Felix Mitterer: Der Panther
Felix Mitterer
Theaterstück
Auftragswerk für das Theater in der Josefstadt, Wien
© 2008
HAYMON verlag
Innsbruck-Wien
www.haymonverlag.at
Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm oder in einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Aufführungsrechte für alle Stücke beim Österreichischen Bühnenverlag Kaiser & Co., Am Gestade 5/II, A-1010 Wien
Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
ISBN 978-3-7099-7633-3
Umschlaggestaltung: Haymon Verlag/Stefan Rasberger unter Verwendung eines Fotos von Moritz Schell
Dieses Stück erhalten Sie auch in gedruckter Form mit hochwertiger Ausstattung in Ihrer Buchhandlung oder direkt unter www.haymonverlag.at.
Gewidmet in Freundschaft und Verehrung
dem Kammerschauspieler Fritz Muliar zum
70-jährigen Bühnenjubiläum.
Am 15. Juli 1937 stand Fritz Muliar zum ersten Mal auf einer Bühne, und zwar im „Lieben Augustin“, der Kleinkunstbühne im Keller des Wiener Cafés Prückel. Somit feiert der legendäre Schauspieler heuer, im Jahre 2007, sein 70-jähriges Bühnenjubiläum. Er feiert es mit einem Stück von mir, das hat er sich gewünscht, und ich fühle mich sehr geehrt.
1990 verschaffte mir Fritz Muliar den größten Theatererfolg meines Lebens. Im Wiener Akademietheater spielte er „Sibirien“, in der Regie von Franz Morak.
Muliar verkörperte den alten Mann, der im Pflegeheim um einen würdigen Tod kämpft, derart eindrücklich und erschütternd, dass es zu einem überwältigenden Publikumsansturm kam. Der große Komiker, der „Darsteller des kleinen Mannes“, hatte sich in den Charakterdarsteller verwandelt, der er immer schon gewesen war. Er widerlegte damit eindrucksvoll seine eigene Aussage, eine Rolle wie der „König Lear“ würde ihm ganz und gar nicht liegen, „höchstens in einer Musicalfassung“.
Denn natürlich spielte er einen König Lear, einen alten Mann, der abserviert und im Stich gelassen wird.
Über 150 Mal trat Muliar in „Sibirien“ auf, nicht nur am Akademietheater, sondern auch in Salzburg, in Berlin und Hamburg.
Dies in kurzen Worten sein Lebensweg:
Fritz Muliar wird als uneheliches Kind am 12. Dezember 1919 in Wien geboren. Sein leiblicher Vater, ein Tiroler k.u.k.-Offizier, kümmert sich nicht um ihn und wird später Nationalsozialist. Seine Mutter Leopoldine Stand dagegen, die als Sekretärin bei der Österreichischen Kontrollbank arbeitet, ist eine überzeugte Sozialdemokratin. 1924 lernt sie den russisch-jüdischen Juwelier Mischa Muliar kennen und heiratet ihn. Mischa adoptiert den kleinen Fritz und unterweist ihn im jüdischen Glauben und in der hebräischen Sprache. Das spätere Talent, auf unnachahmliche Weise jüdische Witze zu erzählen, hat Fritz Muliar also seinem Adoptivvater zu verdanken. Und das Beispiel seiner Mutter ist sicher ein Mitgrund, dass Fritz Muliar sein Leben lang bekennender Sozialdemokrat war und sich auch sonst kein Blatt vor dem Mund nahm.
Im März 1938 flieht Mischa Muliar vor den Nazis in die USA. Fritz Muliar wird im April 1940 eingezogen, tingelt zwecks Truppenbetreuung mit einer Theatergruppe durch Frankreich und reißt dabei Witze über Hitler und Konsorten. Wegen „Wehrkraftzersetzung“ und Betätigung zur Wiederherstellung eines freien Österreich verurteilt man ihn zum Tode. Nach sieben Monaten Haft wird er aber zu fünf Jahren Zuchthaus begnadigt. Um dieser langen Gefängnisstrafe zu entgehen, meldet er sich zu einer Strafkompanie nach Russland.
Nach dem Krieg fängt Muliar als Sprecher bei Radio Klagenfurt an, geht dann als Schauspieler und Regisseur nach Graz und kehrt 1949 nach Wien zurück. Zuerst tritt er am Raimundtheater auf, von 1952 bis 1965 spielt er an der Seite von Karl Farkas und Ernst Waldbrunn im Kabarett „Simpl“.
Zu Beginn der 70er-Jahre kommt dann der große Durchbruch im Fernsehen: „Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk“ von Jaroslav Hašek, in 13 Teilen verfilmt von ORF/ZDF in der Regie von Wolfgang Liebeneiner. Mehr als 100 Filme und Serien folgen nach.
Fritz Muliar wird Mitglied des Burgtheaters, tritt aber ebenso am Volkstheater, in der Josefstadt und natürlich bei den Salzburger Festspielen auf.
1990 geht der Professor und Kammerschauspieler höchst offiziell in Pension, kann es aber dennoch nicht lassen, wofür wir ihm sehr dankbar sind. Seit 1994 ist er wieder festes Ensemblemitglied der Josefstadt. Der Komödiendependance Kammerspiele beschert er mit seinem komischen Talent – wie auch schon in früheren Jahrzehnten – regelmäßig ein ausverkauftes Haus.
Zahllos sind seine Rollen, keiner, der ihn sah, vergisst ihn zum Beispiel als Sancho Pansa in „Der Mann von La Mancha“ in der Volksoper, als das Alter in „Der Bauer als Millionär“ im Volkstheater, als Mr. Green in „Der Besuch bei Mr. Green“ in der Josefstadt, und, natürlich, als Papst in „Der Tag, an dem der Papst gekidnappt wurde“ in den Kammerspielen.
Ach, Fritz, siebzehn Jahre hat es nach „Sibirien“ gebraucht, bis ich endlich wieder ein Stück für Dich zusammenbrachte, ich hoffe, Du verzeihst mir die lange Wartezeit.
Dem Josefstadt-Direktor Herbert Föttinger danke ich dafür, dass er mir mit dem Stückauftrag endlich den nötigen Tritt verpasste. Überhaupt: Fünf Uraufführungen in einer Saison (Turrini, Franzobel, Barylli, Vögel, Mitterer), das hat bisher noch kein Theaterdirektor zu Stande gebracht.
Und glücklich macht es mich, dass eine zweite Wiener Theaterlegende beim „Panther“ mit dabei ist: Elfriede Ott. Hans Weigel, ihr Lebensmensch, hat mich schon früh entdeckt und gefördert, mir auch manche Literaturpreise zugeschanzt. Lieber, verehrter Hans, der Du uns fehlst, halt uns die Daumen und schau bitte zu.
Felix Mitterer
© Moritz Schell
PERSONEN:
Der Mann ohne Namen, alt
Marion Liebherr, alt
Heinz, im mittleren Alter
Schauplatz: Wohnzimmer in einem Gründerzeithaus. Zwei Fenster. Parkettboden, zum Teil aufgeworfen. Stehlampen. Pflanzen. Bücherregale mit vielen Büchern. Wanduhr. Garderobenschrank mit Spiegel, daneben Schirmständer mit Schirmen und einem Gehstock. Esstisch mit Stühlen. Auf dem Esstisch ein großes, kompliziertes Puzzle sowie eine schlanke, hohe Vase aus Glas. Couch, Couchtisch, Polstersessel. Mehrere Fernseher verschiedener Größe. Stereoanlage mit Plattenspieler und Schallplatten. Verschiedenste Waren von Versandhäusern, zum Teil noch in Kartons. Hohe Stapel von Büchern, Zeitungen, Zeitschriften und alten Schulheften am Boden. Irgendwo ein Strohhut, wie ihn Maurice Chevalier zu tragen pflegte.
Als Bühnenmusik (Anfang, Übergänge, Ende) das Chevalier-Lied, das der Mann im Stück zusammen mit Marion singt:
Paris je t’aime d’amour
Ô mon Paris ville idéale
Il faut te quitter dès ce soir
Adieu, ma belle capitale,
Adieu, non, au revoir!
Paris je t’aime, je t’aime, je t’aime
Avec ivresse,
Comme une maîtresse!
Tu m’oublieras bien vite et pourtant
Mon cœur est tout chaviré en te quittant!
Je peux te dire
qu’avec ton sourire
Tu m’as pris l’âme
Ainsi qu’une femme
Tout en moi est à toi pour toujours