Cover

Das Buch

Die Völker von Roschar stehen vor der größten Bedrohung seit vielen Tausend Jahren. Eine neue Wüstwerdung droht, die völlige Zerstörung des ganzen Kontinents durch einen gewaltigen magischen Sturm. Hervorgerufen wurde dieser Sturm durch die Parschendi, eines der Völker, das bislang von allen anderen unterdrückt und versklavt wurde. Nun sind sie erwacht und trachten danach, ihre Ketten abzuwerfen. Sie sammeln sich bereits zu einer großen Streitmacht, um im Gefolge des Sturms ganz Roschar mit Krieg zu überziehen und Rache für ihr jahrtausendelanges Leid zu suchen. Einzig Kaladin, der Sturmgesegnete, und seine Getreuen können sich den Bringern der Leere entgegenstellen. Mit ihren neu entdeckten Kräften haben sie die sagenumwobenen Ritterorden neu gegründet, und neue Hoffnung keimt in den Herzen der Menschen auf. Doch je mehr Kaladin über die Parschendi erfährt, umso größer sind seine Zweifel. Welches Volk kann von sich behaupten, der wahren Gerechtigkeit zu dienen – und wer steckt wirklich hinter dem Bösen, das ganz Roschar zu überschatten droht?

Der Autor

Brandon Sanderson, 1975 in Nebraska geboren, schreibt seit seiner Schulzeit fantastische Geschichten. Er studierte Englische Literatur und unterrichtet Kreatives Schreiben. Sein Debütroman »Elantris« avancierte in Amerika auf Anhieb zum Bestseller. Seit seiner Steelheart-Trilogie und den epischen Sturmlicht-Chroniken ist Brandon Sanderson auch in Deutschland einer der großen Stars der Fantasy. Brandon Sanderson lebt mit seiner Familie in Provo, Utah.

Die Sturmlicht-Chroniken

FÜNFTER ROMAN

Aus dem Amerikanischen von
Michael Siefener

Die Originalausgabe ist unter dem Titel

Oathbringer – Book Three of The Stormlight Archive (Part I)

bei Tor/Tom Doherty Associates, LLC, New York, erschienen.

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Copyright © 2017 by Dragonsteel Entertainment, LLC

Copyright © 2018 der deutschsprachigen Ausgabe
by Wilhelm Heyne Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH,
Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Joern Rauser

Illustrationen und Karten: Dan dos Santos, Ben McSweeney,
Miranda Meeks, Kelley Harris, Isaac Stewart, Howard Lyon

Umschlagillustration: Federico Musetti

Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München

Satz: Schaber Datentechnik, Austria

ISBN: 978-3-641-17517-7
V003

twitter.com/heynefantasysf

Für Alan Layton,

der Dalinar (und mich) bejubelt hat,

bevor das Sturmlicht überhaupt existierte

VORWORT UND DANKSAGUNG

Willkommen bei »Oathbringer«, zu Deutsch »Der Ruf der Klingen« und »Die Splitter der Macht«! Es hat lange gedauert, dieses Buch zu schreiben. Haben Sie herzlichen Dank für Ihre Geduld. Die Sturmlicht-Chroniken sind ein gewaltiges Unternehmen – was Sie auch an der langen Dankesliste von Personen weiter unten ablesen können.

Falls Sie nicht die Möglichkeit hatten, »Edgedancer« zu lesen – eine einzelne Sturmlicht-Erzählung, die zwischen dem zweiten und dem dritten Buch angesiedelt ist –, möchte ich sie Ihnen hiermit empfehlen. Sie ist entweder als Einzelveröffentlichung oder in dem Sammelband »Arcanum Unbounded« zu finden, in dem Novellen und Geschichten aus dem ganzen Kosmeer versammelt sind (das ist das Universum, in dem diese Reihe sowie die Nebelgeborenen-Saga, »Elantris«, »Sturmklänge« und andere Bücher spielen).

Nichtsdestotrotz ist jede Reihe so geschrieben, dass sie eigenständig gelesen und genossen werden kann, ohne dass man die anderen Reihen oder Bücher kennen muss. Wenn es Sie interessiert, können Sie eine längere Erklärung auf brandonsanderson.com/cosmere finden.

Und nun zur Parade der Namen! Wie ich schon oft gesagt habe, steht zwar mein Name auf dem Umschlag, aber es gibt unzählige Personen, die dabei geholfen haben, diese Bücher zu Ihnen zu bringen. Sie haben meinen – und Ihren – herzlichsten Dank verdient, weil sie während der drei Jahre, die ich an diesem Roman geschrieben habe, unermüdlich daran mitgearbeitet haben.

Mein Hauptagent für diese Bücher (und alles andere) ist der wunderbare Joshua Bilmes von JABberwocky. Andere Mitarbeiter der Agentur, die sich ebenfalls damit beschäftigt haben, waren Brady McReynolds, Krystyna Lopez und Rebecca Eskildsen. Ein besonderer Dank geht an John Berlyne, meinen Agenten von Zeno in England, zusammen mit all den Subagenten, die auf der ganzen Welt für uns arbeiten.

Mein Lektor bei Tor war für dieses Projekt der wie immer brillante Moshe Feder. Besonderer Dank gebührt Tom Doherty, der schon seit Jahren an das Sturmlicht-Projekt glaubt, und an Devi Pillai, die während der Entstehung des Romans wesentliche Hilfe bei Lektorat und Veröffentlichung geleistet hat.

Weitere hilfreiche Personen bei Tor waren Robert Davis, Melissa Singer, Rachel Bass und Patty Garcia. Karl Gold war unser Herstellungsleiter und Nathan Weaver der Projektleiter, während Meryl Gross und Rafal Gibek für die Produktion verantwortlich waren. Irene Gallo war die künstlerische Leiterin, Michael Whelan hat den (Original-)Umschlag entworfen, von Greg Collins stammen die Innenillustrationen, und Carly Sommerstein war die Korrektorin.

Bei meinem englischen Verleger Gollancz/Orion geht ein Dank an Gillian Redfearn, Stevie Finegan und Charlotte Clay.

Der Redakteur des Buches war Terry McGarry, der schon bei vielen meiner Romane ausgezeichnete Arbeit geleistet hat. Das E-Book wurde von Victoria Wallis und Caitlin Buckley bei Macmillan betreut.

Viele Leute aus meiner eigenen Firma haben lange an der Produktion gearbeitet. Ein Sturmlicht-Roman ist jedes Mal ein entscheidendes und einschneidendes Ereignis hier bei Dragonsteel, darum sollten Sie dem ganzen Team zujubeln (oder, in Peters Fall, ihm ein großes Stück Käse geben), falls Sie ihnen einmal begegnen. Unsere Managerin und Geschäftsführerin ist meine wunderbare Frau Emily Sanderson. Der Vizepräsident und Redaktionsleiter ist der stets so beharrliche Peter Ahlstrom. Künstlerischer Leiter ist Isaac Stewart.

Unsere Versandleiterin (und damit diejenige, die all Ihre signierten Bücher und T-Shirts verschickt, wenn sie über den brandonsanderson.com-Store bestellt wurden) ist Kara Stewart. Karen Ahlstrom ist für unser Continuity-Wiki verantwortlich. Mein persönlicher Assistent und Marketing-Direktor ist Adam Horne. Emilys Assistentin ist Kathleen Dorsey Sanderson, und Emily »Mem« Grange ist die Aushilfe.

Das Hörbuch wurde von meinen bevorzugten Sprechern Michael Kramer und Kate Reading eingelesen. Vielen Dank, ihr beiden, dafür, dass ihr Zeit dafür gefunden habt!

»Der Ruf der Klingen« und »Die Splitter der Macht« führen die Tradition fort, das Sturmlicht-Archiv mit wunderbarer Kunst zu füllen. Wieder haben wir eine fantastische Umschlagillustration von Michael Whelan, dessen Detailgenauigkeit uns ein erstaunlich konkretes Bild von Jasnah Kholin schenkt. Es gefällt mir, dass sie einen Platz zum Leuchten auf diesem Umschlag hat, und ich bin dankbar und fühle mich geehrt, dass Michael sich so viel Zeit außerhalb von seiner Galeriearbeit nimmt, um die Welt von Roschar zu malen.

Es bedarf etlicher Künstler, um die verschiedenen Stile zu erschaffen, die in den Ephemera einer anderen Welt gefunden werden, und diesmal haben wir sogar mit noch mehr Künstlern gearbeitet als je zuvor. Dan dos Santos und Howard Lyon sind für die Gemälde von den Herolden auf dem Vorsatzpapier verantwortlich. Ich wollte, dass ihr Stil die klassischen Gemälde der Renaissance und der späteren Romantik nachahmt, und sowohl Dan als auch Howard haben unsere Erwartungen übertroffen. Diese Bilder sind nicht nur große Buchillustrationen, sondern erstaunliche Kunstwerke, die einen Platz in jeder Galerie verdient haben.

Ich sollte noch anfügen, dass Dan und Howard ihr Talent auch auf die Innengestaltung verwendet haben, wofür ich sehr dankbar bin. Dans Modebilder sind so gut, dass sie ebenso den Umschlag hätten zieren können, und Howards Vignetten für einige Kapitel hoffe ich in den folgenden Bänden wiederzusehen.

Ben McSweeney hat sich ein weiteres Mal zu uns gesellt und neun Zeichnungen aus Schallans Skizzenblock beigesteuert. Obwohl er vom einen Ende des Landes zum anderen umgezogen ist, einen anstrengenden Beruf hat und sich um die Bedürfnisse seiner wachsenden Familie kümmern muss, hat Ben dennoch überragende Illustrationen abgeliefert. Er ist ein großer Künstler und ein wunderbarer Mensch.

Weiterhin haben Miranda Meeks und Kelley Harris ganzseitige Illustrationen für diesen Band angefertigt. Beide haben schon früher großartige Arbeit für uns geleistet, und ich bin mir sicher, dass Sie sie genauso lieben werden wie ich.

Außerdem hat uns eine Vielzahl von großartigen Menschen hinter der Bühne als Berater geholfen oder andere Elemente der Kunst in diesem Buch ermöglicht: die David Rumsey Map Collection, Brent von Woodsounds Flutes, Angie und Michelle von Two Tone Press, Emily Dunlay, David und Doris Stewart, Shari Lyon, Payden McRoberts und Greg Davidson.

Meine Schreibgruppe zu »Oathbringer« (sie lesen jede Woche Einsendungen, die fünf- bis achtmal so umfangreich wie gewöhnliche Texte sind) bestand aus Karen Ahlstrom, Peter Ahlstrom, Emily Sanderson, Eric James Stone, Darci Stone, Ben Olsen, Kaylynn Zo-Bell, Kathleen Dorsey Sanderson, Alan »Leyten von Brücke Vier« Layton, Ethan »Narb von Brücke Vier« Skarstedt und außerdem Ben »Steckt mich nicht in Brücke Vier« Olsen.

Ein besonderer Dank geht an Chris »Jon« King für seine Rückmeldungen zu einigen besonders kniffligen Szenen um Teft, Will Hoyum für seinen Rat zur Querschnittslähmung und Mi’chelle Walker für ihren besonderen Rat zu jenen Szenen, in denen es um Fragen der geistigen Gesundheit geht.

Beta-Leser waren (tief Luft holen) Aaron Biggs, Aaron Ford, Adam Hussey, Austin Hussey, Alice Arneson, Alyx Hoge, Aubree Pham, Bao Pham, Becca Horn Reppert, Bob Kluttz, Brandon Cole, Darci Cole, Brian T. Hill, Chris »Jon« King, Chris Kluwe, Cory Aitchison, David Behrens, Deana Covel Whitney, Eric Lake, Gary Singer, Ian McNatt, Jessica Ashcraft, Joel Phillips, Jory Phillips, Josh Walker, Mi’chelle Walker, Kalyani Poluri, Rahul Pantula, Kellyn Neumann, Kristina Kugler, Lyndsey »Lyn« Luther, Mark Lindberg, Marnie Peterson, Matt Wiens, Megan Kanne, Nathan »Natam« Goodrich, Nikki Ramsay, Paige Vest, Paul Christopher, Randy MacKay, Ravi Persaud, Richard Fife, Ross Newberry, Ryan »Drehy« Dreher Scott, Sarah »Saphy« Hansen, Sarah Fletcher, Shivam Bhatt, Steve Godecke, Ted Herman, Trae Cooper und William Juan.

Unsere Kommentarkoordinatoren für die Beta-Leser waren Kristina Kugler und Kellyn Neumann.

Unsere Gamma-Leser waren viele der Beta-Leser und zusätzlich: Benjamin R. Black, Chris »Gunner« McGrath, Christi Jacobsen, Corbett Rubert, Richard Rubert, Dr. Daniel Strange, David Han-Ting Chow, Donald Mustard III, Eric Warrington, Jared Gerlach, Jareth Greef, Yesse Y. Horne, Joshua Combs, Justin Koford, Kendra Wilson, Kerry Morgan, Lindsey Andrus, Lingting Xu, Loggins Merrill, Marci Stringham, Matt Hatch, Scott Escujuri, Stephen Stinnett und Tyson Thorpe.

Wie Sie sehen können, ist ein Buch wie das vorliegende ein gewaltiges Unternehmen. Ohne die Bemühungen dieser vielen Menschen würden Sie ein ganz ganz anderes Buch in den Händen halten.

Wie immer geht mein letzter Dank an meine Familie: an Emily Sanderson, Joel Sanderson, Dallin Sanderson und Oliver Sanderson. Sie ertragen einen Ehemann/Vater, der sich oft in einer anderen Welt befindet und über Großstürme und Strahlende Ritter nachdenkt.

Schließlich danke ich aber auch Ihnen allen für Ihre Unterstützung dieser Bücher! Sie kommen nicht immer so schnell aus mir heraus, wie ich es mir wünschte. Das liegt teilweise daran, dass ich sie so vollkommen haben möchte, wie es irgend möglich ist. Sie halten einen Band in Ihren Händen, den ich fast zwei Jahrzehnte lang vorbereitet, skizziert, auf- und umgeschrieben habe. Genießen Sie Ihre Zeit in Roschar.

Reise vor Ziel.

INHALT

Prolog: Weinen

ERSTER TEIL: Vereinigt

Zwischenspiele

ZWEITER TEIL: Der Gesang neuer Anfänge

Zwischenspiele

Ars Arcanum

ILLUSTRATIONEN

Anmerkung:
Viele Illustrationen einschließlich der Beschriftungen enthalten Hinweise auf Ereignisse, die zuvor im Text beschrieben wurden. Wenn Sie die Bilder vor dem Lesen betrachten, geschieht das auf Ihr eigenes Risiko.

Karte von Roschar

Karte der Standorte der Eidtore

Karte von Alethkar

Schallans Skizzenbuch: Der Turm

Schallans Skizzenbuch: Korridor

Schallans Skizzenbuch: Pferde

Schallans Skizzenbuch: Sprengsel in der Mauer

Schallans Skizzenbuch: Urithiru

Blatt: Die Vorin-Havah

Navanis Notizbuch: Schiffstypen

Alethi-Glyphen, Seite 1

SECHS JAHRE ZUVOR

Immer wieder hatte Eschonai ihrer Schwester berichtet, etwas Wunderbares befinde sich hinter dem nächsten Hügel. Dann hatte sie eines Tages einen Hügel erklettert und Menschen gefunden.

Die Menschen hatte sie sich immer als dunkle, gestaltlose Ungeheuer vorgestellt, so wie sie in den Liedern beschrieben wurden. Stattdessen waren es jedoch wundervolle, bizarre Kreaturen, die in keinem erkennbaren Rhythmus sprachen. Ihre Kleidung war zwar farbenprächtiger als ein Panzer, aber eigene Rüstungen wuchsen ihnen nicht. Sie hatten so große Angst vor den Stürmen, dass sie sich sogar auf der Reise im Innern von Wagen versteckten.

Das Bemerkenswerteste an ihnen war allerdings, dass sie nur eine einzige Form besaßen.

Zuerst hatte sie angenommen, dass die Menschen ihre anderen Formen vergessen haben mussten, so wie es früher bei den Lauschern der Fall gewesen war. Dies schuf sofort ein Band zwischen ihnen.

Nun, mehr als ein Jahr später, summte Eschonai zum Rhythmus der Ehrfurcht, während sie dabei half, Trommeln aus dem Karren zu laden. Sie waren weit gereist, weil sie das Heimatland der Menschen hatten sehen wollen, und mit jedem Schritt hatte ihre Überwältigung zugenommen. Diese Erfahrung fand hier ihren Höhepunkt in dieser unglaublichen Stadt Kholinar und ihrem prachtvollen Palast.

Die höhlenartige Entladestation an der Westseite des Palastes hatte so gewaltige Ausmaße, dass hier zweihundert Lauscher nach ihrer Ankunft Platz gefunden und den Raum dabei nicht einmal annähernd ausgefüllt hatten. Die meisten Lauscher konnten nicht an dem Fest im Palast teilnehmen – an der Unterzeichnung und Beglaubigung des Vertrages zwischen den beiden Völkern. Aber die Alethi hatten dafür gesorgt, dass auch sie Erfrischungen erhielten, und wahre Berge an Speisen und Getränken waren für die Gruppe hier unten bereitgestellt worden.

Sie kletterte von dem Karren, sah sich auf der Entladestation um und summte im Rhythmus der Erregung. Als sie Venli gesagt hatte, dass sie entschlossen war, die ganze Welt zu kartografieren, hatte sie dabei an die Vermessung der Natur gedacht, an Täler und Berge, an Wälder und Laits, in denen es vor Leben wimmelte. Und dabei hatte sich die ganze Zeit hindurch dies alles hier draußen befunden. Es hatte nur knapp außerhalb ihrer Reichweite auf sie gewartet.

Zusammen mit weiteren Lauschern.

Als Eschonai den Menschen zum ersten Mal begegnet war, hatte sie auch die kleinen Lauscher in ihrer Begleitung gesehen. Es war ein unglückseliger Stamm, der in der Fadform gefangen war. Damals hatte Eschonai noch angenommen, dass sich die Menschen um solche armen Seelen ohne Lieder kümmerten.

Oh, wie unschuldig diese ersten Begegnungen doch gewesen waren.

Die gefangenen Lauscher bildeten nicht nur irgendeinen kleinen Stamm, sondern sie waren die Abgesandten einer gewaltigen Population gewesen. Und die Menschen kümmerten sich nicht um sie.

Sie gehörten zum Eigentum der Menschen.

Eine Gruppe dieser Parscher, wie sie genannt wurden, drängte sich um den äußeren Ring von Eschonais Arbeitern.

»Sie versuchen zu helfen«, sagte Gitgeth im Rhythmus der Neugier. Er schüttelte den Kopf, und in seinem Bart glitzerten die Rubine auf, die zu den hervorstechenden roten Färbungen seiner Haut passten. »Die kleinen Rhythmuslosen wollen in unserer Nähe sein. Ich sage dir, sie spüren, dass etwas mit ihren Köpfen nicht stimmt.«

Eschonai gab ihm eine Trommel aus dem hinteren Teil des Karrens und summte selbst im Rhythmus der Neugier. Sie hüpfte herunter und näherte sich der Parscher-Gruppe.

»Ihr werdet hier nicht gebraucht«, sagte sie im Rhythmus des Friedens und spreizte die Hände. »Wir kümmern uns lieber selbst um unsere Trommeln.«

Die Wesen ohne Lieder sahen sie mit matten Augen an.

»Geht jetzt«, sagte sie im Rhythmus des Bittens und zeigte auf die Festlichkeiten, die nicht fern von ihnen stattfanden, wo Lauscher und menschliche Diener trotz der Sprachbarriere miteinander lachten. Die Menschen klatschten, während die Lauscher all die alten Lieder sangen. »Amüsiert euch.«

Einige schauten dort hinüber – wo gesungen wurde – und hielten die Köpfe schräg, aber sie bewegten sich nicht.

»Es wirkt nicht«, sagte Brianlia im Rhythmus des Zweifelns und legte den Arm auf eine Trommel neben sich. »Sie können sich einfach nicht vorstellen, wie es ist, wenn man lebt. Sie sind Eigentum, das gekauft und wieder verkauft wird.«

Was sollte sie davon halten? Sklaven? Klade, einer der Fünf, war zu den Sklavenhändlern in Kholinar gegangen und hatte dort eine Person erworben, weil er herausfinden wollte, ob so etwas tatsächlich möglich war. Er hatte nicht einmal einen Parscher gekauft, denn es waren auch Alethi angeboten worden. Anscheinend waren die Parscher teuer und wurden als Sklaven von höchster Qualität betrachtet. Dies war den Lauschern gesagt worden, als hätten sie darauf stolz sein können.

Sie summte im Rhythmus der Neugier, deutete mit dem Kopf zur Seite und sah zu den anderen hinüber. Gitgeth lächelte, summte im Rhythmus des Friedens und winkte sie davon. Alle waren daran gewöhnt, dass Eschonai mitten in der Arbeit davonschlenderte. Es war keineswegs so, dass sie unverlässlich war … na ja, vielleicht war sie es doch, aber wenigstens war sie konsequent.

Aber schon bald würde sie auf dem Fest des Königs gebraucht werden. Sie war eine der Besten, wenn es darum ging, die fade Sprache der Menschen zu verstehen und zu sprechen; dafür besaß sie eine natürliche Gabe. Das war ein Vorteil, der ihr zu einem Platz in dieser Expedition verholfen hatte, aber es war auch ein Hindernis. Ihre Beherrschung der menschlichen Sprache machte sie zu einer wichtigen Person, und wichtigen Personen konnte nicht erlaubt werden, dem Horizont nachzujagen.

Sie verließ die Entladestation und ging die Treppe zum Palast hinauf. Dabei versuchte sie, all das Schmuckwerk, die Kunstfertigkeit und die schiere, überwältigende Großartigkeit des Gebäudes in sich aufzunehmen. Es war zugleich wunderschön und schrecklich. Personen, die gekauft und verkauft wurden, sorgten für den Unterhalt dieses Ortes – aber war das der Grund dafür, dass die Menschen solche großartigen Werke wie die Schnitzwerke an den Säulen neben ihr oder die Einlegearbeiten im Marmorboden erschaffen konnten?

Sie ging an Soldaten vorbei, die ihre künstlichen Panzer trugen. Gegenwärtig besaß Eschonai keine eigene Rüstung; statt der Kriegerform trug sie die Arbeitsform, denn sie schätzte deren Biegsamkeit.

Die Menschen hatten keine Wahl. Sie hatten ihre Formen nämlich gar nicht verloren, wie Eschonai zunächst vermutet hatte – sie besaßen nur eine einzige. Sie steckten für immer und ewig in Paarungsform, Arbeitsform und Kriegerform gleichzeitig fest. Und sie trugen ihre Gefühle viel deutlicher auf den Gesichtern als die Lauscher. Oh, Eschonais Volk konnte auch lächeln, lachen und weinen. Aber nicht so wie diese Alethi.

Der untere Bereich des Palastes war von breiten Korridoren und Galerien durchzogen, die von sorgfältig geschliffenen Juwelen erhellt wurden, durch die das Licht glitzerte und gleißte. Leuchter hingen wie gebrochene Sonnen über ihr, die ihr Licht überallhin versprühten. Vielleicht war das schlichte Erscheinungsbild der menschlichen Körper – mit ihrer farblosen Haut, die höchst unterschiedliche Brauntönungen aufwies – ein weiterer Grund dafür, dass sich die Menschen bemühten, alles zu verzieren, von ihrer Kleidung bis hin zu diesen Säulen.

Könnten wir das auch tun?, dachte sie und summte im Rhythmus der Anerkennung. Wenn wir die richtige Form zur Erschaffung von Kunst kennen würden?

Die oberen Stockwerke des Palastes glichen Tunneln: schmale Steinkorridore und Räume, die Bunkern in einer Bergflanke ähnelten. Sie begab sich zur Festhalle, weil sie nachsehen wollte, ob sie gebraucht wurde, doch hier und da blieb sie stehen und warf einen Blick in die abzweigenden Räume. Man hatte ihr gesagt, dass sie nach Belieben herumspazieren durfte und ihr der ganze Palast offenstand – mit Ausnahme der Räume, vor deren Türen Wachen postiert waren.

Sie kam an einem Zimmer vorbei, in dem an allen Wänden Gemälde hingen, dann an einem mit einem Bett und weiteren Möbelstücken. Eine andere Tür enthüllte eine Toilette mit fließendem Wasser – ein Wunder, das sie noch immer nicht ganz verstand.

Sie steckte den Kopf in ein Dutzend weiterer Räume. Solange sie das königliche Fest rechtzeitig zur Musik erreichte, würden sich Klade und die anderen der Fünf nicht beschweren. Sie waren mit Eschonais Angewohnheiten ebenso vertraut wie jeder andere. Sie schweifte stets durch die Gegend, steckte den Kopf in Dinge, die sie nichts angingen, spähte durch Türen …

Und fand den König?

Eschonai erstarrte und öffnete die Tür vor ihr einen Spaltbreit. Nun sah sie ein üppig ausgestattetes Zimmer mit einem dicken roten Teppich und Bücherregalen an den Wänden. So viele Informationen lagen hier unbeachtet herum! Doch noch überraschender war der Umstand, dass König Gavilar in diesem Zimmer stand, umgeben von fünf anderen Personen: zwei Offizieren, zwei Frauen in langen Kleidern und einem alten Mann in einer Robe. Der König zeigte mit der Hand auf etwas, das auf einem Tisch lag.

Warum befand sich Gavilar nicht auf dem Fest? Warum standen keine Wachen vor der Tür? Eschonai stimmte sich auf den Rhythmus der Angst ein und zog sich zurück, doch zuvor sah sie noch, wie eine der Frauen Gavilar anstieß und in Eschonais Richtung deutete. In ihrem Kopf klopfte es vor Entsetzen, und sie zog die Tür zu.

Einen Augenblick später trat ein großer Mann in Uniform heraus. »Der König möchte dich sprechen, Parschendi.«

Sie täuschte Verwirrung vor. »Herr? Worte?«

»Sei nicht so scheu«, sagte der Soldat. »Du gehörst zu den Übersetzern. Komm herein. Du steckst nicht in Schwierigkeiten.«

Von Angst geschüttelt ließ sie zu, dass er sie in das Zimmer führte.

»Danke, Meridas«, sagte Gavilar. »Lasst uns für einen Augenblick allein.«

Die anderen gingen, während sich Eschonai bei der Tür in den Rhythmus des Trostes einstimmte und diesen laut summte – auch wenn die Menschen nicht verstehen mochten, was es bedeutete.

»Eschonai«, sagte der König, »ich möchte dir etwas zeigen.«

Er kannte ihren Namen? Sie trat weiter in den kleinen, warmen Raum hinein und hielt dabei die Arme eng um ihren Körper geschlungen. Sie verstand diesen Mann nicht. Das lag aber nicht nur an seiner fremdartigen, beinahe toten Art zu sprechen. Und auch nicht allein an dem Umstand, dass sie seine Gefühle nicht erkennen konnte, da in ihm die Kriegerform und die Paarungsform miteinander im Wettstreit lagen.

Dieser Mann verblüffte sie stärker als jeder andere Mensch. Warum hatte er ihrem Volk einen so vorteilhaften Vertrag angeboten? Zuerst hatte es wie eine Gefälligkeit unter zwei Stämmen gewirkt. Doch so hatte sie es gesehen, bevor sie hierhergekommen war und diese Stadt und die Alethi-Armeen erblickt hatte. Ihr Volk hatte früher einmal eigene Städte besessen und auch Armeen, die neidisch machen konnten. Aufgrund der Lieder war das bekannt.

Aber es war nun auch schon lange her. Sie bildeten nur noch das Bruchstück eines untergegangenen Volkes. Sie waren Verräter, die ihre Götter verlassen hatten, weil sie frei sein wollten. Dieser Mann hätte die Lauscher zerschmettern können. Früher einmal hatten sie angenommen, dass ihre Splitter – Waffen, die sie bisher vor den Menschen geheim gehalten hatten – zu ihrem eigenen Schutz ausreichten. Inzwischen aber hatte sie bei den Alethi mehr als ein Dutzend Splitterklingen und Splitterpanzer gesehen.

Warum lächelte er sie so an? Was verbarg er nur, indem er nicht dem Rhythmus gemäß sang und sie beruhigte?

»Setz dich, Eschonai«, forderte sie der König auf. »Oh, hab keine Angst, kleine Späherin. Ich hatte ohnehin mit dir sprechen wollen. Deine Beherrschung unserer Sprache ist einzigartig!«

Sie nahm in einem Sessel Platz, während Gavilar etwas aus einer winzigen Ledertasche holte. Es glühte in rotem Sturmlicht und war ein Gebilde aus Juwelen und Metall, gegossen in eine wunderschöne Form.

»Weißt du, was das ist?«, fragte er und schob es ihr langsam hin.

»Nein, Euer Majestät.«

»Wir nennen es ein Fabrial. Es ist ein Gerät, das mit Sturmlicht betrieben wird. Dieses hier erschafft Wärme – leider nur äußerst wenig davon, aber meine Frau ist zuversichtlich, dass ihre Gelehrten eines herstellen können, das sogar in der Lage ist, einen ganzen Raum zu beheizen. Wäre das nicht wunderbar? Keine rauchenden Feuer mehr in den Kaminen!«

Dies erschien Eschonai zwar leblos, aber sie sagte es nicht. Sie summte Lob, damit er sich gut fühlte, weil er ihr davon erzählt hatte. Dann gab sie ihm das Gebilde zurück.

»Sieh es dir genau an«, sagte König Gavilar. »Schau ganz tief hinein. Kannst du erkennen, was sich darin bewegt? Das ist ein Sprengsel. So funktioniert dieses Gerät.«

Gefangen in einem Edelsteinherz, dachte sie und stimmte sich auf Ehrfurcht ein. Sie haben Geräte gebaut, die unsere Art nachahmen, die Formen anzuwenden? Trotz ihrer Beschränkungen unternahmen die Menschen so viel!

»Die Kluftteufel sind nicht eure Götter, oder?«, meinte er.

»Wie bitte?«, fragte sie und stimmte sich auf Skepsis ein. »Warum fragt Ihr das?« Was für eine seltsame Wendung in diesem Gespräch.

»Ach, das ist nur etwas, worüber ich mir einige Gedanken gemacht habe.« Er nahm das Fabrial aus ihren Händen entgegen. »Meine Offiziere fühlen sich so überlegen, weil sie glauben, dass sie euch durchschaut haben. Sie sind der Meinung, ihr seid Wilde, aber darin irren sie sich vollkommen. Ihr seid keine Wilden. Ihr seid eine Enklave der Erinnerung. Ein Fenster in die Vergangenheit.«

Er beugte sich vor, und das Licht der Rubine floss zwischen seinen Fingern hindurch. »Du musst eine Botschaft an eure Anführer überbringen. Es sind die Fünf, nicht wahr? Du stehst ihnen nahe, und ich werde beobachtet. Ich brauche ihre Hilfe bei einer gewissen Angelegenheit.«

Sie summte im Rhythmus der ängstlichen Anspannung.

»Nein, nein«, sagte er. »Ich werde dir helfen, Eschonai. Wusstest du schon, dass ich herausgefunden habe, wie ich eure Götter zurückbringen kann?«

Nein. Sie summte im Rhythmus des Schreckens. Nein …

»Meine Vorfahren«, sagte er und hob dabei das Fabrial hoch, »haben gelernt, ein Sprengsel im Innern eines Edelsteins einzuschließen. Und in einem ganz besonderen Edelstein ist es sogar möglich, einen Gott einzuschließen.«

»Euer Majestät«, sagte sie und wagte es, seine Hand zu ergreifen. Er konnte die Rhythmen nicht spüren. Er wusste es einfach nicht. »Bitte. Wir beten diese Götter nicht mehr an. Wir haben sie verlassen – wir haben sie verstoßen

»Ah, aber es ist zu eurem Besten – und auch zu unserem.« Er stand auf. »Wir leben ohne Ehre, denn eure Götter haben früher einmal die unseren gebracht. Ohne sie haben wir keine Macht. Diese Welt sitzt in der Falle, Eschonai! Wir stecken in einem matten, leblosen Übergangszustand fest.« Er hob den Blick zur Decke. »Sie müssen vereinigt werden. Ich brauche dringend eine Bedrohung. Nur Gefahr wird sie zusammenbringen.«

»Was …«, sagte sie im Rhythmus der Angst. »Was sagt Ihr da?«

»Unsere versklavten Parscher waren einst wie du. Doch dann haben wir sie ihrer Fähigkeit der Verwandlung beraubt. Wir haben es getan, indem wir ein Sprengsel eingefangen haben. Ein uraltes, ein wesentliches Sprengsel.« Er sah sie an, und in seinen grünen Augen leuchtete es. »Ich habe gesehen, wie es rückgängig gemacht werden kann. Ein neuer Sturm wird die Herolde aus ihrem Versteck locken. Ein neuer Krieg.«

»Wahnsinn.« Sie erhob sich. »Unsere Götter haben versucht, die Euren zu vernichten.«

»Die Alten Worte müssen wieder gesprochen werden.«

»Ihr könnt aber nicht …« Sie verstummte und bemerkte zum ersten Mal, dass auf dem Tisch in ihrer Nähe eine ausgebreitete Karte lag. Sie war groß und zeigte ein Land, das von Meeren umschlossen war – und ihre künstlerische Gestaltung stellte alle Versuche Eschonais in den Schatten.

Sie trat an den Tisch heran und keuchte. Der Rhythmus der Ehrfurcht spielte in ihrem Geist. Das ist großartig. Sogar die prächtigen Leuchter und die beschnitzten Wände waren im Vergleich dazu gar nichts. Das hier war Wissen und Schönheit, miteinander verschmolzen.

»Ich war der Meinung, dir eine Freude zu machen, wenn du erfährst, dass wir Verbündete in dem Versuch sind, eure alten Götter zur Rückkehr zu bewegen«, sagte Gavilar. Beinahe hörte sie den Rhythmus des Tadels in seinen toten Worten. »Du behauptest, sie zu fürchten, aber warum fürchtest du das, was dir das Leben geschenkt hat? Mein Volk muss vereinigt werden, und ich brauche ein Reich, das sich nicht durch innere Kämpfe zerreißt, sobald ich nicht mehr da bin.«

»Also sucht ihr den Krieg

»Ich suche nach einem Ende für etwas, das wir nie richtig beendet haben. Mein Volk, das bestand einst aus den Strahlenden, und euer Volk – die Parscher – sprühte vor Leben. Wem ist mit dieser trostlosen Welt gedient, in der sich mein Volk in endlosen Scharmützeln gegenseitig bekämpft und kein Licht hat, das es führt, während dein Volk lebenden Leichnamen gleicht?«

Wieder blickte sie auf die Karte. »Wo … wo ist die Zerbrochene Ebene? Ist es dieser Teil hier?«

»Du zeigst gerade auf ganz Natanatan, Eschonai! Das hier ist die Zerbrochene Ebene.« Er deutete auf eine Stelle, die nicht größer als sein Daumennagel war, während die Karte den ganzen Tisch bedeckte.

Bei diesem Anblick wurde ihr schwindlig. Das war die Welt? Sie hatte vermutet, dass sie auf ihrer Reise nach Kholinar fast das ganze Land durchquert hatten. Warum hatte ihr bisher niemand die Wahrheit gesagt?

Ihre Beine wurden schwach, und sie stimmte sich in den Rhythmus des Trauerns ein. Sie sank in ihren Sessel zurück, konnte nicht mehr stehen.

So riesig.

Gavilar zog etwas aus seiner Hosentasche. Eine Kugel? Sie war dunkel, glimmerte aber irgendwie. Als ob sie … eine Aura aus Schwärze besäße – ein Phantomlicht, das gar kein richtiges Licht war. Sie schimmerte in schwachem Violett, schien das Licht um sich herum aufzusaugen.

Er legte die Kugel auf den Tisch vor ihr. »Bring sie zu den Fünfen und erkläre ihnen, was ich dir mitgeteilt habe. Sag ihnen, dass sie sich daran erinnern sollen, was ihr Volk einmal gewesen ist. Wach auf, Eschonai.«

Er klopfte ihr auf die Schulter, dann verließ er das Zimmer. Sie starrte jenes schreckliche Licht an. Aus den Liedern wusste sie, was es war. Die Formen der Macht hatten mit einem dunklen Licht in Zusammenhang gestanden – mit einem Licht, das vom König der Götter stammte.

Sie nahm die Kugel vom Tisch und rannte davon.

Als die Trommeln aufgestellt waren, beharrte Eschonai darauf, sich zu den Trommlern zu gesellen. Es war ein Ventil für ihre Angst. Sie schlug im Einklang mit dem Rhythmus in ihrem Kopf, schlug so hart zu, wie sie konnte, und versuchte mit jedem Schlag all das zu verbannen, was der König gesagt hatte.

Und auch das, was sie soeben getan hatte.

Die Fünf hatten am Hochtisch gesessen; die Speisereste des letzten Gangs hatten vor ihnen gestanden.

Er beabsichtigt, unsere Götter zurückzuholen, hatte sie den Fünfen gesagt.

Schließ die Augen. Konzentriere dich auf die Rhythmen.

Er kann es tun. Er weiß so viel.

Wilde Schläge hallten durch ihre Seele.

Wir müssen etwas unternehmen.

Klades Sklave war ein Attentäter. Klade behauptete, eine Stimme, die den Rhythmen antwortete, habe ihn zu dem Mann geführt, der seine Fähigkeiten eingestanden hatte, als er heftig bedrängt worden war. Anscheinend war Venli bei Klade gewesen, auch wenn Eschonai ihre Schwester früher an diesem Tag nicht gesehen hatte.

Nach einer hitzigen Debatte waren die Fünf darin übereingekommen, dass dies ein Zeichen für das war, was sie tun sollten. Vor langer Zeit hatten die Lauscher den Mut aufgebracht, die Fadform anzunehmen, damit sie auf diese Weise ihren Göttern entkommen konnten. Um jeden Preis hatten sie die Freiheit gesucht.

Heute würde der Preis, diese Freiheit beizubehalten, sehr hoch sein.

Sie schlug die Trommel. Sie spürte den Rhythmus. Sie weinte leise und sah nicht hin, als der seltsame Attentäter – der jene fließenden weißen Gewänder trug, die Klade ihm gegeben hatte – den Raum verließ. Zusammen mit den anderen hatte sie für diese Handlungsweise gestimmt.

Spüre den Frieden der Musik. Das hatte ihre Mutter immer gesagt. Suche nach den Rhythmen. Suche nach den Liedern.

Sie leistete Widerstand, als die anderen sie wegzogen. Sie weinte, weil sie die Musik hinter sich lassen musste. Sie weinte um ihr Volk, das wegen dem, was heute geschehen würde, möglicherweise vernichtet wurde. Sie weinte um die Welt, die nie erfahren würde, was die Lauscher für sie getan hatten.

Sie weinte um den König, den sie zum Tode verurteilt hatte.

Die Trommeln um sie herum verstummten, und ersterbende Musik hallte durch die Gänge und die Korridore.