DIETMAR WISCHMEYER

Den Klaren
sieht die
Leber nicht

Männerleben auf dem Lande

LAPPAN

Hat es euch aus Stadtfrust, Liebe oder schlichter Unwissenheit aufs Land verschlagen?

Männer, dies ist euer Buch!

Es enthält die besten und männlichsten Kolumnen von „Günther, der Treckerfahrer“ alias Dietmar Wischmeyer. Ob Neuankömmling oder Fast-schon-Land-Profi, hier kann jeder noch etwas über harte Realitäten und raue Sitten lernen, die das Landleben so mit sich bringt. Ein Buch, das sich nicht mit der Harke aufhält, sondern gleich zeigt, was ’ne Forke ist.

LIEGT DER BAUER
UNTERM TRECKER,
WAR DAS BIER
WOHL VIEL ZU LECKER.

INHALT

Stadt und Land

Landleben

Kindheit auf dem Lande

Landbewohner 1: Bauern

Das Jahr auf dem Lande

Landbewohner 2: Zugezogene

Frühjahrsputz

Geselligkeit auf dem Lande

Wie kaufe ich einen alten Trecker?

Ein Tag im Leben … eines ganz normalen niedersächsischen Landbewohners

Landbewohner 3: Jäger

Der Jäger und seine Feinde

Der gute alte Herbst

Schützenfest

STADT UND LAND

Mir is aufgefallen, dass sich Stadt und Land immer mehr auseinanderentwickeln.

Die Städter reden heutzutage vom Leben auf dem Lande so ähnlich wie vom Leben auf dem Mars, also: Gibt es da überhaupt Leben? Und diese grünen Männchen, die da rumlaufen – warum haben die zwei Köppe, und wieso diese fetten Arschbacken? Also die Arschbacken, die gehören zum Trecker und nennen sich Hinterreifen, da sitzen die grünen Männchen die meiste Zeit drauf. Und von den zwei Köppen ist der obere ne Mütze. Die lebt zwar auch, aber nur, weil sie nich gewaschen wird, denn dann würde sie ja ein bis zwei Tage ausfallen, und die Haare fingen unkontrolliert an zu wachsen.

Wie man sieht, gibt es jede Menge Missverständnisse zwischen Stadt und Land. Ich möchte zu einer Verständigung zwischen den beiden Kulturen beitragen.

Doch zuerst die Vorurteile im Überblick:

Wie sich der Landwilli die Stadt vorstellt

Alle wohnen übereinander in winzigen Fick- und Kackzellen, die auch noch fremden Menschen gehören. Man kennt keine Sau von denen, die über, neben oder unter einem wohnen, kann sie aber anhand ihrer Furzgeräusche voneinander unterscheiden. In seine eigene Wohnung gelangt man nur durch ein finsteres Loch namens Treppenhaus, das steht voll mit vor sich hinmüffelnden Deichmannlatschen anderer Häftlinge, und überall hängen Dienstpläne, wann man den Flur auslecken muss für die anderen Arschgeigen. Mindestens eine Mietpartei in dem Haus stinkt, ist laut und gewalttätig. In einigen Hochregallagern gibs auch Fahrstühle, dadrin wird man zusammengeschlagen oder bleibt stecken, in jedem Fall pestets darin nach billigem Nuttendiesel oder kalter zugefurzter Fluppe.

Aus keiner Zelle kann man direkt nach draußen gehen, man muss immer durch den Korridor mit den Arschgeigen, die einen anglotzen – meist herrscht auch noch Grüßzwang. Will man raus zum Pissen, muss man zwanzig Treppen runterlatschen, und wenn man sich bis dahin nich bereits den Schlüpper vollgejaucht hat, muss man unten überrascht feststellen: Alle glotzen einen an wie ’n Auto, sobald man den Wurm blank zieht und neben der Krüppelkonifere ne Stange Wasser an die Hauswand nagelt. Wo bleibt da die Lebensqualität? An sich muss man aber auch gar nicht so oft pissen wie aufm Land, weil es viel zu aufwendig is, den Kasten Ballerbrühe die ganzen Stufen hochzuasten. Also wird inner Kneipe gesoffen, d. h. der Alkohol-Etat schnellt sinnlos in die Höhe, weil die Menge ja konstant bleibt – egal wie teuer.

Wurscht, was du vorhast: Wenn du inne Stadt wohnst, musst du dafür irgendwohin, und alles kostet Geld. Vor dem Haus, in dem sie dich wohnen lassen, steht auch nich dein Trecker, Moped oder Auto, da steht gar nix, höchstens nen Schild, wo draufsteht, wann der nächste Gefangenentransporter vorbeikommt und dich dahin mitnimmt, wo alle andern hinwollen. In diesen Transportern musst du dich zwischen fremde Arschmaden quetschen, die alle den Arm hochreißen, damit der Achselschweiß sich besser inner Atemluft verteilt. In der Kiste steht ein Hecht wie in der Umkleide von rumänischen Braunbären.

Solltest du allerdings ein eigenes Auto besitzen, dann parkt das JottWehDeh und wird nachts immer angezündet, oder militante Radfahrer treten die Spiegel ab. Is aber auch egal, denn solltest du einen Parkplatz ergattert haben, fährste da eh nie wieder weg. Wenn du vom Land das erste Mal inner Stadt bist, fällt dir sofort auf, dass man nirgends geradeaus latschen kann, immer bloß, wo Wege sind. Auf Gras is meist total verboten, und dauernd laufen einen andere vore Füße her. Dann sitzen da überall alte Ommas auffe Erde und halten einen leeren Kaffeebecher inne Luft. Andere quälen ein Schifferklavier zu Tode. Vor den Kneipen sitzen Menschen und trinken Kaffee, obwohl sie gar nich fahren müssen. Fast alle hetzen von links nach rechts, grüßen keinen und gucken aufn Fußboden. Sie sind total scheiße drauf, denn der Freigang ist bald zu Ende, dann geht’s heidewitzka zurück in die Knatterzelle bis zum anderen Morgen. Keiner von den Insassen inner Stadt hat eigenen Grund, nich mal so ’n pissiges Stück Wald, wo man wenigstens mal alte Asbestplatten verbuddeln kann. Nix, kein Haus, kein Grundstück. Zu fressen müssense alles zukaufen, die Nachbarn kennen se nich oder kommen aus Maluckistan. Parken kannste nirgends, und Pissen kostet Geld. Was für ein erbärmliches Dasein. Kein Wunder, dass sich der Stadtbewohner insgeheim nach dem Landleben sehnt.

Wie sich der Städter das Land vorstellt

Alles is grün und blüht, und am Wegesrand sitzt die willige Bauersmaid und flechtet sich einen Stringtanga aus Löwenzahnstängeln. In der Mittagszeit kommt der stramme Jungbauer mit nem Fuder Heu vorbei, aber nich fürs Vieh. Das hat er immer dabei, um darauf willige Bauersmaiden in Stringtangas aus Löwenzahn wegzuknetern, sobald es sich ergibt. Gearbeitet wird auf dem Bauernhof eigentlich nie, das Vieh ernährt sich von dem, was es selber findet. Nur das Getreide kommt – weil es keine Beine hat – nich von allein in die Scheune.

Die ganze Bauersfamilie singt ständig Volkslieder, und alle Tiere haben einen Namen, bis runter zur Sackratte von Opa. Geschlachtet werden die Tiere nur, wenn sie eine Patientenverfügung unterzeichnet haben. Alles is volles Rohr natürlich auf dem Hof. Der Trecker läuft mit Rapsöl, und das Unkraut wird auch nicht weggespritzt, sondern von den Buben und Maderln nachmittags rausgerupft. Die Bauersfamilie lebt total gesund und ernährt sich von den Feldfrüchten der Saison, also zwischen Oktober und Juni gar nich. Im Dezember wird ausgelost, wer dran glauben muss, bevor alle verschmachten. Meist zieht das Schwein den Kürzeren, denn alle mogeln bei dem Spiel.

Die Landwillis leben nur in Großfamilien: Enkel, Omma, Ziege und Schäferhund, alle in einem Zimmer, und lesen sich gegenseitig aus dem Hundertjährigen Kalender die Wettervorhersage vor. Bauern werden niemals krank. Falls doch, gehen sie sofort tot, damit die Angehörigen keine Last mit ihnen haben. Jeder in der Familie hat seinen Aufgabenbereich: Mutter kocht das ganze Jahr aus alles, was bei drei ausm Baum fällt, Marmelade – deshalb ist die Katze auch seit zwei Wochen verschwunden. Omma zieht den Pflug durch die Kartoffeln, wenn das Pferd seinen freien Tag hat, Opa raucht und vermöbelt die Blagen, Vater sitzt aufm Trecker und fährt die Kneipen ab. So sind alle zufrieden und leben ihren gemächlichen Trott. Der höchste Feiertag im Jahr ist der Stoppelmarkt in Vechta, da fahren die Bauern mit ihren Frauen hin und hoffen, dass die da irgendwie verlorengehen – wird aber meistens nix draus. Trotzdem ist der Bauer glücklich und zufrieden, weil nächstes Jahr is ja wieder Stoppelmarkt.

Und so ist das Landleben in der Realität

Fangen wir mal ganz von vorne an, bei der FORTPFLANZUNG. Da muss ich ja gar nich groß viel erzählen – im Großen und Ganzen wisst ihr wahrscheinlich, wie’s geht. Also die Biene fliegt mit dicken Eiern zu dem geilen Stiefmütterchen und verpasst der Alten einen zwischen die Staubgefäße, feddich aus. So haben sie das uns im Biologieunterricht ja beigebracht. Wer das jetzt allerdings als Gebrauchanweisung verstanden hat, der is böse auf die Schnauze gefallen. Denn beim Menschen können die Blumen laufen – und zwar weg. Die Frage is also, wie man die Biester überhaupt zu packen kriegt.

LIEGT DER MAIS WIE
PLATT GEREGNET,
IST IHM NE WILDSAU
WOHL BEGEGNET.

Inne Stadt, kein Problem: Da latscht du in ein Schuhgeschäft und setzt dich da einfach lächelnd in die Ecke. Spätestens nach ner halben Stunde wollen dich die Hälfte der anwesenden Frauen heiraten. Aufm Land is die Besatzdichte an untenrum interessiertem Material einfach zu gering für so was – sowohl auf männlicher als auch vonne anderen Seite. Das Ende vom Lied: Alles muss ohne Schwund weggenagelt werden. Jeder, der halbwegs dem einen oder anderen Geschlecht zugeordnet werden kann, wird in die Zuchtgemeinschaft aufgenommen. Dass so was nich immer ein Spaß is, kann man sich vorstellen, deshalb findet der Geschlechtsverkehr in den seltensten Fällen freiwillig statt. Es is aber auch keine Vergewaltigung. Ich weiß gar nich, wie man das nennt, wenn beide es nich wollen, es aber trotzdem tun. Genau: zum Beispiel Schützenfest!

Auf jeden Fall muss ein Zaubertrank eingeflößt werden, um die Abstoßungskräfte zu überwinden. Der nennt sich Fanta/Korn und bewirkt wahre Wunder. Man muss echt aufpassen und nich zu viel davon einnehmen, sonst kriegt die Ziege 150 Tage nachm Schützenfest einen kleinen Manfred.

Is das überhaupt nötig, dass sich beide Fickelteilnehmer den anderen schönsaufen, um bei sich beizugehen? Sind die alle so hässlich? Alle nich, aber genuch. Und aufm Dorf hast du als Mann folgendes Problem: Du kennst von jeder Alten, die breitbeinig inne Bushaltestelle auf alles Mögliche wartet, nur nich auf den Bus, von jeder kennst du den Bruder, den Vadder oder den Opa. Und einem von den dreien sieht die garantiert ähnlich. Wenn du bei sie beigehst und in das Gesicht blickst, denkst du, sagen wir mal im besten Fall, du nagelst ihren Bruder, das wäre ja nur schwul. Im schlechtesten Fall sieht sie ihrem Opa ähnlich – wie man diese Schweinerei nennt, weiß ich nich.

Aus diesem Grund ist der männliche Landrammler gehemmt und flüchtet sich in eine erotische Scheinwelt. Er kauft sich Pornohefte und ist immer wieder enttäuscht. Zum Beispiel von Landlust: Nachdem er hundert Seiten mit Marmeladeeinkochen und Fensterbankdekorieren durchgeblättert hat und immer noch keine Titten kommen, schmeißt er das Lügenblatt wütend in die Ecke.

Oder er kauft sich ne ganze Palette Landliebe-Joghurt, frisst alle Becher nacheinander auf und is davon höchstens so geil geworden wie ne alte Stehlampe. Auch Betrug! Wo du hinguckst, wird der Landbewohner erotisch beschissen und verarscht.

Andererseits lauert dort, wo man’s gar nicht vermutet, die erotische Herausforderung: Im Jahreskalender vom Landmaschinenhändler räkeln sich gängige Weißrussinnen auf der Kreiselegge. Durch diese Kalender wird die Vorstellung des Landmannes von der Erotik geprägt – und, so kann man sagen, auch in eine Sackgasse geführt. Denn, sagen wir mal, er würde – aus Versehen oder im Internet – tatsächlich mal jemanden kennenlernen, und er schmeißt die Tante auf die Kreiselegge, um an ihr rumzuschrauben – dann war’s das ganz schnell.

Kurz gesagt: Die Zusammenführung der Geschlechter stellt ein Problem dar, und deshalb verlassen vor allem die jungen Frauen die Dörfer, viele mit Abdrücken von der Kreiselegge aufm Rücken, die meisten sogar aufm Bauch. Das Ganze nennt sich LANDFLUCHT, bedeutet aber im Wesentlichen: Nur die scharfen Weiber verlassen das stinkende Schilf. Wie das dann danach aussieht, kann man in der Rest-DDR bewundern. Innerhalb von nich mal einer Generation hat sich der Mann in einen Broiler zurückentwickelt: außen braun, innen wabbeliges Fleisch.

Damit es bei uns nicht so weit kommt, ist der Kampf um die EROTISCHEN ROHSTOFFE voll entbrannt. Auf drei Eber kommt eine Sau, so was könnte sich ein Mastbetrieb gar nich leisten – in einigen Dörfern isses Realität.

Da wird’s für den männlichen Landbewohner natürlich etwas eng mit einem geregelten Geschlechtsleben, geschweige denn Familiegründen. Damit die Maschine nich trockenläuft, geht er wenigstens regelmäßig in den Puff. Riesiger Vorteil: Da kann man auch duschen und warm essen, und die Frauen sprechen kein Deutsch.

Zieht sich diese Zwischeneiszeit zu lange hin beim Landmann, dann isser für die Nachzucht verloren. Der fragt sich doch: Warum soll ich mich mit ner eigenen Alten rumärgern, wenn das genauso gut der Lohnunternehmer machen kann. Is wie Mais häckseln: Da stellt man sich ja auch nich das teure Gerät in die Bude, wo man höchstens einmal im Jahr mal beigeht. Un da haben wir den nächsten großen Unterschied zur Stadt: Dort gibt es depressive Singles, doppeltverdienende Arschmaden, die sich gegenseitig auf ’n Geist gehen, und Kleinfamilien in Ökoghettos – lauter Sackgassen des menschlichen Zusammenlebens.

Aufm Land is die ERFOLGREICHSTE LEBENSFORM Mann um die 50, lebt mit Mama (84) und einem räudigen Zwerghuhn in einem baufälligen Resthof. Hier die Vorteile: