Copyright der deutschen Ausgabe: Junfermann Verlag, Paderborn 2013

Coverfoto: © Kalle Kolodziej – Fotolia.com

Covergestaltung / Reihenentwurf: Christian Tschepp

Alle Rechte vorbehalten.

Erscheinungsdatum dieser eBook-Ausgabe: 2013

Satz & Digitalisierung: JUNFERMANN Druck & Service, Paderborn

ISBN der Printausgabe 978-3-87387-956-0
ISBN dieses eBooks: 978-3-87387-957-7

Vorwort

Das altgriechische Wort „Psyche“ heißt übersetzt sowohl „Atem“, „Seele“ und „Lebenskraft“

– also Power of Life – als auch „Schmetterling“.

 

Im Jahr 2001 stellten wir – die Mit-Autorin Cora Besser-Siegmund und ihr Mann Harry Siegmund – das erste Mal wingwave-Coaching öffentlich durch das Grundlagenbuch wingwave-Coaching: Wie der Flügelschlag eines Schmetterlings und durch erste Ausbildungsgänge vor. Im Verlauf der letzten Jahre hat dann die von uns entwickelte, psychologisch fundierte wingwave-Methode ihr Image als erfolgreicher, schnell und nachhaltig wirksamer „Stress-Buster“ erworben. Unterschiedliche Studien haben bewiesen: Nur ein bis zwei Stunden wingwave-Coaching wirken erfolgreich gegen Emotionsblockaden bei Prüfungs- und Auftrittsangst oder auch gegen die mentalen Einschränkungen von Sportverletzungsstress – um nur einige Beispiele für die positive Wirkung dieser Methode zu nennen. Das „wing“ im Namen bezieht sich auf die Metapher vom Flügelschlag des Schmetterlings, der das ganze Klima ändern kann. Entsprechend arbeiten ausgebildete wingwave-Coaches nach dem Motto: minimaler Coaching-Einsatz für maximalen Nutzen für den Coachee. Und „wave“ steht für den englischen Begriff „brainwave“, das heißt „Geistesblitz“ oder „tolle Idee“. So steht der gesamte Name der wingwave-Methode für die ideale Kombination von Emotions-Coaching und kreativem Gedanken-Management.

2007 gewann die Deutsche Handballmannschaft der Männer die Weltmeisterschaft. Vor dem Finale setzte der Sportdozent Günter Klein bei den Spielern das wingwave-Coaching zwei Tage lang ein. Das weckte in mir, dem Mit-Autoren Marco Rathschlag, das Interesse an der Methode. Ich ließ mich von Günter Klein, der zugleich einer meiner Ausbilder in der A-Trainer-Ausbildung des Deutschen Handballbundes war, dazu inspirieren, die wingwave-Ausbildung am Besser-Siegmund-Institut zu absolvieren. Schnelle Erfolge mit der Methode in der Praxis motivierten mich, das Thema wingwave als einen Schwerpunkt in meiner Promotion an der Deutschen Sporthochschule in Köln zu untersuchen.

Durch unsere Grundlagenforschung über wingwave zeigte sich dann eine weitere Stärke der Methode: wingwave wirkt nicht nur als „Stress-Buster“, sondern stärkt auch positive Emotionen wie Entschlossenheit und Freude. Und bei der Emotion Freude entwickeln wir im Vergleich mit anderen Emotionen messbar die größte physische Kraft und Schnelligkeit. Diese Erkenntnisse finden Ergänzung durch die Gehirnforschung zum Thema positive Emotionen und Lernerfolg: Gehirnscans bei Schülern konnten zeigen, dass mit Freude verknüpfte Schulfächer andere Muster aktvieren als mit Angst oder Unbehagen verknüpfte Lernthemen – und dass auch die kognitiven Leistungen der Schüler bei den „Freude-Fächern“ deutlich besser ausfallen. Auch Konzentrationsaufgaben lassen sich nachweislich schneller lösen, wenn die Probanden kurz vor der Aufgabenstellung mit positiven Wörtern wie „Zuversicht“, „Gelassenheit“ oder „Freude“ emotional eingestimmt werden.

Dieses Buch zeigt anhand vieler Beispiele, wie wingwave-Coaches die Emotion Freude gezielt in den Leistungskontext „hineinweben“, sodass die Coaching-Kunden von der aktivierenden und damit beflügelnden Energie dieser positiven Emotion profitieren können. Dazu gehört beispielsweise das wingwave-Ressourcen-Coaching, wie es bei der ERGO-Versicherung schon seit Jahren für Prüfungskandidaten des Versicherungswesens eingesetzt wird. Weiterhin werden Kombinationen von wingwave und verschiedenen Ressourcen stärkenden NLP-Formaten gezeigt – wie Erfolgs-Modelling, Timeline-Coaching, Kreativitätsstrategien und Belief-Arbeit zum Thema „positive Emotionen“. Viele Profi-Sportler glauben beispielsweise, dass Sport zwar Freude machen darf, dass diese Emotion dann aber im „richtigen Wettkampf“ nichts zu suchen hat, da es „ernst“ zugehen muss, und kappen sich durch diesen Belief unbewusst und sicher auch ungewollt von einem wirkungsvollen Energiespender ab.

Neben der inhaltlichen Beschreibung der Methode stellen wir auch die Erkenntnisse der wissenschaftlichen Forschung über die wingwave-Methode vor, die Marco Rathschlag im Rahmen seiner Promotion untersucht hat. Abgeleitet aus diesen Forschungsergebnissen werden – wie schon erwähnt – Möglichkeiten der Umsetzung dieser Erkenntnisse in der Praxis präsentiert. Sie erlauben es dem Anwender, schnell und effizient sein eigenes Leistungspotenzial oder das eines Klienten vollständig auszuschöpfen.

Anfangs wird eine Studie zur Validierung des Myostatiktests vorgestellt, der ein zentrales Element im Rahmen der wingwave-Methode darstellt. Hier konnte gezeigt werden, dass die Vorstellung autobiografischer Erinnerungen zu verschiedenen Emotionen zu unterschiedlichen Kraftfähigkeiten in der Fingermuskulatur führt. Die Emotion Freude führte zu einer signifikant höheren Kraft als die Emotionen Angst oder Trauer. Eine weitere Interventionsstudie zeigte, dass die wingwave-Methode auch geeignet ist, um die tatsächliche Leistung von Sportlern – hier bei einem 5000-Meter-Lauf – zu steigern, wenn Coaches die Emotion Freude gezielt in den Leistungskontext hineincoachen.

Die Forschung hat demnach gezeigt, dass nicht nur das Auflösen von negativen Emotionen ein zentrales Ziel in der Praxis sein sollte, sondern dass insbesondere in der Emotion der Freude ein enormes Leistungspotenzial steckt, dass es zu nutzen gilt. Weitere Studien mit Sportlern konnten zeigen, dass die Generierung der Emotion Freude unmittelbar vor Schnelligkeits-und Kraftleistungen einen signifikanten Zuwachs der Leistung ausmacht im Vergleich zu einem neutralen Zustand. Weiterhin wird eine Studie zum Einsatz der wingwave-Musik präsentiert, die zeigen konnte, dass diese spezielle Musik Menschen dabei unterstützt, ihr eigenes Leistungspotenzial selbstständig zu optimieren.

Wir Autoren hoffen, dass Sie als Leser von unserem gemeinsamen Buchprojekt fachlich, praktisch und persönlich profitieren – und dass Sie dieses Buch als spannend, lehrreich und auch unterhaltsam erleben werden!

Hamburg und Köln, Herbst 2013 

Cora Besser-Siegmund
Marco Rathschlag

2. Die Macht der Emotionen: „Ich fühle, also bin ich!“

Dieser Ausspruch aus der Kapitelüberschrift ist ein Buchtitel und stammt von António Damásio, einem portugiesischen Neurowissenschaftler. Damásios Forschungsinteresse galt viele Jahre dem Zusammenhang zwischen Geist (philosophisches/ethisches Denken), Vernunft (wissenschaftliches Denken) und Körper. Seine jahrelangen Studien führten ihn zu der Überzeugung, dass Denken und Handeln niemals getrennt von unseren Gefühlen ablaufen können, sondern immer mit Emotionen verwoben sind. „Limbische Marker“ nennt man in der Gehirnforschung die assoziative Verknüpfung von Inhalten, Gedanken und Handlungen mit Emotionen. Und vor allem die Emotionen entscheiden darüber, wie erfolgreich oder blockiert wir Menschen sind und im Zusammenhang mit äußerlichen Erlebnissen und der inneren Wahrnehmungswelt fühlen. Der Begriff „limbische Marker“ weist auf den Bereich unseres Gehirns hin, welches im Allgemeinen für die Organisation unserer Emotionen zuständig ist: Es handelt sich um das limbische System (s. a. Abb. 2.1). Es befindet sich unter dem entwicklungsgeschichtlich jüngeren Großhirn, welches unsere typischen menschlichen Leistungen wie das Denken, Planen, Rechnen, Sprechen und auch die Feinmotorik unseres Körpers steuert.

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Abbildung 2.1: Das limbische System und seine Lage im Gehirn

2.1 Positive Emotionen als Garant für gute Leistungen

Heute weiß man, dass jede Wahrnehmung, die uns erreicht – sei sie ein von außen kommender Reiz, ein stressbeladenes Wort oder auch ein Gedanke – sofort mit einer emotionalen Codierung einhergeht. Und diese blitzschnelle emotionale Resonanz setzt immer innerhalb von Sekundenbruchteilen ein, bevor unser „vernünftiges“ Großhirn etwas dazu „sagen“ kann, was Selbstkontrolle in besonders gefühlsstarken Momenten schwierig bis unmöglich machen kann. Denken Sie nur an das Beispiel unseres Detektivs, der bei der bloßen Erwähnung des Wortes „cleaning woman“ („Putzfrau“) völlig außer Kontrolle gerät. Allzu oft ist die Emotion ein Tick schneller als alle guten Vorsätze. So meiden etliche Menschen das Flugzeug, obwohl ihr Verstand weiß, dass es das sicherste Verkehrsmittel der Welt ist. Und andere essen zu viel Schokolade, obwohl sie es eigentlich nicht mehr wollten – aber Schokolade schmeckt und riecht einfach allzu gut, und schon ist der Verstand überstimmt.

Emotionen verursachen spürbare und medizinisch messbare Resonanz, die sich an unserem Herzschlag, Muskeltonus, an Gefäßreaktionen, dem Stoffwechsel, der Körpertemperatur und sogar an der Größe unserer Pupillen ablesen lässt – um nur einige Beispiele zu nennen. Als Auslöser für zielgerichtetes Leistungsvermögen stehen sie oft über dem sogenannten „Sachverstand“. Emotionen können hemmen und blockieren, obwohl alle Fähigkeiten für die Zielverwirklichung theoretisch vorhanden sind. Sie können aber auch Flügel verleihen und Berge versetzen. Damit sind vor allem positiv empfundene Emotionen der Schlüssel für ein erfolgreiches Leistungsvermögen.

Verschiedene Emotionsqualitäten

In den Abbildungen 2.2 und 2.3 sehen Sie gleich zwei Listen, einmal mit negativen und einmal mit positiven Emotionsqualitäten. Mit „negativ“ meinen wir nicht, dass besagte Emotionsqualitäten überflüssig für unsere seelische Balance sind. In der Steinzeit waren beispielsweise Angst und Ekel wichtige Regungen, um rechtzeitig zu fliehen oder sich vor giftigen Pilzen oder verdorbenen Lebensmitteln zu schützen. Mit negativ ist gemeint, dass sich die körperliche Resonanz der Emotion einfach unangenehm anfühlt und die sogenannten positiven Emotionen angenehme Körpergefühle bewirken.

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Abbildung 2.2: Die unangenehmen Emotionsqualitäten

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Abbildung 2.3: Die angenehmen Emotionsqualitäten

Sicher fällt auf, dass auf diesen zwei Listen auch Qualitäten genannt werden, die man im klassischen Sinne nicht als Emotionen versteht: „Power“ und „Humor“ wird man in der gängigen Literatur zum Thema nicht finden. Bei unserer Arbeit fiel allerdings auf, dass unsere Coachees diese Feinabstimmungen im sprachlichen Gebrauch benötigen, um punktgenau in ihr Gefühl hineinspüren zu können: „Das Wort ‚Humor‘ trifft bei mir ein ganz anderes Gefühl als die Wörter ‚Spaß‘ oder ‚Freude‘“, beschrieb es eine Klientin, „Humor macht im Vergleich ein sanfteres Gefühl, kribbelt dafür aber ein bisschen mehr.“ Dieses Hineinspüren in die körperliche Resonanz einer Emotion nennen wir übrigens den „Bodyscan“.

„Lass dir das doch mal wegwinken“, heißt die Empfehlung unserer Cochees, bei denen wingwave gewirkt hat, wenn beispielsweise ein Kollege über Präsentationsstress klagt. Dass die zuvor stressenden Emotionen nach einer wingwave-Intervention „weg“ sind, ist nur ein subjektives Erleben. Tatsächlich bleiben sie als Gefühlswelle bestehen, aber sie „überschwappen“ den Verstand nicht mehr. Man kann den Effekt mit dem Fahrradfahren vergleichen: Kleine Kinder können sich auf einem Zweirad noch nicht „oben halten“, sie benötigen noch Stützräder oder ein Dreirad. Sind sie dann größer, können sie sich nach etwas Übung plötzlich in Balance halten, wenn sie auf dem Zweirad sitzen. Ein bisschen „Motion“ muss schon sein, damit das Fahrrad fährt und nicht umkippt. Es ist also im übertragenden Sinn keinesfalls das Ziel von wingwave, Menschen „emotions-los“ zu coachen. Daher auch António Damasios Credo: „Ich fühle, also bin ich“, denn nur im Einklang mit unseren Emotionen fühlen wir uns bewegt, kommen vorwärts und können Erfolge bewegen. Das Coaching-Ziel besteht darin, in optimaler Balance zu bleiben, wenn die Emotionswelle kommt, und sich von ihr tragen zu lassen: „Nachdem wir mein Wutgefühl entstresst hatten, war ich plötzlich spontan viel schlagfertiger meinem Chef gegenüber. Ich hatte einen klaren Kopf und konnte all meine Argumente anbringen“, beschrieb ein Coachee den Effekt. Dies ist ein Beispiel für Coaching mit dem Ziel, sogenannte negative Emotionen zu managen. Zu diesem Vorgehen schildern wir hier noch ein Golfcoaching-Beispiel und danach erfahren Sie, wie Sie mit der wingwave-Musik gezielt Ihre positiven Emotionsqualitäten steigern können.

 „Golfen und der richtige Schlag“ – 
 so wirkt das „klassische“ wingwave-Coaching

Folgendes Coaching-Beispiel ist der Fernsehserie Die Seelenflüsterer entnommen, welches von der Filmemacherin Liz Wieskerstrauch für den SWR produziert wurde. Man kann dieses Filmbeispiel auch unter www.wingwave-golfcoaching.com oder auf youtube ansehen. Hier begleite ich die ambitionierte Golfspielerin Martina Griefahn direkt auf den Golfplatz. Wir bewegen uns entlang aller Stationen, wichtig war der Golferin vor allem der sogenannte Bunker, eine mit Sand gefüllte Grube. Schläge aus dem Sand heraus gelten bei vielen Golfern als ein besonders anspruchsvolles Hindernis, und einen entsprechenden „Respekt“ hatte auch meine Coaching-Kundin vor diesem Schlag. Sie hatte schon mehrfach – auch mit ihrem Trainer – an ihrer Technik gearbeitet, war aber immer noch nicht mit der Performance zufrieden: „Da bleibt immer eine Unsicherheit.“ Irgendwie fände sie nicht den „richtigen Schlag“.

Wir platzieren in diesem Film den Golfball direkt in den Sand, stellen uns davor und führen den Myostatiktest durch: Der Test fällt schwach aus. Ich teste den Satz: „Es ist emotionaler Stress“, und wieder gibt es eine schwache Resonanz, also wird die Golfleistung in diesem Fall durch Emotionsstress irritiert. Wir gehen alle Emotionen durch. Alle testen stark, bis auf die Emotion „Ekel“. Dieser kann Martina im Test keine Kraft entgegensetzen. Zunächst wundert sie sich sehr, macht dann ein paar Schmeck-Bewegungen mit dem Mund und „spuckt“ im doppelten Sinne eine Erklärung heraus: „Genau, ich finde es super eklig, wenn beim Schlag der Sand spritzt, mir ins Gesicht, in die Augen und sogar in den Mund fliegt.“ Ich bitte Martina, an diese unangenehme Erfahrung zu denken und zu fokussieren, wo im Körper die Abscheu am meisten Resonanz macht: „Es ist vor allem ein Würgegefühl im Hals“, ist die Antwort. Nun denkt die Golferin daran, wie beim Schlag knirschender Sand zwischen die Zähne gerät, spürt das Würgegefühl, und dazu winke ich schnell zwei, drei Sets schneller Augenbewegungen. Plötzlich lächelt sie, macht die Schmeck-Bewegung mit dem Mund und sagt: „Ich muss gerade an meine Kindheit denken: Unsere Strandurlaube gehören zu meinen schönsten Erinnerungen. Da haben wir am Strand getobt, uns mit Wasser bespritzt und ab und zu hat auch der Sandstrand zwischen den Zähnen geknirscht. Aber jetzt höre ich vor dem geistigen Ohr, dass wir dabei fröhlich gekreischt haben.“ Sie lächelt. Nun arbeiten wir mit der positiven Emotion weiter, die bei der Erinnerung an das kreischende Kinderglück aufgetaucht ist: „Es ist ein starkes Gefühl, vor allem im Brustkorb und in den Armen“, sagt Martina. Nun soll sie den Golfschläger in die Hand nehmen, auf den Bunker schauen, das starke Glücksgefühl spüren, und ich winke ganz langsam auf allen „Flugebenen“ der Augenbewegungen: mittig, oben, unten. Dieses Vorgehen nennen wir beim wingwave „positive Emotionen einweben“. Durch die Verknüpfung mit einem äußeren Erlebnis oder einer inneren Vorstellung bewirken wir eine positive „Einfärbung“ des Erlebnisses, wir besetzen es also mit einem körperlich als angenehm oder auch kraftvoll empfundenen „limbischen Marker“.

Das Führen der Augen über alle Punkte des visuellen Wahrnehmungsradius bewirkt, dass die Erfahrung mit möglichst vielen Gehirnarealen und vor allem mit allen Sinneskanälen verknüpft wird: Sehen, Hören, Fühlen, Riechen und Schmecken. Aus dem Neurolinguistischen Programmieren (NLP) wissen wir, dass die Blickrichtung unserer Augen bei inneren Prozessen wie Denken oder Erinnern etwas damit zu tun hat, ob wir internal in Worten und Tönen, Bildern oder Gefühlen erleben. Dieses Wissen nutzt der wingwave-Coach beim Einweben über alle Ebenen der erreichbaren Augenflexibilität. Hierzu sei noch gesagt, dass die Augen organisch direkt mit dem Gehirn verbunden sind, sie sind sozusagen eine „Ausstülpung“ des Gehirns nach außen. Die Augäpfel werden jeweils von drei Muskelpaaren bewegt und so können wir über die verschiedenen Augenpositionen viele verschiedene Gehirnregionen „anklicken“ und in mentale Prozesse mit einbeziehen.

Nun soll Martina ihren Bunkerschlag ausführen. Sie holt aus, schlägt den Ball aus dem Loch, der Sand spritzt, sie verfolgt mit einem triumphierenden Gesicht die Flugbahn und kommentiert: „Das ist haargenau der richtige Schlag!“

Interessanterweise bleiben diese positiven Verknüpfungen von Handlungen, Wahrnehmungen oder Gedanken mit stabilisierenden emotionalen Empfindungen nachhaltig aktiv, auch nach mehreren Monaten, wie vor allem eine Untersuchung in Zusammenarbeit mit der Medizinischen Hochschule Hannover zeigen konnte (s. a. Dierks, 2010).

Was passiert denn eigentlich mit der sogenannten negativen Emotion, die beim wingwave für den Klienten deutlich spürbar abfließt? Man kann es sich so vorstellen, als sei bei einer emotionalen Blockade die Emotion in dem gehindert, was sie eigentlich machen soll: Sie soll sich bewegen, was ihr Name ja verspricht, denn „motio“ – der Wortstamm – heißt ja auch Bewegung. Ist dies nicht der Fall, „hängt“ die Emotion zusammen mit einem damit verbundenen Erlebnis in der Verarbeitung fest, und auch im Nachtschlaf kann sie durch den natürlichen Ablauf der REM-Phasen scheinbar nicht bewegt werden. Wir vergleichen diesen Zustand der Einfachheit halber mit einer allzu großen E-Mail, die auf dem Server hängen bleibt und nicht „abgeholt“ und auf die Festplatte – also in die Ablage im Großhirn – gebracht werden kann. In diesem Bild ist das limbische System – vor allem der Hippocampus – der Server, von dem das Erlebnis inklusive Emotion nicht wegkommt. Solange diese Erlebnis-Daten aber an dieser Stelle im Gehirn liegen, strahlen sie auf das Körpererleben fortlaufend eine Resonanz aus, die sich meistens unangenehm anfühlt, und die betroffene Person hat das Gefühl, sie würde über irgendetwas „nicht hinwegkommen“.

Nur durch den Myostatiktest kann dann der wingwave-Coach genau herausfinden, welche Emotion „festhängt“ und immer wieder ein Blockade-Gefühl verursacht. „Da wären weder ich noch irgendein Golftrainer jemals drauf gekommen“, kommentierte Martina ihr Coachingerlebnis. Manchmal erforschen Coach und Coachee noch, ob es ein Erlebnis „hinter dem Erlebnis“ gibt, aber in diesem Fall endet der Muskeltest bei der Aussage: „Das Thema ist jetzt völlig o.k.“ Durch die „Nachhilfe“ mit den am Tag durchgeführten REM-Phasen ist es zwar möglich, dass sich der Ekel vor dem knirschenden Sand noch meldet – aber jetzt kann er immer wieder kurz anfluten und dann wieder abfließen; der Mensch bleibt „im Fluss“, und es bleibt in Körper und Psyche genug Raum für positive, tragende Emotionen, die dann mit einer Ressourcen-Welle „übernehmen“ können.

2.2 Freudeforschung und Glücksforschung

Wenn wir im Internet den Suchbegriff „Glücksforschung“ googeln, erscheinen unzählige Links. Der gemeinsame Nenner besteht in dem Anliegen, zu erforschen, unter welchen Bedingungen Menschen ihre subjektive Lebensqualität als positiv empfinden und bezeichnen. Damit werden auch wirtschaftliche, politische und soziale Umstände erfasst – aber auch die Fähigkeit, den Anblick des ersten Schneeglöckchens nach dem Winter genießen zu können. Glücksforschung hat demnach häufig Wirkfaktoren für das Wohlempfinden im Visier, die manchmal vom erlebenden Menschen nicht oder wenig beeinflussbar sind.

Bei unserem Ansatz der „Freudeforschung“ handelt es sich anscheinend um einen ersten kleinen Schritt, denn zu diesem Suchwort tauchen beim Googeln keine Ergebnisse auf. Interessant ist auch, dass es außer Marco Rathschlags Forschung weltweit noch keine Studien über den Zusammenhang von Emotionen und der physischen, muskulären Kraftentfaltung des Menschen gibt. Vielleicht fehlt die Freudeforschung, weil ein Aspekt von Glück auch die Freude sein kann und deshalb der Oberbegriff „Glück“ das Phänomen Freude mit abzudecken scheint. Wir haben aber festgestellt, dass viele Menschen das Wort „Freude“ und auch das englische Wort joy eher mit persönlicher Aktivität, also mit selbstwirksam gestalteten Lebens- und Leistungsumständen verbinden. Daher macht es für uns Sinn, dieses Phänomen in der Forschung extra zu beleuchten: die Tatenlust, das Ausleben der inneren Möglichkeiten, den Zauber des Freudensprungs, dessen Energiequelle aus dem inneren Erleben entspringt.

Diese Fokussierung könnte einen Beitrag dazu leisten, dass Menschen ihr persönliches Leistungserleben in einer Leistungsgesellschaft mit positiver Wahrnehmung verknüpfen können, dass also Lebensqualität auch in der Aktivität, auch in der Arbeit, bei der „Pflichterfüllung“ wie dem Ausfüllen der Steuererklärung oder auf dem Weg zu einem Ziel gelebt werden kann: beim Üben, Lernen, Trainieren. „Wer liebt, was er tut, wird im Leben nie arbeiten“, sagte einst Konfuzius. Natürlich setzen wiederum äußere Umstände diesem hohen Ziel Grenzen, denn der Mensch kann nicht seine gesamte Lebensqualität nur aus sich selbst heraus schöpfen, er bezieht sie auch aus dem System, das ihn umgibt. Aber nehmen wir einfach nur den Schüler, der schon früh die Freude am Lernen entdeckt: Mit diesem inneren positiven Gefühl im Zusammenhang mit der Lernanstrengung kann er durchaus seine Chance für die selbstwirksame Gestaltung seiner späteren Lebensqualität vergrößern.

Abstand nehmen vom „Ernst des Lebens“

Die Psychologie-Professorin und Motivationsforscherin Gabriele Öttingen hat in ihren Studien eindeutig nachgewiesen, dass wir Menschen gerade schwierige Aufgaben wesentlich besser verwirklichen können, wenn wir uns schon vor der praktischen Umsetzung in das positive Gefühl hineinversetzen, dass sich nach der erfolgreichen Erfüllung der Aufgabe einstellen wird. Die freudige Erwartung geglückter Resultate kann das Durchhaltevermögen in anstrengenden Leistungsmomenten wirkungsvoll beflügeln. Daher ist es so wichtig, Kindern zu vermitteln, dass Schule auch Freude machen kann, anstatt dem Erstklässler zu prophezeien, dass nun der „Ernst des Lebens“ beginnt. Erfreulicherweise sind heutzutage die meisten Eltern und Pädagogen dafür sensibilisiert, wie wichtig für die Kinder entsprechende Motivation sein kann. Zu meiner Zeit haben mir fast alle Erwachsenen den Spruch vom „Ernst des Lebens“ mit in die Schule gegeben.

Es ist Tradition, dass auch in vielen politischen und sozialen Kontexten die wirklich wichtigen Dinge anscheinend keine Freude machen dürfen, weil sie ja „ernst“ sind. Und wer Aufgaben nicht „ernst“ nimmt, würdigt sie nicht – so die unbewusste Einschätzung von Kulturen, die Freude und „ernste und wichtige Anliegen“ trennen. Man bedenke, dass die Menschen in ganz Europa über Jahrhunderte in dem Glauben gelebt haben, dass das Leben nur dazu da sei, in diesem „Jammertal“ zu leiden, und dass Erlösung und Freude erst im Jenseits warten. Die rigide Trennung zwischen dem Diesseits und dem Jenseits haben die meisten Menschen zugunsten der Erlaubnis zur „Freude auf Erden“ überwunden. Dennoch steckt vielen von uns die unbewusste Limitierung unserer Vorfahren noch „in den Knochen“. Wenn es um wichtige Lebensthemen geht, wird die Freude, das Lachen, das Leichtnehmen immer noch verbannt. Genau diese emotional unbewusste Trennung wollen wir mit unserem Ansatz infrage stellen, sodass es eines Tages vielleicht heißt: „Die Sache ist derartig wichtig, dass wir sie mit Freude und mit ‚Tatenlust‘ angehen müssen.“

Aus diesen Überlegungen heraus bevorzugen wir auch den Begriff „Work-Health-Balance“ gegenüber dem gängigen „Work-Life-Balance.“ „Das hört sich ja so an, als würde man beim Arbeiten nicht leben“, sagte einmal der bekannte Arzt und Psychotherapeut Gunther Schmidt in einem seiner Vorträge. Und in der Tat wird mit „Work-Life-Balance“ suggeriert, dass der Mensch die stressende Arbeit nur so einigermaßen aushält, wenn er sich danach gründlich von diesen anstrengenden Stunden erholt. Mit unserem Ansatz wollen wir erkunden, inwieweit sich Lebensqualität in Form von positiven Emotionen auch in die Arbeits- und Aktivitätswelt eines Menschen einweben lässt, sodass auch Arbeit, Lernen und Training Stunden voller Lebensqualität sein können. Die Forschungsergebnisse, die in Kapitel 3 und 4 vorgestellt werden, sind ein erster Schritt in diese Richtung, und es wäre wünschenswert, dass es bald noch mehr „Freudeforschung“ gibt.

2.3 Das Geheimnis des Luftsprungs: Freude versus Anstrengung