Demora Sulu ist die Tochter des legendären Enterprise-Piloten und jetzigen Captain der U.S.S. Excelsior, Hikaru Sulu. Nach Abschluss der Starfleet-Akademie dient sie als würdige Nachfolgerin ihres Vaters auf der Enterprise 1701-B.
Als die Enterprise einen Notruf von Askalon V auffängt, zögert Captain Harriman nicht, das abgelegene Sternsystem anzufliegen. Auf dem Planeten selbst kann das Landeteam aber nur einen alten Sender entdecken. Doch plötzlich scheint Demora sich in ein Monster verwandelt zu haben. Wie eine Furie greift sie ihre Kameraden und Vorgesetzten an. Harriman kann ihre Raserei nur durch einen tödlichen Phaserschuss stoppen.
Da niemand weiß, was Demoras Verwandlung ausgelöst hat, wird der Planet unter Quarantäne gestellt. Doch Hikaru Sulu will Klarheit über den Tod seiner Tochter. Er missachtet alle Befehle der Starfleet-Admiralität und setzt Kurs auf Askalon V …
Über das Buch
Erster Teil – Tod
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Zweiter Teil – Begegnung
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Dritter Teil – Trauer
Kapitel 13
Kapitel 14
Vierter Teil – Vaterschaft
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Fünfter Teil – Leben nach dem Tod
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
PETER DAVID
DIE TOCHTER DES CAPTAIN
Star Trek™
Classic
WILHELM HEYNE VERLAG
MÜNCHEN
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ERSTER TEIL
TOD
Hätte Demora Sulu gewusst, dass in einer Woche ihre Beisetzung stattfinden würde, hätte sie nicht auf die Mousse au chocolat verzichtet.
Sie starrte die Frau, die ihr gegenüber saß, mit eisigem Blick an. Es war schwierig, den Blick zu konzentrieren, weil sich die Schale mit der Mousse ständig in ihrem Blickfeld bewegte. Denn die Frau hielt die Schale abwechselnd vor Demoras Gesicht und zog sie wieder zurück. Sie vollführte sozusagen einen netten kleinen Kalorientanz.
»Nimm das weg, Maggie!«, warnte Demora die Frau.
Maggie schien es überhaupt nicht gehört zu haben. »Schau mich an, hier bin ich mit einer schönen, unbeschwerten Mousse au chocolat … Aber nein! Ich werde beobachtet!« Sie brachte die Schale so nahe an Demoras Gesicht heran, dass nur noch ein winziges Stück fehlte, bis ihre Nase sie berührt hätte. »Vielleicht von … dir?«
Ringsum gingen verschiedene Besatzungsmitglieder der Enterprise 1701-B ihren Freizeitbeschäftigungen nach, ohne auf dieses kleine Spiel zu achten. Die Nahrungsspender in den Wänden des Kasinos summten unablässig. Doch niemand machte von den üblichen verlockenden Angeboten aus allen Teilen der Galaxis Gebrauch.
Und was Demora betraf, so hätte sie liebend gerne der Verlockung der Mousse au chocolat nachgegeben.
»Maggie, allmählich treibst du es zu weit«, sagte sie.
Lieutenant Maggie Thompson, wissenschaftlicher Offizier, schien sich durch diese Drohung nicht sehr beeindrucken zu lassen. Sie hatte ein rundliches Gesicht, dichtes und lockiges Haar, und ihre braunen Augen funkelten amüsiert. Sie zog ihre sommersprossige Nase in Falten. Wie Maggie es schaffte, ihre Sommersprossen zu behalten, obwohl sie soviel Zeit im Weltraum verbrachte, war Demora ein Rätsel, das Maggie ihr bislang noch nicht hatte erklären können oder wollen.
Demora war in jeder Beziehung das Gegenteil von Maggie. Sie war ernst, wenn Maggie schelmisch aufgelegt war, doch sie besaß eine Schlagfertigkeit, mit der sie jeden überraschen konnte, der ihre ruhige Art mit Passivität verwechselte. Ihr schulterlanges Haar war schwarz und glatt, ihre mandelförmigen Augen blickten dunkelbraun und anmutig.
Besonders interessant war ihre Stimme. Sie hatte etwas Musikalisches, einen ausgeprägten melodischen Tonfall. Selbst wenn Demora völlig normal redete, klang es immer, als würde sie singen. Doch wenn plötzlich ein Ernstfall eingetreten war, sprach Demora ohne Modulation, aber mit absolutem Selbstvertrauen. Wenn sie so klang, war es Zeit, zwar nicht in Panik zu verfallen, aber doch äußerste Vorsicht walten zu lassen.
»Du willst sie«, sagte Maggie zu ihr. »Du weißt genau, dass du sie willst. Sie ist einfach köstlich!« Dabei deutete sie auf ihre halb geleerte Schale. »Glaube mir!«
»Das meinst du nicht ernst.«
»Ich meine es ernst, dass das hier eine verdammt gute Mousse ist. Ich dürfte mich nicht mehr deine Freundin nennen, wenn ich zulassen würde, dass du sie dir entgehen lässt. Du musst nur einen winzigen Happen probieren!« Sie tauchte einen Löffel hinein und hielt ihn Demora vor das Gesicht.
»Ich warne dich, Maggie … ich kann Karate … und Kung Fu …«
»Und du kennst noch andere gefährliche Worte. Ich weiß nicht, was die schlimmere Beleidigung wäre, Demora … einen vorgesetzten Offizier zu bedrohen oder ihn mit uralten Scherzen zu langweilen.«
Jetzt wirkte Demora aufrichtig überrascht. »Das soll ein alter Scherz sein?«, fragte sie.
»Er hat Jahrhunderte auf dem Buckel.«
»Oh.« In diesem Ausruf lag eine so unverkennbare, unverfälschte Enttäuschung, dass Thompson langsam den Löffel sinken ließ und Demora verwirrt anstarrte.
»Was ist los?«
Demora zwang sich zu einem Lächeln, was etwas Ungewöhnliches darstellte, da es ihr normalerweise leicht fiel zu lächeln. »Nichts. Es war dumm.«
»Wieso dumm?«
»Nun«, sagte Demora mit einem Schulterzucken, »dieser Scherz mit den ›gefährlichen Worten‹. Mein Vater hat es vor vielen Jahren immer gesagt. Und ich dachte, dass es urkomisch war. Ich habe mich kaputtgelacht … Ich konnte gar nicht mehr aufhören zu lachen. Und ich hatte immer gedacht … nun ja … dass er ihn sich ausgedacht hat. Ich weiß nicht, warum das für mich so wichtig ist oder warum ich mir deswegen Gedanken machen sollte. Aber so ist es nun einmal. Ist das nicht seltsam?«
»Eigentlich nicht«, erwiderte Maggie. »Ich kann mich erinnern … Mein Gott, ich habe seit Jahren nicht mehr daran gedacht! Als ich noch ganz klein war, hat mein Vater mir abends immer dieses Lied vorgesungen. Es hieß ›A Bushel and a Peck‹.«
»Ein was und ein was?«
»Ein Scheffel und ein Viertelscheffel. Das sind uralte Maßeinheiten. Aber das wusste ich als kleines Kind natürlich nicht. Ich dachte, es wären irgendwelche Worte ohne Sinn. Das Lied ging ›I love you, a bushel and a peck, a bushel and …‹«
Maggie Thompson besaß viele Fähigkeiten, aber der Gesang gehörte nicht dazu. Sie wurde unmissverständlich auf diesen Punkt hingewiesen, als sich mehrere Besatzungsmitglieder zu ihr umblickten. Sie brach sofort ab, fügte jedoch hinzu: »Auf jeden Fall hatte ich mir in meiner kindlichen Vorstellungswelt gedacht, dass er dieses Lied nur für mich erfunden hatte. Es war ein Schock für mich, als ich irgendwann feststellen musste, dass es aus einem alten Musical mit dem Titel Guys and Dolls stammt.«
»Ging es darin um Männer, die mit Puppen spielen?«
»Ich glaube, es ging um Glücksspieler.«
»Glücksspieler?« Demora verzog das Gesicht. »Singende Glücksspieler?«
»In der damaligen Zeit gab es auch Musicals über singende Katzen oder singende Friseure, die ihre Kunden töteten und Hackfleisch aus ihnen machten. Ich kann dir nur sagen, dass es eine merkwürdige und perverse Zeit war. Was ich damit eigentlich ausdrücken wollte, ist … dass ich verstehe, wie du dich fühlst. Es gibt keinen Grund, traurig oder gar enttäuscht zu sein, aber man ist es trotzdem.«
»Es scheint so.«
»Hast du eine enge Beziehung zu deinem Vater?«
Demora zuckte die Schultern. »Ja … sicher«, sagte sie in nicht sehr überzeugendem Tonfall.
»Warum sagst du es so zögernd?«
»Darüber möchte ich lieber nicht reden.«
»Aber wenn du vielleicht …«
»Ich sagte, ich möchte lieber nicht darüber reden!« Sie ließ keinen Zweifel daran, dass dieses ›lieber nicht‹ eine reine Höflichkeitsfloskel war. Es bedeutete, dass sie auf gar keinen Fall darüber reden wollte.
Maggie wirkte leicht verärgert. »Entschuldigung.«
»Schon gut«, sagte Demora. »Ich wollte nicht unfreundlich werden. Dabei bist du immer sehr nett zu mir gewesen. Und eine wirklich gute Freundin.«
»Ich weiß. Und es schmerzt mich, wenn du betrübt bist, vor allem, wenn ich dafür verantwortlich bin. Weißt du, womit du deine Stimmung heben könntest?« Sie schob die Schale mit der Mousse au chocolat in Demoras Richtung.
Demora schob sie zurück. »Wo liegt dein Problem?«, fragte sie schneidend.
»Mein Problem liegt darin, dass ich bereits eine Portion gegessen habe. Und ich weiß, dass ich davon zunehmen werde. Und du hast gesagt, dass auch du von Schokolade zunimmst. Deshalb möchte ich meine Misere mit dir teilen. Alles klar?«
»Ja, prima!« Sie holte sich die Schale mit der Mousse au chocolat zurück, nahm sich einen Löffel … und starrte auf den Nachtisch. Dann blickte sie zu Maggie auf und sagte: »Ich bin ein Schokoholiker. Das gebe ich ehrlich zu. Auch das habe ich von meinem Vater. Wenn ich der Versuchung nur ein einziges Mal nachgebe, wird mein Trieb unkontrollierbar. Ich werde alle Schokolade in Reichweite verschlingen und schneller expandieren als eine Supernova. Du würdest mich zu wochenlanger, wenn nicht gar monatelanger Gewichtszunahme verdammen, bis ich es irgendwann geschafft habe, wieder zur Vernunft zu kommen. Und du, meine angebliche Freundin, wirst dafür verantwortlich sein.«
Maggie seufzte, nahm die Schale und zog sie auf ihre Seite des Tisches zurück. »Ich hasse dich.«
»Ich hasse dich auch. Dazu sind Freundinnen da.«
Plötzlich meldete sich das Interkom des Schiffes. »An alle Mitglieder der Brückenbesatzung, bitte melden!«
»Soviel zu diesem Thema«, sagte Maggie, stand auf und ging zum Kommunikationsanschluss hinüber. Sie tippte auf die Empfängertaste. »Thompson und Sulu hier. Sprechen Sie.«
»Wir empfangen ein Notsignal, Lieutenant«, sagte die Stimme von Commander Tracy Dane, dem Ersten Offizier des Schiffes. »Wir brauchen Sie hier.«
»Wir sind schon unterwegs«, sagte Thompson. Sie schaltete ab, drehte sich um und gab Demora einen Wink mit dem Zeigefinger, dass sie ihr folgen sollte. Demora erhob sich mit einem Seufzer, und gemeinsam verließen sie hastig die Offiziersmesse.
Die Mousse au chocolat ließen sie unbeachtet und unverzehrt zurück, bis Fähnrich Li den verschmähten Nachtisch einige Minuten später bemerkte und das Erbarmen hatte, die Portion in weniger als dreißig Sekunden aufzuessen.
Demora nahm ihren Platz an der Pilotenkonsole ein und lächelte Junior-Lieutenant Magnus freundlich zu. Magnus war ein recht dienstbeflissener Offizier. Er war sehr kompetent und sich seiner Kompetenz sehr bewusst. Außerdem ließ er jeden spüren, dass er fest davon überzeugt war, sich auf dem direkten Weg zu einem eigenen Kommando zu befinden. Er hatte stets eine gerade, tadellose Haltung und sprach in knappen und steifen Sätzen.
Demora hatte große Schwierigkeiten, mit ihm warm zu werden. Zuvor war dieser Stuhl mit Fähnrich Tommy Singer besetzt gewesen. Demora und Singer hatten gemeinsam die Akademie durchlaufen. Sie hatten ähnliche Interessen gehabt, hatten sich auf Anhieb verstanden … und waren sogar einmal miteinander ins Bett gegangen. Daraus hatte sich keine feste Beziehung entwickelt, aber es war eine sehr angenehme Zeit für beide gewesen. Mit einem Wort, sie hatten hervorragend zusammengepasst.
Und als das Los entschieden hatten, dass sie beide an Bord der Enterprise kommen sollten, waren sie fassungslos und überglücklich gewesen. Was ihre Beziehung daran gehindert hatte, sich zu vertiefen, war die gemeinsame Besorgnis gewesen, dass sie nicht wussten, wohin sie ihre weitere Karriere führen würde. Wer wusste, was geschehen wäre, wenn sie weiterhin mit dem Segen von Starfleet Seite an Seite hätten arbeiten dürfen …?
Wer hätte ahnen können, dass Demora auf dem Jungfernflug der Enterprise 1701-B die Leiche von Tommy Singer in den Armen halten würde, nachdem er von herumfliegenden Trümmern getötet worden war, während das stolze Raumschiff gegen die Gewalt gravimetrischer Energien kämpfte?
Das Schiff hatte wirklich einen denkbar schlechten Start gehabt. Nun, es war nicht das erste Mal, dass ein Schiff mit dem Namen Enterprise unmittelbar nach dem Start in große Schwierigkeiten geraten war. Am berüchtigtsten war der Zwischenfall, als die generalüberholte Enterprise in ein Wurmloch geraten war, nur fünf Minuten nachdem sie das Raumdock verlassen hatte.
Doch im Vergleich zum Fiasko während des Jungfernfluges der Enterprise 1701-B war das ein Kinderspiel gewesen. Auch die Art der Berichterstattung war keineswegs ein Trost gewesen. Mehrere Reporter hatten beobachtet, was Captain John Harriman unternommen hatte, um die zwei in Not geratenen Raumschiffe zu retten. Sie hatten sich nicht auf die mehreren Dutzend Personen konzentriert, denen durch seine Bemühungen das Leben gerettet worden war. Das war ein lächerliches Detail, das schnell aus allen folgenden Berichten herausgefallen war. Die Journalisten konzentrierten sich auf die Besatzungsmitglieder, die trotz Harrimans Anstrengungen das Leben verloren hatten.
Vor allem auf eine Person, die in jedem Bericht immer wieder erwähnt wurde.
Starfleet hatte die Logbuchaufzeichnungen von Harrimans Handlungen quasi mit einem Teilchenmikroskop untersucht. Es sah so aus, als hoffte man verzweifelt, irgend etwas zu finden, was er falsch gemacht hatte, damit das Geschrei der Medien nach einem Sündenbock befriedigt werden konnte. Doch das endgültige Urteil lautete, dass Harriman keine Schuld an den Ereignissen trug.
Die Informationen über den tragischen Jungfernflug der Enterprise-B hatten einen beträchtlichen Teil des galaktischen Nachrichtennetzes blockiert. Der zweite, wesentlich ruhigere Stapellauf war reine Routine gewesen und hatte kaum noch Aufmerksamkeit erregt.
Vor diesem Hintergrund war der Verlust von Tommy Singer beinahe zu einer Nebensache geworden. Für die meisten war er kaum mehr als eine Fußnote gewesen.
Aber nicht für Demora Sulu.
Kirks Tod hatte sie genauso schwer wie jeden anderen getroffen … nein, noch schwerer, denn ihr Vater hatte so oft in überschwänglichen Tönen von ihm gesprochen. Es war beinahe …
Sie verdrängte diese Gedanken. Sie wollte nicht darüber nachgrübeln. In dieser Richtung lauerte der Wahnsinn.
Zwei Finger schnippten genau vor ihrem Gesicht, und sie sah sich überrascht um. Magnus blickte sie mit säuerlicher Miene an – wie immer. Er betrachtete die ganze Welt mit diesem Gesichtsausdruck.
»Haben Sie über ein Problem nachgedacht?«, fragte er.
»Nein«, erwiderte sie sofort.
Dane saß im Kommandosessel und studierte die Berichte. Die Frau war groß und muskulös, hatte ein dreieckiges Gesicht und vorzeitig ergrautes Haar, das sie wesentlich älter als ihre dreiunddreißig Jahre aussehen ließ. Als Harriman hereinkam, sagte Dane knapp: »Captain auf der Brücke.« Sie erhob sich sofort vom Sessel und salutierte hastig.
Harriman warf ihr einen Blick der Verärgerung und Resignation zu. Dane entstammte einer traditionsreichen Soldatenfamilie, deren Geschichte bis zum Amerikanischen Bürgerkrieg zurückreichte, wo sie in der Unionsarmee gedient hatte. Obwohl Starfleet im Grunde keine militärische Organisation war, verhielt sich Dane, als wäre sie an Verhaltensregeln gebunden, die vor Jahrhunderten gültig gewesen waren. Sie waren ihr in Fleisch und Blut übergegangen. Sie wusste nicht einmal, dass sie sich ungewöhnlich verhielt und hätte nichts dagegen tun können.
Zu Anfang war sie Harriman damit furchtbar auf die Nerven gegangen. Doch er konnte nicht die Augen vor der Tatsache verschließen, dass Dane ein hervorragender Offizier war. Also hatte er entschieden, ihre kleinen Schrullen zu dulden, zumal sie dafür sorgten, dass ihr Verstand wach blieb. »Bericht, Commander«, sagte er.
»Ein Notsignal, Captain«, sagte sie. »Ursprung …«
»An den Koordinaten drei zwei vier Komma drei«, warf Demora ein, als Dane sich ein leichtes Zögern anmerken ließ.
Harriman nickte Demora zu, um ihr für diese Information zu danken, und wandte sich dann wieder an Dane. »Irgendwelche bekannten Schiffe in diesem Sektor?«
»Starfleet ist kein registriertes Schiff bekannt, dessen Flugplan sich mit diesen Koordinaten decken würde«, teilte Dane ihm mit.
Harriman nickte langsam. »Was natürlich überhaupt nichts zu sagen hat – außer dass es sich um kein Starfleet-Schiff handeln kann. Womit sich die Auswahl auf mehrere Tausend unabhängige Einheiten reduziert.«
Von der Kommunikationskonsole meldete sich Lieutenant Z'on, dessen raue Stimme elektronisch durch die Einrichtung reproduziert wurde, die er am runzligen blauen Hals trug. »Es ist mir gelungen, einige der lokalen Interferenzen auszuschalten, Captain«, sagte Z'on. »Dadurch konnte der Empfang des Notsignals verbessert werden.«
»Ich möchte es hören, Lieutenant«, sagte Harriman. Er beugte sich nachdenklich vor, auf die Armlehne seines Kommandosessels gestützt, als eine weibliche Stimme aus den Brückenlautsprechern drang. Dann runzelte er die Stirn, da es sich um einen Fluss unverständlicher Silben handelte.
Demora blickte plötzlich auf und blinzelte überrascht.
Harriman wandte sich an Z'on. »Was ist das? Es klingt wie …«
»… Chinesisch«, warf Demora ein und drehte sich mit ihrem Sitz herum. »Einer der nicht so weit verbreiteten Dialekte, um genau zu sein.«
»Ich werde den automatischen Translator zuschalten«, sagte Z'on.
»Sparen Sie sich die Mühe, Lieutenant«, sagte Demora. »Meine Kenntnisse sind ein wenig eingerostet, aber … es handelt sich um einen allgemeinen Notruf. Der Text wird ständig wiederholt: ›Wir sind in Not geraten. Bitte helfen Sie uns! Wir benötigen Hilfe von einem Schiff in diesem Sektor. Wir sind in Not geraten‹, und so weiter.«
»Keine genaueren Angaben?«
»Nein. Nur das, was ich gerade sagte. Immer wieder von vorne.«
»Ich konnte den Ursprung des Signals feststellen«, sagte Z'on. »Es kommt von Askalon Fünf.«
»Askalon Fünf«, sagte Dane ohne Zögern. »Eine Welt der Klasse M, aber unbewohnt und nicht besonders lebensfreundlich. Bei früheren Fernuntersuchungen wurden Spuren einer ausgestorbenen Zivilisation entdeckt, die noch nicht von einem archäologischen Team erforscht wurden. Der Stern des Systems befindet sich in einem Übergangsstadium. Die allmähliche Abkühlung hat keinen sehr positiven Einfluss auf die Umwelt der Planetenoberfläche.«
»Stellt die Sonne irgendeine Gefahr für das Schiff dar?«
»Peripher.«
»Und das bedeutet …?«
Dane lächelte dünn. »Wenn wir uns die nächsten hunderttausend Jahre im Orbit um Askalon Fünf aufhalten, dann besteht die Möglichkeit, dass es zu gefährlichen Situationen kommt.«
Harriman war so verblüfft, dass er eine Weile lang gar nichts sagte. Diese Phase hielt so ungewöhnlich lange an, dass sich mehrere Besatzungsmitglieder neugierig umdrehten. Doch dann lachte Harriman leise. »Ich denke, wir können ein solches Risiko eingehen. Pilot, gehen Sie auf Kurs Askalon Fünf!«
»Kurs eingegeben, Captain«, meldete Magnus.
Harriman trommelte aus Gewohnheit mit den Fingern auf der Armlehne seines Sessels, bevor er den Befehl gab, der an einen anderen Captain eines Raumschiffs namens Enterprise erinnerte. Im Stil des großen Captains Christopher Pike sagte er: »Energie!«
Captain Harriman saß in seinem Quartier und starrte nach draußen auf die Bewegungen der Sterne, während er dachte, dass ein Bereitschaftsraum eine wirklich gute Idee wäre. Ein spezieller Raum für den Captain, genau neben der Brücke. Wohin er sich zurückziehen konnte, wenn er nachdenken oder planen musste oder einfach nur für einen Moment der erdrückenden Last der Verantwortung entfliehen wollte. Dort könnte er sich sammeln, ohne sich allzu weit von der Brücke entfernen zu müssen, ohne den weiten Weg in sein Quartier gehen zu müssen.
Denn er verließ die Brücke nur ungern.
Dummerweise war er in letzter Zeit auch nicht sehr versessen darauf, sich dort aufzuhalten …
»Captain?«, hörte er eine leicht besorgte Stimme von draußen, die ihn aus seinen Grübeleien riss, bis er erkannte, dass sich ein Besucher angemeldet hatte.
»Herein!«, rief er.
Die Tür glitt auf, und Fähnrich Sulu trat ein. Ihr Verhalten wirkte sehr zögerlich.
»Ja, Fähnrich?«
»Captain … ich bitte darum, dem Rettungsteam auf Askalon Fünf zugeteilt zu werden, vorausgesetzt, dass es ein solches geben wird.«
Er blickte sie über seinen Schreibtisch hinweg an. »Warum sollte es kein Rettungsteam geben, Fähnrich? Wir haben einen Notruf empfangen. Wir sind gekommen, um zu helfen. Und wenn wir dort eingetroffen sind, werden wir auf keinen Fall nur gebannt auf die Stelle starren, wo sich der Notfall ereignet hat.«
»Nein, Captain.«
»Dann haben Sie eine seltsame Formulierung gewählt.«
»Ja, Captain. Entschuldigen Sie bitte.«
»Ein Rettungsteam ist keine Urlaubsgruppe, Fähnrich. Es wäre Ihr erster Außeneinsatz, nicht wahr?«
»Ja, Captain.« Sie versuchte, die Situation etwas aufzulockern. »Ich könnte in Weiß gehen.«
Er starrte sie an. »Ich schätze, das sollte der Versuch eines Scherzes sein.«
Ihre Lippen bewegten sich, aber es gelang ihr nicht sofort, eine Erwiderung zu formulieren. »Ja, Captain«, brachte sie schließlich heraus, als sie sich zusammengerissen hatte. »Ich wollte es Ihnen bereits zu diesem Zeitpunkt sagen, Captain, statt stumm darauf zu hoffen oder es mit Ihnen vor allen anderen auf der Brücke zu diskutieren.«
»Aus Rücksicht auf Ihre oder meine Gefühle, Fähnrich?«
»Ich …« Sie zuckte die Schultern. »Ich hätte es für unangemessen gehalten, Captain.«
»Damit haben Sie recht.« Er hielt kurz inne und zuckte seinerseits die Schultern. »Also gut. Sie werden dem Landeteam zugewiesen.«
»Vielen Dank, Captain«, sagte Demora. »Wissen Sie, ich dachte, ich könnte von Nutzen sein, da das Notsignal in Chinesisch ist …«
»Ja, dessen bin ich mir bewusst.«
»Und wenn es da unten wirklich Ruinen gibt, nun, alte Zivilisationen sind ein Hobby von mir … Ich habe sogar mehrere Hobbys, um genau zu sein. Ich habe mir außerdem vor einiger Zeit überlegt, ob ich vielleicht …«
»Fähnrich«, sagte Harriman mit sanftem Nachdruck, »es gibt eine alte Redensart: Wenn man die Verhandlung gewonnen hat, sollte man schnellstmöglich den Gerichtssaal verlassen.«
Sie blinzelte verblüfft. »Wie bitte?«
»Sie sind zu mir gekommen, um sich meine Erlaubnis zu holen. Ich habe sie Ihnen erteilt. Und jetzt wollen Sie mir die Gründe nennen, aus denen ich eine Entscheidung treffen sollte, die ich längst zu Ihren Gunsten getroffen habe. Das einzige, was Sie jetzt noch erreichen könnten, wäre, dass ich es mir anders überlege. Das wollen Sie doch sicher nicht, oder?«
»Nein, Captain«, sagte Demora. Instinktiv öffnete sie den Mund, um noch etwas zu sagen, doch dann riss sie sich im letzten Moment zusammen, schloss den Mund wieder und ging.
Erst nachdem sie sein Quartier verlassen hatte, erlaubte sich Harriman ein Lächeln, wenn auch nur ein leichtes, das bald wieder verblasste.
Er tippte auf eine Taste in seiner Schreibtischkonsole. »Persönliches Logbuch, Zusatzeintrag«, sagte er. Er hatte heute bereits einen knappen und recht nüchternen Eintrag gemacht. Doch sein Gespräch mit Fähnrich Sulu hatte eine traurige Saite in ihm angeschlagen.
Und er hatte niemanden, mit dem er darüber reden konnte.
Er konnte nicht mit seinen jüngeren Offizieren reden. Das wäre unangemessen. Der Ingenieur war älter als er, genauso wie der Doktor … aber er fühlte sich nicht sicher genug, um ihren Rat zu suchen. Schließlich war er der Captain. Er konnte es sich nicht leisten, jemanden zu seinem Ersatzvater zu ernennen. Er war es, an den sich alle anderen vertrauensvoll wenden sollten. In dieser Rolle fühlte er sich sehr einsam.
Also tat er das einzige, was ihm noch blieb: Er führte Selbstgespräche.
»War ich auch einmal so jung?«, überlegte er laut. »Nun, genau da scheint das Problem zu liegen. Es kommt mir wie gestern vor, als ich so jung war. Und jetzt stehe ich hier und habe das Kommando über ein Schiff – über das Raumschiff Enterprise. Trotzdem steckt mir immer noch der zögernde, unsichere Fähnrich in den Knochen. Der weiterkommen möchte, der neue Dinge ausprobieren will, der aber keine Probleme verursachen will, der keinen Wirbel machen will.
Verdammt, ich habe mich auf der Brücke zögerlich verhalten. Nicht sehr, aber immerhin. Die Leute haben es bemerkt, das ist mir nicht entgangen. Ich habe zu viele Fragen über die Sicherheit gestellt. Ich war viel zu vorsichtig!« Er schlug mit der offenen Hand auf die Tischplatte. »In dem Augenblick, als sich herausstellte, dass es ein Notruf war, hätte es keine weiteren Diskussionen mehr geben dürfen! Jemand braucht unsere Hilfe, also helfen wir – so einfach ist das!
Jedes Mal … jedes Mal, wenn ich auf diese Brücke trete, sehe ich Kirk dort sitzen. Er starrt mich an und beobachtet jede meiner Bewegungen. Er prüft mich, und ich falle jedes Mal durch. Immer. Jede Entscheidung, die ich treffe, jeden Befehl mit Konsequenzen diskutiere ich im Geiste mit Kirk, um sicherzugehen, dass ich richtig handle. Aber er gibt mir niemals auch nur den geringsten Hinweis. Er sitzt einfach nur da, sieht mich an und schweigt!
Sie glauben, ich wüsste nichts davon. Sie glauben, ich hätte den Spitznamen nicht gehört, den dieses Schiff insgeheim erhalten hat: Der Fliegende Holländer. Hinter verschlossenen Türen, hinter vorgehaltener Hand reden sie darüber, dass ich der Captain des Totenschiffes bin. Des Schiffes, das die lebende Legende tötete.
Und alles ist meine Schuld. Man hat mich von allen Vorwürfen freigesprochen, ja. Man hat meinen Namen reingewaschen. Und das alles nur, damit wir das schmutzige kleine Geheimnis bewahren können, von dem wir alle wissen. Ich hätte niemals zustimmen dürfen, dass das Schiff startete, bevor alle Überprüfungen abgeschlossen waren. Ich war so begeistert von dieser einmaligen Gelegenheit. Ich habe mir von ihnen alle Bedenken ausreden lassen. Waffen- und Verteidigungssysteme nicht vor Dienstag einsatzbereit. Warum zum Teufel habe ich also nicht darauf bestanden, dass wir bis Dienstag warten? Aber nein. Das durfte ich nicht verantworten. Irgendein Wichtigtuer hatte alle Termine für die Pressekonferenzen angesetzt und dann festgestellt, dass wir eine Woche hinter dem Zeitplan lagen. Also wollte er nicht wie ein Idiot dastehen. ›Fliegen Sie mit dem Schiff los, Harriman! Es wird schon gutgehen, Harriman. Ein kleiner Rundflug durch das Sonnensystem – es kann überhaupt nichts schiefgehen, Harriman. Gehorchen Sie Ihren Befehlen, Harriman. Tun Sie, was man Ihnen sagt, seien Sie ein braver Junge, Harriman!‹ Ich verfluche das gesamte scheinheilige Pack! Ihnen habe ich es zu verdanken, dass ich mit diesem Schiff zu einer Rettungsmission starten musste, auf die wir überhaupt nicht vorbereitet waren, und jetzt bin ich berühmt als der Captain, auf dessen erster Mission der unverwüstliche Kirk ums Leben kam. Der Mann, der tausend Gefahren überlebte, bis er mit der Gefahr konfrontierte wurde, der er nicht mehr gewachsen war: dem Kommando von Captain John Harriman.«
Dann schwieg er und starrte auf das Computerterminal. »Computer«, sagte er schließlich, »sämtliche Einträge des heutigen Tages aus dem persönlichen Logbuch löschen!«
»Einträge gelöscht«, sagte der Computer.
Harriman trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte, bis er sagte: »Neuer Eintrag. Persönliches Logbuch des Captains: Alles in Ordnung.«
Es war aus zwei Gründen ein bemerkenswerter Eintrag. Erstens war er lobenswert kurz. Und zweitens hatte er exakt denselben Wortlaut wie alle Logbucheinträge der letzten zwei Wochen. Die zudem alle auf ähnliche Weise entstanden waren.
Eine Woche, bevor Captain John Harriman einen Kinnhaken von Commander Pavel Chekov erhalten würde, schaltete er den Computer ab und machte sich wieder auf den Weg zur Brücke.
Askalon V wurde in jeder Beziehung dem Ruf gerecht, eine Welt zu sein, auf der niemand freiwillig leben wollte.
Ein düsterer violetter Schleier hing über dem Himmel. Die Luft wurde von einer stetigen Brise bewegt, die täuschend sanft wirkte. Doch bereits nach etwa dreißig Sekunden spürten die Mitglieder der Landegruppe die beißende Kälte, die ihnen bis in die Knochen drang.
Der Boden unter ihren Stiefeln fühlte sich weich an, beinahe wie Lehm. Dieser Umstand machte das Laufen zu einer anstrengenden Tätigkeit. Alles schien sich gegen sie verschworen zu haben, der widerspenstige Boden, der Wind, der ihre Gelenke steif werden ließ, und der düstere Himmel, der auf die Stimmung drückte. Insgesamt war es keineswegs die Atmosphäre, in der man nach landläufigen Vorstellungen zu Abenteuern und Entdeckungen aufbrach.
Harriman führte das Landeteam persönlich an. Diese Praxis war zu Kirks Zeiten allgemein verbreitet gewesen. Doch die Föderationspolitik hatte sich allmählich geändert, als immer mehr Captains dem Beispiel Kirks folgten. Damit wollten sie ihre Tapferkeit und ihre Flexibilität demonstrieren, doch was sie im allgemeinen nicht demonstrieren konnten, war Kirks beinahe übernatürliches Glück.
Das bedeutete keineswegs, dass die Captains wie die Fliegen gestorben waren. Allerdings hatte es ein paar schreckliche Zwischenfälle gegeben, ganz zu schweigen von zwei Ereignissen, bei denen die Betroffenen Gliedmaßen einbüßten, und einem unglücklichen und überflüssigen Todesfall, als ein Captain unwissentlich auf ein Stück Planetenoberfläche getreten war, die zunächst völlig normal ausgesehen hatte. Er hatte nicht wissen können – und hatte vermutlich auch nicht mehr die Zeit gehabt, es zu erkennen –, dass es sich um eine außerirdische Variante von Treibsand handelte, die jedoch zehnmal schneller und hundertmal aggressiver wirkte. Was von ihm übriggeblieben war, hatte kaum für eine DNS-Identifikation gereicht.
Zweifellos wäre niemand ›glücklicher‹ gewesen, wenn der Erste Offizier, ein Sicherheitswächter oder irgendein anderes Besatzungsmitglied von einem solchen schrecklichen Tod ereilt worden wäre. Grundsätzlich war kein individuelles Leben mehr wert als ein anderes. Doch letztlich ging es um die nackte, brutale Realität des Weltraums und die Ausbildung für diese lebensfeindliche und gnadenlose Umwelt. In dieser Hinsicht musste ein Captain einfach mit anderen Maßstäben betrachtet werden.
Hinzu kam, dass das Daystrom-Institut eine faszinierende, wenn auch recht kontroverse Studie vorgelegt hatte. Tausende von Landungsmissionen waren in eine gewaltige Datenbank eingegeben und durch die positronischen Schaltkreise eines hochgezüchteten M9-Computers ausgewertet worden. Der Computer gelangte zu seinen eigenen Erkenntnissen, die zum Vergleich an eine Expertenkommission von Starfleet übergeben wurden. Die Entscheidung des Gremiums, die der ganzen Flotte einen eiskalten Schauer verursachte, lautete, dass die Computerauswertungen äußerst sinnvoll waren. Sie waren nicht durch freundschaftliche Rücksichten oder gar unterschwellige menschliche Bedenken beeinflusst.
Die überraschendste Erkenntnis betraf den Status des Captains als Anführer der Landegruppe. Der Computer stellte nüchtern fest, dass der befehlshabende Offizier des Raumschiffs in fünfundneunzig Prozent aller Fälle überflüssig war, und klassifizierte ihn als unwesentliches Personal.
Infolge dessen sickerten bereits Andeutungen von Veränderungen durch die Starfleet-Vorschriften. Das Recht eines Captains, ein Landeteam anzuführen, war nicht mehr sakrosankt wie zuvor, sondern stand nun zur offenen Diskussion.
Für viele Captains war dieser Bissen nur schwer zu verdauen. Denn zuallererst waren sie Erkunder. Sie waren Starfleet beigetreten, um fremde neue Welten zu erkunden, neues Leben und neue Zivilisation zu suchen und was sonst noch in der Literatur beschrieben wurde. An die Brücke gefesselt zu sein, während irgendwelche rangniederen Besatzungsmitglieder die Gelegenheit erhielten, den Starfleet-Auftrag persönlich auszuführen, war eine Vorstellung, die sich einfach nicht mit jahrelangem, pflichtbewusstem Dienst vertrug.
In diesem speziellen Fall ging es darum, dass Harriman sich hätte bewusst sein müssen, dass seine Position als Anführer der Landegruppe fragwürdig war, vor allem angesichts der gegenwärtigen Stimmung innerhalb von Starfleet.
Harriman war sich dieser Situation sogar bewusst, doch er hatte beschlossen, dass er keine Rücksicht darauf nehmen wollte. Er würde das tun, was er tun wollte, und wenn es anderen nicht passte, sollten sie zum Teufel gehen. Er wollte endlich damit aufhören, jede Entscheidung genauestens abzuwägen. Und die Auswahl der Landegruppe war eine gute Gelegenheit, klare Entscheidungen zu treffen.
Dennoch wünschte sich Harriman insgeheim, dass er das Landeteam in ein tropisches Paradies geführt hätte, statt durch diese unwirtliche Hölle zu stapfen.
Vielleicht beim nächsten Mal.
Demora Sulu war ein wenig außer Atem geraten, während sie sich durch das unwegsame Gelände kämpfte. Lieutenant Thompson, die ein kleines Stück rechts hinter ihr ging, murmelte: »Was hast du dir nur dabei gedacht?«
»Wie bitte?«, fragte Demora.
»Du hast dich freiwillig für diese Mission gemeldet?«, sagte Maggie, während Demora langsamer ging, damit ihre Freundin aufholen konnte. »Großer Gott, warum?«
»Darf ich dich daran erinnern, dass es dein Vorschlag war?«, erwiderte Demora. »Du hast mir gesagt, dass der Notruf in chinesischer Sprache ein interessanter Zufall sei. Du hast gesagt, ich sollte mich diesbezüglich an den Captain wenden.«
»Nein! Ich habe nur gesagt, dass du es tun solltest, wenn dich die Sache interessiert! Ich habe nie damit gerechnet, dass du dich wirklich melden würdest. Mein Gott, Demora, musstest du dir unbedingt diesen Ort aussuchen, an den du dich dein ganzes Leben lang als Schauplatz deiner allerersten Landung erinnern wirst?«
»Ich finde es aufregend«, sagte Demora mit aufrichtiger Begeisterung. Der Weg wurde steiler, und sie sammelte sich kurz, bevor sie sich an den Aufstieg machte. Maggie folgte ihr schnell.
»Gott bewahre uns vor Neulingen!«, sagte Maggie Thompson, doch es gelang ihr nicht, ein leichtes Grinsen zu verbergen. »Ich werde dir etwas sagen. Deine Begeisterung ist wirklich das Angenehmste an dieser widerlichen … Aaaah!«
Der Grund für ihren Aufschrei bestand darin, dass plötzlich der Boden unter Thompsons Füßen nachgegeben hatte. Demora hatte sich gerade noch rechtzeitig umgeblickt, um zu sehen, wie Thompson auf den Bauch fiel und den kleinen, aber steilen Hügel hinunterrutschte. Sie hinterließ eine tiefe Furche in der lehmartigen Oberfläche.
»Lieutenant!«, rief Demora. »Alles in Ordnung?«
Mühsam kam Thompson wieder auf die Beine. Ihre Uniform war mit Lehm verdreckt. Ihr Gesicht war ebenfalls damit beschmiert, und sie spuckte einen großen Klumpen aus, der ihr während des Aufschreis in den Mund geraten war.
»Ja … bestens«, sagte Thompson, ohne ihren Ärger zu verbergen. Sie wischte den Dreck ab, so gut es ging, doch ihre Bemühungen waren letztlich völlig sinnlos. »Siehst du, Demora? Siehst du, was du verpasst hättest, wenn du nicht mitgekommen wärst?«
Demora wartete geduldig, während sich Thompson einen anderen, etwas leichteren Weg nach oben suchte.
Hinter sich hörte sie Harrimans Stimme. »Lieutenant! Wie weit sind wir noch vom Ursprung des Notsignals entfernt?«
Harriman bildete zusammen mit dem Sicherheitswächter Kris Hernandez und dem Medo-Offizier Adrian Tobler die Nachhut. Er ging mit scheinbar mühelosen Schritten und schien nicht im geringsten durch das Terrain behindert zu werden. Thompson und Sulu verspürten einen gewissen Neid. Der Captain wirkte auf beinahe abstoßende Weise trittsicher.
»Wir sind gleich da, Captain. Hinter dieser Erhebung, soweit ich feststellen kann«, sagte sie, während sie ihren Tricorder konsultierte.
Harriman betrachtete sie von oben bis unten. »Sind Sie auf die Nase gefallen, Lieutenant?«
»Es ist nichts passiert, Captain.«
Er nickte und steuerte genau auf die Stelle zu, an der Thompson in Schwierigkeiten geraten war. Demora wollte etwas sagen, um ihn zu warnen, doch Thompson legte ihr eine Hand auf den Unterarm. Ihre Botschaft war unmissverständlich: Halt die Klappe!
Dann wurde Harriman plötzlich schneller. Er machte mehrere lange, weit ausholende Schritte und sprang den Abhang hinauf, als wäre die Schwerkraft für ihn nur eine bedeutungslose Nebensache. Als er oben ankam, ging er sofort neben seinen jüngeren Offizieren in die Hocke.
»Hier hat man ausgezeichnete Gelegenheiten, sich wieder einmal etwas zu bewegen, meinen Sie nicht auch?«
»Es scheint so, Captain«, stimmte Thompson ihm widerstrebend zu.
»Irgendwelche Anzeichen für Lebensformen?«
Sie hatten keine festgestellt, als sie hier eingetroffen waren. Aber es war schwierig gewesen, eindeutige Messwerte zu erhalten, weil die Atmosphäre stark genug aufgeladen war, um mit den Sensoren des Schiffes zu interferieren. Jetzt, hier am Boden, überprüfte Thompson noch einmal ihren Tricorder. »Bis jetzt nichts, Captain. Es besteht immer noch eine gewisse Chance, aber …«
»Aber die Wahrscheinlichkeit ist nicht sehr hoch.« Er nickte. »Das hatte ich befürchtet. Trotzdem haben wir die Pflicht, uns genau zu vergewissern. Gehen wir!«
Demora gefiel es nicht, wie es hier roch. Ihre Begeisterung wurde nicht gemindert, während sie sich über die Planetenoberfläche ihren Weg suchten. Aber die Luft wirkte irgendwie abgestanden, so dass man nach einer Weile ein Brennen in den Lungen spürte. Sie bemühte sich, langsam, gleichmäßig und kontrolliert zu atmen. Trotzdem fiel es ihr schwer.
Und dann musste sie urplötzlich an ihren Vater denken.
Er hatte ihr so viele Male erzählt, wie er auf fremden Planeten gestanden hatte. In seinen Erzählungen hatte es immer irgendwie romantisch geklungen, aber er schien viele Dinge des Lebens in einem romantisch verklärten Licht zu sehen. Er hatte sie mit unglaublichen Geschichten über ferne Sphären unterhalten. Über Welten mit einem Zeitportal, die von Supercomputern beherrscht wurden oder von weißen Kaninchen und Samurai bevölkert waren (obwohl diese Geschichte selbst für die leichtgläubige Demora recht weit hergeholt geklungen hatte).
Seine Erzählungen ließen das Universum wie einen unmöglichen Ort erscheinen.
Damit stellte sich die Frage, warum …
Demora brach diesen Gedankengang sofort wieder ab. Es hatte keinen Sinn. Es gab keine Möglichkeit, diese Frage zu beantworten, und man sollte sie am besten auf sich beruhen lassen. Vor allem wollte sie jetzt nicht darüber nachdenken.
»Sulu!«
Es war Harrimans Stimme, die von weiter oben zu ihr drang, als sie erwartet hätte. »Sie haben es heute nicht sehr eilig, wie?«, rief er ihr zu.
»Entschuldigung, Captain«, sagte sie und erteilte sich selbst eine Rüge. Sie musste sich konzentrieren und durfte sich nicht von unlösbaren Problemen im Zusammenhang mit ihrem Vater ablenken lassen. Die Folgen vernachlässigter Aufmerksamkeit konnten katastrophal sein.
Sie musste sich zusammenreißen.
Dann spürte sie, wie etwas an ihrem Fußknöchel zerrte. Sie blickte überrascht nach unten und keuchte auf.
Ihr letzter bewusster Gedanke war ein Echo von Maggies Worten: Siehst du, was du verpasst hättest …?
Thompson hatte keine Ahnung, wie lange der Notsender schon hier stand oder wer ihn hier aufgestellt hatte.
Harriman war ein paar Schritte von ihr entfernt, als Thompson das Gerät aus der Nähe untersuchte. Es war etwa einen Meter hoch und stand auf einem Dreifuß. Es hatte in Wind und Wetter ein wenig Rost angesetzt, aber es sendete immer noch unablässig ein Signal aus, dass von einer oder mehreren unbekannten Personen aufgezeichnet worden war.
»Können Sie schon irgend etwas über die Herkunft sagen?«, fragte Harriman.
»Nun, genau das ist das Merkwürdige daran, Captain«, sagte sie langsam. »Es sieht auf den ersten Blick nach dem späten zweiundzwanzigsten Jahrhundert der Erde aus … aber diese Schriftzeichen hier habe ich noch nie gesehen.« Sie tippte auf die metallische Hülle. »Und nicht nur das. Wenn man genauer hinsieht, erkennt man Unterschiede.«
Harriman studierte die Zeichen. »Sie haben recht«, sagte er. »Es sind verschiedene Schriften, als hätte man in einer Art internationalem Projekt verschiedene Sprachen berücksichtigen wollen. Ist irgend etwas davon Chinesisch? Sulu, können Sie …?«
Er hielt inne und blickte sich um.
Es war nichts von ihr zu sehen.
»Sulu!«, rief er noch einmal.
Wieder keine Antwort.
Hernandez und Tobler sahen sich suchend um. Lieutenant Thompson richtete sich jetzt ebenfalls auf. »Sulu!«, rief sie. Doch die einzige Antwort, die sie erhielt, war ein schwaches Echo ihrer eigenen Stimme.
Sie wollte nach ihrem Kommunikator greifen, doch Harriman hatte sein Gerät bereits aufgeklappt. »Harriman an Sulu, bitte melden!« Er wartete einen Moment und wiederholte dann seine Aufforderung. Doch der Kommunikator konnte keine Verbindung herstellen.
Falls Harriman sich Sorgen machte, konnte er es sehr gut verbergen. »Tobler … Hernandez«, sagte er sachlich, »würden Sie bitte den Weg zurückgehen? Schauen Sie nach, ob sich unsere Pilotin verirrt hat.«
»Ja, Captain«, riefen sie fast gleichzeitig und machten sich auf den Weg.
»Bitte um Erlaubnis, an der Suche teilzunehmen«, sagte Thompson.
»Ich habe bereits zwei Leute losgeschickt, Lieutenant«, erwiderte Harriman schroff. »Das dürfte genügen. Jetzt wollen wir sehen, ob wir diese Zeichen übersetzen können. Sie verraten uns vielleicht …«
Er sprach den Satz nicht zu Ende, weil er plötzlich etwas entdeckt hatte. Die normalerweise dichte Wolkendecke hatte sich geteilt und den Blick auf eine Stadt freigegeben.
Oder zumindest die Überreste einer Stadt. Hohe Türme ragten am Horizont empor, doch viele waren beschädigt oder eingestürzt. Die scharfen Bruchkanten waren deutlich zu erkennen. Aus dieser Entfernung ließ sich unmöglich sagen, woraus sie bestehen mochten – aus Stein oder Stahl oder einem ganz anderen Material.
Doch selbst aus dieser Entfernung konnte Harriman feststellen, dass die Stadt tot war. Nirgendwo brannten Lichter. Ein Schleier aus Tod und Verfall lag wie ein riesiges Leichentuch über der Stadt, wie Harriman unwillkürlich dachte.
»Schaut meine Werke, ihr Mächtigen, und verzweifelt«, sagte er leise.
Thompson blickte mit leichter Verwirrung vom Notsender auf. »Wie bitte?«
»Ein altes Gedicht, Lieutenant«, sagte Harriman, ohne den Blick von den fernen Ruinen abwenden zu können. »Über einen Mann, der durch die Wüste zieht und die Trümmer einer Statue findet. Dann sieht er eine Inschrift, die besagt: ›Ich bin Ozymandias, König der Könige. Schaut meine Werke, ihr Mächtigen, und verzweifelt.‹ Das Thema dieses Gedichts ist die Vergänglichkeit aller menschlichen Errungenschaften. Da war dieser große und mächtige ›König der Könige‹, der offensichtlich über ein großes Reich geherrscht hatte … und nun ist von ihm nicht mehr übrig als eine zerbrochene Statue. Alles andere ist zu Staub zerfallen.«
»Wir alle werden eines Tages zu Staub zerfallen«, sagte Thompson nüchtern. Sie hatte ihren Kommunikator aufgeklappt. »Z'on? Haben Sie es?«
»Ich habe es«, antwortete Z'ons Stimme. »Ich beginne mit der Analyse.«
Thompson drehte sich zu Harriman um. »Ich habe die Markierungen mit dem Tricorder aufgezeichnet und an Lieutenant Z'on überspielt.«
»Gute Arbeit, Lieutenant.« Harriman schaute jetzt in die Richtung, in die Hernandez und Tobler gegangen waren. Er runzelte kurz die Stirn und sprach dann noch einmal in seinen Kommunikator. »Harriman an Hernandez.« Für einen Moment war er irritiert, weil er nicht die geringste Ahnung hatte, was er tun sollte, falls sich Hernandez nicht melden sollte. Das würde bedeuten, dass er ein viel größeres Problem hatte, als es ein verschwundenes Besatzungsmitglied darstellte. Dann hätte er ein wirklich großes Problem. Warum konnten die Dinge nicht immer routinemäßig ablaufen?
Doch zum Glück wurde es ihm erspart, sich derartige Sorgen machen zu müssen. »Hernandez hier«, meldete sich unverzüglich die gewohnte, lakonische Stimme des Mannes.
»Irgendeine Spur von Fähnrich Sulu?«
»Wir haben ihre Fußabdrücke gefunden, Captain, und folgen ihnen jetzt. Aber sie scheinen im Kreis zu verlaufen. Nun suchen wir nach einer möglichen weiteren Spur.«
»Halten Sie mich auf dem laufenden«, sagte Harriman und schloss den Kommunikator. Thompson wandte schnell den Blick ab, um ihre eigene Besorgnis zu verbergen und eine möglichst professionelle Haltung zu wahren.
Dann meldete sich ihr Kommunikator, und sie aktivierte das Gerät. »Thompson«, sagte sie knapp.
»Ich habe hier eine Übersetzung für Sie«, antwortete Z'ons Stimme ohne weitere Einleitung. »Es gibt damit zwei Probleme. Erstens: Sie ist recht vage. Und zweitens: Sie ist reichlich nutzlos.«
»Wie lautet sie?«
»Sie lautet: ›Wenn gefunden, bitte zurückgeben!‹«
Thompson und Harriman blickten sich verblüfft an. »Das ist alles?«, sagte sie fassungslos.
»Ja, Lieutenant«, sagte Z'on. »Keins der Zeichen hat auch nur die geringste Ähnlichkeit mit terranischen Schriften. Ich konnte sie jedoch mit ähnlichen und bereits entzifferten Symbolen korrelieren, die bei den Ausgrabungen auf Minox Neun und Alpha Prime Zwölf gefunden wurden. Sie gehören zur bekannten Schriftsprache einer uralten, offensichtlich vor langer Zeit ausgestorbenen Spezies namens …«
Er machte eine Pause. Thompson runzelte die Stirn. »Wie lautet ihr Name?«
»Ihr Name ist Blumbergs.«
Harriman kam einen Schritt näher. »Würden Sie das bitte wiederholen?« Er konnte nicht glauben, dass er richtig gehört hatte.
»Die Blumbergs, Captain«, sagte Z'on mit leichter Verzweiflung in der Stimme.
»Die Blumbergs?« Trotz der tristen Atmosphäre und der Sorge um den vermissten Fähnrich Sulu musste Harriman sich Mühe geben, um nicht laut loszulachen. »Das ist ein recht ungewöhnlicher Name für eine außerirdische Spezies, nicht wahr?«
»Dieser Name, Captain, geht auf den Mann zurück, der als erster die Spuren ihrer Existenz entdeckt und alle wichtigen Artikel und Studien über sie verfasst hat. Dieser Mann, wie man sich leicht denken kann, ist Dr. Matthew …«
»… Blumberg«, sagten Thompson und Harriman gleichzeitig.
»Korrekt.«
»Gut. Vielen Dank, Lieutenant. Thompson Ende.« Sie klappte den Kommunikator zu und blickte Harriman an, der die Arme ausbreitete und die Schultern hob. »Nun«, sagte Thompson nach gründlichem Nachdenken, »es ist zumindest einmal ein anderer Name für eine Spezies, wenn Sie mich fragen.«
»Völlig richtig, Lieutenant. Die Klingonen, die Romulaner, die Blumbergs. Namen, deren Klang Schrecken im Herzen von Milliarden Intelligenzwesen auslösen.« Er seufzte und blickte sich erneut um. »Wir verschwenden unsere Zeit«, sagte er schließlich. »Wie es aussieht, ist dieser Planet seit sehr langer Zeit nicht mehr bewohnt und hat auch seit langem keinen Besucher gesehen. Keine Spur von einem havarierten Raumschiff, kein Anzeichen auf einheimische Bewohner, kein Hinweis, dass sich irgend jemand um diesen Notsender kümmert. Wer immer ihn hinterlassen hat, ist schon lange nicht mehr hier. Wir wollen Fähnrich Sulu suchen und dann schnellstmöglich von hier verschw …«
Hinter ihnen wurde plötzlich ein lautes Knurren hörbar.
Noch bevor Harriman sich umgedreht hatte, wusste er, dass die Bioscans dieses Planeten falsche Resultate erbracht hatten. Es gab offenbar doch mindestens eine einheimische Lebensform auf Askalon V. Und wie es sich anhörte, war es eine große Lebensform … wahrscheinlich mit dichtem Pelz bedeckt … mit Zähnen so lang wie Küchenmesser, eine sehr hungrige Lebensform, die schon viel zu lange auf ihr Abendessen hatte warten müssen.
Sowohl Thompson als auch Harriman trugen ihre Phaser, wie es Vorschrift für jede Landegruppe war. Das Knurren schien aus einer Entfernung von kaum mehr als fünf Metern zu kommen. Für ein angriffsbereites Raubtier war das bedenklich nahe. Es konnte die Entfernung mit einem Sprung überwinden, und Harrimans spontaner Entschluss sah vor, sich umzudrehen und so schnell wie möglich zu schießen. Doch wenn er sich schnell bewegte, spornte er das Geschöpf möglicherweise dazu an, sofort zu springen – worauf er oder Thompson (oder beide) von seinen Krallen gepackt werden mochten, bevor sie Zeit für irgendeine weitere Reaktion hatten.
Das Wesen knurrte wieder. Inzwischen hatten Harriman und Thompson die Hände an die Waffen gelegt, die an ihren Gürteln befestigt waren. Sie blickten sich gegenseitig an, während Harriman lautlos das Wort Langsam mit den Lippen formulierte. Sie nickte so leicht, dass sich ihr Kopf kaum bewegte, doch für Harriman war die Geste unmissverständlich.
Langsam, unendlich langsam drehten sie sich zum Geschöpf um, das ihr Leben bedrohte.
Gleichzeit rissen sie erstaunt die Augen auf.
Es war Demora. Doch sie hatte kaum noch Ähnlichkeit mit sich selbst, und um genau zu sein, hatte sie kaum noch etwas mit einem Menschen gemeinsam.
Sie hockte in erhöhter Position auf einem Felsblock. Ihre Uniform war verschwunden. Sie war splitternackt und ihr Haar war so zerrauft, dass ihre Augen kaum noch darunter zu erkennen waren. Doch als die Strähnen zur Seite geweht wurden, war deutlich zu sehen, dass in ihren Augen ein wildes, animalisches Glitzern stand.