Armin A. Wallas
Kleine Einführung in das Judentum
STUDIENVerlag
Innsbruck-Wien-München-Bozen
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Wallas, Armin A.: Kleine Einführung in das Judentum / Armin A. Wallas. - Innsbruck ; Wien ; München : Studien-Verl., 2001
ISBN 3-7065-5798-6
© 2001 by StudienVerlag Ges.m.b.H., Erlerstraße 10, A-6020 Innsbruck
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Vorwort
I. |
Grundbegriffe des Judentums |
II. |
Symbole des Judentums |
III. |
Jüdische Festtage |
IV. |
Jüdischer Lebenslauf |
V. |
Hebräisches Alphabet |
VI. |
Eine Auswahl wichtiger Begriffe von A bis Z |
VII. |
Literaturhinweise |
VIII. |
Register |
Missverständnisse, Unwissen und Fehlurteile prägen nur allzu oft den öffentlichen Diskurs, wenn über „das Judentum“ gesprochen wird. Dies betrifft nicht nur die Einbeziehung dieses Themas in den Schulunterricht, sondern auch viele Formen der medialen Vermittlung. Fehlurteile leiten sich zumeist aus mangelnder Kenntnis ab, vielfach jedoch aus der jahrhundertelangen Tradition der vom Christentum durchgeführten Umdeutung seiner jüdischen Ursprünge wie auch aus der ebenso langen Geschichte antijüdischer Stereotypen- und Vorurteilsbildung.
Die hier vorgelegte Kleine Einführung in das Judentum dient einer ersten raschen Information über grundlegende Begriffe des Judentums. Entstanden ist sie als Begleitbuch zu dem Themenheft „Jüdische Literatur“ der fachdidaktischen Zeitschrift ide – Informationen zur Deutschdidaktik (2001, Heft 2). Sie wendet sich jedoch nicht nur an LehrerInnen und SchülerInnen, sondern an alle, die sich in knapper, zusammengefasster Weise über die wichtigsten Themen, die mit jüdischer Religion und jüdischer Geschichte in Verbindung stehen, informieren wollen. Es werden die Grundelemente, die grundlegenden religiösen Schriften und die Symbole des Judentums ebenso beschrieben wie die wichtigsten Feste im Jahres- und Lebenslauf, es wird der Bedeutungsgehalt des hebräischen Alphabets erläutert und es wird in kompakter Form über religiöse und geschichtliche Begriffe informiert.
Es gilt, dem immer wieder feststellbaren Mangel an Kenntnissen der jüdischen Lebenswelt und der jüdischen Geschichte entgegenzuwirken. Dieses Defizit zu korrigieren, dient nicht nur einer umfassenderen Wissensvermittlung, sondern vor allem einer aufklärerischen Didaktik. Bedenkt man, dass Informationsdefizite nicht zuletzt für den Weiterbestand antisemitischer Stereotypen mitverantwortlich sind, so gewinnt das Vorhaben einer Einführung in das Judentum auch eine psychosoziale Dimension.
Über Begriffe wie „Judentum“, „jüdische Religion“ oder „jüdisches Volk“ gibt es zahlreiche Missverständnisse, die zumeist auf Informationsmangel, oft jedoch auch auf die Tradition (vielfach mit antijüdischer Stereotypenbildung einhergehender) christlicher Be- und Ver-Urteilungen des Judentums zurückgeführt werden können.
Zunächst stellt sich die Frage nach den Definitions-merkmalen des komplexen Begriffs „Judentum“. Das Judentum ist zwar eine Religion, aber nicht nur eine Religion. Von anderen Weltreligionen wie Islam oder Christen-tum unterscheidet sich das Judentum darin, dass Religion und Volkszugehörigkeit untrennbar miteinander verknüpft sind. Nach halachischer, d. h. religionsgesetzlicher Auffassung gilt als Jude bzw. als Jüdin, wer von einer jüdischen Mutter geboren wurde.
Vereinfacht gesagt, setzt sich das Judentum aus vier Komponenten zusammen, dem „Gott Israels“, dem „Volk Israel“, dem „Land Israel“ und der „Hebräischen Sprache“:
1. Der Gott Israels offenbart sich in der Bibel als universaler Schöpfergott und als ein spezifisch jüdischer (Volks-)Gott, der mit dem Volk Israel einen Bund schließt. Umschreibungen Gottes sind vielfältig. Der Gott Abrahams wurde als „El“ bzw. „El Schaddaj“ bezeichnet, erst Mose offenbarte sich der Name Gottes im Tetragramm JHWH (Jahwe) (vgl. Ex. 3,14). Im Judentum ist es jedoch verboten, den Namen Gottes auszusprechen, da nach religiöser Überzeugung im Namen auch das Wesen Gottes enthalten ist. Eine einzige Ausnahme gab es von dieser Regel: am heiligsten Tag des jüdischen Jahres – Jom Kippur (dem Versöhnungstag) –, am heiligsten Ort – dem Allerheiligsten im Tempel von Jerusalem –, war es der heiligsten Person – dem Hohepriester – erlaubt, den Namen Gottes auszusprechen. Ansonsten darf Gott nur in Umschreibungen genannt werden, beispielsweise Schaddaj (= Allmächtiger), Adonaj (= Herr), Ha-Schem (= der Name) oder Ha-Makom (= der Ort).
2. Das Volk Israel gilt nach biblischer Tradition als „Am JHWH“, d. h. als „Volk Gottes“, als Träger der göttlichen Offenbarung. Es wird mit dem Auftrag versehen, ein „goj kadosch“, d. h. ein „heiliges Volk“ zu sein (vgl. Ex. 19,6). Die „Auserwähltheit“ des Volkes Israel darf jedoch nicht als Privileg missverstanden werden, vielmehr leitet sich daraus eine besondere Verantwortung ab, die schwere Bürde, dem Bund mit Gott treu zu bleiben, Zeuge für die göttliche Offenbarung und anderen Völkern ein Vorbild zu sein. Zwischen dem Gott Israels und seinem Volk besteht ein Bund (Berit). Ein erster Bundesschluss erfolgte zwischen Gott und Abraham (bezeugt durch die „Berit Mila“, die religiöse Zeremonie der Beschneidung); erneuert und erweitert wurde das Bundesverhältnis unter Mose. Auf der vierzigjährigen Wüstenwanderung von Ägypten nach Kanaan konstituierten sich die hebräischen Stämme zu einem Volk, das durch die Gesetzge-bung am Berg Sinai eine Verfassung erhielt. Die Mose offenbarten Gesetze und Verbote regeln sowohl das soziale Zusammenleben als auch den religiös-rituellen Bereich. Und auch das Verhältnis zwischen Gott und Volk wird durch gegenseitige Rechte und Pflichten geregelt.
3. Die Genese des Volkes Israel ist untrennbar mit dem göttlichen Versprechen verknüpft, die Israeliten in das „heilige Land“ zu führen. Nach der vierzigjährigen Wüstenwanderung gelangt das Volk an sein Ziel – Kanaan, das spätere Land Israel (Erez Israel). Dieses ständig umkämpfte Land ist der Wirkungsort der biblischen Richter, Propheten und Könige. In der Stadt Jerusalem, dem politischen und religiösen Zentrum des Landes, wurde unter König Salomo der Tempel – als zentrales Heiligtum des Judentums und irdische Wohnstätte Gottes – errichtet. Ein erstes Mal, 586 v. Chr., wurden die Stadt und der Tempel auf Befehl des babylonischen Königs Nebukadnezar zerstört, das Volk wurde deportiert (Babylonische Gefangenschaft); nach der Rückkehr der Juden wurde der Tempel wiedererrichtet, endgültig zerstört wurde er im Jahre 70 n. Chr. unter dem römischen Kaiser Titus. Die Römer vertrieben die Juden aus dem „heiligen Land“. Es beginnt die Epoche der „Galut“ (= Verbannung) bzw. „Diaspora“ (= Zerstreuung), des Lebens im Exil, „außerhalb des Landes Israel“. Dem Begriff „Erez Israel“ steht der Begriff „Chuza la-Arez“ (= Außerhalb des Landes) entgegen, mit dem das Ausland im Gegensatz zu dem Land Israel bezeichnet wird. In den Jahrhunderten der Galut, von Diskriminierung, Antisemitismus, Zwangstaufe, Verfolgung, Vertreibung und Pogromen bedroht, richtete sich die Hoffnung der Juden auf eine Rückkehr in das Land der Bibel, eine Hoffnung, die jedes Jahr am Pessachfest, dem Fest zur Erinnerung an den Auszug aus Ägypten, im Wunsch „Nächstes Jahr in Jerusalem“ erneuert wird. Die im 19. Jahrhundert entstandene politische Bewegung des Zionismus suchte diese religiöse Hoffnung durch konkrete Handlungen (Siedlungstätigkeit und Landankauf in Palästina, diplomatische Verhandlungen mit den Großmächten etc.) zu verwirklichen, ein langwieriger Prozess, der im Mai 1948, mit der Gründung des Staates Israel, sein wichtigstes Ziel erreichte.
4. Nach religiöser Auffassung gilt die Hebräische Sprache als die Sprache Gottes, demnach auch als jene Sprache, in der die Schöpfung der Welt erfolgt ist. Hebräisch wird als „heilige Sprache“ aufgefasst; jeder einzelne Buchstabe des hebräischen Alphabets beinhaltet verborgene Assoziationen und Zusammenhänge; Benennungen bringen auch Wesensbestimmungen zum Ausdruck. In der Diaspora wurde die Sprache zumeist auf ihre liturgischen Funktionen beschränkt, dennoch trug sie wesentlich dazu bei, das Zusammengehörigkeitsgefühl der Juden aufrechtzuerhalten. Ende des 19. Jahrhunderts gelang dem Schriftsteller und Philologen Elieser Ben Jehuda die Modernisierung der hebräischen Sprache (Iwrit).