Qualität in Hort, Schulkindbetreuung und Ganztagsschule Herausgegeben von Manja Plehn

RAUMGESTALTUNG

Manja Plehn, Stefan Appel

Raumgestaltung

entwickeln und
pädagogisch begleiten

Inhalt

Einleitung (Manja Plehn)

1.Räume in Hort und Ganztagsschule (Manja Plehn)

1.1Pädagogische Qualität

1.2Raumqualität als Strukturfaktor

1.3Raumqualität als pädagogischer Faktor

Wissen Kompakt: Der Raum als »dritter« Erzieher in der Reggio-Pädagogik

1.4Wissenschaftliche Studien zu Effekten guter Raumqualität

1.5Fazit

2.Bedürfnisse von Kindern in der mittleren Kindheit – Ausgangspunkt pädagogischer Raumgestaltung ganztägiger Bildung (Manja Plehn)

2.1Sich bewegen, Geschicklichkeit entwickeln, den eigenen Körper spüren

2.2Eigenverantwortlich das Umfeld erkunden

2.3Nützlich sein und Selbstwirksamkeit erfahren

2.4Den Peers begegnen, sich zurückziehen und erholen

2.5Die Welt verstehen und sie verändern

2.6Fazit

3.Aufgaben und Rolle der pädagogischen Akteure (Manja Plehn)

3.1Ein kindergerechtes Raumkonzept entwickeln

3.2Kinder an der Raumgestaltung beteiligen

3.3Kinder in ihrem Tun gewähren lassen

3.4Kinder in ihrer eigenständigen Raumnutzung unterstützen

3.5Kinder beobachten, die Anregungsqualität einschätzen

3.6Die Qualität der Raumgestaltung ermitteln, sichern, weiterentwickeln

3.7Fazit

Exkurs: Methodentipps zur Partizipation

4.Strukturelle Raumqualität (Manja Plehn und Stefan Appel)

4.1Flächen und Platz

4.2Ambiente – Atmosphäre

Wissen Kompakt: Farben wirken

Wissen Kompakt: Pflanzen wirken!

Exkurs: Raum- und Ausstattungsangebot ganztägig geführter Schulen

5.Bildungsraumqualität – Räume für Bedürfnisse, Interessen und Themen der Kinder: Praktische Impulse (Stefan Appel und Manja Plehn)

5.1Sich bewegen, spielen, den Körper erfahren

5.2Den Peers begegnen, zusammen sein

5.3Sich zurückziehen, ausruhen, erholen

5.4Konzentriert und selbstständig lernen, entdecken, recherchieren

5.5Die Welt verstehen – (auch) mit den Händen

Wissen Kompakt: Lernwerkstatt

5.6Medien nutzen: spielen, recherchieren, lernen, kommunizieren

5.7Ein persönlicher Raum

5.8Fazit

6.Praxisbeispiel: Alemannenschule Wutöschingen

Exkurs: Münchner Lernhauskonzept

Literatur

Die AutorInnen

Einleitung

von Manja Plehn

Die Zahl der Kinder, die in Deutschland einen Hort, eine Ganztagsschule oder eine Übermittagbetreuung besuchen, steigt. Im Jahr 2017 waren es rund zwei Drittel der Grundschulkinder (vgl. Plehn 2019: 9). Durch die längere und häufigere Teilnahme an ganztägiger Bildung und Betreuung werden diese Institutionen zur täglichen Lebenswelt der Kinder und sind sehr bedeutend für ihre gute Entwicklung und Bildung. Kinder im Grundschulalter »wollen ihre Welt entdecken und aktiv gestalten, mitreden. Sie wollen mit anderen Kindern zusammentreffen, mit ihnen spielen, arbeiten, lernen, sich herausfordern lassen« (Strätz et al. 2008: 71). Die Räume, deren Gestaltung und ihre Ausstattung tragen entscheidend dazu bei, ob die Kinder sich wohlfühlen, ihren Ideen, Themen, Interessen nachgehen und sich bilden können.

Ganztägige Angebote für Kinder in der mittleren Kindheit sind genauso als Lebensräume und Bildungsräume zu verstehen wie die Krippe und der Kindergarten auch. Die Räumlichkeiten dieser pädagogischen Einrichtungen sind daher so zu gestalten, dass sie von den pädagogischen Akteuren zur Erfüllung ihrer pädagogischen Aufgaben genutzt werden können. Eine gute Raumqualität stellt sich allerdings in der Praxis selten von alleine ein (vgl. Bensel, Martinet & Haug-Schnabel 2018: 323).

Was also sind die fachlichen Grundlagen qualitätvoller Raumgestaltung für Hort, Schulkindbegleitung und Ganztagsschule? Welche Aufgaben haben die pädagogischen Akteure im Handlungsfeld Raumgestaltung? Welche inspirierenden Praxisideen gibt es?

Ob Sie die Qualität der Raumgestaltung in Ihrer Einrichtung verbessern oder ob Sie für eine neu zu schaffende Einrichtung denken möchten: In diesem Buch finden Sie wissenschaftlich fundiertes Grundlagenwissen sowie fachlich fundierte praktische Impulse zur pädagogischen Gestaltung von Lebens- und Bildungsräumen des pädagogischen Handlungsfeldes »Raumgestaltung«.

Im ersten Kapitel wird das Handlungsfeld »Räume« in den Kontext der fachlichen Diskussion um pädagogische Qualität eingeordnet. Zunächst geht es um eine Definition und Erläuterung dessen, was unter »Raumqualität« zu verstehen ist. In einem zweiten Schritt wird erläutert, welche einzelnen Aspekte der Raum- und Ausstattungsqualität auf die Bildung und das Verhalten von Kindern wirken.

Wie in allen Bänden dieser Reihe stehen als Ausgangspunkt qualitätvoller Pädagogik in der mittleren Kindheit die Bedürfnisse, Themen und Interessen der Kinder im Fokus – das gilt auch für das Handlungsfeld Raumgestaltung. Welche Aspekte sind dabei zu berücksichtigen? Welche Zusammenhänge ergeben sich für die Gestaltung der Räumlichkeiten (→ Kap. 2)?

Welche Aufgaben haben die pädagogischen Akteure in Hort, Schulkindbegleitung und Ganztagsschule in diesem Handlungsfeld? Es geht vor allem um die Interaktion mit den Kindern: zwischen Gewähren-Lassen – um den Kindern eine eigenständige Nutzung der Räume und Ausstattung zu ermöglichen – und der gezielten Unterstützung bei der Wahrnehmung und Nutzung der Räume. Warum ein ausgearbeitetes Raumkonzept für das Handeln der pädagogischen Akteure grundlegend wichtig ist und wie ein solches Konzept partizipativ mit den Kindern weiterentwickelt werden kann, ist ebenso Thema dieses Kapitels wie die Feststellung, Sicherung und Weiterentwicklung der Raumqualität, ebenfalls eine zentrale Aufgabe der pädagogischen Akteure (→ Kap. 3).

Anschließend wird kurz auf strukturelle Aspekte von Raumqualität eingegangen, darunter Basisfaktoren wie Licht, Farben, Luft und Akustik (→ Kap. 4).

Der Schwerpunkt dieses Buches sind fachlich fundierte praktische Impulse zur Gestaltung von Bildungsräumen für ganztägige Angebote der Entwicklungs- und Bildungsbegleitung in Hort, Schulkindbegleitung und Ganztagsschule, ausgehend von den Bedürfnissen, Themen und Interessen der Kinder (→ Kap. 5):

Sich bewegen, spielen, den Körper erfahren

Den Peers begegnen, zusammen sein

Sich zurückziehen, ausruhen, erholen

Konzentriert und selbstständig lernen, entdecken, recherchieren

Die Welt verstehen – (auch) mit den Händen

Medien nutzen: spielen, recherchieren, lernen

Ein Praxisbeispiel, wo viele Aspekte der Raumgestaltung gelingend umgesetzt wurden, finden Sie im letzten Kapitel, mit Einblicken in Ausstattung und Konzeption der Alemannenschule Wutöschingen (Baden-Württemberg) (→ Kap. 6).

Um die Ansichten, Meinungen der Kinder zu erfahren, wurden 26 Kinder zwischen 6 und 10 Jahren in Bayern und Baden-Württemberg zu ihren Wahrnehmungen und Ansichten zu den Räumen ihrer Einrichtung befragt. Einige der Antworten werden im Folgenden zitiert.

Ich danke allen Kindern und den pädagogischen Fachkräften sehr herzlich, dass sie mitgemacht haben!

Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre!

Ihre Manja Plehn

Von der Schulkindbetreuung zur Schulkindbegleitung

Vielerorts wurden Einrichtungen für Grundschulkinder »Schulkindbetreuung« oder auch schlicht nur »Betreuung« genannt. Mittlerweile wehrt sich die Praxis dagegen, auf ihren Betreuungsauftrag reduziert zu werden. Sie verstehen sich auch als Bildungseinrichtung und wollen so verstanden und genannt werden. Das zeigen Diskussionen in der AG Kinder zwischen 6 und 12 Jahren der Bundesarbeitsgemeinschaft Bildung und Erziehung in der Kindheit e.V. (BAG-BEK). Da auch wir AutorInnen diese Haltung vertreten, verwenden wir in diesem Band ausschließlich den Begriff Schulkindbegleitung. Er drückt aus, dass die pädagogischen Einrichtungen Kinder im Grundschulalter in ihrer Entwicklung und Bildung begleiten. Dass sie auch einen Betreuungsauftrag haben, ist dabei mitgedacht.

1.Räume in Hort und Ganztagsschule

von Manja Plehn

Lernatelier und Arbeitsplätze in der Alemannenschule Wutöschingen, eine Gemeinschaftsschule im Landkreis Waldshut, Baden-Württemberg (→ Kap. 6, S. 86 f.)

Was Kinder sich wünschen

»Unser Zimmer soll schön groß sein, mit zehn Fenstern, ein Teppichboden, Tischen und Stühlen, einem Fernseher, einer Musikanlage, Kuscheltiere, Bett, Bücher, Drohne, Spielekonsolen, Sofa, eine Disco Lampe, ein Schlagzeug, eine Uhr und einen Tresor.«

Räume können nicht nicht wirken (van Dieken 2014: 34). Sie wirken immer, ob die pädagogischen Akteure anwesend sind oder nicht. »Räume können elementare Gefühle in uns auslösen und sie geben uns wichtige symbolische Botschaften über die Bedeutung und Funktion des Raumes sowie über die Bedeutung der Menschen, die diesen Raum nutzen« (Opp 2015: 10). Räume können z. B. Distanz schaffen oder im Gegenteil Wohlbefinden auslösen.

1.1Pädagogische Qualität

Dieser Band orientiert sich wie die anderen Bände der Reihe zu Qualität in Hort, Schulkindbegleitung und Ganztagsschule an einer sozialökologischen und ökokulturellen Konzeption von Bildung und Entwicklung von Kindern. Es ist ein national und international anerkanntes Modell von pädagogischer Qualität für die Bildung und Betreuung in der frühen Kindheit (vgl. z. B. Tietze et al. 2012). Wie in Abbildung 1 sichtbar, ist die Bildung und Entwicklung eines Kindes abhängig von verschiedenen Faktoren und Systemebenen. Die außerfamiliäre Betreuungsform eines Kindes wird als ein Setting verstanden, das von verschiedenen Merkmalen der Orientierungs-, Struktur- und Prozessqualität sowie der Qualität des Familienbezugs gekennzeichnet ist. Die Prozesse der Bildung und Betreuung (Entwicklungsbegleitung) von Kindern sowie die Prozesse des Familienbezugs werden als abhängig von Merkmalen der Orientierungsqualität (z. B. pädagogische Konzeption) und der Strukturqualität (z. B. Ausbildung des pädagogischen Personals, Erzieher-Kind-Schlüssel) verstanden. Die pädagogische Forschung zeigt, dass diese drei Qualitätsdimensionen Einfluss auf die kindliche Bildung und Entwicklung haben (u.a. Viernickel et al. 2016).

Das System »Familie« und das System »Familienexternes Betreuungssetting« beeinflussen sich dabei im Alltag der Kinder »und es gibt mannigfache Wechselwirkungen« (Tietze et al. 2012: 4).