Jürgen-Thomas Ernst

Das Wasserkomplott

Umweltkrimi

Zum Buch

Opfer der Macht Amanda und Fynn sind jung und entschlossen. Die Natur ist ihnen heilig. Mithilfe von Spenden retten die Jugendlichen ein Moor, das für eine landwirtschaftliche Nutzung geopfert werden sollte. Die Medien werden auf das engagierte Paar aufmerksam und mit ihnen viele weitere Menschen. Amanda und Fynn gründen einen Verein zum Schutz der Natur. Der Zulauf ist enorm. Die Spenden ebenfalls. Sie erwerben aufgelassene Felder, Wiesen, Steilhänge und stellen sie unter Schutz, um sie der Natur zurückzugeben. Zu den Demonstrationen, die der Verein organisiert, kommen bis zu 50.000 Teilnehmer. Das weckt auch das Interesse von Max Bonnermann, einem charismatischen, einflussreichen PR-Berater und Strategen, der bereits erfolgreich für große Konzerne und Staatsoberhäupter tätig war. Finanziell hat er alles erreicht, nun beabsichtigt er, der Menschheit etwas zurückzugeben. Er will die Naturschutzfamilie zum Big Player beim Thema Umweltschutz machen. Die »Familie«, wie sich die Naturschützer selbst nennen, empfängt ihn mit offenen Armen. Aber dann nimmt die Geschichte plötzlich einen anderen, dramatischen Lauf.

Jürgen-Thomas Ernst wurde 1966 geboren und wuchs in Hohenems, Vorarlberg auf. Schon während seiner Schulzeit schrieb er Theaterstücke, für die er zahlreiche Stipendien und Preise erhielt. Der Autor, der mit dem »Sir Walter Scott-Preis« ausgezeichnet wurde, hat bereits mehrere Romane veröffentlicht. Zudem schreibt er für Magazine Kolumnen und Artikel zu den Themen Natur und Nachhaltigkeit. Ernst ist Vater von zwei Töchtern und lebt in Bregenz/Vorarlberg.

Impressum

Personen und Handlung sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

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Alle Rechte vorbehalten

Lektorat: Katja Ernst

Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht

Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

unter Verwendung eines Fotos von: © time. / photocase.de

ISBN 978-3-8392-6712-7

Widmung

Seid wachsam.

Für Natalie und Melanie

1. Kapitel

Regen prasselte nieder. Es regnete oft in dieser Gegend. Wegen der hohen Berge, die sich von Osten nach Westen erstreckten. Die Regenwolken schoben meist vom Norden heran und sammelten sich grauschwarz und mächtig an den Bergflanken, bis es schließlich in feinen Fäden zu nieseln begann. Manchmal regnete es tagelang. Die Luft wurde schwer und feucht. Der Nebel verfilzte sich in den Wäldern und nahm den Blick auf die Landschaft. Kamen die Wolkentürme rasch herangetrieben, gingen oft Unwetter nieder. In kurzer Zeit schwollen die Bäche und Flüsse an und traten manchmal über die Ufer. Wenn sich die Bergwiesen mit Wasser vollgesogen hatten, lösten sich hin und wieder ganze Matten aus den Hängen und rutschten wie träge Lawinen talwärts, gefolgt von nasser brauner Erde, die als Mure in den nächsten Bach glitt, das Wasser braun färbte und zum Schäumen brachte.

»Verrückt«, sagte Amanda, die neben Fynn im Wagen saß.

Fynn schüttelte den Kopf, als er die Scheibenwischer auf höchster Stufe hin- und herfliegen sah. Nur mit Mühe gelang es ihnen, die schweren und zahllosen Tropfen von der Windschutzscheibe zu entfernen.

»Wirklich verrückt, dieser Sommer«, erwiderte Fynn, der wegen des Aquaplanings sehr langsam fuhr.

»2.000 Liter pro Quadratmeter und Jahr. Ich meine, das sind 200 Zehn-Liter-Eimer voll Wasser. Das ist wirklich verrückt.«

Amanda blickte auf die Uhr. Fynn war aufgefallen, dass sie mit den Fingerspitzen an den Ärmeln ihres Pullovers herumzupfte. Das machte sie immer, wenn sie aufgeregt war. Dann musste er so tun, als ob alles in Ordnung wäre, und sie beruhigen. Aber jetzt war ihm gerade gar nicht danach zumute, denn vor Aufregung spürte er sein Herz hinauf bis zum Hals.

»Wir haben noch neun Minuten«, beruhigte er sie trotzdem. »Das schaffen wir locker.«

»Da vorne«, erklärte Amanda, »da ist die Ausfahrt.«

Langsam fuhr Fynn von der Autobahn, passierte einen Kreisverkehr und hielt sich rechts.

»Hier ist es.« Amanda zeigte auf ein mehrstöckiges Gebäude mit einer Fassade aus Glas. Fynn parkte den Wagen in der Nähe des Eingangs und stellte den Motor ab. Durch den Dunst ihres Atems beschlugen sich sofort die Scheiben.

»Wir haben noch drei Minuten«, erklärte Fynn. »Auf fünf, okay?«

Sekunden später rissen sie die Türen auf, schlugen sie hinter sich zu und rannten hinüber zum überdachten Eingang.

Als Amanda Fynn betrachtete, lachte sie aufgekratzt und sagte: »Du siehst komisch aus.« Von seinen Haarspitzen tickten Regentropfen, und durch sein weißes Hemd konnte man seine Brust erkennen.

»Wie frisch geduscht.«

»Mann, bin ich aufgeregt, Fynn. Ich schwitze, mein Puls rast. Und schau meine Finger an. Sie zittern.«

Fynn atmete tief durch. »Mir geht es genauso. Aber gleich wissen wir, was er uns zu sagen hat.«

Kurz danach saßen sie auf einem Chesterfield-Sofa, das angenehm nach Lederpolitur roch. Der frisch gewachste Holzboden glänzte. Der Blick aus dem Büro fiel durch großflächige Fenster Richtung Süden. Und hinter einem Schleier aus Regen sahen sie in der Ferne Scheinwerferlichter von Fahrzeugen und das orange Blinken einer Ampel.

Ihre Herzen rasten. Und sie rasten noch mehr, als der kahlköpfige, gut genährte Notar den Raum betrat, der sie freundlich begrüßte und sich anschließend hinter dem Schreibtisch auf seinem Lederstuhl niederließ.

»Danke, dass Sie hier sind.« Als er ihre verschüchterten Blicke sah, die ihn unwillkürlich an zwei verängstigte Küken erinnerten, setzte er fort: »Ich will Sie nicht auf die Folter spannen. Nur einige kleine Formalitäten. Sie sind Amanda Fink, 19, und Fynn Stamm, 21?«

Beide nickten und legten ihre Ausweise auf den Schreibtisch. Der Notar notierte etwas auf einem Vordruck und meinte anerkennend: »So jung und schon so erfolgreich.«

Rasch schob er ihnen die Ausweise zurück und öffnete eine Schublade. »Ich habe wichtige Informationen für Sie.« Mit diesen Worten legte er ein großes braunes Kuvert auf den Tisch, das er mehrere Male behutsam mit der Hand berührte. »Franziska Weller. Vielleicht sagt Ihnen dieser Name etwas.«

Beide schüttelten die Köpfe. Amanda dachte: Vielleicht hatte Fynn irgendwo eine Tante, von der er nichts wusste, und jetzt erbt er eine tolle verfallene Villa. Sie musste schmunzeln, aber nur kurz, denn dann klärte der Notar sie auf.

»Franziska Weller ist die Witwe des Fabrikanten Paul Weller. Mit seinen Patenten hat er ein Vermögen gemacht. Das Paar hatte weder Kinder noch Geschwister und auch keine Verwandten. Frau Weller ist vor Kurzem im gesegneten Alter von 104 Jahren gestorben. Ihr Verwalter hat uns diesen Umschlag zukommen lassen. Darin befinden sich etliche Unterlagen, die Sie betreffen oder in weiterer Folge betreffen könnten. Frau Weller hat den Großteil ihrer Immobilien einem Sozialhilfeteam vermacht, das sich dafür einsetzt, die Not benachteiligter Menschen ein wenig zu lindern und den Ärmsten der Armen ein erträgliches Dasein zu ermöglichen. Und zusätzlich gibt es diese Sache. Aber vielleicht beginne ich mit dem Brief, den Frau Weller eigenhändig an Sie verfasst hat. Sind Sie bereit?«

Amanda hielt Fynns Hand. Er spürte, wie sie schwitzte und zitterte. Schüchtern nickten sie dem Notar zu, und Fynn stieß hörbar Luft aus seinen vollen Backen. Die Aufregung war kaum zu ertragen.

Der Notar begann zu lesen: »Sehr geehrte Frau Fink, sehr geehrter Herr Stamm!

Es freut mich, dass Sie meiner Einladung gefolgt sind. Gerne hätte ich Sie persönlich begrüßt, aber leider ist das nicht mehr möglich, da ich inzwischen an einem Ort bin, an dem wir einander nicht treffen können. Ich habe Ihr Engagement, das Sie in den letzten Jahren zum Wohle der Natur gezeigt haben, mit regem Interesse verfolgt. Mit großer Freude habe ich vernommen, dass es Ihnen gelungen ist, durch eine Spendenaktion ein weitläufiges Hochmoor zu erwerben, das ohne Ihren Einsatz trockengelegt und einer intensiven Landwirtschaft zugeführt worden wäre. Sie haben mit Ihrer Energie ein Naturjuwel bewahrt, an dem auch noch Ihre Nachfahren Freude haben werden. Davon bin ich überzeugt. Mein Mann hat mir nach seinem Ableben ein großes Vermögen hinterlassen. Darunter auch eine 37.000 Hektar umfassende Naturlandschaft. In diesem Gebiet befinden sich Bäche, Flüsse, Teiche und Seen, ausgedehnte Mischwälder, Hochmoore und Trockenrasenwiesen. Ich möchte Ihnen diese Fläche gerne vermachen, wenn Sie bereit sind, einige Auflagen zu erfüllen – und ich bin überzeugt, dass Sie das gerne tun werden. Sie bestehen darin, dass im gesamten Gebiet keine Bauwerke und keine befestigte Straße errichtet werden dürfen, damit sich die Fauna und Flora bestmöglich entwickeln kann. Falls Sie das Erbe annehmen, erhalten Sie zudem finanzielle Mittel. Damit können Sie Ihre Arbeit für das Schutzgebiet bezahlen und Untersuchungen durchführen lassen, um die Entwicklungen der Pflanzen- und Tierwelt zu dokumentieren. Ich würde mich sehr geehrt fühlen, wenn Sie mein Geschenk annähmen und verbleibe in dieser Hoffnung mit herzlichen Grüßen, Ihre Franziska Weller.«

Behutsam legte der Notar das Schreiben zur Seite und blickte die beiden an. Er kannte solche Gesichter. Er hatte schon etlichen Menschen ähnliche Nachrichten überbracht, und die Reaktionen glichen einander auf verblüffende Weise. Große Augen, offene Münder und Staunen. Der Notar sah Amandas Halsschlagader. Sie bewegte sich. In ihr pulste aufgeregtes Blut, das wusste er.

»Ähm. Also, das ist jetzt …«, meinte Amanda.

»Puh«, setzte Fynn fort. »Ich bekomme gerade eine Gänsehaut.«

Amanda lächelte verlegen. »Bevor wir das Erbe annehmen … Ich meine, dürfen wir das Gebiet vorher etwas genauer ansehen?«

Der Notar lächelte. »Natürlich dürfen Sie das«, sagte er und berührte mit der Handfläche das dicke braune Kuvert. »Hier befinden sich alle Unterlagen, die Sie brauchen.«

2. Kapitel

Amanda hatte Fynn vor zwei Jahren während einer Demonstration gegen den Klimawandel kennengelernt. Sie war damals 17 gewesen und er 19. Solche Demos wurden in vielen Städten abgehalten, und häufig kamen Tausende Menschen zu diesen Treffen.

Sie erinnerte sich genau daran. Fynn hatte eine selbst beschriftete kleine Tafel in der Hand gehalten, die an eine Holzlatte genagelt war. »Der Planet gehört uns allen«, stand darauf.

Sein blasses Gesicht fiel ihr auf und die lockigen braunen Haare, die ihm in die Augen hingen. Er wirkte schüchtern und gleichzeitig selbstbewusst und höflich. Und er lächelte oft und sanft.

Sie gingen während der gesamten Demonstration nebeneinander her und wiederholten die Parolen und Gesänge, die einer durch ein Mikrofon sprach. Danach saßen sie zu zweit auf der Terrasse eines Kaffeehauses und tranken Ingwertee. Es war Herbst. Das Laub torkelte gelb, rot und braun von den Bäumen, und es war so warm wie im Sommer.

Irgendwann an diesem Nachmittag fragte Amanda Fynn nach seinen Eltern und Geschwistern. Fynn blickte nachdenklich hinüber zu einem Ahornbaum, der gerade ein Blatt nach dem anderen in den Herbst entließ.

»Ich kann mich genau daran erinnern«, erzählte er. »Ich war fünf und ging in den Waldkindergarten. Und da war auf einmal meine Großmutter. Meine Großmutter weinte. Sie weinte sonst nie. Ich hielt gerade einen Hammer in der Hand und schlug Nägel in ein dickes Brett, aber als ich die Großmutter sah, legte ich den Hammer und die Nägel behutsam nieder und ging ihr entgegen. Sie eilte auf mich zu und drückte mich fest an sich. ›Deine Mama‹, sagte sie unter Tränen, ›und dein Papa‹. Sie schluchzte und brachte kein weiteres Wort mehr heraus. Später erfuhr ich, dass beide kurz zuvor bei einem Autounfall gestorben waren. Seit diesem Tag lebe ich bei meiner Großmutter. Einmal, es war vielleicht ein halbes Jahr nachdem meine Eltern gestorben waren, machte sie Marmelade ein. Es war Sommer und sehr heiß. In einem Topf köchelten Himbeeren vor sich hin. ›Weißt du‹, sagte sie und sie weinte, während sie es sagte. ›Manchmal verändert sich das Leben mit einem einzigen Paukenschlag. Auf einmal ist alles anders. Aber wir sitzen jetzt hier, du und ich, und dieser wunderbare Duft der Himbeeren weht durch die Küche. Ich sehe, wie die Sommersonne gerade auf deinen Oberarm scheint. Wir haben einander. Und das sollte uns Halt geben, nicht? Ja‹, sagte sie, ›das ist momentan alles sehr schwer für uns, aber wir müssen immer daran denken, dass uns diese wunderbaren Augenblicke, die wir jetzt erleben und in Zukunft erleben werden, niemand nehmen kann. Wir sollten sie in uns aufbewahren wie große Schätze, verstehst du?‹ Und dann nahm sie mich in die Arme, und ich war so froh, dass es sie gab und sie für mich da war.«

Das Haus, in dem Fynn mit seiner Großmutter wohnte, lag an einem Südhang, und die Großmutter versicherte ihm immer wieder, dass es schon 400 Jahre alt sei. Vor dem Haus gab es einen großen Garten, der im Osten und Westen von einer hohen Buchenhecke eingefasst war. Nach Süden folgte ein Abhang mit mehreren Terrassen, auf denen die Großmutter Gemüse- und Blumenbeete angelegt hatte. Dazwischen, wie hingestreut, standen Nuss-, Kirsch- und Zwetschgenbäume. »So«, sagte die Großmutter manchmal, »genau so stelle ich mir das Paradies vor.«

Einige Tage nach der Klimawandeldemo schrieb Fynn Amanda eine Whatsapp-Nachricht und wollte wissen, ob er sie treffen könne. Aber sie verneinte.

»Geht leider nicht. Liege mit Fieber im Bett.«

Er fragte sie nach ihrer Adresse, fuhr mit seiner Vespa los und saß eine halbe Stunde später neben ihrem Bett. Amandas Stirn war heiß und Schweißtröpfchen rannen ihr von den Schläfen hinab.

»Ich könnte dich anstecken«, flüsterte sie heiser.

Aber Fynn schüttelte den Kopf. »Mach dir keine Sorgen. Ich habe keine Zeit, um krank zu werden.«

Er saß bis zum späten Abend bei ihr am Bett und sagte auf einmal: »Ich bleibe heute bei dir.«

Amandas Eltern stimmten zu und legten ihm eine Matratze ins Zimmer. So verbrachten Amanda und Fynn ihre erste gemeinsame Nacht. Am nächsten Tag besuchte er sie wieder. Er las ihr aus dem Roman vor, der auf dem Nachtkästchen lag, und brachte ihr Tee und Zwieback. Und wenn sie schlief, betrachtete er ihre kurzen schwarzen Haare, ihre dichten Brauen und die Lider, unter denen ihre Augen wild hin und her rasten.

Amanda wurde rasch gesund. Jedes Mal, wenn sie Fynn in den folgenden Tagen und Wochen sah, klopfte ihr Herz wie wild, und wenn sie in seiner Nähe war, fühlte sie sich so geborgen wie in einem weichen Nest.

»Ein Junge wie Fynn ist ziemlich selten«, sagte Amandas Mutter einmal. »So einen findest du nicht an jeder Straßenecke.«

»Ich weiß«, hatte Amanda damals erwidert.

»Jetzt musst du ihn uns aber auch genauer vorstellen«, erklärte Amandas Vater, der seit Jahrzehnten mit aller Leidenschaft als Volksschullehrer tätig war. »Bring ihn doch zum Essen mit.«

Und so saßen sie eines Abends zu viert am Küchentisch. Fynn schwieg, weil ihm solche Anlässe unangenehm waren. Aber je später es wurde, desto entspannter fühlten sich alle. »Okay«, sagte Amandas Vater plötzlich. »Wir wissen von dir, dass du die Schule vor dem Abitur abgebrochen hast, in einer Textilfirma arbeitest und bei deiner Großmutter lebst. Und ich erzähl dir jetzt etwas über Amanda.«

»Papa«, unterbrach ihn seine Tochter neckisch, die ahnte, was kam. »Das darfst du nicht.«

Amandas Vater lachte schallend. Sein Lachen war so ansteckend, dass Amandas Mutter nicht anders konnte, als ebenfalls loszulachen, ohne genau zu wissen, was ihr Mann überhaupt so lustig fand. Am Ende lachten alle vier. »Also, Fynn. Amanda geht von der Schule nach Hause. Sie war vielleicht sechs. Es war Oktober. Sie sieht einen Baum und darunter liegen viele Nüsse. Sie füllt die ganze Schultasche damit. Auf einmal steht der Bauer vor ihr, dem der Baum gehört. ›Was machst du da?‹, fragt er sie. Und sie antwortet ganz ruhig: ›Ich sammle Nüsse.‹ – ›Das darfst du nicht. Das ist Diebstahl.‹ – ›Doch, doch, das darf ich. Mein Vater ist Pfarrer.‹ – ›Pfarrer?‹ – ›Ja, Pfarrer.‹ – ›Katholisch oder evangelisch?‹ – ›Ist doch egal. Hauptsache, er erlässt mir meine Sünden.‹« Alle prusteten los vor Lachen.

»Papa, das ist nicht fair«, rief Amanda, während ihr die Lachtränen in den Augen stiegen.

»Ich hätte da noch eine Geschichte«, sagte er, während er seine Bauchmuskeln streichelte, die ihm vor lauter Lachen schmerzten. »Die Hasengeschichte.«

»Nein, Papa. Das darfst du nicht. Fynn bekommt ein schlechtes Bild von mir.«

»Die muss sein, Liebling«, kicherte er. »Also. Amanda ist acht. In den Sommerferien verlässt sie eines Nachmittags das Haus. Es ist heiß, sehr heiß. Die Mutter fragt sie: ›Liebling, wohin gehst du?‹– ›Einkaufen, Ma, in den Krämerladen.‹ – ›Was einkaufen?‹ – ›Eis und ein bisschen was für später.‹ – ›Was für später?‹ – ›Ja, Bonbons oder so.‹ – ›Du sollst nicht …‹, aber da war sie bereits verschwunden. Nach, sagen wir, 20 Minuten, höre ich Schreie. Entsetzliche Schreie, Fynn. ›Lasst mich raus! Lasst mich hier raus!‹ Ich gehe hinter das Haus. Und was sehe ich? Was sehe ich, Fynn? Unseren mit Spanngurten fixierten Hasenstall. Darin der schwitzende siebenjährige Nachbarsjunge. Eingezwängt in genau diesem Stall. Um ihn herum ein riesiger Haufen Stroh, einige Löwenzahnblätter und eine Schüssel mit Wasser. ›Was machst du da?‹, frage ich ihn. ›Amanda‹, sagt er nur und heult los. ›Sie hat mich eingesperrt.‹ – ›Wie, eingesperrt?‹ – ›Wir haben Bäuerin und Hase gespielt und ich bin der Hase.‹ In diesem Augenblick kommt Amanda um die Ecke. ›Was hast du mit Tommy angestellt, Amanda?‹, frage ich. ›Wir haben gespielt‹, sagt sie ruhig. ›Und die Gurte um den Hasenstall?‹ – ›Er wollte ihn kaputt machen.‹ – ›Was kaputt machen?‹ – ›Er hat sich gestreckt und der Stall hat zu ächzen begonnen. Also habe ich die Gurte um den Stall gelegt, damit er ganz bleibt.‹ – ›Und der Löwenzahn?‹ – ›Er ist der Hase. Ich habe ihm gesagt, wenn du den Löwenzahn fleißig frisst, lass ich dich raus. Aber er wollte nicht. ›Er schmeckt bitter‹, hat er gejammert. ›Ja‹, hab ich geantwortet, ›er schmeckt bitter, aber er ist gesund und ich will einen fetten Hasen und keinen dünnen.‹ Kurzum, Tommy musste eine Stunde im Stall verharren, ehe er ihn völlig verspannt verlassen durfte. Dabei blickte er Amanda böse ins Gesicht, sagte: ›Mit dir spiel ich nie wieder‹, und rannte weinend davon.

Erneut begannen alle am Tisch schallend zu lachen. Und so ging das bis spät nach Mitternacht.

Später, als Amanda und ihr Vater allein waren, umarmte er sie und meinte: »Da hast du einen besonderen Freund. Und ich spüre, dass er auch weiß, was für ein kostbarer Mensch du bist.«

Schließlich küsste er sie auf die Stirn und sagte: »Ich bin so froh, dass es dich gibt«.

Amanda war dermaßen in Fynn verliebt, dass sie es vor lauter Glück fast nicht aushielt. Alles war so friedlich. Es war vollkommen unmöglich mit ihm zu streiten, denn er war durch nichts aus der Ruhe zu bringen.

Obwohl – am Anfang war er ihr schon ein bisschen komisch vorgekommen. Er hatte ihr erzählt, dass er gerne tagelang durch die Wälder streife und abends an einem geeigneten Platz ein Zelt aus Ästen und Reisig errichte. Danach breite er knietief Buchenlaub darin aus, Moos, Farn oder was er gerade finde, und suche Harz und trockenes Holz. Wenn er so erzählte, mit diesem Glanz der Begeisterung in den Augen, und Lagerfeuer aus seinen Erinnerungen zurück in seine Gedanken holte, hielt sie ihn zuerst für einen jener Survival­typen, die sich in der Wildnis von Beeren und Raupen ernährten, einen von jenen, die man manchmal tief in den Wäldern sah, raue Kerle mit Rastalocken, dicken Strickpullovern, schweren Stiefeln und verschmutzten Rucksäcken, in denen sich Feuersteine, Axt und Säge befanden. Alles Dinge, die sie brauchten, um ihr Leben in der Wildnis auf die Probe zu stellen. Sie war sich in den ersten Wochen nicht sicher, ob er wirklich der Junge war, mit dem sie ihre Zukunft verbringen wollte. Von fast jedem Streifzug kam er mit Beeren, Wurzeln und Pilzen zurück, und einiges davon schmeckte verdächtig seltsam, aber trotzdem aß sie alles, was er ihr vorlegte, denn sie war so schrecklich in ihn verliebt. Als sie einmal eine bitter schmeckende Beere zerkaute, dachte sie sich: So Amanda, das war’s, und sie kam sich vor wie Romeos Julia.

Das erste Mal, als sie bei ihm zu Hause gewesen war, hatte er ihr sein Depot für schlechte Tage gezeigt. Ja, so nannte er das. Depot für schlechte Tage. In seinem Zimmer öffnete er einen Vorratsschrank, und die Fächer waren voll mit Reissäcken, Nudelpackungen, Trockenfrüchten und Dutzenden Konservendosen. »Für Notzeiten?«, hatte Amanda damals ungläubig gefragt.

Fynn hatte sie ernst angesehen. »Wenn die harten Zeiten einmal da sind, werden zuerst die Supermärkte geplündert. Wer dort zu spät kommt, hat schlechte Karten. Seine Großmutter sage immer: Wer einmal richtig Hunger gelitten hat, wird immer ein Vorratslager besitzen.« Amanda hatte geschwiegen und gedacht: durchgeknallt. Dieser Typ ist vollkommen durchgeknallt.

Aber als sie später mit Fynns Großmutter in der Küche saßen, die gerade Apfelringe schnitt, um sie später an einem Bindfaden aufzufädeln und wie Girlanden über dem Kachelofen aufzuhängen, um sie zu dörren, war sie sich gar nicht mehr so sicher, ob Fynn wirklich ein bisschen verrückt war.

Eines Tages begleitete sie ihn auf einen seiner Streifzüge durch die Wildnis. Und schon beim zweiten Mal wurde sie förmlich süchtig danach, mit ihm nachts in schweigenden Wäldern unter einem Dach aus Reisig zu liegen und sich nah an ihn zu schmiegen. Und als sie still neben ihm lag, dachte sie: Weshalb haben wir nicht schon viel früher damit begonnen?

3. Kapitel

Am Tag nach dem Besuch beim Notar kehrte die Hitze des Sommers zurück. Der Himmel war wolkenlos und blau. Aus den Kronen der Bäume, die im morgendlichen Schatten standen, fielen vereinzelt die letzten Tropfen des gestrigen Regens. Und da waren noch die angeschwollenen Bäche und Flüsse, die braunes Wasser brachten.

Amanda und Fynn fuhren eine halbe Stunde durch tiefe Wälder, die zwischendurch von Wiesen und Kuhweiden abgelöst wurden. Schließlich bogen sie auf einen geteerten Güterweg ab, der schmal und kurvenreich ins Hinterland führte. Ab und zu mussten sie Schlaglöchern ausweichen, die oft nur mangelhaft mit Schotter gefüllt waren. Nach einer scharfen Kurve endete der asphaltierte Weg und ging in einen Feldweg über. Das Gras des Mittelstreifens strich über den Unterboden des Wagens und manchmal schlug ein Kieselstein gegen das Blech der Karosserie.

»Auf so einem Weg bin ich noch nie gefahren«, seufzte Amanda, die am Steuer saß.

Unvermittelt stieg der Weg an und führte einen steilen Hügel hinauf. Die Räder begannen zu scharren, Kieselsteine prasselten gegen das Autoblech, und anstatt behutsam den Hang hochzufahren, gab Amanda Gas. Das Scharren nahm zu, und das Prasseln der Kieselsteine ging in ein lautes Hageln über, während die Reifen Furchen in den Weg pflügten. Aber schon im nächsten Augenblick trat Amanda heftig auf die Bremse und blieb mitten in der steilen Rampe stehen, denn vor ihnen war plötzlich das grelle Licht von zwei Scheinwerfern aufgetaucht und darüber die grün lackierte Kabine eines Traktors.

»Wenn der Plan stimmt, sind wir keine 500 Meter vom Eingangstor entfernt«, erklärte Fynn und blickte hinauf zum Traktor. Der Traktor hatte ebenfalls angehalten, aber der Fahrer machte keine Anstalten zurückzusetzen. Er verschränkte die Arme auf dem Lenkrad und stützte seinen massigen Körper darauf. Er wirkte gereizt. Nach einigen Augenblicken gab er ihnen mit fuchtelnden Armbewegungen zu verstehen, dass sie verschwinden sollten.

»Ich glaub, ich kann das nicht«, flüsterte Amanda. »Rückwärts den Hügel hinab. Und das auf einem Feldweg.«

Fynn wollte gerade aussteigen und den Traktorfahrer bitten, etwas zurückzufahren. Aber als er die Tür öffnete, schrie der Fahrer wütend, dass sie verschwinden sollen.

»Lass ihn«, entgegnete Amanda.

Sie legte gerade den Rückwärtsgang ein, als sie die grelle Hupe des Traktors hörte. Das war zu viel.

»Klappe jetzt«, fauchte sie, legte den rechten Arm auf den Beifahrersitz, blickte durch die Heckscheibe und fuhr langsam los.

Sie lenkte den Wagen zu weit nach links und dann zu weit nach rechts. Er streifte an borstigem Gras, dornige Sträucher kratzten am Blech, und die Reifen schabten an den Wänden der Fahrbahnrinnen. Amanda begann zu schwitzen und steuerte das Auto weiter in Schlangenlinien abwärts, bis sie endlich eine kleine Ausweichbucht erreichte und dort stehen blieb. Ihre Halsmuskeln schmerzten vom Rückwärtsblicken, und ihre Finger zitterten vor Aufregung.

Der Traktor rollte langsam den Weg hinab und hielt neben ihr an. Der Fahrer ließ das Seitenfenster herunter und rief: »He, du Waldfee! Das ist ein Privatweg, okay? Da vorne ist eine Schranke und danach ist Ende Gelände. Haut ab von hier, sonst steig ich aus und zeig euch, wo’s lang geht.«

Während der Fahrer irgendetwas von Polizei sagte, pfiff Amanda leise vor sich hin. Gleichzeitig fingerte sie im Handschuhfach nach einem Schlüsselbund und steckte ihn an den Mittelfinger. Kurz danach streckte sie ihren Arm aus dem Fenster und sagte laut: »Das hier ist ein Schlüssel, okay? Und dieser Schlüssel passt genau in jenes Torschloss, von dem Sie gerade gelabert haben, okay? Und das, was sich hinter diesem Tor befindet, gehört uns, okay? Und wenn Sie jetzt weiterfahren, wäre das eine tolle Sache, denn dann könnten wir endlich auf unser Grundstück. – Ach, und noch etwas.« Nun reckte Amanda ihren Kopf aus dem Wagen und blickte zum Traktorfahrer hoch. »Wenn du weiter Faxen machst, bekommst du ein Schreiben von meinem Vater.« Kurz verschwand ihr Kopf im Wagen. Aber Augenblicke später streckte sie ihn wieder hinaus, da sie etwas Wichtiges vergessen zu haben schien: »Ach ja, mein Vater. Der leitet übrigens eine Anwaltskanzlei.«

Im nächsten Augenblick tuckerte der Fahrer los. Aus der Kabine dröhnte laute Schlagermusik und schließlich verschwand der Traktor hinter einer Kurve aus dem Rückspiegel von Amandas rotem Toyota.

»Aber …«, setzte Fynn an, den die Aufregung durchflutete, »dein Vater ist doch gar kein Anwalt.«

»Mag sein, aber dieser Typ hat 100-prozentig keine Ahnung davon.«

Sie rollten langsam den Hang hinauf, auf der anderen Seite hinunter und hielten vor einem großen Tor. Links und rechts davon begann eine hüfthohe Hecke aus Buchs, Liguster und Hainbuchen.

Als sie das Tor hinter sich gelassen hatten, wurde das Gras auf dem Mittelstreifen des Weges noch höher. Samenkörner regneten gegen die Windschutzscheibe. Pflanzendolden und vertrocknete Grasspitzen flogen davon, und Käfer krabbelten über die Motorhaube und an den Außenspiegeln entlang. Sie fuhren mehrere Kilometer über sanft dahinwellendes Gelände und erreichten schließlich eine weite Ebene.

Als sie ausstiegen, schüttelten sie staunend die Köpfe. Die Landschaft erstreckte sich weit gegen Osten. Das hohe Gras neigte sich träge im Wind hin und her wie ein großes, weites Meer.

»Verrücktes Bild«, sagte Fynn. »Hier der Weg und ringsherum nur dieses ausgeschossene gelbe Gras«.

Drüben begann ein Wald mit hohen Fichten, Tannen und Buchen. Und vorne am Horizont, weit entfernt, ragten graue Felswände empor. Darüber konnten sie das bläuliche Weiß einer Gletscherzunge erkennen.

»Diese Stille hier«, sagte Fynn.

Kohlweißlinge und Zitronenfalter flatterten vorbei. Bienen und Hummeln summten. In der Ferne gurgelte ein Bach.

»Mann, Fynn. So etwas. Also das ist ja beinahe unglaublich. Haben wir das Zelt dabei und die Schlafsäcke?«

Fynn nickte.

»Und auch den Gaskocher und Proviant?«

»Reis, etwas Kaffeepulver und einige Würfel Gemüsebrühe.«

Sie trat näher, umfasste mit den Händen seine Pobacken, drückte sanft zu und gab ihm einen Kuss. »Was hältst du davon, wenn wir heute hier übernachten und so?«

Fynn lächelte verschwörerisch. »Davon halte ich sehr viel.«

Sie schulterten ihre Trekkingrucksäcke und zogen los. Amanda folgte Fynn auf einem schmalen Wildwechsel, der von hohem verdorrtem Gras eingefasst war. Manchmal schob er Halmspitzen zur Seite, die sich gegen den Weg neigten.

Wie schön seine Hände sind, dachte sich Amanda. Das dachte sie sich immer, wenn sie sie genauer betrachtete.

Wohl eine Stunde wanderten sie zwischen dem Meer aus hohem Gras dahin. Die Sonne schien angenehm warm, und Amanda grinste, als sie einen Blick auf Fynns braune Cordhose warf und seinen Po, der sich darunter abzeichnete.

»Sollten wir nicht einmal eine Pause machen?«, flüsterte sie.

Er gab ihr aus seiner Wasserflasche zu trinken und sie lächelte einladend.

»Es ist so still hier. Was meinst du? Ich würde gerne im hohen Gras liegen, gegen den Himmel blicken, der zwischen den Halmen hindurchblinzelt, deine braunen Augen, dein friedliches Gesicht sehen und deine Bewegungen spüren.«

Fynn streichelte ihre Wange und steckte die Trinkflasche zurück in den Rucksack. »Sollen wir nicht zuerst einen Zeltplatz suchen, bevor es dunkel wird?«

»Gleich finden wir einen. Ganz bestimmt.« Amanda küsste ihn und sie gingen weiter.

Ihr Weg führte sie durch einen Hochwald. Einige Bäume waren längst umgefallen, moderten vor sich hin und waren von Schwämmen und Pilzgeflechten übersät. Es roch nach feuchter Erde, Nadeln und Harz. Amanda seufzte zufrieden. Immer, wenn ihr diese Gerüche in die Nase stiegen, musste sie an die Wanderungen mit ihrem Vater denken, die sie früher an den Wochenenden unternommen hatten. Sie war vielleicht sieben oder acht gewesen, als sie damit begonnen hatten. Meistens waren sie kreuz und quer durch das Gelände gestreift, hatten Beeren und Pilze gesammelt, sich auf Moosteppichen ausgeruht und mitgebrachte Brote gegessen. Sie waren bei jedem Wetter unterwegs. Egal, ob die Sonne schien, ob es regnete, schneite oder neblig war. Manchmal nahmen sie ihr Zelt mit und campierten auf einer Lichtung. Dann entfachten sie ein kleines Feuer, brieten Würste und kochten Tee. Und nachts, wenn vor dem Zelt etwas knackte oder ächzte, klammerte sie sich ängstlich an ihren Vater, und ihr Vater streichelte ihr über die Stirn und das Haar und versicherte ihr, dass alles gut sei. Dadurch fühlte sie sich so sicher und geborgen, dass sie meistens gleich wieder einschlief. Amanda war in diese Wanderungen verliebt und sie hatten gewiss ihre Leidenschaft für die Natur geweckt. Alles Weitere, der Einsatz für das Moor, das drainiert werden sollte, die Spendenaktion und die Rettung des Moores wären ohne diese Erlebnisse niemals möglich gewesen. Davon war sie überzeugt.

Der Weg schlängelte sich hügelauf und hügelab durch den Wald.

»Ein Wildwechsel«, sagte Fynn, »bestimmt.«

Wenn Fynn in seiner braunen Cordhose so vor ihr her ging, wurde sie jedes Mal verrückt nach ihm. Manchmal musste sie einfach seinen Rücken berühren, seine Arme, ihm durch das lockige Haar fahren, ihn küssen oder ihm sagen: »Ich hab dich so lieb.«

Der Pfad führte eine Anhöhe hinauf und wieder eine Senke hinab. Sie folgten ihm über eine Stunde, als Fynn hinter einer großen Kiefer auf einmal das Blau eines Sees schimmern sah.

»Wow«, flüsterte er. »So etwas habe ich noch nie gesehen.«

»Glaub ich nicht«, sagte Amanda.

Das Ufer des Sees glich einem lang gezogenen C und war mit feinen Kieselsteinen und einigen Sandbänken bedeckt.

»Da hinten«, meinte Fynn, »unter den Kiefern liegt eine Schicht weicher Nadeln und der Boden ist eben. Hier sollten wir unser Zelt aufstellen.«

»Wunderbarer Platz«, meinte Amanda zufrieden.

Nachdem sie gegessen und einen Ingwertee getrunken hatten, saßen sie zufrieden am Ufer des Sees. »So still hier«, flüsterte Fynn, während er auf das glatte Wasser sah, auf dem das Licht des Mondes glitzerte. Das Schilf neigte sich träge hin und her, und ein Blässhuhn glitt langsam vorüber.

»Was für ein Ort«, sagten beide gleichzeitig.

»Das glaubt uns keiner, Fynn.«