Geh Deinen eigenen Weg.

Aber halte Ausschau nach Seelenverwandten.

Kitty Korver

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Geleitwort von Dr. Ádám Miklósi

Bindung – ein Wort, das heute Hunderte von Hundeexperten fasziniert. Ein Wort, das vor 15 Jahren in der Hundeszene fast niemand benutzt hat. Nun ja, jeder wusste, dass der Besitzer seinen vierbeinigen Kumpan gern hat, ja vielleicht sogar „liebt“, und dass das vielleicht auch gegenseitig sein könnte. Aber dass die Beziehung zwischen Frauchen oder Herrchen und dem Hund eine wichtige Rolle spielen könnte – das ist etwas Neues … oder nicht?

Für uns Menschen hat die Bindungstheorie eine lange Geschichte und ist vor allem in der Entwicklungspsychologie von großer Bedeutung. Forscher, aber auch Praktiker wie Lehrer, Kindergärtnerinnen, Psychologen oder Psychiater, machten schon früh die Erfahrung, dass die zwischenmenschlichen Beziehungen – besonders während der frühen Entwicklungsphasen – einen großen Einfluss auf das spätere Verhalten haben. Bindung zwischen Kind und Eltern spielt hier eine wichtige Rolle.

So ist es eigentlich kein Wunder, dass man später ähnliche Beobachtungen auch hinsichtlich der Mensch-Hund-Beziehung gemacht hat. Ältere Forschungsarbeiten haben bereits eindeutig gezeigt, dass Hunde in vielen Bereichen ähnliche soziale Verhaltensweisen wie Menschen haben. Genauer: die Domestikation hat Hunde so verändert, dass es für sie einfacher ist, in einem engen sozialen Kontakt mit Menschen zu leben. Und hier spielt die Bindung zwischen Mensch und Hund eine wichtige Rolle.

Wir sollten deshalb Bettina Mutschler und Rainer Wohlfarth dankbar sein, dass sie in diesem spannenden Buch dieses Thema für den Hundebesitzer so zugänglich darstellen. Sicher wird es früher oder später ein „Bestseller“ und ich hoffe, dass alle Hundebesitzer sich die Mühe machen, das Buch gründlich zu lesen. Manchmal wird der Leser mit dicht gedrängten Informationen konfrontiert, aber das Erlebnis lohnt sich. Ich bin der Meinung, dass Bindung ein wichtiges Konzept für die Hundebesitzer darstellt. Und viele der Fakten, welche in diesem Buch beschrieben werden, haben ganz praktische Konsequenzen.

Ich hoffe, dass dieses Buch vielen Hundebesitzern helfen wird, ein spannenderes und zufriedeneres Leben mit ihrem Hund zu haben. Dazu wünsche ich dem Leser viel Spaß und Glück!

Dr. Ádám Miklósi

Leiter des Lehrstuhls für Ethologie an der Eötvös Loránd Universität

in Budapest/Ungarn

Vorwort von Prof. Dr. Klaus E. Grossmann

Zahlreiche Menschen lieben Hunde. Sie leben mit ihnen zusammen und verbringen viel gemeinsame Zeit mit ihnen. Sie sorgen für sie und erfreuen sich an ihnen. Sie sind traurig, wenn sie krank sind oder wenn sie sterben. Das ist unausweichlich, denn Menschen leben fast immer länger als ihre Haustiere.

Hunde begleiten Menschen seit über 30.000 Jahren. Evolutionsbiologen sagen, dass Hunde die Fähigkeit zu individuellen Beziehungen im Laufe ihrer Naturgeschichte als Anpassung an Menschen erworben haben. Wölfe, von denen sie abstammen, haben diese Anlage nicht.

Charles Darwin hat bereits 1872 in seinem Buch „Der Ausdruck der Gemütsbewegungen bei dem Menschen und den Tieren“ einige dem Menschen vertraute und von ihm wertgeschätzte Ausdrucksbewegungen von Hunden beschrieben, u. a. Gebärden der Zuneigung, Aufmerksamkeit und Spiel. Darwin hat damit die Ethologie, die Biologische Verhaltensforschung, begründet und auch den Rahmen für das vorliegende Buch vorgegeben. Es berichtet voller Einsichten und mit tiefen Kenntnissen über einen artgerechten und liebenswerten Umgang mit unseren Tierpartnern, die so viel Freude und Hilfe bringen und die uns auf diesem Wege natürlich auch herausfordern.

Eine auf die Evolution von Beziehungen zwischen Mensch und Hund begründete Erziehung hat lange auf sich warten lassen. Züchtungen gingen und gehen häufig von der Nutzung aus: Hütehunde gehorchen subtilen Signalen, Spür-, Jagd-, Rettungs-, Blinden- oder Fährtenhunde werden nach dem Gebrauchswert ihrer Fähigkeiten gezüchtet. Andere Rasse-Züchtungen orientierten sich an Schönheitsidealen, die auf Hundeausstellungen prämiert wurden, manchmal ohne Rücksicht auf Störungen von Gesundheit, Organen oder Bewegungsapparat. Hunde, die in den 50er Jahren isoliert von anderen Tieren oder Menschen, ohne bindungsbasierte Erziehung, aufgezogen wurden, erzielten dabei Preise, weil sie – lernunfähig – jeder wiederholten Begutachtung mit scheinbar lebendiger Neugier und aufmerksamem Interesse begegneten.

Die Erziehung von Hunden vollzieht oder vollzog sich nicht selten nach den Prinzipien von Lohn und Strafe, der auf Tierversuchen basierenden psychologischen Lerntheorie. Das funktioniert zwar häufig, aber, so zeigen Bettina Mutschler und Rainer Wohlfarth, es wird der Natur des Hundes, vor allem des Familienhundes, nicht gerecht. Früher Kontakt mit fürsorglichen Menschen vor der zwölften Lebenswoche von Welpen hilft sehr bei der Entwicklung einer individuellen, ganz speziellen Beziehung. Die Orientierung an der Art und Weise, wie sich Kinder an ihre Eltern binden, und wie sich, komplementär dazu, die meisten Eltern um ihre Kinder sorgen, bildet die Möglichkeit einer neuen Qualität der Beziehung auch mit Hunden.

Dabei gibt es zahlreiche Ähnlichkeiten – Analogien –, aber auch Unterschiede. Die Ähnlichkeiten finden sich in der Art und Weise, wie der Mensch lernt, feinfühlig auf die Bedürfnisse des Hundes zu reagieren. Er muss Hunde gut kennen, und den eigenen besonders gut, um ihn zu einem gehorsamen „Komplizen“ zu erziehen. Im Unterschied zu Kindern bleibt der Hund in der Rolle eines gehorsamen Kindes. Kinder werden, wie Hunde, durch zuverlässige Fürsorge, Trost und Nähe – den sicheren Hafen von Bindungspersonen – psychisch sicher. Das hilft ihnen später beim selbständigen Erkunden der Welt. Dabei übernehmen ihre Bindungspersonen die Rolle einer sicheren Ausgangsbasis, bis die Kinder Eigenverantwortung, Selbstbestimmung, Mündigkeit, Autonomie in Verbundenheit errungen haben.

Hunde sollen das aber gerade nicht. Sie werden dazu erzogen, unter Aufsicht zu bleiben, um zu tun was sie tun sollen. Das gelingt am besten, wenn man die naturgegebenen Fähigkeiten vor allem seines individuellen Hundes gut kennt und dessen Bedürfnisse für ein gelingendes Miteinanders feinfühlig nutzt. Hunde sind erst dann ein rundum erfreulicher Lebensinhalt – und können über diese Freude hinaus sogar zu vielem nützlich sein, bis hin zur Unterstützung bei der Überwindung von Lernschwierigkeiten und Anpassungsproblemen bei Kindern.

Das Buch lehrt uns kenntnisreich und überzeugend, wie das erreicht wird und wieviel persönliche Gemeinsamkeit dabei entsteht. In diesem Sinne bildet die Bindungstheorie nicht nur eine natürliche Grundlage für psychische Sicherheit bei Menschen, wie der erste Teil des Buches zeigt. Eine bindungsgeleitete Hundeerziehung begründet auch, wie der Hauptteil des Buches darstellt, eine enge und konfliktfreie vertrauliche Partnerschaft, die gleichzeitig menschlichen Bedürfnissen nach Fürsorge und Erziehung und den Bedürfnissen von Hunden nach Führung angemessen ist.

Bettina Mutschler überzeugt uns: Bindungsgeleitete Hundeerziehung schafft – wie auch bei sicheren menschlichen Bindungen – eine neue Qualität des Miteinanders.

Dr. Klaus E. Grossmann

Ehem. Professor für Psychologie an der Universität Regensburg

Einleitung

Habe ich eine gute Beziehung zu meinem Hund? Hat mein Hund eine enge Bindung zu mir? Oft werden wir in unseren Tätigkeiten als Hundeerziehungsberaterin und Psychologe gebeten, die Bindung zwischen Mensch und Hund einzuschätzen. Viele Menschen möchten gerne, dass wir ihnen bestätigen, ihr Hund habe eine sehr enge Bindung zu ihnen. Warum sind für viele Menschen im Zusammenleben mit ihrem Hund eine gute Beziehung und eine enge Bindung so wichtig? Hierauf gibt es viele unterschiedliche Antworten. Die vielleicht wichtigste ist: Es gibt uns ein „warmes“, angenehmes Gefühl, jemanden umsorgen zu können und gebraucht zu werden.

Ihr Hund ist für die meisten Menschen sehr wichtig, deshalb wünschen sie sich, auch wichtig für den Hund zu sein. Man liebt seinen Hund innig, verzichtet auf Flugreisen, auf Kinoabende und schnittige Cabriolets, um seinem Hund gerecht zu werden. Die Urlaubsplanung ist auf den Hund abgestimmt, denn ihm soll der Urlaub auch gefallen. Das Familienauto wird danach ausgesucht, ob der Hund genug Platz hat und die Box in den Kofferraum passt. Gedanken kreisen um sinnvolle Beschäftigungen für den Hund, damit er Spaß hat und Hund sein kann. Einige Wochenenden werden auf Hundeplätzen verbracht und in der Freizeit wird Hundeliteratur statt spannender Krimis gelesen. Steht es dem Menschen da nicht zu, dass der Hund diese Anstrengungen anerkennt und sich innig an ihn bindet?

Da ist es verwunderlich, dass in den allermeisten Hundeerziehungsbüchern das Thema Bindung nicht aufgegriffen wird. Erst in letzter Zeit ist es „in“, über Bindung zu sprechen und zu schreiben. Es werden immer mehr Mensch-Hund-Seminare zum Thema Bindung angeboten. Oft werden dort „Bindungsspiele“ mit dem Hund gespielt, um so die Bindung zu verbessern. Neulich trafen wir eine Frau, die auf einem solchen „Bindungsseminar“ war. Sie war tieftraurig, da der Seminarleiter ihr gesagt hatte, ihr Hund habe keine gute Bindung zu ihr. Der Hund hatte bei einer vorgetäuschten Ohnmacht nicht mit Wiederbelebungsversuchen reagiert, sondern sich an den Leckerchen aus ihrer Tasche bedient.

Auf der anderen Seite liest man – gerade in letzter Zeit – häufig davon, enge Bindungen würden den Hund viel zu sehr einschränken und ihm die Freiheit nehmen. Die Hunde, die eng an ihren Menschen gebunden sind, seien sozial gestört und könnten nicht normal mit dem Umfeld interagieren.

Hier stellt sich die Frage: Kann man mit „Tests“ Beziehung oder Bindung erkennen und bewerten? Was versteht man überhaupt unter Beziehung? Was unter Bindung? Gibt es einen Unterschied zwischen Beziehung und Bindung? Was sind die Merkmale von Beziehung oder Bindung? Und wie entsteht eine Beziehung oder Bindung?

Das Anliegen dieses Buches ist es, die Mensch-Hund-Bindung – besser die Hund-Mensch-Bindung – fundiert zu beschreiben. Dazu laden wir Sie auf eine kleine Reise in die Erforschung der Bindung beim Menschen ein. Wir, Bettina Mutschler und Rainer Wohlfarth, werden im ersten Teil beschreiben, wo und warum diese Begriffe entstanden sind und ob das etwas mit unseren Hunden und uns zu tun hat oder nicht. Dann werden wir der Frage nachgehen, ob Hunde zu uns Menschen überhaupt eine Bindung aufbauen können und ob dies für den Hund sinnvoll ist. Wie wesentliche Aspekte der Bindung in die Hundeerziehung einfließen können, erklärt Bettina Mutschler aus ihrer langjährigen Erfahrung als Hundeerziehungsberaterin im zweiten Teil des Buches. Sie beschreibt dort die wesentlichen Elemente einer bindungsgeleiteten Hundeerziehung.

Eine kleine Übung

Bitte stellen Sie sich zehn Personen aus Ihrem nahen Umfeld vor und schreiben Sie die Namen auf ein leeres Blatt. Nun überlegen Sie bitte, wie lange Sie die einzelnen Personen schon kennen, wie viel Zeit Sie zusammen verbringen, wie vertraut Sie sich sind, wie oft Sie an diese Personen denken und wie wichtig diese für Ihr Leben sind.

Ihnen wird deutlich werden, dass es in Ihrem Umfeld sehr viele unterschiedliche Beziehungen gibt. Vielleicht ist Ihnen zuerst Ihre Mutter eingefallen, zu der Sie eine sehr vertrauensvolle Beziehung haben. Dann Ihre jüngere Schwester, die Ihnen nahe steht, und Ihr Bruder, mit dem Sie nicht so viel anfangen können. Dann gibt es vielleicht Ihre beste Freundin. Sie können sie mitten in der Nacht anrufen, wenn Ihnen etwas auf der Seele brennt. Sie können genau dort „weiterquasseln“, wo Sie aufgehört haben, auch wenn Sie Ihre Freundin mal ein Jahr nicht gesehen haben.

Haben Sie einmal darüber nachgedacht, dass Sie mit Ihren Arbeitskollegen mehr Zeit verbringen als mit Ihrer Familie? Oft versteht man sich wirklich prima, und trotzdem bricht der Kontakt ab, sobald man die Arbeitsstelle verlässt.

Zu allen Personen, die Sie auf Ihrem Blatt notiert haben, pflegen Sie unterschiedliche Beziehungen. Diese Beziehungen können eher geschäftlicher Natur (wie der Gemüsehändler von nebenan) oder freundschaftlicher Natur (wie der Freund aus der Kinderzeit) sein. Dann gibt es noch die Liebesbeziehung, die Sie (hoffentlich) mit Ihrem Partner pflegen.

Sie sehen, es gibt Geschäftsbeziehungen, die meist durch wenig persönlichen Input gekennzeichnet sind. Wir gehen zwar regelmäßig in denselben Laden, unterhalten uns auch mit dem Besitzer oder der Verkäuferin, aber Persönliches hat wenig Platz. Gibt es zwei Straßen weiter einen anderen schönen Laden, der das Gemüse billiger verkauft, wechselt man einfach den Verkäufer. Diese Beziehungen sind also nicht wirklich stabil. Sie haben eine materielle Grundlage, aber keine persönliche – auch wenn man in manche Läden lieber geht als in andere.

Dann gibt es Freundschaftsbeziehungen. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass es nicht um Materielles geht, sondern um ein persönliches Sich-Einlassen. Wir haben und pflegen Freundschaften aus fast allen Phasen unseres Lebens. Der Sandkastenfreund, die Schulfreundin, der Studienfreund, mit denen wir unser Leben lang in Kontakt bleiben. Ein Nachbar oder auch ein Arbeitskollege kann ebenfalls zum Freund werden. Diese Beziehungen zeichnet aus, dass mehr Emotionen im Spiel sind. Es gibt eher lose freundschaftliche Beziehungen, aber auch sehr enge und feste.

Liebesbeziehungen sind noch stärker von Emotionen und Gefühlen geprägt als Freundschaftsbeziehungen. Dies sind Beziehungen zu Menschen, die Ihnen mehr bedeuten, an die Sie häufiger denken, mit denen Sie öfter Kontakt haben und bei denen Sie vielleicht sogar Geborgenheit empfinden. Zu diesen Personen haben Sie ein besonderes Verhältnis, mit ihnen verknüpft Sie ein zusätzliches Band – und dies nennt man Bindung.

Die Wissenschaft unterteilt diese unterschiedlichen Beziehungsmuster in zwei Hauptkategorien, die als „Bindungsbeziehungen“ und „affiliative Beziehungen“ bezeichnet werden. Affiliative Beziehungen befriedigen unser angeborenes Bedürfnis nach Gruppenzugehörigkeit. Bindungsbeziehungen dagegen befriedigen unser primäres Bedürfnis nach Sicherheit und Geborgenheit, wie wir es besonders in einer sicheren Mutter-Kind-Bindung erleben.

Affiliative Beziehungen entstehen zwischen Interessengemeinschaften. Man hat ein Gefühl der Zusammengehörigkeit. Fällt das gemeinsame Interesse jedoch irgendwann weg, lösen sich diese Beziehungen meist wieder auf. Es entsteht kein wirklicher oder nur ein kurzer Trauerprozess. Affiliative Beziehungen sind zum Beispiel Beziehungen zu Arbeitskollegen, den Freunden aus dem Sportverein oder den Mitgliedern der Agilitygruppe.

Was würden Sie sagen: Zu welchen Personen auf Ihrem Blatt haben Sie affiliative Beziehungen?

Kennzeichnen Sie im nächsten Schritt die Namen derjenigen Personen, bei denen Sie den Wunsch nach Nähe spüren, die Sie bei emotionalen Belastungen unterstützen und auf die Sie sich als sichere Basis verlassen können. Sie können auch noch darüber nachdenken, ob Sie traurig wären, wenn diese Beziehung beendet würde. Die Personen, welche Sie so gekennzeichnet haben, sind Ihre Bindungsbeziehungen.

Bindungsbeziehungen

Das Gefühl, in Beziehungen Sicherheit und Geborgenheit zu spüren, wird als Schlüssel der Bindungsbeziehung bezeichnet. Bindungsbeziehungen sind im Gegensatz zu affiliativen Beziehungen exklusiv, das bedeutet: Wir haben viele affiliative Beziehungen, aber nur wenige Bindungsbeziehungen. Bindungsbeziehungen basieren auf emotionalen Prozessen, damit werden reine „Kopfentscheidungen“ unmöglich. Es ist nicht möglich, die Gefühle für eine Bindungsperson einfach abzustellen oder sich einzureden, jemanden nicht mehr zu lieben. Gefühle der Bindung können auch nach Trennungen oder gar dem Tod des Partners bestehen bleiben. So kann „Bindung als imaginäres Band zwischen zwei Personen gedacht werden, das in den Gefühlen verankert ist und das sie über Raum und Zeit hinweg miteinander verbindet“ (Ainsworth 1979).

Stand Ihr Hund auch auf dem Blatt?

Nein, wahrscheinlich nicht, wir hatten Sie ja gebeten, zehn Personen aufzuschreiben. Nun können Sie einen weiteren Schritt tun und Ihren Hund mit auf das Blatt schreiben. Wie schätzen Sie die Beziehung zu Ihrem Hund ein? Ist er für Sie ein Familienmitglied, ein Kumpel, ein Partner, ein Spielkamerad, ein Sportpartner oder ein Beschützer? Welche Stellung hat Ihr Hund in Ihrem Leben und im gesamten Familienleben?

Empfinden Sie die Beziehung zu Ihrem Hund als eher affiliativ oder als Bindungsbeziehung? Ist das in Ihrer Familie bei allen gleich oder hat der Hund zu jedem Familienmitglied eine unterschiedliche Beziehung?

Wenn Sie das für sich geklärt haben, wechseln Sie doch bitte einmal die Perspektive: Könnten wir Ihren Hund befragen, was glauben Sie, würde er antworten? Wie schätzt er wohl seine Beziehung zu Ihnen ein? Ein reiner Zweckverband – oder doch mehr?

Wir können also zunächst festhalten, dass Bindungen besondere Formen der Sozialbeziehungen sind, die sich durch emotionale Sicherheit und Vertrautheit auszeichnen und mit nur wenigen Personen entstehen. Es besteht mittlerweile kein Zweifel mehr daran, dass eine sichere Eltern-Kind-Bindung eine unverzichtbare Grundlage für ein lebenslanges seelisches und körperliches Wohlbefinden darstellt. Sie ist der wichtigste „Treibstoff“ für den Erwerb von Urvertrauen in die Welt und in die Menschen, für die Entfaltung jeglicher Kompetenzen und den Aufbau von Widerstandsfähigkeit.

Hunde sind sozial orientierte Tiere, die von Natur aus mit anderen Lebewesen auskommen möchten. Also auch mit dem Menschen. Dies lädt dazu ein, das Wissen, welches in den letzten Jahrzehnten über menschliche Bindungen gesammelt wurde, auch auf die Hund-Mensch-Beziehung zu übertragen und zu untersuchen, ob sich unsere Beziehung zu unseren Hunden verbessern lässt, wenn wir unsere Hunde bindungsgeleitet erziehen.