die bei der Arbeit der Firmicutes entstehen, das ideale Futter für die Hüftgoldbakterien darstellen, die dann auch noch besonders gut wachsen können. Fast Food, Kuchen und Eiscreme machen dadurch auf doppelte Weise dick. Die Moppelkeime vermehren sich rasant und verdrängen die Rank-und-schlank-Fraktion aus dem Gedärm.
Im Idealfall sind beide Bakteriengruppen in unserem Darm in einem ausgewogenen Verhältnis vorhanden. Aber bei etwa 70 Prozent der Übergewichtigen findet man eine deutliche Verschiebung zu den Hüftgoldbakterien. Inzwischen bestätigen führende Darmforscher, dass der falsche Mikrobenmix die Grundlage für Übergewicht, Zuckerkrankheit und einige Fettstoffwechselstörungen legt.
Für alle, die jahrelang nur belächelt wurden, wenn sie behaupteten, dass sie von ganz normalem Essen zunehmen und einfach gute Futterverwerter seien, gibt es nun Genugtuung. Denn ein fast skurriler Zufall liefert jetzt den Beweis, dass manche Menschen tatsächlich stärker zunehmen als andere, obwohl sie nicht mehr essen, und dass die Darmflora daran nicht ganz unbeteiligt ist: Lange schon litt eine amerikanische Mutter unter immer wieder auftretenden Darminfektionen mit dem gefährlichen Keim Clostridium difficile. Trotz mehrerer Antibiotikatherapien gab das Bakterium nur für kurze Zeit Ruhe, dann flammte die Infektion wieder auf. Es musste also etwas geschehen, denn Infektionen mit diesem Keim können lebensgefährlich werden. Schließlich entschloss sich die junge Frau zu einer Stuhltransplantation. Dabei wird der Stuhl eines gesunden Spenders mithilfe einer Nasensonde dem Patienten eingeflößt. In den meisten Fällen bekämpfen dann die „guten“ Darmbakterien im „Spenderstuhl“ die aggressiven im Patientendarm und vertreiben diese ein für alle Mal. Gesagt, getan. Der damals 32-jährigen Mutter wurden Mikroorganismen aus dem Darm ihrer gesunden, aber deutlich übergewichtigen Tochter verabreicht. Zu diesem Zeitpunkt war die Mutter normalgewichtig, sie wog 61 Kilo, hatte einen BMI von 26 und keinerlei Figurprobleme. Das änderte sich schlagartig. Zwar vertrieben die neuen Darmbakterien erfolgreich die Clostridien, aber sie packten auch ständig neue Kilos auf Bauch und Hüften der 32-Jährigen. Nach 16 Monaten wog die Mutter schon 77 Kilo, ihr BMI war auf 33 angestiegen, d. h., sie war nun stark übergewichtig. Die Ärzte der amerikanischen Brown-Universität waren alarmiert: Sie setzten die Frau auf eine strenge Diät, verordneten ihr mehr Bewegung, kontrollierten regelmäßig das Gewicht. Die junge Mutter, deren Namen aus Datenschutzgründen nie bekannt gegeben wurde, befolgte alle Ratschläge. Doch trotz ihrer Bemühungen liegt ihr Gewicht drei Jahre nach der Stuhltransplantation bei mehr als 80 Kilo, der BMI erreicht inzwischen 34,5. Offensichtlich verhindert die neue Bakterientruppe im Darm der Frau durch eine besonders effektive Ausnutzung der Nahrungskalorien konsequent jeden Gewichtsverlust. Die junge Mutter wurde von einem normalen „Futterverwerter“ zu einem besonders guten! Und die Zusammenhänge sind so eindeutig, dass Experten inzwischen fordern, bei einer geplanten Stuhlübertragung nicht nur auf die Gesundheit des Spenders zu achten, sondern auch dessen Gewicht und mögliche Stoffwechselstörungen mit einzubeziehen. Denn neben dem Übergewicht scheint die Darmflora auch für Zuckerkrankheit und erhöhte Cholesterinspiegel zumindest teilweise verantwortlich zu sein.
Eigentlich hätten das die Fachleute auch ahnen können, denn kurz zuvor hatte man bereits ein ähnliches Phänomen entdeckt: Verabreichte man schlanken Mäusen die Darmbakterien moppeliger Artgenossen, wurden auch die vorher drahtigen Tiere rundlich. Ebenso kann man das Phänomen bei Darmbakterien-Verpflanzungen von Menschen auf Nager beobachten. Dafür hatten die Wissenschaftler extra nach eineiigen Zwillingen gesucht, von denen der eine schlank, der andere übergewichtig war. Und siehe da, es passierte das Gleiche: Mäuse, denen der Stuhl des übergewichtigen Zwillings eingeflößt wurde, entwickelten recht schnell ein stattliches Bäuchlein. Bekamen die Nager aber die Darmflora der Schlanken transplantiert, konnten sie weiter so viel futtern, wie sie wollten, sie blieben dünn.
Je vielfältiger und abwechslungsreicher unsere Darmflora ist, desto leichter fällt es uns, schlank zu bleiben. Doch einseitiges Essen führt auch zu einer einseitigen, langweiligen Darmbesiedelung und damit wächst das Risiko für Übergewicht und sogenannte Zivilisationskrankheiten. Tatsächlich weist ein Großteil der Übergewichtigen eine geringe Bakterienvielfalt auf. In einer Studie wurden die Teilnehmer aufgrund der Ergebnisse ihrer Stuhlproben in zwei Gruppen aufgeteilt. In der Gruppe mit einer öden Bakterienflora war der Anteil der Übergewichtigen, Zuckerkranken und von Entzündungen und erhöhten Blutfettwerten Betroffenen deutlich höher als bei denen mit vielen unterschiedlichen Keimen im Gedärm.
Welche fatalen Folgen eine unausgewogene und sehr einseitige Darmbesiedelung haben kann, zeigt der Fall eines 26 Jahre alten Mannes aus China. Als er eine Klinik aufsuchte, wog er stolze 175 Kilo, hatte Diabetes und hohen Blutdruck. Bei der Untersuchung wurde er gründlich durchgecheckt. Auch eine Stuhlprobe wurde ihm entnommen, und hier entdeckte man den Hauptgrund für zwei Zentner Übergewicht: Eine Bakterienart, die normalerweise nur mit einem sehr geringen Anteil im Darm vertreten ist, hatte Überhand gewonnen. Ein Keim mit dem Namen Enterobacter cloacae B29 stellte bei diesem Patienten mehr als ein Drittel aller im Darm vorhandenen Bakterien und verdrängte dadurch viele andere wichtige Stämme. Zudem ist dieser Keim schon länger dafür bekannt, dass er entzündungsfördernde Stoffe produziert, die wiederum zu vermehrten Fettpölsterchen führen. Nun versuchten die Ärzte mit einer bestimmten Ernährung, die neben Vollkornprodukten und Gemüse vor allem viel Bakterienfutter (Präbiotika) enthielt, wieder eine reiche Darmbesiedelung zu schaffen und den Moppelkeim dadurch zu verdrängen. Und es gelang. Nach einigen Monaten hatte der junge Mann mehr als 50 Kilo abgespeckt und der gefährliche Dickmacherkeim machte nicht mehr 35 Prozent der Darmbakterien aus, sondern war nun nicht mehr nachweisbar. Und mit ihm waren Zuckerkrankheit und Bluthochdruck verschwunden. Im Darm war nun wieder ein buntes und vielfältiges Bakteriengemisch zu finden. Keime und Ernährung spielen sich bei Übergewicht offensichtlich gegenseitig die Bälle zu. Verpflanzte man nun diesen Hüftgoldkeim Enterobacter cloacae B29 in die Därme von Mäusen, so litten auch sie plötzlich unter Entzündungen, wurden rasch fett und der Blutzucker geriet außer Kontrolle. Je fetthaltiger ihre Nahrung war, desto dramatischer wirkte sich der neue Keim aus. Erhielten die Nager aber eine gesunde und abwechslungsreiche Kost, verlor auch der Hüftgoldkeim zunehmend an Macht und Einfluss auf die Figur. Mäuse ohne diesen Keim nahmen hingegen weder mit dem normalen noch mit dem fetthaltigen Futter wesentlich an Gewicht zu.
Nicht nur unser Gewicht, auch unsere Vitalität scheint eng mit einem bunten Bakteriengemisch verbunden zu sein. Kommen ältere Menschen in ein Altersheim und ernähren sich dort von wenig abwechslungsreicher Kantinenkost, geht sehr schnell die Bakterienvielfalt verloren und parallel zum Verschwinden zahlreicher Bakterienstämme nehmen auch Krankheit und Gebrechlichkeit zu. Nur eine reichhaltige Darmflora ist in der Lage, uns vor Schädigungen durch unerwünschte Keime zu bewahren und unsere Gesundheit zu fördern.