Christine Lavant
Zu Lebzeiten veröffentlichte Gedichte
Christine Lavant: Werke in vier Bänden
Band 1: Zu Lebzeiten veröffentlichte Gedichte
Im Auftrag des Robert-Musil-Instituts der
Universität Klagenfurt und der
Hans Schmid Privatstiftung herausgegeben
von Klaus Amann und Doris Moser
Herausgegeben und mit Nachworten
von Doris Moser und Fabjan Hafner
unter Mitarbeit von Brigitte Strasser
Herausgeber und Verlag danken der
Stiftung Lyrik Kabinett, Frau Ursula Haeusgen,
für die Unterstützung der Edition
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet
diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet
über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Wallstein Verlag, Göttingen 2014
www.wallstein-verlag.de
Vom Verlag gesetzt aus der Stempel Garamond
Umschlaggestaltung: Susanne Gerhards, Düsseldorf,
unter Verwendung einer Fotografie von Sepp Schmölzer
Druck und Verarbeitung: Pustet, Regensburg
ISBN (Print) 978-3-8353-1391-0
ISBN (E-Book, pdf) 978-3-8353-2582-1
ISBN (E-Book, epub) 978-3-8353-2583-8
Die unvollendete Liebe
Die Bettlerschale
Spindel im Mond
Sonnenvogel
Der Pfauenschrei
Sammelbände
Wirf ab den Lehm
Hälfte des Herzens
Verstreute Publikationen
Anhang
Zur Edition
Editorischer Kommentar
Nachworte
»Wenn nicht Himmel dann ordentlich die Hölle.« Christine Lavants Leben als Dichterin
»Zwischen Sternen, die zum Teufel gingen, ist es herrlich, selbst den Belzebuben so im Leib zu haben wie die Kerle deines gottverdammten Leichenkastens« Zu Poetik und Rezeption
Quellen und Literatur
Alphabetisches Verzeichnis der Gedichttitel und -anfänge
Ausführliches Inhaltsverzeichnis
Das silberne Maisstroh vom vorigen Jahr
weht vergessen und schütter wie bleichendes Haar
auf dunkelnden Äckern im Winde.
Vom Dorfe her singt das Gesinde
die ältesten Lieder von Liebe und Tod.
Es bebt in den Pfützen das Abendrot,
und der Entenschrei schnarrt in den Auen.
Verloren im bebenden blauen
schattigen Schilfe ein Taucher weint.
Da erschreckt sich dein Herz so, als wär es gemeint
und erwartet von jeglichen Dingen.
Und leise beginnt es zu singen.
Der Schnee wird dünn wie eine zarte Vase
und glänzt von innen her wie ein Gesicht;
und wo er sanft, wie alte Seide, bricht,
stehn fahle Büschel vom verstorbnen Grase
des letzten Sommers wie verwaschner Samt.
Der Wind des Südens bringt das Wunderbare,
seltsam geformter Wolken mildes Weiß.
Er kämmt die Zweige so wie Frauenhaare,
streichelt die Gräser tröstlich zart und leis
mit einer Milde, die von Engeln stammt.
Der Glanz des Schnees wandert mit dem Lichte,
sinkt manchmal ein im Schatten tiefsten Blaus.
Es teilen sich die ersten Düfte aus,
die schwer und seltsam sind und wie Berichte
aus einer Fremde, die nur Blüten kennt.
Die Anmut jeder Kindheit liegt in ihnen,
der Mädchen Lächeln wird an ihnen wach;
und in den Männern wird das Starke schwach
und möchte gerne einer Süße dienen,
die herb und stark in ihnen brennt.
Wehe weiter, wilder Wind,
denn du mußt noch viel vollbringen
von den übergroßen Dingen,
die uns ernst verheißen sind.
Wag die wüste Wolkenwand
aus dem Himmelsbau zu reißen,
können doch noch Sterne kreisen,
die kein Weiser uns erfand.
Biege blankes Blumenblau
als Gewandung um die Erde,
zeig auf einem Silberpferde
uns die blonde Sonnenfrau.
Lasse lauter leises Licht
aus dem Märzenmonde strahlen,
das die schlanken Krokusschalen
zärtlich krönend nicht zerbricht.
Lehre Liebeslieder lind
unsre Herzen einsam singen,
wenn sie den noch nicht empfingen,
dem sie untertänig sind.
Trauert nicht, Herzen, es warten noch neuere Tage,
die Morgende haben aus Grün und aus strahlendem Gold –;
und schönere Glücke, als jenes, das ihr gewollt
und das ihr betrauert mit dunkler, vermehrender Klage;
es halten die Engel schon süßere Troste bereit!
O meine Herzen, verlernet nur niemals die Güte!
Ihrer bedarf euer Engel für dieses noch kommende Glück.
Er bringt sie euch wieder in strahlender Anmut zurück;
Gott hat sie berührt; und zu einer köstlichen Blüte
hat sie sein Atem für immer geweiht.
Trauert nicht, Herzen, vielleicht wächst in nahester Stunde
euch schon ein Bruder, ein Tröster, ein hingehaltenes Herz?
Wie eine Schale, die euren verworrenen Schmerz
gelassen sich nimmt in ihre behütende Runde
und euch so vom Übermaße befreit …
Man hat mir heute Nacht mein Herz vertauscht.
Es war so matt und hat sich nicht gewehrt.
Es war vom Abend her noch wie berauscht
und müd und ohne Schutz und stark versehrt
und konnte, wie ein krankes Kind, getragen werden …
Man hat es mir genommen, und mit Pferden,
die schwarz und hastig waren und vermummt –
ich hörte lang noch ihre Hufe schlagen –
hat man es fortgebracht; und rasch verstummt
war auch sein letztes banges Nach-mir-Fragen …
Was man mir ließ und was ich höre schlagen
und was mich zittern läßt, ist nicht mein Herz.
Nur so ein Etwas, ein von Lust und Schmerz
Vermischtes, das nicht auszusagen …
– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Mein Herz, mein Herz! Wen soll ich nach dir fragen?
Nie sangen die Vögel die innigen Lieder so eigen,
so voller Erwartung, als riefen den Himmel sie an.
Nie konnten die Abende sanfter und seltsamer schweigen,
nie brach durch ihr Gold die schwebende dunkelnde Bahn
heimziehender Schwalben so feierlich ein.
Zart steigt über Wiesen der silbrige Flaum von den Samen
der Löwenzahnblüten, die gestern noch golden gestrahlt;
und was sie in Nächten vom Monde, den Sternen bekamen,
halten sie leuchtend zu seidigen Kugeln geballt;
südliche Winde brechen sich liebend hinein.
In blaugrünen Saaten wachsen die milchigen Sterne,
wie scheue Gebete schließen sie abends sich leis
und halten den liebenden Winden sich ferne,
um dann an Morgenden strahlend und weiß
und neu zu erblühen und tröstlich zu sein.
Nie standen die Sterne in lichterer, schönerer Reine,
als ich sie heute in dunkelnden Saaten erkannt.
Ich habe erschüttert von diesem unsäglichen Scheine,
beglückt sie die Blumen der Freundschaft genannt.
Oh, daß sie mir blühten! … Dann wären sie dein.
Wachse leise, du verborgne Quelle!
Nimm das Silber von den Morgenteichen.
Laß von Engeln dir die Stille reichen,
einmal sollst du ihnen gleichen,
wenn die trüben Schatten weichen.
Warte Brünnlein, bleibe helle!
Gottes Gnade soll dich hüten.
Leg dich still in seine Hände,
daß der tiefverborgnen Brände
niemals einer zu dir fände! …
Brechen nicht schon dunkle Blüten
in die Anmut deiner Helle,
legen eine Purpurstelle
wie ein Wundenmal hinein?
Schimmerst du nicht ab und zu wie Wein,
den man gern für heißen Taumel tränke?
Daß der Engel keiner drin versänke!
Werden sie ermüden, dich zu schützen?
Ach, was wird dich alles noch benützen,
meine zarte, scheue, liebe Quelle,
du mein Reichtum, schone deine Helle!
Ob du es weißt, daß du mit jener Geste
aus meinem Leben etwas fortgenommen?
Das nun wo anders ist; – bei einem Feste? –
und ab und zu mit seinem leisen Kommen
mich tröstet, – wie ein Ding aus Gottes Hand,
das um mich wacht – und meistens ungeahnt
herzutritt und wie eine Abendstunde
Verweigerung in seinen Händen hält.
Weil es mich weiß! … Und daß im letzten Grunde
ich gar nichts bin als ein Gewicht, das fällt, –
das fallen muß! – hinein ins Uferlose …
Weißt du es auch, daß deine stille, große
Gebärde meine Armut krönte?
Als meine Stirne, diese so entwöhnte!,
mit zarter Güte du emporgenommen.
Oh, dieses leise wunderbare Kommen
von deinen Lippen, das nur Trösten war;
und meine Stirne und mein armes Haar
so zart berührt, als sei es eine Wunde!
Das geht mit mir und macht die schwere Runde
der Tage mit; – doch außerhalb und stumm,
wie man bei Prozessionen scheu dem Heiligtum
nur aus Entfernung folgt, um still zu beten! –
geht zag mein Herz als letztes in der Reihe;
und wird einmal mit einer kleinen Weihe
ganz unbemerkt, doch trostvoll abseits treten.
Ob du es weißt?
Noch sind die Worte alle ein Betören,
sind Sagen um ein unbestimmtes Was;
von innen leuchtend, wie ein buntes Glas,
ein Kreisen, Taumeln, ein Beschwören
um eine Mitte, um ein vages Bild …
Dann wieder sind sie abgeklärt und mild
und an den Rändern zart und hingegeben;
sind von den Abenden das goldne Schweben
der letzten Wolken an den Horizonten.
Oft stehn sie außerhalb des Längstgewohnten
und überstürzen mit der fremden Artung.
Am schönsten sind sie, wenn sie wie Erwartung
noch alle Möglichkeiten in sich tragen
und sorgsam sind, daß sie nur nichts verlören.
Sie sind wie Silber dann von Abendteichen,
wie Sterne, die bestürzt vor dir erbleichen.
Das große Ende wird einst dir gehören!
O du mein Gott, ich glaube, es wird Zeit,
daß ich mich still in deine Hände lege …
Wie waren alle so erschreckend weit
und arm an Trost, die gnadenlosen Wege.
Wie oft ich irrte, weißt nur du allein;
und du allein kennst meiner Hände Last!
Und alle Armut, die du tief hinein,
vom Anfang an, in mich gegossen hast.
Und daß sie füllte diesen kleinen Raum
und wuchs und wuchs, vermochte deine Güte …
Nun steht sie da und ist ein starker Baum
und trägt von Zeit zu Zeit auch eine Blüte.
Von dieser Blüte wissen du und ich
und einer, dem ich sie nicht geben kann …
So nimm einstweilen du sie nah an dich,
und sende sie als Trost ihm irgendwann.
Du Großer, mir von Gott Bedachter
und lange schon vor mir Vollbrachter,
vergib mir, daß ich so gering –
ein abgetanes, graues Ding! –
von Gott dir zugewiesen bin.
Mach es mit Gott dem Schöpfer ab,
daß er dir nicht ein Beßres gab,
und nimm mich gnädig hin!
Du großes, schönes, steiles Licht,
ich brauche dich. Verwirf mich nicht!
Nimm alle deine Schutzgewalten
und alle Kraft; denn du mußt halten
mein Dunkles! – werde bloß nicht bang –
nimm’s mit verhülltem Antlitz hin;
es dauert nur ein Beten lang,
solang ich bet für »Ihn«.
Du Großer, mußt es schon verstehn.
Gott darf an mir nichts Dunkles sehn,
sonst wendet er sein Angesicht
und hört mein armes Beten nicht,
und mir verrinnt mein Leben …
Und alle Mühe, die du hast
dir angetan mit meiner Last,
ist nutzlos ausgegeben.
Drum steh ein letztes Mal mir bei.
Bedenk: Noch steht die Wahl dir frei …
Noch halt ich ja den Stern der Sterne,
trotz aller meiner Gottesferne,
noch bet ich ja für »Ihn«.
Du kannst mit deiner starken Reine
noch heben mich ins Ungemeine. –
Oh, nimm mich gnädig hin!
Engel, Engel gebt ihm euren Beistand!
Aber mindert eure Übermächte,
stürzt ihn nicht in eure Gottesschächte,
laßt ihn noch im Menschenland.
Nehmt die Freuden meiner Tage,
nehmt mir meiner Augen Lichte,
leget beides wie Gewichte
in die Schale seiner Waage.
Engel, ärmster, bleib mir ferne.
Hier –: ich lege alles nieder
in dem Bündel; – meine Lieder,
meines Lebens karge Sterne.
Leget alle diese Dinge
hin, vor die verschloßne Türe;
daß er niemals es erführe,
daß ich Ärmste sie ihm bringe.
Engel, Engel gebt ihm euren Beistand!
Aber lindert eure Übermächte,
stürzt ihn nicht in eure Gottesschächte,
laßt ihn noch im Menschenland!
In ihren Händen wandeln sich die Dinge,
als würden sie von Zauber angerührt.
Was fremd noch war, beschließt sich sanft zum Ringe,
die kleinste Geste lächelt und verführt
und weiß von nichts: denn sie ist absichtslos!
Im tiefsten Grunde nur, bewußt und groß
und wie Gewässer, weit und hingebreitet
die Liebe; wartend und stets vorbereitet
auf ein Begegnen. Einen Blick. Ein Wort.
Und wächst und wächst ins Uferlose fort …
Und magisch miterwartet von den Dingen,
den Träumen und den Nachtgebeten,
muß – wie bestürzt vom übergroßen Zwingen –
und wie von ungefähr herzugetreten –
die eine Stunde kommen, wie die Segnung …
Der Liebe Fluten breiten der Begegnung
sich hin, wie einst die Wasser vor dem Meister …
Am Rande warten schweigend alle Geister,
von Gottes Gnaden her schon zugeteilt,
um dann zu trösten, wenn vertan, enteilt
sein Herz vorbeischritt, ohne sie zu sehen …
Die Dinge, die noch wartend ringsum stehen,
zerfallen trüb, von ihrer Hand berührt,
und widerstehen selbst der stärksten Bitte.
Doch: langsam nähern sich der Mitte
die gottgesandten Trostbereiter …
Das Herz verstummt. Die Liebe nur wächst weiter
und wartet auf das nächste Sich-Begegnen …
Ich laß dich nicht! Es sei: du wirst mich segnen!
Wer dich im Grunde hat, im tiefsten Grunde,
du Keim, so hundertfältig auszutragen,
der kann am Morgen schon Gebete sagen,
am Abend steht er selig bis zum Munde
in Lobgesängen, wie in Rosen.
Er bricht von Steinen, dran sich andre stoßen,
sein täglich Brot und hat noch zu verteilen;
was übrig bleibt, das sammeln Engel ein.
Mit seinem Blute kann er Wunden heilen,
wenn er erblindet, geht ein zarter Schein
aus seines Herzens übervollem Raum.
Entzückt von Armut, prangt er unter Reichen,
trotzt allen Stürmen tragend wie ein Baum,
an dem die Früchte frühen Vögeln gleichen,
bereit zum Fluge in des Ärmsten Hand …
Wer dich, o Liebe, innen hat erkannt,
so wie du bist, als Gottes reinsten Samen,
wirkt täglich Wunder, still, in deinem Namen.
Durch weite Wüsten geht sie wie durch Gärten,
braucht keine Hoffnung, meidet jede Gnade,
geht seltsam aufgerichtet und gerade
durch alle Stunden, die ihr nichts gewährten
und nimmt sich niemals nur die kleinste Rose.
Sie ist das Ernste, ist das Wahre, Große,
das ohne Beistand in die Himmel reicht;
sie kann das Gotteslächeln mehren,
weil sie ihm selbst so seltsam gleicht.
Und Engeln kann sie alles lehren …
Sie ist die große Eingeweihte
in jedem alten Heiligtume.
Die wahre Hochgebenedeite,
die stark bewehrte Ewigstumme,
die Priesterin der alten Trauer …
An ihr wird jeder Glanz genauer
und ähnlicher dem großen Lichte.
Sie ist der Kelch für jede Klage
und wird als Hüterin der Waage
uns beistehn einst bei dem Gerichte.
Nicht um zu schonen, ward uns die Liebe gegeben!
Und ihre Behelfe und das, womit wir sie wandeln.
Uns ist es bestimmt, mit den Gebärden zu handeln
oder zu ringen! Oder zu streben
nach Ringen, nach Handlung, nach dem Bemeistern,
uns immer tiefer mit Geist zu begeistern –
sei es auch einem der dunkelsten Tiefen,
und seien es Flüche, womit wir sie riefen,
die starken, die ungestümen Dämonen!
Erlaubt sei uns alles; nur nicht das Schonen
des Herzens und des ihm gemäßen Gebarens.
Erst aus den Gipfeln des letzten Erfahrens
tritt uns die Liebe vollendet entgegen:
Vollendet zur Gottheit! Und keinen Segen
verlangt mehr das wahrhaft liebende Herz.
Und stürbe ich am Rande einer Straße,
wie Hunde sterben, abgehetzt und einsam,
mit keiner Kreatur gemeinsam,
von nichts betreut als vom verstaubten Grase
und ein paar unscheinbaren Tropfen Tau; –
und würde alles mir schon fremd und ungenau,
der Wald, die Straße und die kahlen Bäume,
dann kämen alle armen Träume
scheu zu mir her und böten sich zur Wacht
und hielten aus der angebrauchten Nacht
dein Angesicht mir noch einmal entgegen …
Dies Angesicht, das sich mir nie gewährte
und welches doch als lichter Trostgefährte
und wie ein göttlich zugedachter Segen,
den ich als Gnade feierlich empfing,
durch meines Lebens bittre Armut ging.
Einmal wird kommen die Nacht aller Nächte!
Dann wird meine Seele ein Großes sein.
Es werden ihr helfen die Winde, der Stein
und alle nur irgend erdenklichen Mächte,
mit denen sie jetzt so furchtbar noch ringt …
Die Form wird nichts sein … Vielleicht nur ein Glas,
das, halb angefüllt mit irgend etwas,
vor dir steht und plötzlich dich ansieht und zwingt,
die Mauern zu lassen, die du dir erbaut;
ein ganz alltäglicher einfacher Laut,
eine Falte des Vorhangs, der sich bewegt,
ein Blatt Papier, vor dich hingelegt,
ein Nichts; – doch du wirst emporgerissen,
auf einmal erwachen und wissen! und wissen!
Denn nichts wird dir helfen, bevor du es spürst,
wie maßlos du meine Seele berührst!
Ich möchte einen Becher haben
aus blassem Glas mit zarten Zeichen;
den möcht ich meinem Liebsten reichen,
damit die kleinen, armen Gaben
ihm dünken wie ein Wunderwein.
Ich möchte wie verzaubert sein
zu einer Blume, die er liebt.
Doch Gott, der uns die Herzen gibt,
hat mich so fremd für ihn gemacht.
Nun weine ich oft Tag und Nacht
und fülle meinen dunklen Krug
mit Tränen wie mit roten Beeren,
die sich von Stund zu Stunde mehren,
und manchmal kommt ein schwerer Flug
von schwarzen Vögeln, welche klagen.
Ich weiß nicht: soll ich sie verjagen
und meinen Tränenkrug beschützen?
Mein Liebster wird ihn nie benützen,
weil er aus hellen Bechern trinkt.
Vielleicht, wenn heut der Abend sinkt,
ruf ich die Vögel, die schon lauern? – – –
Mein Liebster wird deshalb kaum trauern.
Ich bewahre dein Herz, wie du es nicht besser kannst schonen;
zart umzieh ich als Vorhof dein bittres Gebäude aus Leid.
Ich weiß, deine herrliche Unteilbarkeit
erkennen die Engel, die still dich bewohnen.
Oft ertast ich den Weg so blindlings, wie eine im Traume,
dann begehen wir Spiele, die höher noch niemand ersann,
erbitten in unseren bindenden Bann
den Gnadenbewahrer; er hält uns im Zaume.
Es erblühen im Dunkel die lichtesten Blumen der Liebe;
aus gereifter Verhaltung vergoldet sich innen ihr Grund,
und eine erhöht sich so strahlend im Rund,
erstaunlich vollendet am göttlichen Triebe.
Sieh, ich segne dich noch unvermindert,
magst du auch mich Kümmerliche meiden.
Wenn dich andre kostbar kleiden,
wird mein bittres Weh gemindert.
Ebenbürtig war ich deiner nimmer,
mich zerbrach schon viel zu früh das Wissen.
Von der Armut hochgerissen,
trat ich nackt aus allem Schimmer
milder Kindheit. Ihre Blüten
starben am verdorbnen Stiele;
später wolltest du mich hüten …
Aber die entbehrten Spiele
probten sich an deinem Ernste.
Du erschrakst und wardst der Fernste.
Dauernd über deine Mauer
wächst die Wurzel meiner Trauer,
bricht sich Runen in den Marmor ein.
Sieh, ich schmücke dich wie wilder Wein,
und den kleinen bittern Beeren
wirst du nicht das Reifen wehren.
Rot deckt dich mein Laubfall ein.
Über deine Sommerzeiten
kann ich tiefe Schatten breiten,
manchmal wirst du sie gewahr.
Innig leg ich mich dann in dein Haar;
So verwehr ich dir das Schreiten
für nur karge Ewigkeiten,
und mein Blühn wird wunderbar …
Stark steht der Baum und redet in die Ferne,
wenn fremde Winde durchs Geäst ihm wehen;
zu seinen Füßen hat er schmale Sterne
aus blassem Gold wie zarte Kinder stehen,
die noch sehr schüchtern sind und leise beben;
die ihn in ihrem kleinen Leben
als großen Bruder und als Tröster sehn.
Er aber steht gelassen da im Wehn
und redet mit den Winden und der Ferne.
Nur manchmal fällt auf jene scheuen Sterne
ein sanftes Blatt von seinem großen Haupt.
Und still und glücklich und wie unerlaubt
hüllt sich darunter irgendeine Blüte.
Er ist der Tröster, ist die schöne Güte!
Sagt ihre leise Blumenmelodie.
Er aber, groß und stark, er hört sie nie.
Er ist erwachsen, redet mit den Winden,
und fremden Vögeln ist er zugetan.
Doch auf die Blumen, die so frühe schwinden,
fällt zart ein Blatt als Tröstung dann und wann …
Ich weiß nur, daß du meine Demut mehrst
und die Gebete in den langen Nächten;
und daß du mich aus meinen tiefsten Schächten
den letzten Trost zu nehmen lehrst,
so, daß ich einmal ungetröstet sterbe.
Glück bist du nicht! – Du bist vielleicht der Erbe
von meiner letzten sanften Melodie,
die, unvollendet, ich noch in mir trage?
Ein Stern vielleicht in meiner dunklen Sage?
Und – es kann sein – daß Gott dich mir verlieh,
damit ich einmal ihn vollendet sage …
Ich warte, was die blasse Nacht mir durch das Fenster gibt;
und was der Ruf der Amsel sagt,
und was der fremde Vogel klagt,
und was mein Herz mit aller Macht und aller Demut liebt.
Ich warte, daß ich größer bin und wie ein stilles Haus
und wie ein Raum voll Einsamkeit,
in dem ein fremder Vogel schreit.
Mein Herz will ich als Blüte ziehn für einen letzten Strauß.
Er darf nicht röter sein als Klee, der in den Wiesen steht,
und seltsam blaß und duftend ist,
und dessen Röte man vergißt,
wenn man mit seinem leisen Weh an ihm vorübergeht.
Ich warte, daß ich stiller sei und: daß mir Gott vergibt;
daß mir mein Herz bald ganz zerbricht!
Mehr, großer Vater, will ich nicht …
Es ging an mir schon viel vorbei, was ich nur scheu geliebt.
Sieh, nun laß ich dich los; und du gleitest mir wie eine Schwalbe
in des föhnigen Himmels unübertreffliches Blau,
hinter mächtiger Wolken gelassenen Bau,
in des zärtlichen Mondes schwebende halbe
Sichel aus Silber und Tau.
Einen liebst du noch mehr; und wie dürfte ich ihm dich verwehren!
Mit des nächtlichen Herzens nicht mehr zu tröstendem Raum,
dieser Steppe der Sehnsucht, darin dir kein Baum
Wohnung gewährte, nur bittere Beeren
prunkten aus Trug und aus Traum.
Leise laß ich dich los, und du wirst es erst später gewahren,
wenn aus neueren Reichtums kaum noch zu minderndem Licht
samten und dunkel und wie ein Gewicht
Lieder sich legen, voll alter Gefahren,
senkend dein sanftes Gesicht.
Ich rufe wieder alle Spielgefährten
aus meiner Kindheit, die so einsam war.
In meinem Herzen sind sie wunderbar
und stark wie einst; sie sind die unverjährten
Trostgründe gegen alle Trauer.
Die Apfelbäume vor der alten Mauer,
ein Dornenbusch mit vielen roten Beeren
am sanften Hügel, den die schweren
Schatten der Linden schützend überfluten.
Ein schmaler Bach mit roten Weidenruten,
Taubnesselblüten, die man ausgesogen,
weil sie so voll mit süßem Honig waren;
seltsame Falter haben sie umflogen;
in ihrem scheuen lockenden Gebaren
glichen sie irgendeinem Zauberding:
Man hätte sie so gerne sanft erlöst.
Doch wenn man sie mit zarten Fingern fing,
ward einem stets ein Fürchten eingeflößt,
und man entließ sie traurig in die Ferne.
Ach, kommt doch wieder, Falter, Blumen, Sterne!
Bringt meiner Kindheit milde Einsamkeit
in meine abgebrauchten Stunden,
darin ich keine andre Frucht gefunden
als äußerste Verlassenheit.
O lehre uns das Liebste so begraben,
daß es nicht spürt, wie wir verlassen sind,
daß es nicht nächtens wie ein armes Kind
vor uns erscheint, die bitterste der Gaben
vor sich hinhaltend – unsern Tränenkrug.
Laß unsern Schmerzen Größeres gelingen,
mach sie gewaltig übers Grab hinaus,
setz sie wie starke Brückenpfeiler aus,
darüber sich die sichern Bogen schwingen
der Liebe, welche alles still ertrug.
Dann wird sie auch den Übergang ertragen
für das Geliebte, bis es in dir ruht,
und über allem wird ein weher Mut
die Zweige grünen, welche Früchte tragen,
süß, aus den Wunden, die der Abschied schlug.
Gib einen neuen Stolz uns alle Tage,
verleih uns deine alte Einsamkeit,
daß wir bewußt und ohne Klage
uns selbst genügen; daß nichts in uns schreit,
wenn wir den letzten Freund an dich vergeben.
Oh, laß uns wachsen an der eignen Schwere,
laß unser Herz Gestirn und Himmel sein
und unser Blut den Wasserlauf zum Meere!
Und unsre Tränen wandle um zu Wein,
um uns zu stärken für das andre Leben.
Für jenes, das als Gotteswaage
im Mittelpunkt der Dinge steht;
für dieses Leben schick uns alle Tage
den neuen Stolz, der mehr als ein Gebet
uns trösten kann und über uns erheben.
O härte uns! Und höre nicht das Weinen,
nimm uns das Letzte unsrer Seligkeit.
Daß wir als leerer Raum vor dir erscheinen,
doch stark und hoch und unermeßlich weit.
Und unsre Sehnsucht laß wie Pfeiler streben!
Mein Herz ist eine Armut ohnegleichen,
ist eine Magd, die keine Heimat hat;
sie möchte noch den großen Hof erreichen,
noch vor dem Abend – doch sie ist so matt.
Sie kommt aus alten Wäldern, die nur schweigen
und möchte zu des Tales großem Herrn.
Sie möchte ihm die starke Demut zeigen
und ihn besehen, so wie einen Stern.
Sie taucht in dunkle Wasser ihre Hände,
und ihre Haare streicht sie sorgsam glatt;
und sinnt verzagt, ob sie den Weg wohl fände
zu jenem Hof, der viele Acker hat?
Sie kennt den Herrn aus wunderbaren Sagen,
die alten Hirten sangen sie im Lied.
Nun will sie ihre Armut zu ihm tragen,
daß er daraus sich eine Magd erzieht.
Sie mißt erschauernd dieses Tales Breite
und merkt, wie schon das Licht ringsum erbleicht.
Der Hof liegt noch in grenzenloser Weite. –
Ob sie ihn wohl vor Abend noch erreicht?
Wenn die Sterne mir das Glück verwehren
und mein Unstern kühn den Abstand mißt,
will ich mein Vertrauen mehren,
bis ich spüre, daß du bist.
Du, an dem ich ständig lerne,
wie man über alle Ferne
nah sich sein kann ohne Zeichen –
eher wirst du mich erreichen,
als das Unheil, das mir droht.
Heilsam, nahrhaft, so wie Brot
ist für mich dein stilles Denken.
Was die Sterne mir nicht schenken,
wirst du mir vielleicht erflehen
und ich kann zur Ruhe gehen …
In einer Heide oder an einem der nördlichen Meere
mag sie gereift sein, ehe sie spät zu mir kam
und sich erdreistete, mich wie ein Obdach zu nehmen;
nun füllt sie es aus wie ein uraltes Schemen.
Was früher noch stark war, wird furchtsam und zahm
und betroffen von bleierner Schwere.
Wie eine Greisin, begabt mit dem zweiten Gesichte,
schleppt sie sich durch die vorhandenen Räume;
ihres sandgrauen Kleides hinschleppende Säume
fallen wie Glocken oder Gewichte
in meine vergehenden Tage.
Wie soll ich sie nennen? … denn wenn ich es wage,
»Liebe« zu sagen, dann wölbt sich ihr Auge
sorgend nach innen, es steilt sich ihr Haar,
als wittere sie eine große Gefahr,
zu der ich vielleicht niemals tauge.
Mein Weinen verlacht sie wie Möwen am Strand,
die Freude zerdrückt sie mit beinerner Hand;
wenn ich bete, beäugt sie mich fremd.
Ich trockne vor Ebbe und werde verschwemmt
zu des reifenden Mondes Gezeiten.
Ich bin nicht mehr Herr meines ärmlichen Lebens,
um jegliche Gnade selbst bitt ich vergebens,
nur eine geduldete Magd.
Doch manchmal in Nächten, noch ehe es tagt,
läßt sie jäh in die Tiefen mich gleiten
zu versunkener Schätze verheimlichtem Schein,
zu Gärten aus wilden Rosen.
Dann prägt sie auch ihren unsäglichen großen
Namen mit Flammen mir ein.
Tagsüber kann ich dich verschweigen wie ein Stein;
selbst wenn ich singe, bist du unverraten.
Ich mache dich darin so flach und klein,
so unberührt, wie karge Frühlingssaaten
unangetastet unterm Winde warten.
Da gehn die Stunden dicht an dir vorüber,
die vielen Stunden mit den hellen harten
fordernden Rufen – und du weinst darüber …
Ich laß dich weinen, denn das macht dich groß,
und bis zum Abend wirst du reif wie Samen.
Da nenn ich dich mit tausend süßen Namen,
und einer wächst so wie ein Flammenstoß
am Mond vorbei, kann dich den Engeln zeigen.
Tagsüber muß ich ständig dich verschweigen.
Ach, ich lieb dich jeden Abend mehr,
und ich laß mich brennend in dich fallen;
aber du erhörst nur Nachtigallen,
denn mein Lied ist dir noch viel zu schwer.
Dunkel ist es, wo es dich enthält,
und du kannst dich kaum darin erkennen,
bebend hörst du deinen Namen nennen,
der dir fremd ist und noch nicht gefällt.
Aber einmal wird er wie ein Kleid
weich und nahe dir am Herzen liegen,
und mein Blut wird sich an deines schmiegen,
und dein Ohr wird meinem Lied bereit,
welches altern muß wie starker Wein,
bis die Süße sich in Geist verwandelt
und die Sehnsucht ernster in mir handelt.
Leise lieb ich mich in dich hinein.
Was kann dich trösten, Mutter, was dich freun?
Du sollst nicht so in meinen Träumen stehn.
Ich will für dich bis zu den Sternen gehn,
um dann die schönsten auf dein Grab zu streun.
Zeig mit den Augen oder mit der Hand
auf jenes Ding, von dem dir Tröstung käme,
und sorg dich nicht, woher ich alles nähme,
und sei es selbst ein himmlisches Gewand.
Du brauchst nicht weinen, nicht so lautlos bang;
ich hab noch Blut in mir, von deinem Blute.
Und auch dein Herz, das zarte, wohlgemute,
schlägt fort in mir und weiß noch den Gesang,
der unser Kinderweinen immer stillte …
Jetzt bist du Kind und ich die Trostgewillte.
Darf ich dir singen und Gebetlein sagen,
dir meines Herzens rote Blume pflücken?
Sie könnte dich vor Gott so zärtlich schmücken.
Mein Engel soll sie dir zum Himmel tragen.
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Er nahm sie an, er fliegt so leicht davon …
Weinst du noch, Mutter, oder schläfst du schon?
Jemand hat sie mir im Traume zugesteckt,
diese bitterrote Zauberblüte,
und ich weiß nicht, was ich nun behüte,
was mein Herz mit jedem Schlag verdeckt.
Manchmal wächst sie mir aus allen Poren,
und ich bebe, daß man sie gewahre;
fürchte, diese wilde wunderbare
ginge mir an andere verloren.
Aber keiner scheint sie zu erkennen,
so wie Blinde gehen sie vorüber,
und ich hüll mein Beten schnell darüber,
fühl ich neue Knospen in mir brennen.
Davon wird das Blühen langsam milder,
und der Duft verbirgt sich wie ein Weinen,
aus der Röte fällt ein zartes Scheinen
wie das Lächeln stiller Gnadenbilder.
Was hülfe dir mein unfruchtbares Herz –
ein armer Tonkrug, der nur Tränen hält;
aus dessen Abbruch immer etwas fällt:
ein halbes Beten, ein verbrauchter Schmerz,
ein überweintes, unergänztes Lieben.
Du übersiehst es, läßt es lang so sein;
denn selbst für Engel hat es keinen Wert.
Doch manchmal kannst du fern und abgekehrt
ein Unglück schleudern, treffend wie ein Stein,
so daß die Tränen funkengleich zerstieben.
Dann wird der Krug bis auf den Grunde leer;
dort liegt dein Wurf und ist nicht mehr aus Stein:
ein Bissen Brot, ein roter Tropfen Wein,
ein Wandelbares, wunderbar und schwer,
fast wie ein Wurzelstock mit neuen Trieben.
Dann kann es kommen, daß nach Tag und Jahr
aus vielen Knospen eine Blüte bricht;
du gehst vorüber, wendest dein Gesicht
und nimmst die schönste, birgst sie in dein Haar,
segnest die andern, die im Krug verblieben.
Reicht euer Schweigen mir durch das Fenster!
Ihr Wolkenriesen, ihr Baumgespenster,
ihr alle so schüchtern verborgenen Dinge;
auf daß ich euch weiß und euch liebe und singe
das euch gemäße verzauberte Lied.
Auch du mein Fluß, den der Nebel umzieht,
als hätte er gestern vergessen zu fragen
nach deinen seltsam verheimlichten Klagen,
die deine Bäume zum Himmel tragen,
mit ihrem erschütternden einsamen Ragen,
die alles wissen und einsam sind.
Und du, mein Mond, der zur Hälfte schon blind,
du ungetrösteter Trostbereiter,
wie liebst du die Wolken! Sie ziehen weiter
und nehmen all deinen gebotenen Glanz
so flüchtig nur hin und vergessen dich ganz
und wissen im nächsten Dunkel dich nimmer!
Nur ich, Erschütterte, ich weiß euch immer …
Ich weiß euch alle, ihr Nachtgespenster. –
Reicht euer Schweigen mir durch das Fenster.
Unwandelbar seid ihr, weil ihr so gleichmütig wandelt,
gelassene Ruher, weil ihr für Ewiges handelt,
in das wir kaum sichtbar hineingestellt.
Wenn ihr uns nächtens den Himmel erhellt,
nimmt euch wie Trost das vermessene Leid.
Ihr aber meint nur die Ewigkeit
und seid der Gesetze gestrenge Bewahrer.
Wir sind die entfremdeten, irrenden Fahrer,
welche ein Rufen zu hören vermeinen;
und taumeln wie Tänzer, wie Gaukler im kleinen
irdischen Zelte – ein Schauspiel für Götter.
Vielleicht daß die Demut euch gleißende Spötter
manchmal erschüttert zu milderem Scheinen?
Wenn wir erwachsen das Weinen verneinen,
das euch doch niemals zu Mitleid verführt,
wenn wir in uns die Gesetze erkennen,
in welchen wir selbst so wie Sterne verbrennen,
haben wir eure Bahnen berührt.
Sie legt ein Rot auf ihre blassen Wangen
und mehrt das Dunkle ihrer schmalen Brauen
und findet so, sie gliche jenen Frauen,
die nachts mit ihren müden, bangen
verlebten Augen in den Straßen stehen.
Sie lächelt seltsam, lächelt sich Verstehen
und Tröstung zu und läßt den Spiegel sinken.
Am Fenster steht ihr Tod, mit leisem Winken,
und hat sie trotz der Maske ganz erkannt …
Sie schreckt nicht auf; nur müde und ergriffen
weiß sie auf einmal, daß er stets so stand
in ihrer Nähe; daß er sie begriffen,
wie niemals ein Geliebter, eine Schwester.
Der Zug von Demut stärkt sich, legt sich fester
um ihre Stirne, um ihr schmales Kinn.
Der Augen stillen Trauer wächst ein Sinn,
der größer ist als jegliches Gebet.
Sie fühlt sich nicht bezwungen, nur erfleht
und findet sein Erwarten sanft und fromm
und wehrt den Tränen, sagt voll Güte: Komm!
In den Sträuchern steht die arme Nacht,
kämmt den Mond aus ihren Trauerhaaren;
alles hat sie hoffnungslos erfahren,
nun begibt sie sich der Pracht,
weil sie ihr so gar nichts nützte.
Mutlos singt das ungeschützte
Klageantlitz zu den Sternen.
Keiner aber will es lernen,
wie man Lieder ohne Liebe
auf die bittre Erde streut …
Und wie Lügner oder Diebe –
weil ihr Sang sie gar nicht freut –
schleichen sie von der Betrübten.
Ihre nie an Lust geübten
Lippen leiern fort ins Leere,
bis dann aus dem Nebelmeere
stolz der starke Tag entsteigt.
Sie erschauert – lächelt – schweigt.
Über meine Stirne streift der Tod
lange schon mit taubengleichen Schwingen,
und das Herz schlägt seine Melodie.
Immer öfter falle ich aufs Knie,
um so, hingekniet, zu singen,
daß kein Ton den Taubenflug bedroht.
Freilich werden stets der Warner mehr,
die den Sanften wie Gefahr verschreien,
ihn verleumden, daß er sich verstellt;
innen aber wächst schon seine Welt,
und ich kann mich nicht mit ihm entzweien,
fällt mir auch das Würdigsein noch schwer.
Leider braucht er Würde wie Gewand,
und man muß es ihm zu Füßen legen,
daß er darin eingeht wie zur Nacht;
morgen hab ich es vielleicht vollbracht,
und er kann sich so in mir bewegen,
wie ein Ton, der seine Harfe fand.
Wieder rufst du, mein klagendes Wasser;
die Nacht hört dich an, und ihre Gewänder sind weit –.
In schwarzen Wäldern die Einsamkeit
hat dich erkannt; und ihr Schweigen wird blasser
unter der Sterne gelassenem Glanz.
Dich hört auch mein Herz in seinen verarmten Nächten,
erwartet dein Rufen, für eine noch ärmere Nacht;
in die keine Engel mehr Weigerung brächten,
in der es dir folgt, wie zu Ende gebracht.
Nur noch eine Weile! – Dann hört es dich ganz …
Wenn die Tage sich klagend verkürzen
und die Nacht ihre Stunden vermehrt,
wenn die Schatten das Helle bestürzen,
das sich ohne Zuversicht wehrt;
dann wird mit dem Lichte sich neigen
was jetzt schon im Traum sich beschließt.
Mein Herz wird sich deinem verschweigen,
damit du es sanfter vergißt.
Wir werden uns niemals begegnen,
mein Weg ist zu Ende gebracht.
O möchtest du einmal mich segnen,
bevor ich vergeh in der Nacht.
Wo warst du so lange, wo bliebst du, als mir alle Sterne
wie Fieberphantome vom Himmel entwichen?
Wem hast du indessen das Zarte verglichen,
von dem ich dir bot aus so bitterer Ferne,
darin sich die Liebe wie Himmelsbrot barg.
Wie machst du mir alle Erfahrung so arg,
verstümmelst mit Schweigen das schöne Geschehen!
Ich wollte so willige Opfer begehen,
so hart mir das Herz in Vereinsamung halten.
Nun müssen sich dauernd die Hände entfalten,
um den strömenden Tränen zu wehren.
Wo hältst du dich auf, was entzieht dich so sehr?
Die Erde verdirbt mir, der Himmel bleibt leer.
Wer wird meine Herzfrucht verzehren?
Was frommt ihm denn der Glanz der Melodien,
der Worte Anmut, die sich willig schenkt?!
Und daß er Tempel ist, durch den die Geister ziehen.
Er ist auch Erde, drin sich ewig senkt
das Ungeheure, das die Tiefen weiß.
Er ist der Acker, den zu allen Zeiten
die Trauer pflügt, der hartgeschliffene Schmerz.
Und was er trägt, gehört dem großen Zweiten,
der ihm vom Anfang an geformt sein Herz.
Ach, er ist Acker, und er gibt sich preis!
Zu vielen Jahreszeiten trägt er Ernte
und ist dann leer und aller Gnade fern;
und seine Lieder sind ihm längst verlernte;
nur in sein Träumen bricht sich wie ein Stern
noch manches Mal ein leiser, scheuer Ton.
Er gleicht den Wassern, die sich mindern, mehren,
darin die Dinge sich verändert sehn;
und in den Nächten, in den langen, schweren,
bleibt oft vor ihm der große Zweite stehn
und blickt sich an und geht gestillt davon.
Ja, er ist Tempel, Erde, Acker, Wasser.
Von seiner Ernte nährt sich mancher Traum,
und nur sein eigener wird immer blasser
und unbestimmt und ist am Ende kaum
sein unbestrittnes Eigentum.
Der große Zweite will auch seine Träume,
nimmt sie als Schale für das Übermaß;
vergißt sie dann in einem seiner Räume,
so wie ein angebrauchtes, altes Glas.
Dann wird der Sager alt, uralt und stumm …
Dieser Himmel ist so ungepriesen,
daß ihn selbst die müden Vögel meiden.
Ach, er duldet träge und bescheiden,
seit die Sterne ihn des Nachts verließen;
abgestumpft sieht er die Erde an.
Ernste Bäume rühren ohne Eifer
an das greise Grau der Nebelschwaden.
Alle Zweige werden kälter, steifer,
fühlen sich so hoffnungslos beladen,
eingebunden wie in einem Bann.
Ach, wie viele solcher kargen Tage
werden diese Erde noch bekümmern?
Bis ein Aufschrei ihre bleiche Klage
wie ein blankes Schwert zertrümmern
und den Himmel wieder öffnen kann.
Die Sonne hängt wie eine reife Rose
am Horizont, wo Wälder ihrer warten.
Mein Herz verdirbt mir langsam schon im Leibe.
Wer wird es wissen, wenn ich herzlos bleibe?
Wer nimmt aus meinem abgestorbnen Garten
sich noch die letzte schöne Herbstzeitlose?
Die Hagebutten auf dem Grab der Eltern
sind schon ganz rot und neigen sich zum Hügel.
Bald werde ich sie nächtens fallen hören.
Wer wird für mich die große Furcht beschwören,
wenn hart von mir die Richterengelsflügel
mein Herzblut fordern, um es auszukeltern?
Perlmutterfarben fließt der Fluß nach Osten,
der wilde Hopfen züngelt nach den Bäumen.
Es ist so schwer, allein im Herbst zu stehen.
Wer Früchte trug, läßt sie noch einmal sehen.
Wer leer verblieb, behängt sich mit den Träumen.
Gott wird einmal von allem prüfend kosten.
Draußen weiß man den schmalen, begonnenen Mond
und herinnen die Sehnsucht von gestern und morgen.
Die kargen Gebete, von langher geschont
und in den gemiedensten Tiefen verborgen,
nimmt man verloren ins furchtsame Herz.
Vielleicht war am Morgen die Wiese voll drohender Raben,
und man trat von dem Fenster, als sähe das Unheil herein?
Begann dann den Tag, als wäre man lebend begraben,
verschüttet, so wie ein verworfener Stein
von einem noch unbegründeten Schmerz.
Und so, wie berufen zu einer erwarteten Schwere,
ertrug man des Himmels verheimlichten Ruhm;
verheimlicht, durch graue, lastende Heere
von Wolken! – und gab sich als Eigentum
der seltsamen Trauer des Märztages preis.
Doch der Himmel gewann uns mit einer viel sanfteren Trauer
und der Wehmut der Farben, die über dem Wald
ganz leise begannen, in fragender blauer
Ferne sich hielten und dann doch so bald
vergingen, im blassen, verdämmernden Kreis.
Ach! Die Nacht vor dem Fenster erwartet nun unsre Gebete
und Größeres noch! – Ein Gelübde, das heimlich und hart
an Schmerzen uns fesselt wie eine Kette
und uns für immer ins Dunkel verwahrt …
Nur gut, daß man draußen die Mondsichel weiß!
Du alter Vogel Nimmerfroh
auf deiner großen Eiche,
was klagst du denn bloß immer so,
daß ich bewegt erbleiche?
Dein Schatten liegt oft schwarz und rund
im hellen Mondesschimmer;
ich leg die Hände an den Mund
und steh verwirrt im Zimmer.
Ich denke, daß mein Herz so sehr
dir, schwarzer Vogel, gleicht;
sein Ruf ist auch so matt und schwer,
für Troste unerreicht!
Ich denke manchmal, wie erschreckt,
daß du mein Bruder seist,
wenn mich dein Ruf am Morgen weckt,
wenn du so seltsam schreist.
Ich bete oft für deine Ruh,
du Vogel Nimmerfroh!
Wir klagen beide immerzu –
und Gott ist irgendwo …
Er wird bewegt in seinem Licht
von unsrer Dunkelheit;
und einmal birgt er uns ganz dicht
in seinem großen Kleid.
Da kann es sein, daß du wie angerufen
auf einmal wach wirst und dein Herz vermißt.
Du suchst im Vorhaus, auf den alten Stufen,
gehst in den Garten, wo ein Dornstrauch ist,
es könnte sein, daß es sich dort verfangen …
Du lockst es leise, mit den kleinsten bangen,
zärtlichsten Worten wie ein fremdes Ding.
Doch nur ein Blatt, das welk im Dorne hing,
löst leicht sich ab, und fröstelnd gehst du wieder
zurück ins Haus. Die Morgenvögellieder
begreifst du wie ein Abgestorbner nimmer.
Lang weinst du lautlos, bis dann jäh ein Schimmer
wie eine Rosenschale alles füllt.
Der Himmel blüht im Osten wunderbar,
er überblüht dein Antlitz und dein Haar.
In lauter Rosenröten eingehüllt
hörst du dich unentwegt Gebetlein sagen,
die du als Kind von deiner Mutter lerntest …
Und wie du diese süßen Früchte erntest,
fühlst du dein Herz erschüttert wieder schlagen.
So wie die Blüten am Abend von Sonne noch schwer sind,
ist meine Seele noch schwer vom gewesenen Glücke.
Ach, und ich weine nur, weil ich ein Weidenblatt pflücke,
welches noch kühl ist vom Wasser und nördlichen Wind
und meine Lippen so bitterlich macht.
Rot sind die Ruten, so rot fast wie das, was ich meine.
Bleich an den Kämmen der Berge verschimmert der Schnee;
irgendein Vogelruf stürzt sich auf einmal so weh
fern in des Abendlichts schwebend verschwendete Reine;
zart blüht der Mond, wie von Engeln entfacht.
Niemals vergehen zur Gänze die tröstlichen Dinge,
jedes Leid fällt von selbst, wenn im Herzen es völlig gereift.
Süß wird der Vogelruf, wo ihn das Sternenlicht streift.
Was ich so zärtlich durchs bittere Weidenblatt singe,
weht wie ein Freundeswort warm durch die Nacht.
Mit goldnen Borten, die so reich verglühen
kann sich der Regenhimmel schmücken.
Ich weinte lange … Um dich zu entzücken
muß aus den Tränen Schimmerndes erblühen,
daß du vermeinst, es sei das Abendrot.
Die düstern Vögel, die am Tage schwiegen,
wie trösten sie sich nun mit Liedern!
Ich rief so lange – aber mir erwidern
nur dürre Halme, die im Winde wiegen.
Jetzt bin ich still … Denkst du, ich wäre tot?
Noch geht mein Fuß im Sand bis an die Wellen,
darin die Sterne sich verklären;
sie waren immer. Auch mein Stern wird währen,
um eines Nachts vor dir sich zu erhellen.
Träumst du das nie? … Mein Herz treibt wie ein Boot.
Es treibt vorbei an allem, was ich hatte,
um unablässig dich zu lieben;
du warst in allem … Was ist noch verblieben?
Ein Kibitzschrei, ein Rot im Weidenblatte,
das bitter kühl sich meinem Munde bot.
Das Abendrot hat mich so angesehn,
daß ich vergaß, das Heimlichste zu schließen,
darin die ungewissen Träume stehn
wie wilde Blumen in den Maienwiesen.
Wenn nur kein Fremder jetzt vorübergeht!
Der Abendwind hat mich so angeweht,
daß ich voll Inbrunst alle Lieder sage,
als wären sie ein tägliches Gebet,
womit ich meinen armen Engel plage;
wenn er es nur geduldig übersteht!
Der Abendstern hat mir von dir erzählt.
Er sagt, du wüßtest alle wilden Blüten,
und eine hättest du dir ausgewählt?
So muß ich alle wieder weiter hüten,
damit die deine nicht verlorengeht.
Wie schöne Troste weißt du uns zu reichen
in deiner Frühlingstage anmutvollem Blau,
im wunderbaren, fahlen Dämmergrau,
im schönen Ragen einsam stiller Eichen
und in den Erlen, die mit ihren bleichen
bebenden Kronen fast ins Wasser reichen
und wo vor schilfverborgnen Teichen
verdorbnes Stroh in kleinen Feuern brennt …
Es schwelt vor schwarzen Stämmen fahler Rauch,
in dem die Magd das Knechtlein nicht mehr kennt;
ihr leiser Sang zieht um den dunklen Strauch,
– von dem sie manchmal noch in Nächten träumt
wie von dem Liebsten, der so lang schon säumt
und den sie meint mit ihrem leisen Sang – …
auf einmal ruft betörend süß und bang
die erste Amsel in der stillen Au;
ihr Ruf bekennt, daß sie noch einsam ist.
Allmählich wird dann alles ungenau
bis auf dein Trösten, das uns nie vergißt!
Seht, da geht man an dem Himmel hin,
ach, an irgendeinem fremden Bogen.
Neue Sterne werden aufgezogen,
bloß zum Ansehn und noch ohne Sinn.
Von den Namen, die man in sich hat,
diesen süßen alten aufgesparten,
keiner trifft nun zu den Sternenarten,
jeder klingt am Ende wie Verrat.
Denn es gab bisher stets nur ein Licht,
und man trug den Himmel dazu innen,
ließ sein Herz darüber so wie Linnen
langsam bleichen für ein Nachtgesicht.
Und man trug die Nacht zur Gänze aus,
sie war reicher als nun diese Tage,
ständig bebte das Gestirn der Waage,
bis es sank, – ein Engel trat heraus
aus dem Kreis, in dem sich alles hielt;
so begann ein Weltraum auszugehen.
Neue Reiche sind zu überstehen,
doch der Herzraum innen ist verspielt.
Wie soll mein Herz sich an den Ton gewöhnen,
darin die Liebe nicht mehr alles ist?
Das ernste Herz – es kannte keine List
und war so wahrhaft im Verschönen,
daß jede Wandlung ihm gelang.
Nun aber soll es Klang um Klang
nur aus sich selbst gewinnen.
Und dies ein ganzes Leben lang?
So, schwebend vor dem Untergang –
denn auf den höchsten Zinnen,
doch sicher in des Traumes Bann,
riefst du es wie ein Warner an …
Wann wird es endlich stürzen?
Ich tanze nicht mehr tief im Lied,
begreife, was mit mir geschieht,
und kann es nicht verkürzen.
Mit dir verliere ich mein letztes Lied,
und meine Armut wird ein großes Haus,
in das nur ab und zu die Trauer zieht;
ich schmücke es mit einem fahlen Strauß
von ein paar blassen Chrysanthemen;
es wird sich keiner eine Blüte nehmen,
denn keiner tritt in ein verrufnes Haus,
in welchem nächtens die Gespenster gehen …
Mein letzter Engel blieb noch einmal stehen,
bevor er mich verließ; – dann zog er aus …
Ich sah ihm nach, wie er im leisen Wehen
des sanften Abends so verloren ging.
In meinem Hause, das mich ernst empfing,
bin ich nun Herr und Knecht – und taube Magd,
die niemals hört, wenn jemand nach mir fragt …
Ein Amsellied und eine Kirschbaumblüte
und eines Frühlingshimmels stilles Blau
möcht ich noch einmal innig und genau
zutiefst erleben – wenn es deine Güte
nicht anders weiß, und wenn es mir auch frommt.
Doch es kann sein, daß alles anders kommt
und daß der nächste Föhn mein Grab umweht.
Die Vögel werden zärtlich weitersingen
und tausend Zweige neue Blüten bringen
und Einer spricht für mich dann ein Gebet?
Daß sie niemals schwächer würde,
meines Herzens helle Flamme,
brech ich täglich eine Bürde
Trauerzweige von dem Stamme
meines Sehnsuchtsbaumes ab.
Wenn die Vögel dann erbittert schreien,
die so schön darin genistet haben,
muß ich ihnen kleine Lieder weihen,
und sie nehmen sie als Opfergaben;
mancher fällt verbrannt herab.
Denn sie können sich nur schwer entfernen
von den Ästen mit den roten Früchten.
Ach, sie schwanken lange zwischen Sternen
und dem Flammenstoß, vor dem sie flüchten,
dessen Rauch so riesig steigt.
Nur die kleine goldne Frühlingsammer
läßt sich niemals von der Sehnsucht trennen.
Innig singt sie ihren süßen Jammer,
bis die Töne strahlend mitverbrennen
und das Herz für immer schweigt.
I
Krähenflügel teilen schwarz die Luft,
wo sie sich so sanft zum Wald gewöhnt.
In noch kahlen Zweigen spielt der Wind.
Fahle Saaten duften lind
schon nach Frühling, und dein Herz versöhnt
eine Amsel, die am Flusse ruft.
Um die Stämme alter Erlen zieht
Rauch von Streu, und auch der Bahndamm brennt
wie die Liebe, die du kaum verlernt.
Blanker Himmel, übersternt,
leuchtet zärtlich, und dein Herz bekennt
sich zum neuerwachten Amsellied.
II
Über Nacht fiel leiser Frühlingsregen,
manchmal schrie ein Vogel in das Singen
all der sanften Tropfen;
durch das bange Klopfen
deines Herzens gingen
sonderbare Segen …
Morgens in den Wegen
stand noch schwarz das Wasser,
und ein blinder, blasser
Himmel sank hinein.
Mit dem Windbewegen,
welches alles rührte,
fiel dir das verführte
Herzweh quälend ein.
Da sich dann der scheue Abend
wieder stark zur Nacht verwandelt
und ein Engel in dir handelt,
schließt du, deinen Traum begrabend,
langsam Gruft um Gruft.
Weher Wind weht durch dein Haar,
schnarrend schreit ein Entenpaar
deine Trauer in die Luft.
III
Regenschnüre hängen in den Zweigen,
die sich eben noch im Winde bogen.
Bebend ist ein Vogel aufgeflogen
aus dem Fliederstrauch, weil er das Schweigen
nach dem Blätterrauschen nicht ertrug.
Grauer Atlas schimmert in den Wiesen,
wo die Wasser sich zu Wasser legen.