Inhalt

Einleitung
Kuriose Experimente, Theorien und Erfindungen
Chemie ist, wenn es stinkt und knallt
Physik, Mechanik und Kernkraft in der Küche 
Manchmal makaber: Medizin
Tierversuche und Monsterkunde
Psychologie, Soziologie und Rauschgiftphilosophen 
Ingenieure, Erfinder und andere Irre 
Kunst, Esoterik, Alltag und Angrenzendes 
Epilog 

Einleitung

Der verrückte Professor ist im kollektiven Denken seit Jahr­hunderten eine feste Größe. Zur virtuellen Universität der akademischen Skurrilitäten und des wissenschaftlichen Grauens gehören der Dottore aus der »Commedia dell’Arte«, Frankenstein, Rabbi Löw und sein Golem aus der kreativen Anatomie, Stanley Kubricks Dr. Seltsam alias Dr. Strange­love, Professor Abronsius im »Tanz der Vampire«, Zukunfts­forscher Dr. Emmett L. »Doc« Brown aus »Zurück in die Zukunft«, Dr. Sivana, der Erzfeind von Captain Marvel genauso wie Disneys Daniel Düsentrieb oder Knox in »Fix und Foxi« als Vertreter der Comic-Fakultät, um nur einige zu nennen. Diese Berühmtheiten finden ihre Entsprechung im wahren Leben und in der Wissenschaftsgeschichte; und oft ist die Realität noch viel berückender als jede Erfindung. Wissenschaftler sind eben spezielle Menschen – sie stellen Fragen, auf die sonst wohl niemand käme, fragen auch dort noch weiter, wo andere längst aufgegeben haben, denken kreuz und quer und im Kreis und um alle möglichen Ecken und kommen so zu den erstaunlichsten Erkenntnissen. Zu allen Zeiten haben Wissenschaftler die Menschheit durch ihr Handeln entscheidend vorangebracht – aber manchmal haben sie eben auch auf besondere Art und Weise erheitert und unterhalten.

Die faszinierendsten wissenschaftlichen Großtaten dieser sehr besonderen Spezies Mensch sind in diesem Buch zusammengetragen. Hier geht es um ausgeflippte Entdeckungen, kuriose Erfindungen, abwegige Geniestreiche, aberwitzige Irrwege, krasse Fehlschläge und verheerende Katastrophen von Männern und Frauen mit und ohne weißen Kittel oder kurz gesagt: um den gesammelten Schatz der Wissenschaftsgeschichte an Skurrilitäten und Horror.

Aber vor allem geht es auch darum festzustellen, dass scheinbare Spinner und Querdenker die Wissenschaft vorantrieben, denn Fehler, Irrtümer und Irrwege sind bedeutende Teile des Erkenntnisprozesses und ohne manchen uns heute ausgesprochen skurril erscheinenden Denkansatz stünde die Wissenschaft nicht an dem Punkt, den sie heute erreicht hat. Wer sich lesend durch diese Seiten arbeitet, kann gewagten Theorien folgen, missglückte Experimente miterleben, rein zufällige Entdeckungen nachvollziehen, technischen Abwegen folgen und hin und wieder auch explodierende Versuchsaufbauten bewundern. Erleben Sie Institute im Alarmzustand und rauchende Laboratorien – und erfahren Sie dabei ganz nebenbei, wie Wissenschaft funktioniert.

Kuriose Experimente, Theorien und Erfindungen

Der Weg der Erkenntnis ist nicht nur ein steiniger, sondern an manchen Stellen auch ein arg gewundener. Kuriose Hypothesen und Fragestellungen beflügelten die Wissenschaft, führten in Sackgassen oder zu auf den ersten Blick wertlosen Ergebnissen. Doch mit jedem Flopp kann im Ausschlussverfahren auch eine mögliche These widerlegt werden. Die Liste der auf diese Weise erfolgreich gestellten Fragen ist lang: Kann man mit dem Stein der Weisen gewöhnliche Materie in Gold verwandeln? Gibt es ein Perpetuum mobile, eine Maschine, die Energie aus dem Nichts schöpft? Sind Zeitreisen möglich? Wie viel LSD vertragen Elefanten? Warum haben Männer mit wenig Haaren so viel Sex? Wann genau – bitte Datum und Uhrzeit – malte van Gogh sein berühmtes Bild »Abendlandschaft beim Mondaufgang«? Können Büstenhalter bei Atomkatastrophen helfen? Wie lange dauert es, bis im Meer aus einem Wal ein Skelett geworden ist? Was ist das beste Verfahren, die männliche Vorhaut aus einem Reißverschluss zu befreien? Wie stark wirkt sich Country-Musik auf die Selbstmordrate aus? Kann man in Sirup schwimmen? Mögen Hühner schöne Menschen lieber als hässliche? Was geschieht, wenn man drei Erlöser in eine Gummizelle steckt? Wie lange braucht ein Tropfen Asphalt, bis er herabfällt? Lassen sich Kampfstiere aus der Ferne steuern? Manche dieser Fragen werden in diesem Buch beantwortet.

Beginnen wir mit einem Knalleffekt:

Chemie ist,
wenn es stinkt und knallt

Das Problem bei diesem Zweig der Wissenschaft ist seine Komplexität und die Vielzahl der Möglichkeiten. Anfangs stochert der angehende Chemiker sozusagen im Nebel: In der Welt um ihn herum mischt sich dieses mit jenem, doch der wissenschaftlich ambitionierte Frühmensch kann zunächst einmal nichts weiter tun als staunend zusehen. Kocht man Erbsen mit Mettwürsten und gibt Wasser hinzu, entsteht Erbsensuppe, aber das ist keine Chemie. Mit etwas Salz schmeckt es besser. Mischt man Kartoffeln mit Sand, knirscht es später zwischen den Zähnen, aber das ist Physik. Gemenge aus Salz und Zucker oder aus Holzkohle und Weizenmehl bringen die Chemie ebenfalls nicht weiter, denn hier gilt: Mischt man Stoff A mit Stoff B, so passiert erst einmal gar nichts, und aus dem Forscher ist noch immer kein Chemiker geworden. Die Kette der Frustrationen geht weiter: Zinn und Schwefel verbinden sich nicht zum Stein der Weisen und Quecksilber und Phosphor transmutieren nicht zu Gold, nichts los in der Retorte. Doch dann geschieht Unerwartetes: Das Vermengen von Stoff C und Stoff D verursacht eine gewaltige Explosion – tragisch für den angehenden Chemiker, aber eine erste Erkenntnis für das Fach an sich …

1359 – Bertholds legendärer Knall

Mitte des 14. Jahrhunderts (andere Quellen nennen 1353 als genaues Jahr) soll der Franziskanermönch und Alchimist Berthold Schwarz das nach ihm benannte Schwarzpulver erfunden haben. Der Legende nach soll er in einem Mörser Salpeter, Schwefel und Holzkohle miteinander vermischt und mit einem Stößel zerstampft haben. Dann stellte er Gefäß samt Stößel auf den Ofen und verließ sein Alchimistenlabor. Wenig später detonierte die Mischung mit einem gewaltigen Knall. Alchimist Schwarz und seine Mönchsgefährten eilten herbei und fanden, nachdem sie sich durch den Qualm gearbeitet hatten, einen komplett verwüsteten Raum vor. Nichts war mehr an seinem ursprünglichen Platz, Töpfe und Tiegel waren zerbrochen und die Wucht der Explosion hatte den Stößel des Mörsers mit einer solchen Kraft in den Deckenbalken gerammt, dass er nicht mehr herausgezogen werden konnte. Er hielt auch dann noch den Versuchen der Mönche stand, als sie ihn mit den wunderwirksamen Reliquien der Heiligen Barbara berührten …

Wie gesagt, ein schöner Knalleffekt für den Beginn eines Buches, nur leider ist diese Geschichte eine Legende. Die Erfindung des Schwarzpulvers im europäischen Raum ist für das Jahr 1260 belegt, und in China und Arabien wurde es noch früher genutzt. Auch Berthold Schwarz, der später noch eine Schusswaffe, die sogenannte Steinbüchse, entwickelt haben soll, ist aller Wahrscheinlichkeit nach ein erfundener Erfinder. Und zu allem Überfluss hat der Name Schwarzpulver vermutlich auch nichts mit Berthold Schwarz zu tun – er soll von der Farbe der Mischung abgeleitet sein, die von der darin enthaltenen Holzkohle stammt. Ein einziges Lügengebäude also, aber sagen Sie selbst: Liest es sich nicht gut?

1490 – Wan Hu hebt ab

Noch wilder als die Legenden rund um Berthold Schwarz und das Schwarzpulver sind die Geschichten über den Chinesen Wan Hu, einen frühen Raketenpionier. Besagter Wan Hu soll ein chinesischer Mandarin gewesen sein, der sich gegen Ende des 14. Jahrhunderts auf einem Stuhl oder mithilfe eines Kastendrachens in den Himmel schießen lassen wollte. 47 Feuerwerksraketen sollten ihn emportragen, doch in Version 1 der Geschichte explodierte sein Beförderungsmittel bei der Zündung der Raketen noch am Boden und beförderte Wan Hu auf andere Weise als erwartet in den Himmel bzw. ins Nirwana oder zur nächsten Wiedergeburt. Version 2 der Geschichte lässt ihn immerhin aufsteigen, aber dann hoch oben im Feuer seiner Raketen verbrennen. Seriöse Forscher ordnen diese Version allerdings als europäische Verklärung in die Phase der Chinoiserie im 18. Jahrhundert ein, als die Chinabegeisterung in Kunst und Kultur schier unermesslich war. Immerhin kam Wan Hu zu Ehren: Auf der Rückseite des Mondes gibt es zu seinen Ehren einen Krater namens Wan-Hoo, der aber sicherlich nicht von seinen 47 Raketen in die Oberfläche des Mondes gesprengt worden ist.

1620 – Mäuse machen

Johan Baptista van Helmont (1580–1644), ein flämischer Universalwissenschaftler reinsten Wassers, der Interesse für Meteorologie, Astrologie, Alchemie, Pyrotechnik, Physik, Naturkunde, Magie, Anthropologie, Medizin, Botanik, Theologie, Metaphysik, Kosmologie und die Apothekerkunst zeigte und als Arzt und Alchimist arbeitete, war nicht unerheblich an der Entwicklung präziser wissenschaftlicher Methoden wie der quantitativen Analyse beteiligt. Sein Versuch, die stofflichen Zusammenhänge beim Wachstum eines Baumes präzise zu messen, endete zwar mit einer heute lustigen Schlussfolgerung, nämlich dass aus einem Sprössling in fünf Jahren ein beeindruckender Baum ausschließlich aus Wasser entstanden war. Jedoch gibt es einen weiteren Versuch in seiner wissenschaftlichen Karriere, der humoristisch durchaus noch mehr beeindruckt.

Als Anhänger der von Paracelsus begründeten Iatrochemie glaubte er, dass alle Lebensvorgänge chemische Prozesse seien, die er »Gärung« nannte und im Zusammenhang mit »gasförmigen Fermenten« sah. Dazu passte die Vorstellung von der Urzeugung oder Abiogenese, der spontanen Entstehung von Leben aus unbelebter Materie. Van Helmont beschrieb folgende Versuchsanordnung zur Erzeugung von Mäusen: Man fülle angefeuchtete Weizenkörner in einen Tonkrug, gebe einen schmutzigen Lappen dazu und warte drei Wochen. In dieser Zeit würde ein Ferment aus dem verschmutzten Stück Stoff die Weizenkörner in Mäuse verwandeln.

Der kritische Beobachter vermutet, dass der Krug vielleicht nicht sorgfältig genug abgedeckt war und sich nach einer so langen Zeit, wie es 21 Tage sind, darin etliche hungrige Mäuse versammelt haben dürften, die gequollene Weizenkörner für ausgesprochen lecker und nahrhaft hielten …

Van Helmont: »Ortus medicinae vel opera et opuscula omnia des Johann Baptist van Helmont«, Amsterdam 1648

1992 – Göttliches Hellblau

Wir wollen sie nicht dem Vergessen überlassen, die für den Kraft-Konzern tätige Chemikerin Ivette Bassa, die eine beachtliche Lücke in den US-amerikanischen Götterspeise-Regalen zu schließen wusste. Vor ihrer Großtat gab es Götterspeise in nahezu allen Farben, von Rot über Gelb nach Grün und … Nein, blaue Götterspeise war noch nicht zu haben, und genau das war die Leistung von Ivette Bassa: Sie schaffte es, jene Lebensmittelfarbe zu synthetisieren, welche leuchtend blaue Götterspeise überhaupt erst möglich macht. Die besagte Götterspeise heißt in den USA übrigens Jell-O, und es gibt sogar einen Jell-O-Gürtel, den Bundesstaat Utah mit seiner Hauptstadt Salt Lake City. Ohne Ivette Bassa müssten die Mormonen auf die Farbe Blau bei ihrer Lieblingsspeise verzichten. Die Chemikerin erhielt übrigens den Ig-Nobelpreis für die Entdeckung der Lebensmittelfarbe Blau – der satirisch gemeinte Ig-Nobelpreis, auch Anti-Nobelpreis genannt, ist eine Auszeichnung für wissenschaftliche Leistungen, die »Menschen zuerst zum Lachen, dann zum Nachdenken bringen«, und wird von vielen Preisträgern nicht unbedingt als Ehrung begriffen. Immerhin durfte Bassa im Firmenjet zur Verleihung reisen und wurde von einem Team ganz in Blau gekleideter Chemikerkollegen begleitet. Alle Teilnehmer der Zeremonie durften ein paar Löffel der blauen Götterspeise kosten. Vermutlich schmeckte sie göttlich.

1992 – Fußgeruch synthetisch

Leiden Sie unter Schweißfüßen? Dann machen Sie einen Fehler: Sie glauben vermutlich, dass Sie Schweißfüße haben und zack! – schon haben Sie welche! So oder ähnlich lautete eine Erkenntnis in einer Studie von F. Kanda, E. Yagi, M. Fukuda, K. Nakajima, T. Ohta und O. Nakata vom Shiseido Research Center in Yokohama. Die Herrschaften hatten aber auch untersucht, was denn da so intensiv riecht, wenn es zu Fußgeruch kommt: Es sind kurzkettige Fettsäuren. Die Wissenschaftler extrahierten diese mit Ethyläther aus den Socken und von den Füßen der Patienten und analysierten sie anschließend mit Gaschromatografie und Massenspektrometer, das volle Waffenarsenal moderner Wissenschaft wurde zum Einsatz gebracht. Bei Versuchspersonen mit stark »duftenden« Füßen fand sich neben anderen Fettsäuren zum Beispiel Isovaleriansäure, wie sie in den Wurzeln des europäischen Baldrians vorkommt. Die Inhaltsstoffe wurden allesamt in einer Liste festgehalten. Und oh Wunder: Den Wissenschaftlern gelang es nun, Fußgeruch täuschend echt zu synthetisieren – ein enormer wissenschaftlicher Durchbruch.

Kanda F., Yagi E., Fukuda M., Nakajima K., Ohta T., Nakata O.: »Elucidation of chemical compounds responsible for foot malodour«, Br J Dermatol. Juni 1990; 122 (6): 771–6

1995 – Der wahre Grillmeister

Sie kennen das, wenn der Grill angezündet werden muss und Sie noch klassisch mit Holzkohle arbeiten wollen: Entweder Sie verwenden pyrotechnisch ineffektive, aber sichere Zündhilfen aus dem Baumarkt oder Sie fackeln sich das Brusthaartoupet mit übermäßig viel flüssigem, rußendem Grillanzünder ab, ohne dass die Holzkohle auch nur daran denkt, endlich loszuglühen und die nötige Hitze zu liefern. Hier wollte George Goble, Computerexperte an der Purdue University in West Lafayette, Indiana, neue Maßstäbe setzen: Mithilfe einer brennenden Zigarette und etwas flüssigem Sauerstoff sorgte er dafür, dass ein Holzkohlegrill in weniger als drei Sekunden einsatzbereit war – Weltrekord! Es muss ein beeindruckendes pyrotechnisches Ereignis gewesen sein, denn danach verwarnte ihn die örtliche Feuerwehr, sich keinesfalls je wieder mit flüssigem Sauerstoff in der Nähe eines Grills erwischen zu lassen …

2001 – Supersprengstoff entdeckt

Wer denkt schon an Sprengstoff, wenn er mit Silizium arbeitet? Das Element steckt in Kieselsteinen und Computerchips und hat ein ziemlich friedliches Image – kann es aber auch ganz gewaltig krachen lassen. Bei einer Explosion in ihrem Labor mussten Wissenschaftler der technischen Universität München dies auf drastische Weise erfahren. Sie hatten winzige, schwammförmige Teilchen aus Silizium bei extrem tiefen Temperaturen untersucht, um deren optische Eigenschaften zu verstehen. Dabei ist Silizium eigentlich ein unproblematisches Material für den Umgang im Labor. In diesem Fall allerdings war das mit flüssigem Stickstoff auf minus 180 °C tiefgekühlte, schwammartige Material durch eine undichte Stelle im Versuchsaufbau mit Sauerstoff aus der Luft in Kontakt gekommen. Bei der Explosion entfaltete sich eine siebenmal größere Energie als bei derselben Menge TNT und die Detonation erfolgte mit einer eine Million Mal höheren Geschwindigkeit als bei herkömmlichem Sprengstoff. Obwohl nur ganze 6 Mikrogramm des schwammartigen Siliziums in die Luft flogen, erschreckte ein gewaltiger Knall die Wissenschaftler. Laborleiter Dmitri Kovalev erklärte das mit der höheren Bindungsenergie von Silizium und einer besonderen Eigenschaft der Substanz in diesem Versuch: Ein Kubikzentimeter des Materials besitzt etwa 1 000 Quadratmeter Oberfläche. Überlegungen, die Reaktion zur Energiegewinnung oder als Antrieb für Satelliten zu gebrauchen, verwarfen Experten allerdings wegen der dazu notwendigen niedrigen Temperaturen.

Justin Mullins: »Superpowerful explosive arrives with a bang«, New Scientist, 1. August 2001

Justin Mullins: »Biggest Bang», New Scientist, 4. August, 2001, S. 15

2007 – Überraschende Duftquelle

Wer denkt nicht an leckeres Vanilleeis oder an Apfelstrudel mit Vanillesoße, wenn er einen Kuhfladen sieht? Wie, Sie nicht? Merkwürdig. Der japanische Wissenschaftler Mayu Yamamoto und sein Team jedenfalls müssen wohl daran gedacht haben, denn sonst hätten sie wohl kaum eine Methode zur Gewinnung von Vanillearoma aus Kuhfladen entwickelt. Im Normalfall wird Vanillearoma aus Vanilleschoten (echtes Vanillearoma) oder aus Lignin, einem Holzzellstoff, hergestellt. Der wiederum ist auch in den Hinterlassenschaften von pflanzenfressenden Tieren vorhanden und kann so als Quelle für vollmundige Vanille dienen. Ob Kuh, Pferd, Schaf oder Ziege – sie alle könnten dank Mayu Yamamoto etwas zum Geschmack Ihres Vanillepuddings beitragen. Es gelang Mayu Yamamoto, Vanillin, Protocatechusäure, Vanillinsäure und Syringasäure in einem besonders umweltschonenden Verfahren zu gewinnen. In einem Kilogramm Wiederkäuerkot sind immerhin 5 Mikrogramm verwertbares Aroma enthalten. Für eine große Schüssel Vanillepudding braucht man ungefähr … ach, lassen wir das, ich mag Schokolade ohnehin lieber.

Mayu Yamamoto: »Novel Production Method for Plant Polyphenol from Livestock Excrement Using Subcritical Water Reaction«, International Journal of Chemical Engineering, 2008

2011 – Graphen zum Sparpreis

Das Graphen ist ein ganz besonderes Material, eine spezielle Form von Kohlenstoff, bei dem die Atome in einer einzigen Lage in Form eines Wabengitters angeordnet sind. Technisch eignet es sich hervorragend für den Gebrauch in Solarzellen, in Computerbausteinen, Gasdetektoren und Ultrakondensatoren. Leider ist es sehr schwierig herzustellen und deshalb extrem teuer. Lange schon waren Forscher auf der Suche nach preisgünstigeren Möglichkeiten. 2011 entdeckten Forscher an der Rice University in Houston, Texas, einen Weg, Graphen aus recht preiswerten Quellen zu gewinnen. Unter der Leitung von James M. Tour stellten sie in einem relativ einfachen Prozess Graphen her: Die Kohlenstoffquelle – die Experimentatoren benutzten unter anderem Schokolade, Kunststoffteile, Cookies, wie sie die örtlichen Pfadfinder verkauften, Kakerlaken und Hundekot – wird auf eine Kupferfolie gelegt und in einem Ofen bei 1050 °C etwa 15 Minuten lang gebacken. Das Graphen sammelt sich dann an der Unterseite der Kupferfolie. Dieses Verfahren sorgt dafür, dass die Sammlung von Hundekot in Tüten endlich einen neuen Sinn gewinnt.

Ob er vom eben geschilderten Verfahren gehört hatte? Im nordirischen Enniskillen jedenfalls versuchte ein Mann namens Paul Moran, aus seinen eigenen Fäkalien Gold zu gewinnen, indem er sie auf einer elektrischen Heizung erhitzte. Es gelang leider nur bedingt: Sie fingen Feuer, es entstand ein beachtlicher Sachschaden und Paul landete im Gefängnis.

Gedeng Ruan, Zhengzong Sun, Zhiwei Peng, James M. Tour: »Growth of Graphene from Food, Insects and Waste«, ACS Nano, 2011