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5. Auflage 2018
© 2011 by riva Verlag,
ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH
Nymphenburger Straße 86
D-80636 München
Tel.: 089 651285-0
Fax: 089 652096
Die amerikanische Originalausgabe erschien 2003 bei Human Kinetics, Champaign, IL, USA, unter dem Titel Athletic Body in Balance. © 2003 by Gray Cook. All rights reserved.
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Übersetzung: Torsten Walter
Redaktion: Monika Zilliken
Inhaltliche Prüfung: Dr. Lutz Graumann
Layout: Sabine Krohberger
Umschlagabbildung: Getty Images/Image Source
Fotografien: Tom Roberts
Satz: satz & repro Grieb, München
E-Book: Grafikstudio Foerster, Belgern
ISBN Print 978-3-86883-021-7
ISBN E-Book (PDF) 978-3-86413-446-3
ISBN E-Book (EPUB, MOBI) 978-3-86413-447-0
Wichtiger Hinweis
Sämtliche Inhalte dieses Buches wurden – auf Basis von Quellen, die der Autor und der Verlag für vertrauenswürdig erachten – nach bestem Wissen und Gewissen recherchiert und sorgfältig geprüft. Trotzdem stellt dieses Buch keinen Ersatz für eine individuelle Fitnessberatung und medizinische Beratung dar. Wenn Sie medizinischen Rat einholen wollen, konsultieren Sie bitte einen qualifizierten Arzt. Der Verlag und der Autor haften für keine nachteiligen Auswirkungen, die in einem direkten oder indirekten Zusammenhang mit den Informationen stehen, die in diesem Buch enthalten sind.
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Titel
Impressum
Inhalt
Widmung
Vorwort
Einleitung
Teil 1: Grundlagen der Bewegungen im Sport
1Körper, Geist und Seele
Der menschliche Körper
Motorik – die Lehre von der Bewegung
Körpereigene Systeme
2Schwachstellen erkennen
Eine Kette ist so stabil wie ihr schwächstes Glied
Leistungseinbußen
3Bewegungsanalyse
Optimale Bewegungspyramide
Bewegungspyramide mit zu hoher Kraftbetonung
Bewegungspyramide mit mangelnder Kraft
Bewegungspyramide mit technischen Defiziten
4Sportverletzungen und wie man
sich davor schützen kann
Schmerzen verstehen
Triggerpunkte
Besseres Verständnis von Verletzung und Erholung
Teil 2: Mobilität und Stabilität
5Testreihe zur Mobilität und Stabilität
Zum Verständnis von Mobilität und Stabilität
Vorbemerkungen zum Training der Rumpfmuskulatur
Selbsttests
Bewertung und Übungsprogression
6Functional Training
Körperhaltung und individuelle Bewegungen
Die ersten Übungen
Tiefe Kniebeuge (Deep Squat)
Hürdenschritt (Hurdle Step)
Ausfallschritt (Lunge)
Aktives Anheben der Beine aus der Rückenlage (ASLR)
Rumpfdrehung
7Core-Training
Übungsprogression für das Core-Training
Core-Übungssequenzen
Teil 3: Kraft und Ausdauer
8Kraft- und Ausdauertests
Definition von Kraft und Ausdauer
Bestimmung der Maximalkraft
9Training zum Ausgleich von
Bewegungsdysbalancen
Chop & Lift
Letzte Vorbereitungen
Anwendungsmöglichkeiten von Chop-&-Lift-Übungen
Chop-&-Lift-Übungen
10Übungen für Kraft und Ausdauer
Gleichzeitige Verbesserung von Kraft und Bewegung
Krafttrainingsserie Tiefe Kniebeuge (Deep Squat)
Krafttrainingsserie Hürdenschritt
Krafttrainingsserie Ausfallschritt
Ausdauertraining
Teil 4: Leistungsvermögen, Schnelligkeit
und Aktionsschnelligkeit (Agility)
11Tests zu Leistungsvermögen,
Schnelligkeit und Aktionsschnelligkeit
Definition von Leistung, Schnelligkeit
und Aktionsschnelligkeit
Bewertung von Leistung, Geschwindigkeit
und Aktionsschnelligkeit
12Schnelligkeitstraining
Schnelligkeitstraining durch Seilspringen
Plyometrisches Training
Lernen zu entspannen
Herzfrequenz
Entspannt bleiben
13Übungen zu Kraft/Leistungsvermögen,
Schnelligkeit und Aktionsschnelligkeit
Power Moves: Kniebeuge, Hürdenschritt
und Ausfallschritt
Schnelligkeitsübungen
Sprinttraining
Agility
Teil 5: Trainingsprogramme
14Rotations- und Schwungbewegungen
Wurf- und Schlagsportarten
Training mit Kabelzugmaschine und Medizinball
Training mit Fitness-Tube und Sprungseil
Schwer gegen leicht
Kanusport, Rudern und Kampfsport
15Wurf- und Schlagsportarten
Ein-Arm-Bewegungen
Training mit dem Medizinball
Training an der Kabelzugmaschine
Training mit Fitness-Tube und Sprungseil
16Sportarten mit Sprung- und Kickbewegungen
Zug- und Druckübungen im Stehen auf einem Bein
Seilspringen
Training mit dem Medizinball
17Tempo- und Richtungswechsel
Übungen mit Medizinball
Training mit dem Springseil
Übungen mit dem Fitness-Tube
18Beurteilung Ihres Fortschritts
Intelligentes Training
Trainingspsychologie
Sportartspezifische Basics
Schlussfolgerung
Danksagung
Der Autor
Bezugsquelle
Bibliografie und Quellen
Übungsverzeichnis
Für meine Töchter Jessica und Kayla, die mich ständig vom Schreiben und Korrigieren ablenkten und mich beim Spielen daran erinnerten, warum ich überhaupt so hart arbeite
Jeder, der sich schon einmal näher mit Kraft- und Konditionstraining* beschäftigt hat, ist bestimmt schon auf eine Menge rezeptartiger Informationen und Pauschalanleitungen gestoßen. Diese Theorien gehen in der Regel davon aus, dass jedes Programm für jeden Athleten geeignet ist. Dieses Buch folgt hingegen der Ansicht, dass ein Programm vom einzelnen Athleten ausgehen und speziell für diesen entwickelt werden sollte.
Das in diesem Buch vorgestellte Konzept habe ich auf der Grundlage meiner Erfahrungen als Orthopäde und Sportphysiotherapeut sowie als Fitnessexperte entworfen. Mein beruflicher Background gab mir die einmalige Gelegenheit, die Funktionen des menschlichen Körpers in den unterschiedlichsten Situationen zu erleben. Dazu gehören sportliche Höchstleistungen ebenso wie Phasen der intensiven Rehabilitation. Das vorliegende Buch ist aus meinen Erfahrungen, Fehlern und Erfolgen entstanden. Ich arbeite unablässig an meinen Testreihen, mit denen sich das Training der Athleten verfeinern, Verletzungen vorbeugen, Leistungen verbessern und die Bewertung der Leistungen und die Lösung von Problemen vereinfachen lassen.
Auf meiner diesbezüglichen ›Erfahrungsreise‹ bin ich immer wieder auf zwei wiederkehrende Schlüsselbegriffe gestoßen – Effizienz und Effektivität. In meinem Kopf tanzen diese beiden Begriffe eine Art Yin-und-Yang-Walzer miteinander. Effizienz beschreibt eine Tätigkeit ohne überflüssige Bewegungen oder Energieverschwendung. Am besten lässt sich Effizienz mit dem Niveau beschreiben, auf dem ein Champion sein Dasein als Spitzensportler tatsächlich zu genießen beginnt. Auf dem Höhepunkt ihrer Karrieren sind die Großen des Sports entspannt und locker und fühlen sich selbst im permanenten Chaos und im größten Wettkampffieber einfach wohl.
Betrachten wir zum Beispiel den Ausnahmegolfer Jack Nicklaus, den Basketballstar Michael Jordan, den Eishockeychampion Wayne Gretzky und zahllose andere Profisportler wie auch Amateurathleten, die lange genug im Geschäft waren, um Wettkampf und Konkurrenz entspannt genießen zu können. Das Wort ›entspannt‹ heißt hier keinesfalls, dass Wettkämpfe auf die leichte Schulter genommen würden oder man nicht mit 100% bei der Sache wäre. Es bedeutet vielmehr, dass man Wettkämpfe unaufgeregt und ohne Anspannung bestreitet. Die genannten Eliteathleten verkörpern eine Selbstsicherheit, die nur durch ein Training entstehen kann, das ideal auf die Wettkampfsituation vorbereitet. Sie ist das Ergebnis eines ausreichenden Maßes an investierter Zeit und Fähigkeit zur Selbstkritik. Mit der Wettkampferfahrung kommen die Reife und die Einschätzung zu wissen, wo man steht und wie ein Spiel oder Turnier einzuordnen ist. Einsicht und Erfahrung verhindern, dass in der Vorbereitung unnötig Energie verschwendet wird. Bei einer kontinuierlichen Optimierung des Trainings bildet sich Selbstsicherheit aus, und die Angst, man sei nicht genügend vorbereitet, verschwindet.
Effizienz befreit das Training von allem überflüssigen Beiwerk, von Werbegags und Trends und konzentriert sich auf die wesentlichen Aspekte der Bewegungen, mit denen sich Verbesserungen erzielen und alle Bereiche aufeinander abstimmen lassen.
Effektivität hingegen ist rein ergebnisorientiert. Ein Training, das auf Zeitersparnis zugeschnitten ist, dem Sportler aber nicht hilft, seine Ziele zu erreichen, ist zwar effizient, aber nicht effektiv, denn es bewirkt keine Verbesserung oder Weiterentwicklung der Leistung. Das vorliegende Buch wird Ihnen helfen, den Balanceakt zwischen Effizienz und Effektivität zu meistern und ein Training zu entwickeln, das auf Ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist. Hierzu ist es nötig, die grundlegenden Faktoren gleichbleibend guter Leistung zu entschlüsseln und durch eine Testreihe individuell zu bestimmen, damit Sie sich ein Trainingsprogramm maßschneidern können. Effizienz und Effektivität werden die Zielvorgaben für alle Trainingsvorschläge im gesamten Buch sein.
Alle großen Trainer halten sich an ein Konzept. Ein wichtiges Prinzip dieses Konzepts ist es, neue Techniken und Übungen zu testen, um sicherzustellen, dass sie in das Konzept passen, bevor sie in das Trainingsprogramm eines Sportlers aufgenommen werden. Indem er sich an sein Konzept hält, vermeidet es der Trainer, Techniken oder Übungen einzubauen, die gerade im Trend liegen, aber kontraproduktiv oder potenziell gefährlich sind. Prinzipiell ändert sich dieses Konzept nicht einmal, wenn neue Techniken und Übungen in das Trainingsprogramm aufgenommen werden. Konzepte bieten Struktur im Trainingsaufbau und ermöglichen die Verarbeitung von Feedbacks. Falls neue Fitnesstrends oder Übungen nicht in diese Struktur passen, werden sie nicht aufgenommen. Falls sie nicht das nötige Feedback und die gewünschten Ergebnisse liefern, werden sie aufgrund mangelnder Effektivität verworfen.
Das hier vorgestellte Konzept beinhaltet Tests für jede einzelne Phase des funktionellen Konditionstrainings. Die bei diesen Tests erzielten Ergebnisse geben Aufschluss über Stärken und Schwächen des Sportlers. So kann er Schritt für Schritt daran arbeiten, diese Schwächen auszumerzen. Viele Konzepte und Strategien in diesem Buch werden Ihnen bekannt vorkommen. Andere werden Ihnen fremdartig oder gar wie eine Zeitverschwendung erscheinen. Doch ich habe sie bewusst in mein Konzept aufgenommen, weil sie funktionieren und, was genauso wichtig ist, weil sie in einer bestimmten Testbatterie funktionieren. Deshalb überspringen Sie bitte keinen Schritt oder arbeiten einfach an einem anderen Aspekt des Konditionstrainings weiter. Die Kapitel in diesem Buch bauen aufeinander auf. Wenn Sie nicht in der vorgegebenen Reihenfolge vorgehen, sind dauerhaft keine effizienten und effektiven Ergebnisse möglich.
Machen Sie sich keine Hoffnung auf eine schnelle Lösung oder Erfolge auf der Überholspur. Fitnesstrends und Modewellen werden normalerweise entwickelt, um etwas zu verkaufen. Wir wollen alles immer schneller und besser können, als es menschenmöglich ist. Aber wenn wir natürliche Prozesse zu sehr beschleunigen, wird stets etwas darunter leiden. Funktionelles Kraft- und Konditionstraining erfordert ein bewusstes Gleichgewicht der verschiedenen Körpersysteme. Bei einem guten Training dreht sich alles um die effektive Umsetzung der Ergebnisse aus den vorgeschalteten Testreihen. Dazu muss man stets die spezifischen Anforderungen jeder einzelnen Entwicklungsstufe des Körpers beachten. Trainingsentscheidungen dürfen nicht aus einer Laune heraus getroffen werden. Genauso wenig dürfen Übungen nicht wahllos aus dem Programm gestrichen werden, nur weil sie keine sofort spürbaren Erfolge bringen. Viele ausgezeichnete Fitnessprogramme wurden verändert oder abgebrochen, kurz bevor die Ergebnisse sichtbar geworden wären. Ein effizientes und effektives Trainingsprogramm bietet sowohl Struktur als auch Feedback, selbst wenn keine sofortigen Veränderungen sichtbar oder spürbar sind.
Zu Anfang des Buchs nutze ich Autos und Computer als Metaphern, da wir alle von ihnen abhängig sind, auch wenn nur wenige von uns Experten für diese Technologien sein werden. Auch wenn Sie kein Computergenie oder Auto-Tuner sind, können Sie sich in diesen Bereichen trotzdem wie ein aufgeklärter Verbraucher verhalten. Je besser Sie die Funktionen und Systeme von Autos oder Computern verstehen, umso mehr können Sie Zeit sparen und produktiver arbeiten (das heißt, Sie verhalten sich effizienter und effektiver).
Grundlegendes Wissen über Autos und Computer kann also Zeit und Geld sparen und verhindern, dass Sie auf Werbung hereinfallen, die auf Unwissende abzielt. Das Gleiche gilt für Sport und Training: Je besser ein Sportler über die Vorgänge im Körper – mit all seinen Grenzen und Möglichkeiten – informiert ist, umso verlässlicher kann er Entscheidungen bezüglich seines Trainings treffen. Viele Sportler verschwenden ihre Zeit, indem sie sich an den unterschiedlichsten Trainingslehren versuchen, um ein passendes Programm für sich zu finden. Das vorliegende Buch gibt Einblick in den menschlichen Körper und seine Funktionsweise, und zwar so, dass interessierte Leser weder abgeschreckt noch irritiert werden.
Auch Verletzungsprävention ist ein wichtiges Thema in diesem Buch. Wenn Sie schon frühzeitig effiziente und effektive Trainingskonzepte anwenden, können viele Verletzungen vermieden werden, die durch einen unausgeglichenen Ansatz, schlechte Trainingsmethoden und mangelnden Abbau von Defiziten entstehen. Verletzungsprävention ist kein allzu beliebtes Thema, die diesbezügliche Forschung ist schwierig und Thesen schwer zu beweisen (viel schwieriger als Ideen zur Leistungssteigerung). Im vorliegenden Buch habe ich verschiedentlich einige Hinweise gegeben, wie man Frühwarnzeichen potenzieller Verletzungen erkennt. Nicht alle Verletzungen lassen sich vermeiden, denn Sport und Wettkampf pushen den Körper über seine Grenzen hinaus. Zahlreiche Verletzungen sind jedoch vermeidbar, insbesondere jene, die beim Konditionstraining auftreten. Eine Verletzung kann den Verlauf einer Sportkarriere nachhaltig beeinflussen – der Sportler kann ein Stipendium, den Bonus für eine Vertragsunterzeichnung oder seinen Kaderplatz verlieren.
Bei der Entwicklung meines Programms habe ich sehr auf seine Vollständigkeit geachtet, das heißt einen ganzheitlichen Ansatz verfolgt, der möglichst alle Aspekte berücksichtigt. Viele Programme liefern vielleicht schnelle Resultate in einem Aspekt der sportlichen Leistung, vernachlässigen jedoch andere Aspekte. Ich hoffe, Sie sind nicht zu ungeduldig und werden die Informationen in diesem Buch verinnerlichen und langsam in Ihre aktuelle Trainingsroutine einbauen. Und ich hoffe, dass Sie das Geheimnis des Erfolgs nicht aus den Augen verlieren – Kontinuität und harte Arbeit. Idealerweise zielen diese Kontinuität und die harte Arbeit in die richtige Richtung. Dabei wird Ihnen dieses Buch als ratgebender Trainer im Hintergrund helfen. Das Buch wird Sie ständig daran erinnern, sich, ohne nachzulassen, auf Ihre Ziele zu konzentrieren und mit Geduld das gesamte Programm abzuarbeiten.
Willkommen zu dieser Reise!
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg!
* Anmerk. d. Übersetzers/Lektors: Mit dem Begriff Kondition werden – entgegen der allgemeinsprachlichen Assoziation von Kondition = Ausdauer alle Trainingsinhalte bezeichnet, deren Ziel es ist, die sportliche Leistungsfähigkeit zu vergrößern. Die sportliche Kondition setzt sich in einer engeren Begriffsbestimmung zusammen aus dem Leistungsvermögen bezüglich Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit und Beweglichkeit. Nach Jürgen Weineck: Optimales Training, 2010.
Dies ist kein beliebiges Buch über Fitnesstraining. Im Unterschied zu allen anderen Autoren möchte ich den Schwerpunkt auf das Verständnis und die Erstellung von Trainingsprogrammen legen, die genau auf die jeweiligen Athleten abgestimmt sind – und nicht umgekehrt. Der Sportler selbst ist die beste Ausgangsbasis bei der Entwicklung eines vernünftigen Trainingsprogramms. Warum das so wichtig ist? Fitnesstrends kommen und gehen. Einige funktionieren, andere nicht. Viele Sportler probieren bestimmte Programme aus, weil sie ihnen von Freunden, Trainingspartnern, Mannschaftskameraden oder ihren Sportidolen empfohlen werden. Sie halten sich an Artikel in Magazinen, in denen Übungen ›recycelt‹ und für jede Unpässlichkeit, jedes Problem und jede Körperpartie neu verpackt werden. Sie kaufen spezielle und meist teure Ausrüstungen, weil sie glauben, dass es in unserem technologischen Zeitalter geheime Methoden geben muss, um besser oder schneller zu trainieren. Doch selbst wenn ein Sportler über eine Methode ›stolpern‹ sollte, die für ihn das richtige Training zu sein scheint, wie kann er sicher sein, dass keine wichtige Komponente fehlt? Mit welcher Bewertungsmethode kann man entscheiden, was ein auf den Sportler angepasstes Trainingsprogramm beinhalten muss? Der angebliche Wert einer Übung basiert häufig einzig darauf, wie sehr der trainierte Muskel nach der Belastung ›brennt‹. Das Programm ist vielleicht wissenschaftlich erarbeitet, die Evaluation ist es nicht!
Viele Fitnessprogramme sind eine Mischung aus Fakten und Fantasie, vorgefassten Meinungen, Werbung, Medienhype und persönlichen Anekdoten. Letztendlich müssen sich Sportler und Trainer durch all diese Angebote kämpfen, um zu entscheiden, wie sie ihre Trainingszeit am sinnvollsten nutzen wollen. Das vorliegende Buch liefert die Werkzeuge für eine effektive Bewertung Ihrer Fähigkeiten und Potenziale und für die Entwicklung eines ausgewogenen Trainingskonzepts, das in der verwirrenden Vielfalt von Trainingsoptionen als Leitfaden dient. Sie werden lernen, wie Sie Bewegungsabläufe verfeinern können, um Ihr volles Potenzial auszuschöpfen… Das Buch wird Ihnen zeigen, wie Sie Ihre Übungen auf die Ergebnisse der vorangegangenen Testreihen abstimmen können. Dazu werden Sie Ihre Bewegungsmuster exakt bewerten. Der Fokus auf Bewegungen, nicht Muskeln wird sich wie ein roter Faden durch dieses Buch ziehen.
Jetzt stehen wir also an der Startlinie. Das mag angesichts des Ausmaßes der vor uns liegenden Aufgabe entmutigend erscheinen. Sehen Sie das Ganze als Reise. Dr. Steven Covey, der Autor von »Die 7 Wege zur Effektivität«, beschreibt es folgendermaßen: Um eine Reise effizient und effektiv zu gestalten, brauchen Sie eine Uhr und einen Kompass. Wenn Sie nur auf die Uhr sehen, jedoch nicht auf den Kompass, legen Sie eine tolle Zeit hin, kommen jedoch am falschen Ort an. Wenn Sie nur auf den Kompass sehen, kommen Sie am Ende auch am richtigen Ort an, aber es dauert eventuell zu lang.
Für Ihre Reise brauchen Sie zunächst einmal eine Landkarte zur Routenplanung. Zweitens müssen Sie diese Karte korrekt lesen und interpretieren. Schließlich müssen Sie die erforderlichen Schritte in der richtigen Reihenfolge ausführen, um die Reise auch physisch (also in der Realität) zu bewältigen.
Um die ›Route‹ Ihres persönlichen Trainings zu planen, müssen Sie einige körperliche Gesetzmäßigkeiten kennen und Ihre persönlichen Grenzen berücksichtigen: die Gesetze der Physiologie, die die Funktionen des menschlichen Körpers bestimmen, und das neuromuskuläre System, von dem abhängt, wie der Körper auf Kraft- und Konditionstraining anspricht. Diese Gesetze und Grenzen müssen Sie bei Ihrer Routenplanung berücksichtigen. Jedem Sportler sind körperliche Grenzen bezüglich Zeit, Raum und Begabung gesetzt. Die richtige Untersuchungsmethode (die richtige Testreihe) wird Ihnen zeigen, wo Sie stehen, und Sie beim Festlegen erreichbarer Zwischen- und Endziele unterstützen. Das Buch wird Ihnen diese Testreihen und die zugehörigen Übungen genau erklären, insbesondere wo sie auf der Reise effektiv eingesetzt werden.
Um Ihren Routenplan richtig zu lesen, benötigen Sie ein beständiges, objektives Feedback und eine festgelegte Testreihe, der Sie Schritt für Schritt folgen können. Hier geht es um das Tempo der Reise. Spezialisten auf dem Gebiet des Konditionstrainings nennen das Periodisierung: Damit soll sichergestellt werden, dass der Sportler zum richtigen Zeitpunkt, meist bei einem wichtigen Turnier oder Spiel, seinen Leistungshöhepunkt erreicht. Leicht passieren Fehler durch eine Fehlinterpretation des Plans oder wenn Sie durch einen Abschnitt der Reise hetzen und dadurch in einem anderen Abschnitt hinter den Anforderungen zurückbleiben.
Die Schritte Ihrer Reise müssen in der richtigen Reihenfolge ausgeführt werden. Bei der Reise selbst geht es um den physischen Akt, die täglich erforderlichen Schritte zu unternehmen, um vorwärtszukommen und konditionsbezogene Ziele zu erreichen.
In diesem Buch stelle ich Testreihen zur Bewertung Ihrer Fitness anhand von festgelegten Kriterien vor. Hinzu kommen effizient-effektive Methoden, mit denen Sie Ihre Leistung steigern können, indem Sie an den Grundlagen Ihrer Kondition arbeiten. Außerdem weise ich auf grundlegende Bausteine der menschlichen Leistungsfähigkeit hin, die häufig übersehen werden. Mit diesen grundlegenden Kriterien lässt sich erklären, warum manche Verletzungen sich lange hinziehen, während andere rasch verschwinden, und warum manche Sportler durch Krafttraining bessere Leistungen erreichen, andere hingegen nur an Körpermasse zulegen, ohne Veränderung der Leistungsfähigkeit oder sogar mit einer Verschlechterung.
Die meisten Programme werden entwickelt, ohne alle erforderlichen Informationen mit einzubeziehen, wodurch mehr dem Zufall überlassen wird als nötig. Eine Reise ohne Karte mag manchmal Spaß machen, aber sie wird Sie meistens nicht an das gewünschte Ziel bringen. Die Testreihen in diesem Buch tragen zu einer Standortbestimmung bei (die präzisen Angaben, die für eine vollständige Routenplanung erforderlich sind) und helfen Ihnen, Ihre Stärken und Schwächen zu identifizieren. Die meiste Zeit werden wir uns mit der Verbesserung der Schwachstellen beschäftigen. Bei vielen Trainings- und Konditionskonzepten liegt der Schwerpunkt auf der Maximierung der Stärken, sinnvoller ist es jedoch, die Schwächen anzugehen und an den Problembereichen zu arbeiten.
Früher oder später werden die ignorierten Schwächen in Ihrem Alltag, Training oder Wettkampf zutage treten, eine Vernachlässigung Ihrer Schwachstellen ist also langfristig keine gute Idee. Im vorliegenden Buch erkläre ich, weshalb ein Schwachpunkt das Verletzungsrisiko steigern und Ihre Leistung negativ beeinflussen kann. Lösen Sie Probleme, sobald Sie sie entdecken, und denken Sie stets daran: Auf dem Weg zum Erfolg gibt es keine Abkürzung!
Das Level, auf dem man in das Trainingsprogramm einsteigen soll, wird im Buch vorgegeben. Durch die Abfolge der einzelnen Schritte wird Ihnen klar werden, wie die einzelnen Stufen aufeinander aufbauen, wie Sie Ihre Fortschritte stabilisieren und das Programm an Ihre spezifischen Bedürfnisse anpassen können. Sie haben die Kontrolle, Sie behalten sie, und – am wichtigsten – Sie verstehen, warum Sie was tun.
Es existiert eine Anekdote aus dem antiken Griechenland, mit der sich die modernen Prinzipien des Konditionstrainings und der Wettkampfvorbereitung gut veranschaulichen lassen. Sie handelt von einem Olympioniken namens Milo. Anders als heutige Sportler verwendete Milo im Training weder Metallgewichte, noch hatte er spezielle Geräte zur Verfügung. Stattdessen legte Milo mit einem kleinen Kalb in seinen Armen jeden Tag eine bestimmte Strecke zurück. Das Kalb wuchs zu einem Bullen heran, und Milo trainierte weiter. Am ersten Tag der Olympischen Spiele ging Milo dann die Laufbahn mit einem mittlerweile ausgewachsenen Bullen auf den Armen ab. Diese Anekdote kann uns auch heute noch einiges lehren.
Erstens: Jedes Training sollte progressiv aufgebaut sein. Milo begann sein Training ja auch nicht gleich mit einem ausgewachsenen Bullen. Seine Trainingsintensität nahm in dem Maße zu, wie das Kalb heranwuchs. Ich bin mir sicher, dass auch Milo an manchem Tag müde war oder das Gefühl hatte, er hätte härter trainieren können. Trotzdem wuchs mit jedem Trainingstag auch die Belastbarkeit seines Körpers. Er durchlief die notwendige körperliche Anpassung, um am Ende seines Trainingszyklus, bei seinem olympischen Debüt, eine großartige Leistung zu vollbringen.
Zweitens: Training muss zielorientiert, das heißt entweder auf ein Datum oder eine Veranstaltung ausgerichtet sein. Milo plante sein Training, um bei den Olympischen Spielen seinen Höhepunkt zu erreichen. Vielleicht suchte er sogar ein Kalb aus, das just zu diesem Zeitpunkt voll ausgewachsen sein würde. Damit bewies er Voraussicht und Zielstrebigkeit. Denn selbst das beste Trainingsprogramm hat wenig Wert, wenn der Leistungshöhepunkt nicht zum Zeitpunkt des Wettkampfs erreicht wird. Deshalb greifen Trainer üblicherweise auf das Instrument Periodisierung zurück, um ihre Trainingsprogramme auf einen Zeitpunkt oder einen bestimmten Wettkampf in der Zukunft auszurichten. Das Training wird gewöhnlich in Zyklen eingeteilt, die der Saisonplanung des jeweiligen Sports folgen. Normalerweise gibt es eine Saisonpause = Übergangsperiode, eine Vorbereitungsperiode und die Wettkampfperiode selbst. Durch periodisiertes Training erreichen körperliche Leistungsfähigkeit und sportliche Fertigkeiten dann ihr Maximum, wenn sie am meisten benötigt werden, nämlich zu den Saisonhöhepunkten, den Wettkämpfen. Man kann zwar sein ganzes Leben lang eine gute Kondition aufrechterhalten, niemand kann jedoch pausenlos in körperlicher oder geistiger Höchstform bleiben. Betrachten Sie das Training also als einen Kreislauf aus Aufbau, Wettkampf und Neuaufbau.
Drittens: Ein gutes Training erfordert Weitsicht. Milo besaß diese Weitsicht und war zudem realistisch in seiner Trainingsplanung. Deshalb begann er mit einem Kalb, nicht mit einem Bullen. Einen Bullen hochzuheben ist ja fast unvorstellbar, mit ihm eine Strecke abzulaufen noch mehr. Andererseits ist es durchaus vorstellbar, ein Kalb zu tragen. Am ersten Trainingstag war Milo weder körperlich noch geistig in der Lage, einen Bullen zu stemmen, aber er war zuversichtlich und extrem zielorientiert. Beim täglichen Training dachte er auch nicht an das Gewicht des Bullen oder die Länge der zurückzulegenden Strecke. Er konzentrierte sich einfach auf das Kalb, das eigentlich genauso aussah wie am Tag zuvor und das auch am nächsten Tag wieder genauso aussehen würde. Das Training machte ihm keine Angst, es wurde vielmehr einfach ein Teil seiner täglichen Routine.
Damit wird klar: Training beinhaltet eine körperliche Belastung, die über einen bestimmten Zeitraum geleistet werden muss, um Wachstum, Entwicklung und Leistungsverbesserung in Hinblick auf die Erfüllung einer Aufgabe zu ermöglichen (progressives Training). Dazu ist Planung erforderlich: Sie müssen wissen, wann Ihre Höchstleistung erforderlich sein wird und wie Sie sie erreichen können (Periodisierung). Dabei ist die Psychologie ebenso wichtig wie die Physiologie: Welchen Stellenwert nimmt das Training in Ihrem Leben ein? Was sind Sie bereit, im Rahmen Ihres Programms zu leisten (Vision und Weitsicht)? Diese Punkte sind genauso wichtig wie die Übungen selbst. Sie müssen Vertrauen in Ihr Trainingsprogramm haben. Man glaubt nur, was man sieht; das Ergebnis des Trainings können Sie jedoch erst erkennen, wenn Sie zuvor Vorbereitung, Zeit und Aufwand effektiv eingesetzt haben. Es stellt sich also die Frage: Muss man sehen, um zu glauben, oder muss man erst glauben, um zu sehen? Nehmen Sie sich ein Beispiel an Milo. An erster Stelle stand sein Glaube an das Ziel, und dann vollbrachte er etwas, das niemand zuvor gesehen hatte.
Erkenne dich selbst!
Inschrift am Apollo-Tempel in Delphi aus dem
6. Jahrhundert v. Chr.
Im Sport dreht sich alles um die Bewegungen unseres Körpers. Um den größten Nutzen für Ihr Training aus den folgenden Kapiteln herauszuholen, ist ein generelles Verständnis der Funktionsweise des menschlichen Körpers und seiner Systeme erforderlich. Grundlage aller Tests und Übungen in diesem Buch ist die Art und Weise, wie der Körper Bewegungen auslöst, wahrnimmt und optimiert. Das Verständnis der Funktionsweise des eigenen Körpers erklärt dem Sportler Sinn und Zweck dieser Tests und Übungen.
Der häufigste Trainingsfehler, der mir im Profi- wie aber auch im Amateursport aufgefallen ist, hat mit der Schwerpunktsetzung zu tun. Meist wissen die Sportler mehr über ihre Trainingsprogramme als über ihren eigenen Körper und ihre Bewegungsabläufe. Im medizinischen Bereich würde das einem Patienten entspre-chen, der mehr über Medikamente weiß als über die Krankheit, die sie heilen oder behandeln sollen.
Viele der im Sport gebräuchlichen Bewertungs-tools und -tests haben keine direkte Auswir-kung auf die Trainingsprogramme. Mit den gewonnenen Daten werden zwar Profile für jeden Athleten erstellt, sie werden aber nicht dazu herangezogen, das Programm leistungsfördernd und individuell an den jeweiligen Athleten anzupassen. Ein Sportler, der seine individuellen Testergebnisse weder kennt noch versteht, hat keine Möglichkeit, seine Fortschritte zu überprüfen und sein Trainingsprogramm dementsprechend zu überarbeiten.
In den nun folgenden Kapiteln werde ich Ihnen eine neue Methode erklären, mit der Sie die Informationen aus den Tests optimal für Ihr Konditionstraining verwenden können. Die Untersuchungsergebnisse sind so zusammengestellt, dass der betreffende Sportler auch versteht, was die Ergebnisse bedeuten und welche Schwächen sie offenbaren. In den einzelnen Blöcken (Teil II bis IV) werden dann Trainingsprogramme vorgestellt, die sich auf die Tests in demselben Block beziehen. Kurz – die Lösung wird direkt nach der Diagnose des Problems geliefert.
In der Computerfachsprache wird ein großer Unterschied zwischen Hardware und Software gemacht. Anhand dieser Unterteilung kann man ebenfalls verdeutlichen, wie der Körper Bewegungen auslöst, wahrnimmt und perfektioniert. Der Begriff Hardware bezieht sich auf die Komponenten der realen Maschine; Software hingegen bezeichnet die Programme (Befehle oder Anweisungen), die es der Maschine ermöglichen, die von ihr geforderte Aufgabe zu erfüllen. Wenn wir über den menschlichen Körper sprechen, einschließlich seiner Muskeln, Gelenke, Bänder und aller anderen Körperteile, so sprechen wir quasi von der Hardware des Körpers. Diskutieren wir die Motorik oder Motorische Programme, so befinden wir uns auf dem Gebiet der Software des Körpers.
Mit dem Begriff Motorische Programme beschreibt man »Methoden«, die das Gehirn einsetzt, um Bewegungsinformationen möglichst sparsam und flexibel zu speichern. Wenn Sie zum Beispiel Rad fahren, einen Golfschläger schwingen oder einen Freiwurf beim Basketball ausführen, dann entwickeln Sie hierfür ein Motorisches Programm, mit dem Sie diese Tätigkeit beliebig oft reproduzieren können, ohne jedes Mal die Bewegung an sich erneut erlernen zu müssen.
Das Motorische Programm ist für den Köper eine Möglichkeit, Energie und Speicherplatz zu sparen. Das Gehirn entwickelt dazu eine spezifisch programmierte Abfolge von Bewegungen, speziell ausgerichtet auf den jeweiligen Körper und die bezweckte Tätigkeit. Damit wird erreicht, dass nicht jedes Mal, sobald eine Bewegung ausgeführt werden soll, alle Einzelkomponenten dieser Bewegung neu kombiniert werden müssen. Beispiel: Immer wenn Sie auf die Driving Range gehen, können Sie im Gehirn die »Datei« über den Golfschlag öffnen, ohne die komplexe Schlagbewegung aus ihren Einzelbewegungen zusammensetzen zu müssen. Je öfter ein Motorisches Programm angewendet wird, desto effizienter wird es und umso besser ist das Feintuning der Bewegung. Profisportler entwerfen Motorische Programme, die so hoch entwickelt sind, dass sie sie auch unter wechselnden Bedingungen und hochgradigem physischen wie auch mentalen Stress noch effektiv abrufen können.
Das Gehirn setzt ein Motorisches Programm, zum Beispiel für einen Golfschlag, aus einer Abfolge von Einzelbewegungen zusammen, wodurch der Sportler effizienter auf diese Bewegungsabfolge zugreifen kann.
Also alles eine Frage der Übung? Nicht notwendigerweise. Wird ein Bewegungsablauf in schlechter formaler Technik trainiert, so wird diese schlechte Ausführungsform mit dem Motorischen Programm abgespeichert. Übung allein führt nicht zur Perfektion; nur perfekte Übung macht uns zum perfekten Sportler.
Motorische Programme können allgemein oder spezifisch angelegt sein. Allgemeine oder grundlegende Motorische Programme ähneln sehr dem Standard-Betriebssystem eines Computers. Spezifische Motorische Programme beziehen sich auf spezielle sportliche Abläufe. Kinder bedienen sich aus einem Pool allgemeiner Bewegungen, die ihrer geistigen und körperlichen Entwicklung dienen. Fast alle Kinder folgen dabei demselben Entwicklungsweg bzw. derselben Abfolge von Bewegungen vom Krabbeln bis zum Gehen. Das allgemeine Motorikprogramm ist allen Menschen gemeinsam; spezifische Motorische Programme sind jedoch für jeden Menschen einzigartig und basieren auf Alter und Erfahrung. Das grundlegende Motorische Programm (das allgemeine Programm menschlicher Bewegung) stellt die Plattform dar, auf der die spezifischen Motorischen Programme (sportartspezifische menschliche Bewegungen) ablaufen können. Das allgemeine Programm oder Bewegungskonzept ist also der Bezugsrahmen für grundlegende Bewegungen und enthält Informationen wie:
Sportartspezifisches Konditionstraining
John Wooden, der berühmte Basketballtrainer an der UCLA, der University of California in Los Angeles, hatte kein formal festgelegtes Konditionstrainingsprogramm. In seinen Trainingseinheiten baute er zahlreiche Stationen auf, an denen jeweils Teilbereiche basketballerischer Fertigkeiten trainiert wurden. Jede Station forderte ausnahmslos kurze schnelle Übungsabfolgen, um die Spieler zu zwingen, bei der Ausführung auf eine saubere Technik und trotzdem auf eine gleichbleibende Leistung zu achten. Auf sein Kommando per Trillerpfeife sprinteten die Spieler zur nächsten Station. Wenn sie außer Atem und ermattet dort ankamen, mussten sie wiederum eine Übung auf hohem Niveau absolvieren – und so weiter von Station zu Station.
John Woodens Ansatz stellt ein grundlegendes Element des Sports dar, das heutzutage oft vergessen wird. Wir spalten das Training zu sehr in Einheiten auf: Es gibt eine Krafttrainingseinheit, eine Sprinteinheit, eine Schnelligkeitseinheit. Dazu noch Sportmassage, und dann und wann denken wir auch ans Stretching. Zu noch anderer Zeit arbeiten wir an der Technik oder simulieren Wettkampfsituationen. Dadurch verwirren wir unser Gehirn. Im Wettkampf braucht der Sportler alles gleichzeitig und in perfekter Kombination. Man kann nicht im Training alles in Einheiten unterteilen und erwarten, dass das Gehirn im Wettkampf alles richtig zusammensetzt.
Motorische Programme können zum ersten Mal beobachtet werden, wenn ein Kind beginnt, sich zu bewegen, ganz gleich, ob es sich um die Längsachse rollt, krabbelt oder geht. Die meisten Kinder lernen zu gehen, lange bevor sie verständlich verbal kommunizieren können und bevor sie eine ausreichende Beobachtungsgabe entwickeln, um solch eine komplexe Bewegung einfach nachzuahmen. Folglich wird das Gehen durch (Er-)Fühlen und Ausprobieren erlernt und nicht durch verbale Kommunikation oder Beobachtung anderer. Diesen Zusammenhang zu verstehen ist sehr wichtig. Denn wenn ein Sportler versucht, neue Bewegungsmuster zu erlernen, erhält er von einem Trainer oder Trainingspartner meist eine Anleitung in Sprachform oder bekommt die Bewegung vorgeführt, anstatt sie selbst »erfühlen« zu können. Die Sprache der Bewegung ist jedoch haptisch, das bedeutet durch Fühlen und Tasten definiert. Dieses Erfühlen wird als körperliche Eigenwahrnehmung oder Propriozeption bezeichnet. Es entspricht der Art und Weise, wie der Körper Berührungen und Bewegungen spürt oder wahrnimmt. Das soll nicht heißen, dass Sprache nicht hilfreich für das Feintuning oder die Weiterentwicklung von Bewegungen im Sport wäre. Es ist jedoch wichtig, Bewegungen – wann immer möglich – durch das Bewegen an sich zu erlernen.
Wenn ein bewegungsbezogenes Problem besteht, sind Hardware und Software gleichermaßen zu berücksichtigen. Man geht allgemein davon aus, dass mit genügend Übung die Software bzw. das Motorische Programm weiterentwickelt und verbessert werden kann. Das mag stimmen, falls die Hardware optimal funktioniert. Man kann jedoch nicht davon ausgehen, dass ein Athlet sich in optimaler Form befindet, nur weil er hart trainiert. Der Sportler bildet vielleicht Muskeln aus und verbessert seine Ausdauer, aber wie sehen seine Bewegungsmuster aus? Ein Athlet definiert sich nicht über sein Aussehen, sondern über seine Art, sich zu bewegen. Modernes Krafttraining mit Gewichten hat zum Beispiel häufig mehr mit Bodybuilding zu tun als mit sportlicher Leistung und verbesserten Bewegungsabläufen. Ein Sportler muss vernünftige Bewegungsmuster entwickeln, lange bevor er sich Sorgen um Leistungsverbesserungen machen sollte. Diese Bewegungsmuster sind allerdings nicht ausführbar, wenn der Sportler in seiner Beweglichkeit oder Körperbeherrschung eingeschränkt ist, wenn er also schlechte Werte hinsichtlich Mobilität und Stabilität erzielt.
John Wooden baute sein Konditionstraining in seine Technikeinheiten ein. Ihm ging es darum, das Konditionstraining im Techniktraining zu »verstecken« und die Trainingsintensität anhand von wettkampfähnlichen Situationen zu erhöhen. Wooden war hochgradig intuitiv und effizient in dem, was er tat. Eines seiner Zitate lautet: »Wenn wir auf ein technisch ebenbürtiges Team treffen, werden wir immer siegen, weil wir die bessere Kondition haben.« Seine Spieler hatten keine bessere Kondition, weil sie mehr Zeit mit »fliegenden« Steigerungsläufen (kurzen, intensiven Steigerungsläufen aus dem Trablauf), also mit kurzen anaeroben Einlagen, oder mehr Zeit im Kraftraum verbrachten. Sie hatten eine bessere Fitness (Kondition), weil sie es gewöhnt waren, zu rennen, zu sprinten und rasch zwischen den verschiedenen technischen Fertigkeiten zu wechseln und diese dabei trotzdem korrekt auszuführen. Dadurch verschwindet die Trennlinie zwischen Konditions- und Techniktraining. Woodens Methodik integrierte sogar die vielen kurzen Pausen, die Teile jedes normalen Spiels sind – Pausen, die man zur aktiven Erholung und erneuten Konzentration nutzen kann. Das lehrt den Sportler vernünftiges Zeitmanagement: Komme zu Atem, wenn du die Gelegenheit hast. Entspanne dich, wann immer möglich. Mit den Worten von John Wooden: »Sei schnell, aber überstürze nichts.«
Menschliche Gelenke bewegen sich zwar ähnlich wie mechanische, kommen jedoch ohne starre Achsen oder Bolzen aus, sie drehen sich um einen Mittelpunkt. Ein Gelenk wird auf zweierlei Art zusammengehalten: durch den Bandapparat und die Muskeln, die es umgeben. Gewöhnlich gibt es je ein Band, um das betreffende Gelenk in jeder Richtung zu unterstützen, in die es sich natürlicherweise bewegen kann. Das Gelenk ist komplett von der Gelenkkapsel umschlossen und geschützt. Die Gelenkschmiere (Synovia) innerhalb der Gelenkkapsel dient sowohl der Schmierung als auch der Nährstoffversorgung des Knorpels, des weicheren Materials an den Enden der in das Gelenk mündenden Knochen.
Der zweite und aktive Stützapparat ist das komplexe Netz aus Muskeln, die das Gelenk umgeben. Sie lassen sich in zwei Kategorien unterteilen: Muskeln, die hauptsächlich das Gelenk stabilisieren, und solche, die das Gelenk bewegen. Die stabilisierenden Muskeln bilden gewöhnlich die erste Muskelschicht um das Gelenk (die Tiefenmuskulatur). Vereinfacht, pressen diese Muskeln das Gelenk zusammen und stützen es, sobald es bewegt oder belastet wird. Man spricht häufig auch von Haltemuskulatur, weil diese Muskeln für die Körperhaltung und die Stabilisierung der Gelenkstellung bei Bewegungen verantwortlich sind. Nachdem die Haltemuskeln ihre Rolle erfüllt haben, ziehen die größeren Muskeln, auch Primärmuskulatur genannt, das Gelenk in eine bestimmte Richtung. Dies geschieht durch Kontraktion (Zusammenziehen) der Muskeln.
Zwischen Gelenk, Bänderapparat und Muskeln existiert ein extrem komplexes Kommunikationssystem, damit sie zum Schutz des Gelenks zusammenarbeiten können. Die Bänder verlaufen aus zwei Gründen in der Belastungsrichtung: Erstens schützen die Bänder das Gelenk, indem sie Zugfestigkeit bieten, damit das Gelenk nicht auseinandergezogen werden kann. Zweitens verfügen die Bänder über kleine Sensoren, welche die Zugbelastung respektive den Spannungszustand überwachen. Wird ein bestimmter Grenzwert erreicht, werden die Muskeln aktiviert, um das Gelenk zu schützen.
Diese Sensoren in der Gelenkkapsel und im Knorpel liefern Informationen über den Zustand und die Stellung des Gelenks sowie Geschwindigkeit und Richtung der Bewegung an unser Gehirn. Auch die Muskeln verfügen über solche Sensorzellen, die Muskelspindeln. Sie halten den Muskel in einem Stand-by-Zustand (eine Art reaktionsbereite Wachsamkeit), indem sie permanent die anliegende Spannung überwachen. So kann der Muskel entspannt (relaxiert) oder zusammengezogen (kontrahiert) werden, wodurch die eigentlichen Bewegungen entstehen können. All dies geschieht automatisch in Form von Reflexen, es sind also keine bewussten Denkprozesse dazu erforderlich. Gelenke und Muskeln arbeiten folglich in einer Art Autopilot, um den Körper zu schützen und effiziente Bewegungsabläufe zu ermöglichen. Die von ihnen gelieferten Informationen spielen eine wesentliche Rolle für die Propriozeption.
Diese Eigenwahrnehmung erfolgt über das sensorische System, das für Sinneswahrnehmungen zuständig ist. Letzteres liefert Ihnen nicht nur Informationen dazu, was vorgeht, sondern ermöglicht auch den »Automatikbetrieb« des Körpers. Ein großer Teil der Muskeln im Körper reagiert automatisch. Sie sind vollständig von den Funktionen des sensorischen Systems abhängig.
Lange Zeit sah man den Körper als bloßes Vehikel oder Behelfsmittel für Bewegungen an. Heute wissen wir, dass der Körper auch äußerst sensibel auf Input von außen reagiert. Der ganze Körper ist ein einziger großer sensorischer Organismus, der Feineinstellungen aufgrund erhaltener Informationen vornimmt. Wenn die Muskulatur verspannt oder schwach ist oder wenn Gelenke steif oder instabil sind, werden diese Informationen verzerrt. So kommt es auch zu einer »Verzerrung« der automatischen Reaktionen. Das kann Leistungsbeeinträchtigungen sowie Ermüdungserscheinungen nach sich ziehen und den Körper unnötigem Stress aussetzen.
Die Tests und Übungen im vorliegenden Buch werden Ihnen helfen, besser zu verstehen und zu erfühlen, wie Ihr Körper funktioniert. Schließlich lernen Sie dadurch, wie Sie Ihren Körper am besten trainieren. Wer »mitspielen« will, muss erst die Spielregeln kennen.
Beim Sport geht es häufig um das Überwinden von widrigen Umständen. Durch Niederlagen und Verletzungen, die keinem Sportler erspart bleiben, werden Athleten geformt oder aber zerstört. Doch durch objektive Betrachtung, rationale Beurteilung und entsprechende Maßnahmen lassen sich Niederlagen und Verletzungen in Vorteile umwandeln. Den Vorteil, Schwächen zu entdecken und mehr über sich selbst zu lernen. Es gibt sie in jedem Sport – die jungen, schmächtigen oder durchschnittlichen Athleten, die mit älteren, größeren oder besseren trainieren bzw. gegen sie antreten müssen. Diese Sportler werden jeden Tag mit ihrer »Schwache« konfrontiert, was ziemlich entmutigend sein kann. Ein Sportler, der sich in solchen Situationen objektiv verhält und überlegt handelt, kann sich hingegen selbst gegen scheinbar übermächtige Gegner durchsetzen.
Ein Beispiel: Ein Basketballspieler tritt gegen einen Gegner gleicher Größe und Stärke an, der ihm jedoch in puncto Technik und Leistung überlegen ist. Wie zu erwarten, verliert der technisch schlechtere Spieler alle Spiele. Anfangs lässt er sich entmutigen, dann erkennt er aber, wie unproduktiv seine Mutlosigkeit ist, besinnt sich auf seine Cleverness und betrachtet die Situation objektiv.
»It’s the way that creates the warrior.«
[in etwa: Nur im Kampf wird man zum Helden.] Dan Millman*
Sein Gegner besitzt eine höhere Sprungkraft, ihre Werte bei Beschleunigung (Antritt) und Schnelligkeit sind jedoch gleich. Der unterlegene Spieler verzeichnet im ersten und zweiten Viertel des Spiels einen 10%igen Unterschied in ihren jeweiligen Offensivfähigkeiten und eine 20%ige Diskrepanz in der Verteidigung. Im dritten und im letzten Viertel steigen die Werte sogar auf 40% im Angriff und 50% in der Verteidigung. Also scheint fortschreitende Ermüdung ein signifikantes Problem zu sein. Mit dieser Erkenntnis plant der schwächere Basketballspieler ein aggressives Konditionsprogramm. Zuerst baut er ein Intervalltraining mit Springseil und kurzen Steigerungsläufen ein. Hinzu kommen technische Übungen zwischen den Sprint- und Springseileinheiten. Dadurch verbessert sich nicht nur seine Ausdauer, sondern auch sein technisches Geschick in Angriff und Verteidigung. Er wird schließlich zu einem »kompletten«, mental und physisch starken Athleten. Indem er seine Schwächen in Angriff nahm, konnte er sie überwinden.
Wahrscheinlich fehlinterpretieren Trainer und Athleten Schwachstellen und Punkte, bei denen Energie verschwendet wird, mehr als alle anderen Themen im Sport. Jeder kann eine Verletzung nachvollziehen, wenn ein Athlet ausrutscht oder zwei Sportler zusammenprallen. Aber Sportler und Trainer sind immer wieder perplex, wenn ein Sportler wachsende Schmerzen in der Schulter beklagt oder wenn ihn bei jedem Training, also täglich, Rückenschmerzen plagen. Falls Krankheiten oder angeborene Beschwerden nicht die Ursache sind, gehen solche Schmerzen gewöhnlich auf Mikrotraumata, das sind winzige Gewebsverletzungen, zurück.
* Ehemaliger Trampolin-Weltmeister, Sportlehrer und Autor aus den USA