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Inhaltsverzeichnis

Das Buch
Die Autoren
Danksagung
Prolog
Teil I
Kapitel 1
Diego Garcia, Indischer Ozean
Fort Collins, Colorado Dienstag, 6. Mai
Kapitel 2
Paris
Bordeaux
Kapitel 3
Paris
Kapitel 4
Kapitel 5
Washington, D. C.
Paris
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Folsom, Kalifornien
Arlington, Virginia
Außerhalb von Reno, Nevada
Arlington, Virginia
Denver, Colorado
Arlington, Virginia
Bitterroot Mountains an der Grenze zwischen Montana und Idaho
Arlington, Virginia
Paris, Mittwoch 7. Mai
Kapitel 9
Kapitel 10
Washington D. C., Weißes Haus
Kapitel 11
Toledo
Kapitel 12
Kapitel 13
Teil II
Kapitel 14
An Bord des Flugzeugträgers Charles de Gaulle im Mittelmeer
Kapitel 15
Toledo
Kapitel 16
Kapitel 17
Gibraltar
Madrid
Kapitel 18
Kapitel 19
Paris Donnerstag, 8. Mai
St. Francese, Isla de Formentera
Paris
Kapitel 20
Brüssel
Paris
Kapitel 21
Brüssel
Irgendwo an der Küste Nordafrikas
Paris
Kapitel 22
Kapitel 23
Washington, D. C.
Paris
Washington, D. C.
Kapitel 24
Es Caló, Isla de Formentera Freitag, 9. Mai
Marseille
Kapitel 25
Im Mittelmeer, vor der algerischen Küste
Marinestützpunkt, Toulon
Westliches Mittelmeer, an Bord des Lenkwaffenkreuzers USS Saratoga
Kapitel 26
Außerhalb von Algier
Kapitel 27
Teil III
Kapitel 28
Beirut, Libanon
Fort Belvoir, Virginia
Washington D. C.
Paris
Kapitel 29
Paris
Irgendwo im Luftraum über Europa
Paris
Kapitel 30
Aalst, Belgien
In der Region Chartreuse in Frankreich
Kapitel 31
Im Luftraum irgendwo über Europa
Grenoble
Kapitel 32
Paris
Berlin
Paris
Grenoble
Kapitel 33
Außerhalb von Bousmelet-sur-Seine
Vaduz, Liechtenstein
Im Luftraum über Frankreich
Kapitel 34
Paris
Außerhalb von Bousmelet-sur-Seine
Kapitel 35
Paris
Kapitel 36
Bousmelet-sur-Seine
Auf der Straße nach Bousmelet-sur-Seine
Außerhalb von Bousmelet-sur-Seine
Kapitel 37
Kapitel 38
An Bord von Air Force One auf Westkurs von Washington D. C.
Château La Rouge
Air Force One, im Luftraum über Iowa
Kapitel 39
Château La Rouge
Kapitel 40
Air Force One, im Landeanflug auf Omaha
Château la Rouge
Omaha, Nebraska
Château La Rouge
Kapitel 41
Epilog
Ein Monat später Fort Collins, Colorado
Copyright

Danksagung

Die Zukunft wird uns viele neue wissenschaftliche Erkenntnisse bringen. Eine der faszinierendsten und spannendsten neuen Entwicklungen ist der DNS-Computer, gelegentlich auch als Molekularcomputer bezeichnet. Wir sind Kathleen Foltz, Ph. D., die uns an ihrem profunden Wissen in diesem neuen Feld der Wissenschaft teilhaben ließ, für ihre großzügige Unterstützung dankbar. Dr. Foltz ist Dozentin am Lehrstuhl für Molekular-, Zellular- und Entwicklungsbiologie an der University of California, Santa Barbara. Vor kurzem ist sie von der National Science Foundation als Presidential Faculty Fellow berufen worden. Außerdem ist sie auch Mitglied des Marine Science Institute.

Die Autoren

Robert Ludlum hat mehr als zwanzig Romane geschrieben, die in über dreißig Sprachen übersetzt wurden und weltweit eine Auflage von 200 Millionen erreichten. Im Heyne Verlag erschienen zuletzt »Das Sigma Protokoll«, »Der Janson-Befehl« und »Der Tristan-Betrug«. Alle seine Romane erschienen als Heyne-Taschenbücher, besonders erfolgreich zuletzt die »Bourne-Trilogie«, die mit Matt Damon und Franka Potente verfilmt wurde.

 

Gayle Lynds schrieb zusammen mit Robert Ludlum »Der Hades-Faktor« (als Heyne TB lieferbar) und als Einzelroman erscheint von ihr in Kürze »Der Nautilus-Plan« (Mai 05). Die Autorin lebt in Santa Barbara, Kalifornien.

Epilog

Ein Monat später Fort Collins, Colorado

Es war einer jener sonnigen Junitage, für die Colorado so berühmt ist: blauer Himmel, der aromatische Duft der Pinien, eine leichte Brise und die Luft weich wie Balsam. Jon betrat den schlichten Bau mit den geheimen CDC-USAMRIID-Labors, wo er und andere Wissenschaftler am Bau des »ersten« DNS-Computers der Welt arbeiteten. Er nickte und begrüßte die Laborassistenten, Sekretärinnen und Angestellten mit Namen, und sie grüßten zurück. Für die meisten war das das erste Mal, dass sie ihn seit seiner Abreise wieder zu Gesicht bekamen, und viele sagten, es sei schön, dass er hatte zurückkehren können. Und wie es seiner Großmutter gehe?

»Die hat uns allen ziemliche Angst eingejagt«, erklärte er immer wieder. »Die alte Dame wäre beinahe gestorben. Aber jetzt geht es ihr wieder besser.«

Als er vor zwei Tagen auf dem Gelände der Colorado State University eingetroffen war, waren die Ereignisse in Frankreich, Spanien und Algerien noch frisch gewesen, wenn auch die Spannung allmählich zu verblassen begann. Ein Segen, dass das menschliche Gedächtnis dazu neigt, das Gute zu behalten und das Schlechte zu vergessen. Er hatte zehn Tage mit Fred Klein verbracht und war mit ihm alle Einzelheiten durchgegangen. Die Akten von Covert-One wuchsen, und jedes neue Stückchen Information, jeder Name und jede Erkenntnis über gefährliche Organisationen wurden hier gespeichert und für künftigen Bedarf festgehalten. Ganz oben auf der Liste stand der Terroristenführer mit dem Decknamen M. Mauritania, dem es irgendwie gelungen war, aus der Burg zu entkommen. Er war verschwunden, so flüchtig wie die flatternden, weißen Gewänder, die seine Gefolgsleute so schätzten.

Nach Jons Erkenntnissen musste auch einigen Mitgliedern des Halbmondschilds die Flucht gelungen sein. Man hatte nicht so viele tote Terroristen gefunden, wie Jon, Randi und Peter in ihren diversen Berichten gemeldet hatten. Die Leiche von Abu Auda freilich hatte man gefunden, mit einigen Einschüssen im Rücken. Niemand wusste natürlich, wer diese Kugeln abgefeuert hatte, da in den brennenden Überresten der Burg niemand lebend gefangen genommen worden war – kein Legionär und kein Terrorist.

Auch der französische General, der hinter allem gestanden hatte, Roland La Porte, war tot. Er hatte sich eine Kugel durch den Kopf geschossen, die seine halbe Schädeldecke abgerissen hatte. Irgendwie hatte er, ehe er sich erschoss, noch die Zeit gefunden, seine Uniform mit sämtlichen Orden und Medaillen anzulegen. Er hielt die Pistole noch in der Hand, sein makellos gebügelter Uniformrock war mit Blut durchtränkt.

In vieler Hinsicht ein trauriges Ende, überlegte Jon, als er die Treppe zu dem Konferenzsaal hinaufging. So viel vernichtet, aber für Anlässe wie diesen war Covert-One gegründet worden. Fred Klein hatte eine verwässerte Version von Jons Bericht an die militärische Abwehr geschickt, schließlich war Jon ja angeblich ein Mitarbeiter dieser Organisation. Auf die Weise würden General Carlos Henze oder Randi Russell oder selbst Thérèse Chambord, falls sie nachsahen, feststellen, dass er tatsächlich als freier Mitarbeiter eingesetzt gewesen war.

Niemand glaubte gern, dass das Leben so zerbrechlich war, wie es das tatsächlich war. Und deshalb hatten die verschiedenen Abwehrbehörden ihre Schutzmauern errichtet, und die CIA, das Verteidigungsministerium und das Oval Office an ihrer Darstellung von begabten Hackern und neuen Viren und der soliden Stärke der amerikanischen Militärstreitkräfte und ihrer Kommunikationseinrichtungen festgehalten. Mit der Zeit würde sich die ganze Aufregung wieder legen. Das Leben ging weiter. Andere Krisen stellten sich ein. Die Titelseiten der Zeitungen hatten bereits andere Themen gefunden, und bald würde das ganze Geschehen unwiderruflich der Vergangenheit angehören.

Jon betrat den Konferenzraum und suchte sich einen Platz im hinteren Teil des Saals, während seine Forscherkollegen in den Raum strömten. Dies war die wöchentliche Sitzung, in der sie über vielversprechende neue Erkenntnisse in ihrem Bemühen um einen Molekularcomputer berichteten. Eine bunt zusammengewürfelte Gruppe versammelte sich hier, jovial, hochintelligent und praktisch unkontrollierbar. Alles Einzelgänger. Die besten Wissenschaftler waren alle so. Sonst würde sie unerforschtes Neuland nicht interessieren. Offenbar kochte jemand Kaffee, jedenfalls duftete es danach. Ein paar Wissenschaftler rannten los, um sich Tassen zu sichern.

Als alle eingetroffen waren, saßen etwa dreißig Männer und Frauen auf schlichten Klappstühlen. Als die Regularien der Sitzung erledigt waren, übergab der Teamleiter den Vorsitz an Jon.

Er trat in den vorderen Bereich des Saals. Hinter ihm konnte man durch die hohen Fenster auf die Grünflächen des Campus hinaussehen. »Sie haben sich wahrscheinlich alle gefragt, wo ich die letzten paar Wochen war«, begann Jon mit ernster Miene. »Nun ...«

Von links rief Larry Schulenberg: »Waren Sie weg, Jon? Das wusste ich gar nicht.«

In das allgemeine Gelächter stimmten jetzt andere ein, »... nie bemerkt.« »... sind Sie auch sicher, Jon? Ich habe das nicht bloß geträumt?« »... wirklich?«

»Also schön«, sagte Jon und stimmte in das Gelächter ein. »Das habe ich wahrscheinlich verdient. Lassen Sie es mich anders formulieren. Falls jemand es zufällig bemerkt hat, ich war weg.« Seine Miene wurde wieder ernst. »Und während meiner Abwesenheit habe ich über unsere Arbeit nachgedacht. Und dabei sind mir vielleicht ein paar brauchbare Ideen gekommen. So ist mir beispielsweise in den Sinn gekommen, dass wir die Möglichkeit vernachlässigt haben, Licht emittierende Moleküle als Schalter zu benutzen. Damit hätten wir mehr als nur einen Ein-Aus-Schalter, wir hätten dann eine graduelle Schaltmöglichkeit, so etwas Ähnliches wie einen Dimmerschalter.«

Larry Schulenberg begriff sofort. »Sie meinen, man kann Moleküle nicht nur zum Rechnen, sondern auch zur Entdeckung der Berechnungen benutzen.«

»Das wäre ja gewaltig«, rief ein anderer erregt.

»Man könnte dann das Licht mit konventionellen Mitteln empfangen und sozusagen übersetzen«, überlegte ein Dritter. »Vielleicht könnte man die Lichtenergie mit einer irgendwie beschichteten Metallplatte auffangen, und diese Platte könnte dann Energie emittieren.«

Jon nickte, als unter seinen Kollegen erregte Diskussionen begannen.

Schließlich unterbrach er sie. »Ein weiteres Problem, das wir bisher nicht gelöst haben, besteht darin, den Informationsfluss ebenso ungehindert umzukehren, wie das ein auf Siliziumbasis gebauter Computer kann. Eine Lösung könnte sein, dass man zwischen den DNS-Molekülen und dem Schalter ein zweites Interface anbringt. Wir haben bisher immer nur an Festkörperlösungen gedacht – aber es gibt eigentlich doch keinen zwingenden Grund, weshalb die DNS an Chips angekoppelt werden muss. Warum nicht eine chemische Lösung benutzen? Das würde uns viel mehr Flexibilität bringen.«

»Er hat Recht!«, rief jemand. »Warum nicht biomolekulare Gels verwenden? Roslyn, haben Sie nicht Ihre Doktorarbeit über Biopolymere geschrieben? Könnten wir diese neue Gelpack-Technik einsetzen?«

Dr. Roslyn James übernahm für ein paar Minuten die Diskussionsleitung und brachte die Gruppe mit ein paar schnell auf die Wandtafel gezauberten Skizzen auf den neuesten Erkenntnisstand über Biogel-Forschung.

Bald entwickelte sich in der Sitzung ein Eigenleben. Einige machten sich bereits Notizen. Andere diskutierten und brachten neue Gedanken vor. Eines führte zum anderen, und bald redeten alle durcheinander. Das Brainstorming dauerte den ganzen Vormittag, und Jon blieb die ganze Zeit bei ihnen. Vielleicht würde nichts dabei herauskommen. Schließlich musste es mehr als einen Weg geben, einen Molekularcomputer zu bauen, und Jon war nicht hinreichend über die Einzelheiten von Émile Chambords Meisterstück informiert, um ihnen alle Fragen beantworten zu können und die Möglichkeit zu liefern, den DNS-Computer einfach nachzubauen. Aber was er bieten konnte, waren gute Ansatzpunkte.

Schließlich unterbrachen sie die Sitzung, um zum Mittagessen zu gehen. Einige würden ihre Diskussionen während des Essens und danach fortsetzen, andere würden sofort in ihre Labors gehen, um dort ihre eigenen Arbeiten fortzusetzen.

Jon schlenderte über den Flur und hatte vor, die Cafeteria aufzusuchen. Anschließend zog es ihn zurück in sein Labor. Er dachte gerade über bestimmte Polymere nach, als sein Handy klingelte.

Jon meldete sich.

»Hallo, Colonel. Hier Fred Klein.« Seine Stimme klang fröhlich, ganz anders als noch vor ein paar Wochen.

Jon schmunzelte. »Als ob ich Ihre Stimme nicht erkennen würde.«

Jemand packte Jon am Arm. Er zuckte zusammen. Und fing sich sofort wieder. Wenn jetzt irgendwo eine Fehlzündung gewesen wäre, hätte er sich mit Sicherheit zu Boden geworfen und Deckung gesucht. Es würde eine Weile dauern, bis er sich an die relative Sicherheit des Alltagslebens gewöhnt hatte, aber er war bereit. Sein Verstand und sein Körper waren fast geheilt, und trotzdem ... er war müde.

»Kommen Sie mit, Jon?«, fragte Larry Schulenberg und sah dabei auf das Handy, das Jon in der Hand hielt.

»Ja. Gleich. Jemand soll mir ein Stück Hackbraten aufheben. Ich muss zuerst diesen Anruf erledigen.«

Schulenberg grinste, und ein Strahl der Deckenbeleuchtung fiel auf den Diamanten, den er im Ohr trug; der blausilberne Lichtblitz erinnerte Jon an Chambords Gelpacks.

»Freundin?«, fragte Schulenberg höflich.

»Noch nicht«, versprach Jon. »Sie erfahren es als Erster.«

»Geht in Ordnung.« Schulenberg lachte herzlich und ging zum Aufzug.

»Warten Sie, Fred«, sagte Jon. »Ich gehe hinaus, dort können wir besser reden.«

Die Mittagssonne brannte heiß, und ihre Strahlen stachen wie Laser durch die klare Bergluft, als er zur Tür hinaus- und die Treppe hinunterging. Wenn er hier in den Bergen war, musste er immer an Peter denken. Als sie das letzte Mal telefoniert hatten, war Peter bereits wieder in seinen Schlupfwinkel in den Sierras zurückgekehrt, wo er sich vor White Hall versteckt hielt. Die hatten dort ein neues Projekt für ihn, und er zögerte noch. Um was es ging, hatte er Jon natürlich nicht gesagt.

Der setzte jetzt seine Sonnenbrille auf und sagte: »Jetzt bin ich ganz Ohr?«

»Haben Sie in letzter Zeit mit Randi gesprochen?«, fragte Fred beiläufig.

»Selbstverständlich nicht. Sie ist wieder irgendwo im Einsatz. Aber Marty hat mir heute Morgen eine E-Mail geschickt. Er hat sich wieder zu Hause eingelebt und schwört heilige Eide, dass er dort nie mehr weggehen wird.«

»Das haben wir schon einmal gehört.«

Jon lächelte. »Das ist wohl ein Kontrollanruf?«

»So? Nun ja, es mag schon stimmen. Sie haben dort drüben einiges durchgemacht.«

»Das haben wir alle. Und Sie auch. Es nimmt einen mit, wenn man hinter der Bühne steht und warten muss und nichts weiß.« Da war noch ein offener Punkt, der Jon beunruhigte: »Was ist mit Mauritania? Gibt es neue Informationen über ihn?«

»Mauritania ist der Anlass für meinen Anruf. Ich habe gute Nachrichten. Er ist im Irak gesichtet worden. Ein Agent von MI6 hat jemanden gemeldet, auf den seine Beschreibung passt, und dann kamen noch andere Augenzeugen dazu, sodass wir jetzt sicher sein können. Jetzt werden wir uns Mauritania schnappen.«

Vor Jons innerem Auge tauchte das Bild Mauritanias, sein rundliches Gesicht und seine kalt blickenden Augen auf. Und dann musste er erneut daran denken, mit welcher Selbstverständlichkeit der Mann bereit gewesen war, den Tod anderer seinen Träumen zu opfern. »Gut. Sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie ihn gefunden haben. Inzwischen werde ich mich hier wieder an die Arbeit machen. Wir müssen einen DNS-Computer bauen.«

 

 

 

 

ENDE

Kapitel 1

Diego Garcia, Indischer Ozean

Auf dem US-Militärstützpunkt von Diego Garcia war es 6 Uhr 54 morgens. Der wachhabende Offizier im Kontrollturm starrte zum Fenster hinaus, wo die Morgensonne die warmen blauen Wellen der Emerald Bay auf der Lagunenseite des wie ein U geformten Atolls beleuchtete, und wünschte sich, seine Schicht wäre zu Ende. Er blinzelte träge, und seine Gedanken begannen zu wandern.

Er und seine Kollegen waren auf diesem strategisch platzierten und äußerst wichtigen Stützpunkt der US Navy mit dem logistischen Support für Luft- und Seeoperationen betraut. Der Lohn dafür war die Insel selbst, ein abgelegener Ort von märchenhafter Schönheit, auf dem träge dahinfließende Routine jeden Ehrgeiz abstumpfte.

Er erwog gerade, ob er gleich nach Dienstschluss in der Lagune schwimmen sollte, als eine Minute später, um 6 Uhr 55, der Kontrollturm den Kontakt mit der gesamten zurzeit in der Luft befindlichen Flotte von B-1B, B-52, AWACS, P-3 Orion und U-2-Maschinen auf einer Vielzahl von Einsätzen verlor, darunter auch einigen äußerst wichtigen und durchaus nicht routinemäßigen Aufklärungs- und U-Boot-Überwachungsflügen.

Die tropische Lagune war aus seinen Gedanken sofort wie weggewischt. Er brüllte Befehle, stieß einen Techniker von einer der Konsolen weg und schaltete auf Diagnose. Alle blickten wie gebannt auf die Displays und Bildschirme und gaben sich alle Mühe, das Geschehen wieder unter Kontrolle zu bringen.

Doch da war nichts zu machen. Um 6 Uhr 58 verständigte er in einem Zustand mühsam kontrollierter Panik den kommandierenden Offizier des Stützpunkts.

Um 6 Uhr 59 informierte der kommandierende Offizier das Pentagon.

Und dann, völlig unerklärlich, war um 7 Uhr, exakt fünf Minuten nach dem Abbrechen aller Verbindungen, auf die Sekunde genau der Kontakt zu sämtlichen Flugzeugen wiederhergestellt.

Fort Collins, Colorado
Dienstag, 6. Mai

Über der weiten Prärie im Osten ging die Sonne auf und tauchte den Foothills Campus der Colorado State University in goldenes Licht. Jonathan (»Jon«) Smith, M. D., saß in einem modernst ausgestatteten Labor in einem unauffälligen Gebäude, spähte in ein Binokular-Mikroskop und schob bedächtig eine feine Glasnadel zurecht. Er praktizierte den unsichtbaren Tropfen einer Flüssigkeit auf eine flache Glasscheibe, die nicht größer als eine Nadelspitze war. Unter dem hochauflösenden Mikroskop erinnerte die Scheibe verblüffend  – und obwohl das eigentlich unmöglich war – an einen elektronischen Schaltkreis.

Smith drehte kaum merkbar an einer Stellschraube und stellte das Bild schärfer. »Gut«, murmelte er und lächelte dann. »Es besteht Hoffnung.«

Smith war Experte für Virologie und Molekularbiologie und zugleich medizinischer Offizier der Army – Lieutenant Colonel, um es genau zu sagen – und kurzzeitig hier zwischen den rauschenden Fichten und den sanften Vorbergen Colorados im CDC, dem Zentrum für Seuchenkontrolle, stationiert. Das militärische Forschungsinstitut für Infektionskrankheiten, USAMRIID, hatte ihn inoffiziell an die Universität »ausgeliehen«, um ihm die Möglichkeit zu geben, sich an der mit dem Virenwachstum befassten Grundlagenforschung zu beteiligen.

Nur dass Viren mit dem, was er an diesem frühen Morgen unter seinem Mikroskop beobachtete, nicht das Geringste zu tun hatten. USAMRIID war das führende militärische Forschungsinstitut, sein hoch gelobtes ziviles Pendant das CDC. Normalerweise herrschte zwischen den beiden Instituten heftige Rivalität. Aber nicht hier und nicht jetzt, und die Arbeiten, die in diesem Laboratorium durchgeführt wurden, standen auch nur in sehr peripherer Beziehung zur Medizin.

Smith gehörte einem wenig bekannten CDC-USAMRIID-Forschungsteam an, das an dem weltweiten Wettstreit um die Entwicklung des ersten molekularen – oder DNS-Computers der Welt teilnahm, was eine ganz neuartige Kombination zwischen der Biologie und der Computerwissenschaft erforderte, ein Konzept, das den Wissenschaftler in Smith faszinierte und eine Herausforderung für seine reiche Erfahrung auf dem Feld der Mikrobiologie darstellte. Was ihn zu dieser frühen Stunde in sein Labor geführt hatte, war seine Hoffnung auf einen Durchbruch bei der Entwicklung molekularer Schaltkreise aufgrund spezieller organischer Polymere, die er und andere Forscher in ständiger Arbeit rund um die Uhr entwickelt hatten.

Wenn ihren Bemühungen Erfolg beschieden war, würde es möglich sein, ihre Epoche machenden DNS-Schaltkreise viele Male neu zu konfigurieren, und damit würden sie ihrem Ziel einen Schritt näher kommen, Silizium, das derzeitige Schlüsselelement der Computertechnik, überflüssig zu machen. Und das war gut so. Die Computerindustrie hatte sich ohnehin den Grenzen der Siliziumtechnologie angenähert, und biologische Komponenten stellten den logischen – wenn auch schwierigen  – nächsten Schritt dar. Sobald es einmal möglich sein würde, DNS-Computer zu bauen, sollten diese wesentlich leistungsfähiger sein, als man sich das in der Öffentlichkeit gemeinhin vorstellte. Und an diesem Punkt setzte das Interesse des Militärs und damit das von USAMRIID ein.

Smith hatte, fasziniert von diesem Forschungsvorhaben, sofort seine Fühler ausgestreckt und sich, unmittelbar nachdem er von diesem geheimen Gemeinschaftsprojekt des CDC und des USAMRIID gehört hatte, eine Einladung beschafft. Jetzt stürzte er sich in diesen Technologiewettbewerb, wo die Zukunft vielleicht nur die Breite eines Atoms entfernt war.

»Hey, Jon.« Larry Schulenberg, ein Zellbiologe von hohem wissenschaftlichem Rang und einer der Kollegen in dem Projekt, kam in seinem Rollstuhl in das Labor gerollt. »Haben Sie das vom Pasteur-Institut gehört?«

Smith blickte von seinem Mikroskop auf. »Ich habe nicht mal gehört, wie Sie die Tür aufgemacht haben.« Dann bemerkte er Larrys düsteren Gesichtsausdruck. »Das Pasteur-Institut ?«, wiederholte er. »Warum? Was ist passiert?« Ebenso wie USAMRIID und das CDC gehörte auch das Pasteur-Institut zur Spitzenklasse der in diesem Bereich tätigen Institutionen.

Schulenberg, ein Mann um die fünfzig, war tief gebräunt; er pflegte sich den Schädel glatt zu rasieren und trug einen kleinen Diamanten im Ohr. Seine Schultern waren von den vielen mit Gehhilfen verbrachten Jahren mit dicken Muskelpaketen versehen. Jetzt klang seine Stimme ernst. »Eine Explosion. Schlimme Sache. Es hat ein paar Tote gegeben.« Er hatte einen Stapel Ausdrucke im Schoß und reichte dem Kollegen einen davon.

Jon schnappte nach dem Papier. »Mein Gott ... Wie ist das passiert? Ein Laborunfall?«

»Das glaubt die französische Polizei nicht. Vielleicht eine Bombe. Man überprüft gerade ehemalige Angestellte.« Larry drehte seinen Stuhl herum und rollte wieder auf die Tür zu. »Ich dachte, das würde Sie interessieren. Jim Thrane in Porton Down hat mir ein E-Mail geschickt, und daraufhin hab ich mir die Sache heruntergeladen. Ich will nachsehen, wer sonst noch da ist. Das interessiert bestimmt alle.«

»Danke.« Während die Tür sich hinter Schulenberg schloss, überflog Smith das Blatt, das der ihm gegeben hatte. Er hatte das Gefühl, sein Magen würde sich umdrehen, und er las die kurze Notiz ein zweites Mal ...

Explosion im Pasteur-Institut zerstört Labor

Paris – Eine gewaltige Explosion hat in der vergangenen Nacht um 22 Uhr 52 in dem berühmten Pasteur-Institut mindestens zwölf Todesopfer gefordert und ein dreistöckiges Gebäude mit Büros und Laborräumen zum Einsturz gebracht. Vier Überlebende konnten in kritischem Zustand geborgen werden. Die Suche nach weiteren Opfern wird in den Trümmern fortgesetzt.

Ermittler der Brandschutzbehörden erklären, dass Hinweise auf Sprengstoff gefunden wurden. Bis jetzt haben sich weder Einzelpersonen noch Gruppen zu der Tat bekannt. Die Untersuchungen werden fortgeführt, und es wird gegen in letzter Zeit entlassene Angestellte ermittelt. Unter den Überlebenden, die bis jetzt identifiziert werden konnten, befindet sich Martin Zellerbach, Ph. D., ein Computerwissenschaftler aus den Vereinigten Staaten, der Kopfverletzungen erlitten hat ...

Smith hatte das Gefühl, sein Herz würde stocken. Martin Zellerbach, Ph. D., ein Computerwissenschaftler aus den Vereinigten Staaten, der Kopfverletzungen erlitten hat. Marty? Während seine Hand das Papier zerknüllte, tauchte vor seinem inneren Auge das Gesicht seines alten Freundes auf. Das schiefe Lächeln, die durchdringend blickenden grünen Augen, die vergnügt blitzen und im nächsten Augenblick in weite Ferne blicken konnten, als würden sie einen Punkt draußen im Weltraum fixieren. Ein kleiner rundlicher Mann mit unsicherem Gang, so als ob er nie gelernt hätte, seine Beine richtig zu bewegen – Marty litt unter dem Asperger-Syndrom, einer Störung im motorischen Nervensystem, die man dem weniger gefährlichen Bereich des Autismus zuordnete und zu deren Symptomen Zwangsvorstellungen, hohe Intelligenz und ein hochgradiger Mangel an kommunikativen und sozialen Fähigkeiten sowie ein phänomenales Talent in einem speziellen Bereich gehörten  – bei ihm Mathematik und Elektronik. Marty war tatsächlich das, was man als Computergenie zu bezeichnen pflegte.

Smith spürte, wie ihm ein würgender Kloß in die Kehle stieg. Kopfverletzungen. Wie schwer mochten Martys Verletzungen sein? Der Artikel erwähnte davon nichts. Smith zog sein Handy heraus, in das ein spezieller Zerhacker integriert war, und wählte eine Nummer in Washington.

Er und Marty waren zusammen in Iowa aufgewachsen, wo er Marty vor den Hänseleien seiner Mitschüler und sogar vor einigen Lehrern beschützt hatte, die einfach nicht begreifen wollten, dass jemandem von so hoher Intelligenz nicht bewusst wurde, wie unerträglich sein Verhalten für seine Umgebung manchmal war. Martys Krankheit wurde erst viel später diagnostiziert, und erst zu diesem Zeitpunkt konnte er mit Medikamenten versorgt werden, die es ihm ermöglichten, mit beiden Beinen fest auf dem Boden der Wirklichkeit stehend zu funktionieren. Dennoch war es Marty zutiefst zuwider, Medikamente einzunehmen, und er hatte sein Leben so gestaltet, dass er so oft wie nur möglich darauf verzichten konnte. Manchmal verließ er seinen behaglichen Bungalow in Washington D. C. jahrelang nicht. Nur dort fühlte er sich mit seinen Computern neuester Bauart und der Software, die er ständig verbesserte, sicher, und nur dort bot sich seinem genialen Verstand und seiner Kreativität die Möglichkeit zum unbehinderten Höhenflug. Geschäftsleute, Akademiker und Wissenschaftler aus der ganzen Welt suchten dort seinen Rat, allerdings nie persönlich, sondern stets nur auf elektronischem Wege.

Was also hatte der scheue Computerzauberer in Paris verloren?

Das letzte Mal, dass Marty sich bereit gefunden hatte, seine sichere Zuflucht zu verlassen, lag jetzt achtzehn Monate zurück, und es hatte mehr als nur sanfter Überredung bedurft, um ihn dazu zu bewegen – nur die wilden Schießereien und die drohende Katastrophe des Hades-Virus, die dem Tod von Smith’ Verlobter Sophia Russell zugrunde lag, hatten es schließlich vermocht, ihn aktiv werden zu lassen.

Das Handy an Smith’ Ohr übertrug das Klingeln im fernen Washington D. C. – wenigstens dachte Smith das –, und im gleichen Augenblick hörte er etwas vor seiner Labortür, das ebenfalls wie das Klingeln eines Handys klang. Ihn überkam das unheimliche Gefühl ...

»Hallo?« Es war die Stimme von Nathaniel Frederick (»Fred«) Klein, den er hatte anrufen wollen.

Smith fuhr herum und starrte auf seine Tür. »Kommen Sie rein, Fred.«

Der Leiter der äußerst geheimen Covert-one-Geheimdienst- und Abwehrorganisation betrat das Labor, leise wie ein Gespenst, das Handy immer noch in der Hand. »Ich hätte mir denken müssen, dass Sie davon hören und mich anrufen.« Er schaltete sein Gerät ab.

»Wegen Mart? Ja, ich habe die Sache vom Pasteur-Institut gerade gelesen. Was wissen Sie, und was machen Sie hier?«

Ohne die Frage zu beantworten, schritt Klein an den blitzenden Reagenzgläsern und sonstigen Gerätschaften vorbei, die die diversen Labortische bedeckten, an denen bald andere CDC-USAMRIID-Forscher und -Assistenten tätig sein würden. Er blieb neben Smith stehen, setzte sich auf die Granitplatte, verschränkte die Arme vor der Brust und blickte ihn finster an. Klein war etwa einen Meter achtzig groß und trug wie stets einen seiner zerknitterten Anzüge, diesmal in braunem Tweed. Seine Haut war blass; sie bekam nur selten ein wenig Sonnenschein ab. Kleins Aktionsfeld war nicht die freie Natur. Mit seiner beginnenden Stirnglatze, der Nickelbrille und seiner hohen Intelligenzlerstirn hätte er ebenso gut ein Verleger wie ein Geldfälscher sein können.

Er sah Smith an und sagte mit einem Anflug von Mitgefühl in der Stimme: »Ihr Freund lebt, aber er liegt im Koma. Ich will Ihnen nichts vormachen, Colonel. Die Ärzte machen sich Sorgen.«

Smith litt immer noch unter Sophias Tod, und Martys Verletzung rief ihm das alles aufs Neue ins Gedächtnis. Aber Sophia war nicht mehr am Leben, und jetzt ging es nur noch um Marty.

»Was in aller Welt hatte er im Pasteur zu suchen?«

Klein zog seine Pfeife heraus und holte den Tabaksbeutel aus der Tasche. »Ja, das haben wir uns auch gefragt.«

Smith setzte schon zum Reden an, zögerte dann aber. Für die Öffentlichkeit und den größten Teil der Regierung, mit Ausnahme des Weißen Hauses operierte Covert-one völlig unsichtbar, außerhalb der offiziellen militärischen Geheimdienstbürokratie und fern jeder Überwachung durch den Kongress. Der schemenhafte Chef dieser Institution wurde nie sichtbar; es sei denn, irgendetwas Welterschütterndes geschah oder bahnte sich an. Covert-one verfügte über keinerlei formelle Organisation oder Bürokratie, keine richtige Zentrale und keine offiziellen Agenten, lediglich ein lockeres Netz professioneller Experten in vielen Feldern stand zur Verfügung; alle mit Geheimdiensterfahrung, die meisten auch mit militärischem Hintergrund, und alle im Wesentlichen ungebunden – ohne Familie und irgendwelche Bindungen oder Verpflichtungen, seien sie nun kurzzeitiger oder dauernder Art.

Wenn man seiner Dienste bedurfte, war Smith einer jener Eliteagenten.

»Sie sind nicht wegen Marty gekommen«, entschied Smith. »Es geht um das Pasteur-Institut. Irgendetwas ist dort faul. Was?«

»Gehen wir hinaus.« Klein schob seine Brille auf die Stirn und stopfte Tabak in seine Pfeife.

»Hier drinnen dürfen Sie die nicht anzünden«, wies Smith ihn zurecht. »DNS kann durch Partikel in der Luft kontaminiert werden.«

Klein seufzte. »Ein Grund mehr, zu verschwinden.«

Fred Klein – und Covert-one – vertraute niemandem und nichts, nahm nichts als gegeben an. Selbst ein offiziell überhaupt nicht existierendes Labor konnte abgehört werden, und Smith wusste sehr wohl, dass das der eigentliche Grund war, weshalb Klein ins Freie wollte. Er folgte dem Abwehrchef nach draußen in den Flur und sperrte seine Tür ab. Dann gingen sie nebeneinander die Treppe hinunter, vorbei an dunklen Laborräumen und Büros; unter wenigen Türen schimmerte noch Licht durch. Sah man einmal vom leisen Atem des riesigen Lüftungssystems ab, lag das Gebäude in völliger Stille da.

Draußen beleuchtete das Licht der Morgendämmerung die riesigen Fichten und hüllte sie im Osten in schimmernde Helle, während sie im Westen noch im schattigen Schwarz verharrten. Hoch über dem Campus türmten sich im Westen auch die Rocky Mountains auf; ihre schroffen Spitzen reflektierten das erste Sonnenlicht. Die Täler zwischen den Bergen waren noch in purpurne Dunkelheit gehüllt. Rings um die beiden Männer erfüllte der aromatische Duft der Pinien die Luft.

Klein ging ein paar Schritte von dem Gebäude weg und blieb dann stehen, um seine Pfeife anzuzünden. Er paffte und drückte den Tabak zurecht, bis der Rauch sein halbes Gesicht verdeckte. Mit einer Handbewegung wedelte er ihn weg.

»Gehen wir ein Stück.« Während sie zur Straße hinübergingen, sagte Klein: »Erzählen Sie mir etwas von Ihrer Arbeit hier. Wie läuft denn alles? Sind Sie bald so weit, dass Sie einen Molekularcomputer bauen können?«

»Das würde ich mir wünschen. Die Arbeiten machen gute Fortschritte, aber es geht sehr langsam. Alles ist sehr kompliziert.«

Jede Regierung der Welt hatte den Wunsch, als Erste einen funktionsfähigen DNS-Computer zur Verfügung zu haben, weil ein solches Gerät in der Lage wäre, jeden Code und jede Chiffre innerhalb weniger Sekunden zu knacken. Eine erschreckende Vorstellung, besonders, wenn es um die Verteidigung ging. Sämtliche Flugkörper Amerikas, die geheimen Systeme der NSA, die Spionagesatelliten der Nationalen Aufklärungsbehörde, das gesamte Operationsfeld der Navy, sämtliche Verteidigungspläne ... jegliche Aktivität, die auch nur im Entferntesten mit Elektronik zu tun hatte, würde dem ersten molekularen Computer hilflos ausgeliefert sein. Selbst der größte Silizium-Supercomputer würde sich geschlagen geben müssen.

»Wie lange dauert es denn noch, bis es einen funktionsfähigen DNS-Computer gibt?«, wollte Klein wissen.

»Einige Jahre«, erklärte Smith ohne zu zögern, »und vielleicht auch länger.«

»Und wer ist am nächsten dran?«

»Praktisch einsetzbar und funktionsfähig? Niemand, der mir bekannt wäre.«

Klein rauchte und drückte wieder den Tabak in der Pfeife fest. »Wenn ich jetzt sagen würde, dass es jemand doch schon geschafft hat, auf wen würden Sie dann tippen?«

Es waren schon eine ganze Anzahl Vorläufermodelle gebaut worden, die jedes Jahr dem Ziel näher kamen, aber ein echter, vollständiger Erfolg? Bis dahin würden wenigstens noch fünf Jahre vergehen, es sei denn ... Takeda? Chambord?

Und dann fiel es Smith plötzlich wie Schuppen von den Augen. Kleins Erscheinen in seinem Labor bedeutete, dass das Pasteur-Institut der Schlüssel war. »Émile Chambord! Wollen Sie sagen, dass Chambord uns anderen Jahre voraus ist? Dass er weiter ist als Takeda in Tokio?«

»Chambord ist wahrscheinlich bei der Explosion ums Leben gekommen.« Klein zog mit besorgter Miene an seiner Pfeife. »Sein Labor wurde völlig vernichtet. Nur noch Ziegeltrümmer, verkohltes Holz und zerbrochenes Glas sind übrig. Man hat bei ihm zu Hause nachgesehen, bei seiner Tochter, überall. Sein Wagen stand auf dem Institutsparkplatz, aber ihn selbst können sie nicht finden. Es gibt Gerüchte ...«

»Gerüchte? Gerüchte gibt es immer.«

»Diesmal ist es anders. Gewisse Vermutungen gehen von höchsten Kreisen beim französischen Militär aus, von Kollegen, Vorgesetzten.«

»Wenn Chambord dem Ziel so nahe war, würde mehr geredet werden. Jemand hat etwas gewusst

»Nicht unbedingt. Das Militär hat sich in regelmäßigen Abständen über seine Fortschritte informiert, aber er hat behauptet, er sei auch nicht weiter als alle anderen. Und was das Pasteur selbst angeht, so hat ein führender Wissenschaftler vom Rang eines Chambord niemanden, vor dem er Rechenschaft ablegen muss.«

Smith nickte. In dieser Beziehung war das berühmte Institut für seine anachronistische Einstellung bekannt. »Und seine Notizen? Aufzeichnungen? Berichte?«

»Nichts aus dem letzten Jahr. Null.«

»Keine Aufzeichnungen?« Smith’ Stimme wurde lauter. »Die muss es geben. Vermutlich in der Datenbank des Pasteur. Jetzt sagen Sie bloß nicht, dass das ganze Computersystem zerstört worden ist.«

»Nein, die Zentraleinheit existiert noch. Die ist in einem bombensicheren Raum untergebracht, aber Chambord hatte seit einem Jahr keine Daten mehr eingegeben.«

Smith furchte die Stirn. »Er hat handschriftliche Aufzeichnungen gemacht?«

»Wenn er überhaupt welche gemacht hat.«

»Das muss er getan haben. Ohne komplette Daten, Labornotizen, Ergebnisberichte kann man keine Grundlagenforschungen durchführen. Man muss detaillierte Aufzeichnungen niederlegen, andernfalls ist es unmöglich, Arbeiten zu verifizieren oder reproduzieren. Jede Sackgasse, jeder Fehler, jeder Schritt muss festgehalten werden. Verdammt noch mal, wenn er seine Daten nicht dem Computer anvertraut hat, dann muss er sie handschriftlich notiert haben. Das ist sicher.«

»Das mag ja sein, Jon, aber bis jetzt haben weder das Pasteur-Institut noch die französischen Behörden irgendwelche Aufzeichnungen gefunden, und Sie können mir glauben, dass die gründlich nachgesehen haben. Sehr gründlich.«

Smith überlegte. Handschriftlich? Warum? Konnte es sein, dass Chambord vorsichtig geworden war, als er gemerkt hatte, dass er kurz vor dem Erfolg stand? »Meinen Sie, dass er gewusst oder zumindest geargwöhnt hat, dass ihn jemand aus dem Institut bespitzelt?«

»Die Franzosen wissen nicht, was sie denken sollen, und alle anderen auch nicht«, meinte Klein.

»Hat er alleine gearbeitet?«

»Er hatte einen einfachen Laborassistenten von minderer Qualifikation, der sich im Augenblick in Urlaub befindet. Die französische Polizei sucht nach ihm.« Klein starrte nach Osten, wo die Sonne jetzt höher stand, eine riesige, glutrote Scheibe über der Prärie. »Und wir glauben, dass auch Dr. Zellerbach mit ihm zusammengearbeitet hat.«

»Sie glauben

»Was auch immer Dr. Zellerbach dort drüben getan hat, war allem Anschein nach völlig inoffiziell, beinahe geheim. Die Sicherheitsstelle des Pasteur hat ihn lediglich als ›allgemeinen Beobachter‹ registriert. Nach der Bombenexplosion war die Polizei sofort in seinem Hotelzimmer, hat dort aber nichts gefunden. Er lebte praktisch aus dem Koffer und hatte dort keinerlei Freunde oder Bekannte, nicht im Hotel und auch nicht im Pasteur. Die Polizeibehörden haben sich darüber gewundert, wie wenige Leute sich überhaupt an ihn erinnern konnten.«

Smith nickte. »Typisch Marty.« Sein einsiedlerhafter alter Freund, der mit Sicherheit darauf bestanden hatte, weitestgehend anonym bleiben zu können. Und ein Molekularcomputer, der kurz vor der Fertigstellung stand – eines der wenigen Projekte, das ihn aus seiner Isoliertheit in Washington hätte losreißen können. »Sobald er wieder bei Besinnung ist, wird er Ihnen sagen, wie weit Chambord war.«

»Falls er aufwacht. Und selbst dann könnte es schon zu spät sein.«

Jon verspürte eine plötzliche Aufwallung von Ärger. »Er wird aus dem Koma erwachen.«

»Schon gut, Colonel. Aber wann?« Klein nahm die Pfeife aus dem Mund und blickte finster zur Seite. »Wir haben gerade einen recht beunruhigenden Anruf bekommen, der uns aufgeschreckt hat und von dem Sie wissen sollten. Um sieben Uhr fünfundfünfzig, nach Washingtoner Zeit also gestern Nacht, hat der Stützpunkt Diego Garcia Island jeglichen Kontakt zu seinen Flugzeugen verloren. Alle Versuche, den Kontakt wiederherzustellen oder den Grund der plötzlichen Funkstille zu ermitteln, sind gescheitert. Und dann, exakt fünf Minuten später, funktionierten plötzlich wieder sämtliche Verbindungen. Es gab keinerlei Systemdefekte, keine Wetterprobleme, keinerlei menschliche Fehler. Der einzig verbleibende Schluss ist, dass hier ein Computerhacker am Werk war, aber man hat keinerlei Spuren gefunden, und jeder Experte auf der ganzen Welt sagt, dass kein derzeit existierender Computer fähig wäre, so etwas zu bewirken, ohne Spuren zu hinterlassen.«

»Sind Schäden aufgetreten?«

»Was das System angeht, nein. In Bezug auf unseren Besorgnisquotienten  – eine ganze Menge.«

»Zeitlicher Zusammenhang mit der Explosion im Pasteur?«

Klein lächelte grimmig. »Zwei Stunden später.«

»Das könnte ein Test von Chambords Prototyp sein, falls er einen hatte. Und falls der von jemand gestohlen wurde.«

»Genau. Fakt ist – Chambords Labor existiert nicht mehr. Er ist tot oder verschwunden. Und seine Arbeit ist vernichtet... oder ebenfalls verschwunden.«

Jon nickte. »Sie glauben, man hat die Bombe dort gezündet, um seine Ermordung und den Diebstahl seiner Unterlagen und seines Prototyps zu tarnen.«

»Ein funktionsfähiger DNS-Computer in falscher Hand, das ist nicht gerade eine angenehme Vorstellung.«

»Ich hatte bereits vor, nach Paris zu fliegen, wegen Marty.«

»Dachte ich mir schon. Und das wäre eine gute Tarnung. Außerdem gibt es bei Covert-one niemanden, der eine bessere Chance hätte als Sie, einen Molekularcomputer zu erkennen, wenn er einen vor sich hat.« Klein blickte besorgt in den Himmel über der weiten Prärie, als könnte er bereits einen Regen von Interkontinentalraketen niedergehen sehen. »Sie müssen herausbekommen, ob Chambords Notizen, Berichte und Daten zerstört worden sind oder ob jemand sie gestohlen hat. Ob es wirklich irgendwo dort draußen einen funktionsfähigen Prototyp gibt. Wir werden wie üblich operieren. Ich werde Ihre einzige Kontaktperson sein. Wenn Sie etwas brauchen, von der Regierung oder dem Militär, auf dieser Seite des Atlantiks oder der anderen, was immer es auch ist, Sie brauchen es nur zu sagen. Aber das Ganze muss streng geheim bleiben, ist das klar? Wir können keine Panik gebrauchen. Und was noch schlimmer ist, wir wollen nicht, dass irgendein ehrgeiziges Land in der Zweiten oder der Dritten Welt einen einseitigen Handel mit den Bombenattentätern macht.«

»Richtig.« Die Hälfte aller rückständigen Nationen hegten nicht gerade liebevolle Gefühle für die Vereinigten Staaten. Und ebenso wenig die diversen Terroristen, die sich in zunehmendem Maße Amerika und Amerikaner als Ziele aussuchten. »Wann reise ich ab?«

»Jetzt gleich«, erklärte Klein. »Ich werde natürlich auch andere Experten von Covert-one einsetzen. Die werden anderen Hinweisen nachgehen, aber Sie sind die Nummer Eins. Die CIA und das FBI haben ebenfalls Leute eingesetzt. Und was Zellerbach angeht, so sollten Sie nicht vergessen, dass ich ebenso besorgt bin wie Sie. Wir alle hoffen, dass er bald wieder zu Bewusstsein kommt. Aber möglicherweise haben wir verdammt wenig Zeit, und viele, viele andere Leben stehen auf dem Spiel.«