Birgit Frohn

Grüne Helfer für die Psyche

Die Heilkraft der Natur bei Angst- und Schlafstörungen, Nervosität und depressiven Verstimmungen nutzen

Birgit Frohn

Unter Mitarbeit von Christine Fehr

Grüne Helfer
für die Psyche

Die Heilkraft der Natur bei Angst- und Schlafstörungen, Nervosität und depressiven Verstimmungen nutzen

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Dieses Buch ist für Lernzwecke gedacht. Es stellt keinen Ersatz für eine individuelle medizinische Beratung dar und sollte auch nicht als solcher benutzt werden. Wenn Sie medizinischen Rat einholen wollen, konsultieren Sie bitte einen qualifizierten Arzt. Der Verlag und der Autor haften für keine nachteiligen Auswirkungen, die in einem direkten oder indirekten Zusammenhang mit den Informationen stehen, die in diesem Buch enthalten sind.

Originalausgabe

1. Auflage 2020

© 2020 by mvg Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Nymphenburger Straße 86

D-80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

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Redaktion: Petra Holzmann

Umschlaggestaltung: Marc-Torben Fischer

Umschlagabbildung: shutterstock.com/mart

Layout: Michaela Röhler, feschart print- und webdesign, Leopoldshöhe

Satz: Michaela Röhler, feschart print- und webdesign, Leopoldshöhe

Druck: Florjancic Tisk d.o.o., Slowenien

eBook: ePubMATIC.com

ISBN Print 978-3-7474-0166-8

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96121-532-4

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96121-533-1

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Inhaltsverzeichnis

PHYTOTHERAPIE – DAS POTENZIAL DER NATUR

Gewachsene Heilkraft mit jahrtausendealter Tradition

Die berühmten Herbarien

Die Phytos

Die Konzentration macht´s

Phytopharmakon ist nicht gleich Phytopharmakon

Zahlreiche Anwendungsgebiete

Die Zeichen stehen auf Grün

Natürlich im Vorteil

Gleiche Rechte, gleiche Pflichten

Was alles in Heilpflanzen steckt

Das Portfolio der grünen Helfer

Brückenschlag zwischen altem Wissen und moderner Forschung

Die rationale Phytotherapie

Von der Pflanze zum Extrakt

DIE NATÜRLICHE ALTERNATIVE

Die Faszination hält bis heute an

Direkter Draht zum Nervensystem

Die Botschafter des Körpers

Einsatz am Ort des Geschehens

Pflanzliche Pannenhilfe

Die Einteilung der psychoaktiven Pflanzen

Wirksam und gut verträglich

Auf dem wissenschaftlichen Prüfstand

Kritisch auswählen

Wo kauft man Präparate mit psychoaktiven Pflanzen?

Wie man die grünen Helfer anwendet

Nachhilfe beim Beipackzettel-Lesen

ANGSTSTÖRUNGEN

Ängste sind bei jedem anders

Das Who is Who der Ängste

Panikstörung mit oder ohne Agoraphobie

Generalisierte Angststörung

Soziale Angststörung

Spezifische Phobien

Spurensuche

Genetische Ursachen

Psychologische Ursachen

Neurobiologische Ursachen

Detektivarbeit

Körperliche Ursachen abklären

Fazit

Weitere Diagnosekriterien

Die grünen Medizinen

Die Anwendung von Baldrian

Der pflanzliche Angstlöser

Im Licht der Wissenschaft

Das hilft zusätzlich

Gesunde Zellen, gesunder Körper

Schüßler-Angstsalze

DEPRESSIVE VERSTIMMUNGEN

Oft gut getarnt

Typische depressive Symptome

Spurensuche

Störfall auf den Nervenautobahnen

Woher kommt das Softwareproblem im Gehirn?

Zeichen unserer Zeit

Detektivarbeit

Stimmungsskala

Die grünen Medizinen

Johanniskraut

Raus aus dem Tief: Hauruck für die Seele

Das hilft zusätzlich

Aktiv bleiben

Seelisch aufbauen

Dem Blues davonlaufen

Rückenwind für die Psyche mit Magnesium & Co.

Lichttherapie

Schüßler-Salze

HIRNLEISTUNGSSTÖRUNGEN

Nur vergesslich oder schon krank?

Ordnung ist alles ...

Gute Aussichten am geistigen Horizont

Verschiedene Arten von Demenz

Spurensuche

Mögliche Ursachen von Demenzerkrankungen

Ursachen von Hirnleistungsstörungen ohne Demenz

Detektivarbeit

Nicht kneifen, untersuchen lassen!

Schrittweise »auf Fahndung«

Es ist es tatsächlich ...

Die richtigen Schritte

Die grünen Medizinen

Ginkgo

Natürliche Hilfe für das Gehirn

Das hilft zusätzlich

Übung macht den Meister

Der Parcours für das Gehirn

Futter für die »Birne«

NERVOSITÄT UND UNRUHE

Nur kein Stress ...

Die beiden Gesichter von Stress

Lebenselixier oder schleichendes Gift?

Dauerstress – in jeder Hinsicht schädlich

Die grünen Medizinen

Lavendel

Melisse

Das hilft zusätzlich

Entspannungstechniken

Yoga

Immun gegen Stress werden

Auch Mineralstoffe bringen Ruhe

SCHLAFSTÖRUNGEN

Endlos Schafe zählen …

Die Schlafdauer ist individuell

Schlafstörung ist nicht gleich Schlafstörung

Phasenweise Erholung im Schlaf

Gravierende Folgen

Spurensuche

Moderner Lebensstil kann schlafraubend sein

Körperliche Auslöser

Schlaflos auf Rezept

Störenfriede in der Umgebung

Detektivarbeit

Definition krankhafter Schlafstörungen

Zweigleisig zu süßen Träumen

Die grünen Medizinen

Pflanzliche Schlaf- und Beruhigungsmittel

Hopfen

Passionsblume

Baldrian

Lavendel

Melisse

Das hilft zusätzlich

Gute Schlafhygiene

Weitere Strategien für ungestörte Träume

CANNABIS IN DER MEDIZIN

Eine Pflanze mit uralter Tradition

Einzug ins Mittelalter und in die Neuzeit

Das Blatt wendet sich …

Der Hanf als Nutzpflanze

Die Cannabinoide

Tetrahydrocannabinol: THC

Cannabidiol: CBD

Cannabinoide in der Medizin – die Reise geht weiter

Der Schlüssel zur Wirkung von Cannabis

Die Signalempfänger: Die »Schlösser« des ECS

Heilende Interaktionen

THC und CBD wirken unterschiedlich

Das enorme Einsatzspektrum der Cannabinoide

Diabetes

Durchblutungsstörungen

Epilepsie

Fibromyalgie

Hauterkrankungen

Krebserkrankungen

Migräne

Parkinson, Multiple Sklerose und Alzheimer

Schizophrenie

Schlafstörungen

Schmerzen

Die Anwendung von THC und CBD

THC als Arzneimittel

CBD als Arzneimittel

Dosierung

Darreichungsformen

Nebenwirkungen und Gegenanzeigen

OPIUM: WEGBEGLEITER DER KULTUREN

Das »Kraut des Vergessens« – eine Chronik

Wie Opium wirkt

Opiate und Opioide

Opioide zur Schmerzlinderung

Die andere Seite der Medaille

Wie Heroin wirkt

Extrem hohe Suchtgefahr

ANHANG

Über die Autorin

Bildnachweis

Phytotherapie – das Potenzial der Natur

»Medicus curat, natura sanat« – »Der Arzt hilft, die Natur ist es, die heilt.« – Diese Worte gab Hippokrates, der berühmte Arzt der Antike und Begründer der empirischen Medizin, seinen Schülern mit auf ihren Weg. Das ist nun über 2000 Jahre her, seine Aussage ist jedoch keineswegs von gestern. Denn was Hippokrates einst erkannte, ist inzwischen vielfach vonseiten der modernen Wissenschaft belegt. – Und hochaktuell: Das Interesse an dem immensen Potenzial, das heilkräftige Pflanzen in sich bergen, boomt. Entsprechend läuft ihre Erforschung auf Hochtouren.

Die grünen Helfer haben allerdings keineswegs nur in wissenschaftlichen Kreisen ihre Fans. Auch medizinische Laien, sprich Patienten, sind begeistert. Die große Mehrheit von ihnen zieht pflanzliche Arzneimittel solchen mit synthetischen Wirkstoffen vor und wünscht sich, dass künftig noch mehr pflanzliche Mittel hergestellt und eingesetzt werden. Auch die Mediziner zeigen sich zu zwei Dritteln sehr aufgeschlossen, rund die Hälfte bezieht pflanzliche Arzneimittel mit in ihre Behandlung ein.

Was man wissen sollte: Die Anwendung pflanzlicher Arzneimittel schließt den Einsatz schulmedizinischer Therapien keinesfalls aus. Hier geht es nicht um »entweder oder«, sondern um ein »miteinander«. Denn schließlich ist die Pflanzenheilkunde der Wegbereiter der sogenannten Allopathie, der »naturwissenschaftlich begründeten Medizin«. Mit anderen Worten: Unsere moderne Medizin basiert historisch gesehen letztlich auf natürlichen Heilmitteln, wie zum Beispiel Pflanzen. So stammen viele der heutigen synthetischen Arzneimittel ursprünglich von pflanzlichen Wirkstoffen ab. Herzglykoside bzw. Digitoxine gegen Herzerkrankungen gehen beispielsweise auf die Wirkstoffe von Digitalis purpurea, dem Roten Fingerhut, zurück. Atropin stammt aus der Tollkirsche, Atropa belladonna. Morphin wird aus dem Schlafmohn, Papaver somniferum, gewonnen und der Aspirin-Wirkstoff Acetylsalicylsäure ist ein Abkömmling des in der Weide enthaltenen Alkohols Salicin.

Wenn sich die Vorzüge von Schuldmedizin und Pflanzenheilkunde Hand in Hand miteinander vereinen, profitieren Patienten, Ärzte und nicht zuletzt unser gesamtes Gesundheitssystem.

GEWACHSENE HEILKRAFT MIT JAHRTAUSENDEALTER TRADITION

Die Phytotherapie, wie die Pflanzenheilkunde medizinisch heißt, kann auf eine lange Geschichte zurückblicken. Denn heilkräftige Pflanzen hatten seit den Anfängen unserer Kultur den größten Stellenwert im Bemühen um Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit inne.

So wussten die Menschen bereits in den vorchristlichen Hochkulturen in Mesopotamien um die heilkräftige Wirkung vieler Pflanzen und setzten sie zu therapeutischen Zwecken ein. Die ältesten uns erhaltenen Belege über den medizinischen Gebrauch von Pflanzen in Form von tönernen Keilschrifttafeln stammen von den Sumerern aus dem 5. Jahrtausend vor der Zeitenwende.

Insofern hat manche Arzneipflanze eine mehr als 1000-jährige Tradition ihrer Anwendung vorzuweisen: Von den Hohepriestern der alten Ägypter, den Heilkundigen der Antike über die Mönchsärzte bis hinein in unsere Tage. Davon, wie umfangreich die Kenntnisse der antiken Pflanzenheilkunde waren, zeugen unter anderem Werke wie der »Papyrus Ebers«, der um 1500 vor der Zeitenwende verfasst wurde. In dieser Rezeptsammlung haben die Pharaonenärzte die Zubereitung und Anwendung von über 700 pflanzlichen Arzneimitteln für die Nachwelt festgehalten.

Weitere Belege des enormen Kräuterwissens vergangener Jahrhunderte sind der »Herbarius Moguntinus«, das erste gedruckte Kräuterbuch aus dem Jahr 1484 sowie das »New Kreuterbuch« des deutschen Botanikers und Arztes Leonhart Fuchs, erschienen circa 1543.

DIE BERÜHMTEN HERBARIEN

Nach dem Zerfall des Römischen Reiches wurden die Klöster zu Hochburgen universaler Gelehrsamkeit. Ihre Bibliotheken und Schreibstuben gossen die antiken Überlieferungen in neue Formen – so entstand eine Brücke von der Antike in die Neuzeit.

Den Klöstern ist es auch zu verdanken, dass die Heilpflanzenkunde über die Jahrhunderte lebendig geblieben ist. Das Kräuterwissen, basierend auf den Kenntnissen der Antike und ergänzt von den in Klöstern gesammelten Erfahrungen, wurde in den sogenannten Herbarien niedergelegt. Diese sind umfangreiche Kompendien zu Anbau, Zubereitung und Anwendung von Arzneipflanzen. Die Schriften der mittelalterlichen Mönche offenbaren nicht nur ein profundes botanisches, sondern auch ein großes pharmazeutisches Interesse. Denn neben den zur Bestimmung der Pflanzen erforderlichen Angaben finden sich stets auch Kommentare zu ihren Heilwirkungen. Dabei schöpften die Autoren der Kräuteralmanache nicht nur aus antiken Quellen, sondern ergänzten ihre eigenen Erkenntnisse und die ihrer Zeitgenossen. Die Genauigkeit dieser Beschreibungen zeugt von einem hohen Niveau der klosterärztlichen Kenntnisse über Arzneipflanzen. Die Herbarien trugen ganz entscheidend zum wissenschaftlichen Fortschritt auf dem Gebiet der Botanik und der Pharmakologie bei. Ohne sie wäre nicht nur das Wissen um die Vielfalt der Flora, sondern auch die Pflanzenheilkunde heute eine andere.

DIE PHYTOS

Eine der Domänen pflanzlicher Heilmittel war und ist die Behandlung sogenannter psychovegetativer Beschwerden. Pflanzen mit psychoaktiver Wirkung werden seit Jahrhunderten erfolgreich gegen Störungen im psychischen Bereich angewendet.

Bevor es jedoch um die grüne Medizin für die Psyche gehen soll, sehen wir uns an, was Phytopharmaka eigentlich sind. Hier besteht nämlich einiger Klärungsbedarf. Denn trotz ihres wachsenden Stellenwerts kursieren in der breiten Öffentlichkeit höchst unterschiedliche Auffassungen über die Pflanzenheilkunde, die von deren tatsächlicher Bedeutung, ihren Möglichkeiten und Grenzen oft weit abweichen.

Die Definition von »Phytopharmakon« leitet sich am einfachsten und ganz banal aus ihrer schlichten Übersetzung her: Griechisch »phytos«, zu Deutsch »Pflanze«, und »pharmakon«, »Arzneimittel«, ergibt »pflanzliches Arzneimittel«.

Dieser Begriff umfasst jedoch viel und sehr Unterschiedliches. Etwa 400 Arzneipflanzen hat die Pflanzenapotheke derzeit im Angebot – zu Arzneidrogen verarbeitete Blüten, Blätter oder Wurzeln wie Rinden und Früchte, Samen oder ätherische Öle. Anwenden lassen sich die grünen Arzneien als Saft oder Tee, Pulver oder Tablette, Salbe oder Tinktur. Stets anders kombiniert, dosiert und aufbereitet. – Was allerdings einen entscheidenden Unterschied ausmacht. Denn zwischen einer Tasse Kamillentee und einem in Tabletten gepressten Extrakt aus Blättern des Ginkgo-Baumes liegen Welten. Warum das so ist?

DIE KONZENTRATION MACHT´S

Auch wenn gegen nahezu jede Krankheit »ein Kraut gewachsen ist«: Es kommt sehr darauf an, in welcher Form und Konzentration es angewendet wird. Ein Tee aus Johanniskrautblüten bringt Sie beispielsweise nicht aus einem seelischen Tief. Aber Sie haben doch gehört oder gelesen, dass Johanniskraut gut gegen depressive Verstimmungen hilft? Das stimmt auch. Doch Sie benötigen keinen Tee daraus. – Davon müssten Sie nämlich mehrere Liter am Tag trinken, um eine Wirkung zu erzielen. – Was Sie brauchen, ist ein Präparat, in dem genau jene Johanniskrautstoffe in hoher Konzentration stecken, die antidepressiv wirksam sind. Das bekommen Sie mit einem standardisierten Extrakt aus Johanniskrautblüten: einem »rationalen« Phytopharmakon, dessen therapeutische Wirksamkeit wissenschaftlich geprüft und nachgewiesen wurde.

PHYTOPHARMAKON IST NICHT GLEICH PHYTOPHARMAKON

Es gibt also Unterschiede bei Mitteln aus Heilpflanzen? Ganz genau.

Pflanzliche Arzneien im Allgemeinen enthalten per definitionem »als arzneilich wirksame Stoffe ausschließlich Pflanzen, Pflanzenteile oder Pflanzeninhaltsstoffe«. Damit ist alles gemeint, was die grüne Apotheke im Sortiment hat: die Teemischung, die Sie beim Kräuterstand auf dem Wochenmarkt kaufen, ebenso wie Ringelblumensalbe oder Melissengeist.

Die Wirksamkeit dieser Mittel ist jedoch nicht wissenschaftlich geprüft. Dass sie Beschwerden wirksam lindern können, ist einzig durch ihre langjährige Anwendung bekannt. Sie haben sich in der Volksmedizin über Generationen hinweg bewährt und wurden für gut befunden. Deshalb tragen solche Pflanzenheilmittel auch den Vermerk »traditionell angewendet bei«.

Daneben gibt es pflanzliche Arzneimittel, die »als arzneilich wirksame Stoffe Zubereitungen aus Pflanzenteilen in einer bestimmten galenischen Form enthalten und die im Sinn einer naturwissenschaftlich orientierten Medizin eingesetzt werden«. Das bedeutet auf gut Deutsch: Diese pflanzlichen Mittel wurden wissenschaftlich auf ihre Wirkung überprüft. Zudem haben sie ihre therapeutische Wirksamkeit in klinischen Studien und durch ärztliche Erfahrungen unter Beweis gestellt. Solche pflanzlichen Arzneien enthalten in der Regel Extrakte, die in Tabletten, Kapseln oder Dragees verpackt, manchmal auch als Tropfen oder Säfte angewendet werden. Diese pflanzlichen Mittel werden im Zuge der sogenannten »rationalen Pflanzenheilkunde« angewendet (siehe S. XX).

ZAHLREICHE ANWENDUNGSGEBIETE

Die Anwendungsgebiete für pflanzliche Arzneimittel umfassen ein breites Spektrum.

Hormone von der Plantage

Ein Paradebeispiel für die umfassenden und wertvollen Möglichkeiten, welche die Pflanzenheilkunde uns eröffnet, sind die sogenannten Phytohormone. Dabei handelt es sich um Wirkstoffe in Pflanzen, die im Reich der Flora vergleichbare Aufgaben übernehmen wie die menschlichen Hormone in unserem Körper.

Immer mehr Frauen greifen inzwischen lieber zu den Hormonen von der Plantage anstatt zu den Botenstoffen aus dem Labor. Das ist gut verständlich, denn die grünen Hormone lindern nicht nur die Symptome von hormonellen Beschwerden, sondern setzen auch an deren Ursachen an. Denn sie schalten sich harmonisierend in das Zusammenspiel der Hormone ein, anstatt es auszuschalten. So ermöglichen sie unserem Körper, über eine Selbstregulation das hormonelle Gleichgewicht wiederzuerlangen.

Die wichtigsten Anwendungsbereiche der pflanzlichen Botenstoffe sind das Prämenstruelle Syndrom (PMS) und die Wechseljahrsbeschwerden. Gegen die Beschwerden, die das hormonelle Wechselspiel mit sich bringen kann, ist im wahrsten Wortsinn ein Kraut gewachsen. Doch nicht nur eines, sondern gleich mehrere. So beispielsweise der Mönchspfeffer und die Traubensilberkerze, die Stoffe in sich tragen, die wirksam in einen gestörten Hormonhaushalt eingreifen und die Waagschalen des Hormonhaushalts austarieren können. Die Stoffe in Vitex agnus-castus, dem Mönchspfeffer, sind sogenannte Dopamin-Antagonisten: Sie blockieren den Neurotransmitter Dopamin und senken so die Ausschüttung des Hormons Prolaktin. Damit reduzieren sich prämenstruelle Beschwerden, denn ein erhöhter Prolaktinspiegel ist die Hauptursache für Probleme vor und während der Periode.

Die positiven Effekte der Traubensilberkerze bei Beschwerden in den Wechseljahren gehen auf die in ihren Wurzeln enthaltenen Phytoöstrogene zurück. Diese ähneln in ihrem chemischen Aufbau dem menschlichen Östrogen und entfalten entsprechend östrogenartige Wirkungen. Auf diese Weise lindern die Pflanzenhormone jene Beschwerden, die durch das altersbedingte Nachlassen der körpereigenen Östrogen-Produktion verursacht werden. Und bei Osteoporose, die durch das Östrogen-Defizit ausgelöste, erhöhte Knochenbrüchigkeit, sind Präparate mit Traubensilberkerze seit Jahrzehnten die Mittel der Wahl.

DIE ZEICHEN STEHEN AUF GRÜN

Pflanzliche Arzneimittel erfreuen sich stetig wachsender Beliebtheit und laufen zum Teil ihren synthetischen Kollegen den Rang ab. Beispielsweise stehen Johanniskraut-Extrakte heute auf Platz eins auf dem Markt der Antidepressiva. Dass die Phytos so beliebt sind, hat seine guten Gründe.

NATÜRLICH IM VORTEIL

Pflanzliche Arzneimittel haben nämlich folgende Vorteile:

Hohe Wirksamkeit

Ihre große therapeutische Wirksamkeit haben zahlreiche pflanzliche Arzneimittel bereits in vielen wissenschaftlichen Untersuchungen sowie nicht zuletzt auch in der täglichen medizinischen Praxis unter Beweis gestellt. Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Testläufe sprechen für sich: Phytopharmaka sind synthetischen Präparaten in der therapeutischen Wirksamkeit absolut ebenbürtig.

Gute Verträglichkeit

Ein wichtiger Aspekt bei der Bewertung von Medikamenten ist deren Verträglichkeit. Denn als Patient profitiert man nur eingeschränkt von Präparaten, die zwar hochwirksam sind, aber mit unangenehmen Nebenwirkungen einhergehen. Sie behandeln die ursprüngliche Erkrankung zwar wirksam, rufen in Folge jedoch andere Beschwerden hervor. Bei Antibiotika kann dies beispielsweise der Fall sein, da diese das Gleichgewicht der Darmflora oft empfindlich beeinträchtigen. Diese negativen Begleiterscheinungen führen vielfach dazu, dass Patienten die Präparate einfach absetzen oder erst gar nicht mit ihrer Einnahme beginnen.

In puncto Nebenwirkungen und Verträglichkeit sind pflanzliche Medikamente Präparaten mit synthetischen Wirkstoffen zweifelsfrei überlegen: Neben- und Wechselwirkungen sind bei der Anwendung von Phytopharmaka höchst selten. Ihre gute Verträglichkeit bringt pflanzlichen Arzneimitteln vor allem bei der Behandlung seelischer Beschwerden klare Bonuspunkte ein: Die vielen, zum Teil stark schädlichen Nebenwirkungen synthetischer Psychopharmaka fallen bei psychoaktiven Pflanzen weg. Dazu kommt, dass sie kein Abhängigkeitspotenzial haben; ein unschätzbarer Vorteil gegenüber den konventionellen synthetischen Präparaten.

Großer Nutzen, kleines Risiko

Aufgrund ihrer guten Wirksamkeit und Verträglichkeit haben pflanzliche Arzneien ein günstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis. Auf gut Deutsch: Der angestrebte Behandlungserfolg steht in einem günstigen Verhältnis zu möglichen unerwünschten Wirkungen.

Die Sicherheit von pflanzlichen Arzneimitteln garantiert unter anderem eine Reihe von Untersuchungen, die nach den gleichen Maßstäben wie für synthetische Arzneimittel durchgeführt werden. Geprüft werden dabei vor allem eventuelle giftige, gesundheitsschädigende Wirkungen, die sofort oder aber bei längerer Einnahme auftreten könnten. Weiterhin ausgeschlossen werden schädliche Auswirkungen auf das Erbgut, die Fruchtbarkeit und auf heranwachsendes Leben im Mutterleib sowie etwaige krebserregende Wirkungen.

Bessere Compliance

Der Begriff »Compliance« bezeichnet die Bereitschaft des Patienten, bei seiner Behandlung mitzuarbeiten. Diese, möchte man meinen, müsse doch zweifelsohne groß sein. – Ein Irrtum, wie folgende Zahlen zeigen: Pro Jahr wandern Arzneimittel im Wert von schätzungsweise fünf Millionen Euro ungenutzt in den Mülleimer. Denn die Patienten nehmen viele der Medikamente, die ihnen vom Arzt verschrieben werden, gar nicht oder nur unzureichend ein – überwiegend aus Angst vor Nebenwirkungen, weniger, weil sie nicht daran denken. Durch diese mangelnde Compliance lässt nicht nur der Behandlungserfolg zu wünschen übrig, sie ist auch mit einer der Gründe für die Kostenexplosion im Gesundheitswesen.

Auch hier punkten die Phytopharmaka. Denn bei ihnen ist die Compliance, durch zahllose Studien eindeutig erwiesen, deutlich besser als bei synthetischen Arzneimitteln. Nicht überraschend, sind sie doch wesentlich besser verträglich und weitgehend frei von Nebenwirkungen – nebenbei bemerkt bei ebensolcher Wirksamkeit.

GLEICHE RECHTE, GLEICHE PFLICHTEN

Ganz generell machen Arzneimittelgesetz und Sozialgesetzbuch hinsichtlich der Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln keine Unterschiede zwischen synthetischen und pflanzlichen Arzneimitteln. Im Sozialgesetzbuch ist der Versorgungsanspruch des Patienten festgelegt, der sich keineswegs auf synthetische Arzneimittel beschränkt. Die gesetzlich Versicherten haben grundsätzlich den gleichen Versorgungsanspruch, ob der nun Phytopharmaka oder alle anderen verordnungsfähigen Arzneimittel umfasst. Ebenso schließt der sogenannte Versorgungsauftrag des Vertragsarztes alle Arzneimittel ein, somit auch pflanzliche. Kurz gesagt sind vor dem Gesetz beide Arzneimittelarten gleich: Pflanzliche Arzneimittel und chemische sind in jeder Hinsicht gleichberechtigt.

Gleiche Rechte bedeuten aber auch gleiche Pflichten. Entsprechend gelten für Phytopharmaka grundsätzlich dieselben Anforderungen wie für synthetische Arzneimittel hinsichtlich ihrer pharmazeutischen Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit. Um diese zu belegen, bedarf es der Ergebnisse analytischer, pharmakologischer, toxikologischer und klinischer Prüfungen.

WAS ALLES IN HEILPFLANZEN STECKT

In Heilpflanzen steckt enorm viel. Denn pflanzliche Arzneien sind komplexe Wirkstoffgemische. Auch wenn ein Hauptwirkstoff über die Wirkung und damit das Anwendungsgebiet bestimmt, sind in einer Pflanze fast immer mehrere verschiedene wirksame Inhaltsstoffe enthalten. Diese können als Begleitstoffe neben den pharmakologisch aktiven Stoffen die Wirksamkeit regulieren – das heißt, verstärken oder abschwächen. Dies macht die Suche nach den »hauptamtlich« für die Heilwirkung zuständigen, den sogenannten »wirkrelevanten« Inhaltsstoffen nicht eben einfach.

DAS PORTFOLIO DER GRÜNEN HELFER

Von A bis Z sehen Sie hier, was die grünen Helfer so alles drin und damit draufhaben.

Ätherische Öle

Nahezu alle Pflanzen enthalten ätherische Öle. Diese Öle, komplexe Mixturen zahlreicher Substanzen, sind leicht flüchtig – verdunsten also rasch. Ein weiteres typisches Charakteristikum ist, dass sie in Wasser schwer oder gar nicht löslich sind.

Ätherische Öle können ausgeprägte Heilwirkungen entfalten. Ihr hoher medizinischer Stellenwert ist vor allem darauf zurückzuführen, dass diese Öle entzündungshemmend und antibakteriell wirksam sind. Daneben können die flüchtigen Stoffe auch Schleim und Krämpfe lösen, desinfizieren, Magen und Darm stärken und die Nierentätigkeit anregen.

Alkaloide

Alkaloide, aufgebaut aus stickstoffhaltigen Verbindungen, sind die mit am stärksten wirksamen Pflanzenstoffe – Substanzen, die nicht nur heilsam, sondern leider auch gefährlich sein können. Dennoch, viele von ihnen sind gute Bekannte, mit denen wir es tagtäglich zu tun haben, wie etwa das Koffein oder das Teein. Neben diesen Alkaloiden in Genussmitteln sind auch medizinische Alkaloide wie Kodein und Morphin nahezu jedem ein Begriff.

Falsch dosiert können alle Alkaloide lebensgefährlich werden. Richtig eingesetzt sind sie dagegen wirksame Heilmittel gegen viele Erkrankungen – eine Gratwanderung zwischen Gefahr und Gewinn, deren Beschreiten große Kenntnis und Erfahrung erfordert.

Bitterstoffe

Wie der Name schon sagt: Diese Stoffe schmecken bitter. Was die Ausschüttung der Verdauungssäfte wie Speichel, Magensaft und Galle ankurbelt und damit einer schwachen Verdauung auf die Sprünge hilft. Ebenso wie dem Appetit. Von ihren Wirkorten her unterscheidet man drei Arten von Bitterstoffen: Amara tonica wirken stärkend und regen die Magensäfte und die Speichelbildung an. Amara aromatica regen die Verdauung an, wirken auf Leber und Galle und gegen Bakterien und Parasiten. Amara acria stärken den Kreislauf.

Flavonoide

Flavonoide sind weiße oder gelbe Farbstoffe, die Früchte und Blüten entsprechend färben. Die Wirkstoffgruppe der Flavonoide zählt zu den sogenannten sekundären Pflanzenstoffen, die derzeit rege erforscht werden. Aus mehreren guten Gründen. Denn Flavonoide haben Eigenschaften, die sie zu sehr wirksamen Arzneien machen. Einige von ihnen wirken entzündungshemmend, andere helfen mit, das Herz zu schützen, wieder andere bieten freien Sauerstoffradikalen Paroli.

Gerbstoffe