Reihe: Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, Band 21
Hrsg. von Claus Bernet
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© 2014 (Erstauflage), Claus Bernet.
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Berlin, 19.11.2016 (4. Auf.)
Edition Graugans, Berlin
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ISBN: 978-3-7386-7001-1
GG Wissenschaft ist ein Imprint der Edition Graugans, Berlin
In Öl sind einige der wertvollsten und besten Malereien zum Thema „Neues Jerusalem“ entstanden. Das Material und die Ausführung waren einst im Mittelalter teuer, daher haben sich damals nur talentierte Meister mit dieser Kunst beschäftigen können. Es sind klangvolle Namen europäischer Künstler darunter: Pacino di Bonaguida, Cenni di Francesco, Stefan Lochner, Rogier van der Weyden, Hans Memling, Biagio d’Antonio, Jan Provoost oder Jean Bellegambe. Eine mittelalterliche Besonderheit waren die großformatigen Gerichtstafeln: mit Bildern der Hölle und des Himmels sollten die Richter, die Angeklagten und die Kläger zu verantwortlichem Handeln ermahnt werden; ein Beispiel dafür ist die Weltgerichtstafel aus der belgischen Gemeinde zu Diest.
In der Frühen Neuzeit wurden Gerichtsszenen kaum einmal gemalt. Das Himmlische Jerusalem war auf Ölgemälden vor allem bei Darstellungen der Maria Immaculata im 16. und 17. Jahrhundert ein Thema, in Form der Civitas Dei oder als Himmelspforte (siehe dazu v.a. Band 14 der „Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem“). Auch hier können wieder Arbeiten bekannter Maler präsentiert werden, die oft aus dem hispanischen Raum stammen: Nicolás Borrás, Francesco Vanni, Andrea Bordone, Maestro de San Ildefonso oder Juan de Miranda.
Im 18. und 19. Jahrhundert wurde das Neue Jerusalem kaum einmal gemalt, die Arbeiten des Engländers John Martin (1789-1854) sind hier eine seltene, aber qualitativ hochstehende Ausnahme. Erst wieder ab den 1960er Jahren wurden Arbeiten in Öl, Aquarell oder Acryl geschaffen. Es sind renommierte Maler aus den verschiedensten Ländern der Erde: Marc Eliany aus Marokko, Josef de Ponte aus Ungarn, Bert Bouman aus den Niederlanden, Mauro Bigluce und Nicola Figlia aus Italien, Kim C. Massey aus Korea, Horacio Vodovotz aus Argentinien, Caillaud d’Angers und Anne Poupard aus Frankreich, Peter Clare aus England, Lucy D’Souza-Krone aus Indien, Jean David aus Israel, Aibek Begalin aus Kasachstan, Matej Metlikovič aus Slowenien, Lode Keustermans aus Belgien oder Zahi Issa aus Syrien.
In Deutschland sind es vor allem Nikolaus Bette, Ernst Strom, Otto Herbert Hajek und Sieger Köder, der die mittelalterliche Tradition des Triptychons wieder aufgenommen hat (so in Rosenberg und in Bad Urach, in einem unverwechselbaren Stil, der vor allem in katholischen Kreisen beliebt ist). Auf evangelischer Seite gibt es dagegen nur wenige Künstler, die sich dem Thema des Himmlischen Jerusalem angenommen haben; eine Ausnahme ist hier der Schweizer Karl Imfeld mit einer interessanten Arbeit im Gemeindehaus Ahrensburg.
Der Stammbaum Jesse ist eine komplizierte Angelegenheit, auf dessen Einzelheiten hier nicht eingegangen werden kann. In einem Satz geht es darum, dass ein fiktiver Stammbaum Christi mit seinem Ursprung in der Person Jesses, des Vaters König Davids, bildlich wiedergegeben wird. Solche Stammbäume enden, wie auch hier, mit der Himmelskönigin Maria.
Pacino di Bonaguida, der diese Tafel gemalt haben soll, zeigt im oberen Teil jedoch nicht nur Maria zusammen mit Christus, sondern eine ganze Versammlung von Heiligen und Engeln in einer Architektur des Himmlischen Jerusalem. Insgesamt sind es vier Reihen von unterschiedlichen Personen, die über einem Mauerkranz aus Edelsteinen und Zinnen angeordnet sind. Eine solche Szene, die die Wurzeln der Herkunft von Jesus mit dem zukünftigen Ende jeglicher Art von Zeit und Geschichte verbindet, ist in der Darstellungsform „Wurzel Jesse“ selten, wenngleich überzeugend, weil dem Gegenstand thematisch angemessen.
Das Werk befindet sich heute in der berühmten Accademia delle belle arti in Florenz und wird von den überwiegenden Kennern florentinischer Malerei als Werk von Pacino di Bonaguida ausgewiesen. Kaum etwas mehr über diesen Menschen als der Name ist bekannt. Er verbrachte seine gesamte aktive Schaffenszeit zwischen 1302 und 1340 in Florenz, wo er Altargemälde schuf, aber auch Miniaturen und Dekorationen für illustrierte Manuskripte beisteuerte.
Richard Offner: Pacino di Bonaguida, a contemporary of Giotto, Portland 1922.
Otto Böcher: Zur jüngeren Ikonographie der Wurzel Jesse, in: Mainzer Zeitschrift, 67/68, 1972/73, S. 153-168. Laurence Kanter (Hrsg.): Painting and illumination in early Renaissance Florence 1300-1450, New York 1994.
Cenni di Francesco di ser Cenni (nachgewiesen zwischen 1369 und 1415) gestaltete um 1390 die Predella des Altares der Kapelle Santo Benedict in der Kirche Santa Trinità in Florenz. Der Altar ist dem Mönch Benedikt geweiht, während in dieser Szene der Heilige Laurenzius Menschenseelen vor dem Tod rettet und in ein Himmlisches Jerusalem führt, das ganz wie florentinische Architektur des Trecento gestaltet ist, mit gotischen Fenstern und Ornamentierungen. Es ist eigentlich eine Torszene, die zwei Personen zeigt, die in eine Pforte flüchten, ohne dass eine vollständige Stadt dargestellt ist, die auch ein unwissender Betrachter als Himmlisches Jerusalem erkennen könnte.
Das Werk befindet sich heute im J. Paul Getty Museum in Los Angeles. Wie auch dieses Werk bleibt das Leben di Francescos in großen Teilen unbekannt. Er ist zwischen 1369 und 1415 nachgewiesen, arbeitete vielleicht in Florenz. Die einzige signierte Arbeit von ihm befindet sich in einer Kirche von Volterra und stammt von 1410.
David Wilkins: Maso di Banco and Cenni di Francesco: A case of late Trecento revival, in: Burlington Magazine, 111, 791, 1969, S. 83-84.