Als Benjamin K. Scott:
LONDON DARK – Die ersten Fälle des Scotland Yard
Millionen Infizierte, kein Impfstoff – und ein perfider Plan!
Die Verlobte des US-amerikanischen Investigativjournalisten Gideon Connor erkrankt an einer extrem seltenen Form von Leukämie. Connor forscht nach Wegen, das Leben seiner Verlobten zu retten – aber was er herausfindet, übersteigt seine schlimmsten Vorstellungen: Die Krankheit wird vom Retrovirus HTLV-1 ausgelöst, mit dem bereits über 20 Millionen Menschen auf der Welt infiziert sind. Und kaum jemand weiß davon! Connor hört von einem Wissenschaftler, der bei der Suche nach einem Heilmittel kurz vor dem Durchbruch steht – doch er ist spurlos verschwunden, sein Labor verwüstet. Connor lässt nicht locker und ist schon bald einer globalen Verschwörung auf der Spur, die die Welt für immer verändern will …
Ein spannender Science-Thriller, der aktueller nicht sein könnte! Packend und brillant recherchiert: Droht uns Gefahr durch ein »vergessenes Virus«?
Ben K. Scott studierte Volkswirtschaftslehre, Geschichte und Kunstgeschichte und arbeitete unter anderem im Kultursektor und als wissenschaftlicher Lektor. Das Studium medizinhistorischer Abhandlungen weckte seine Begeisterung für die Naturwissenschaften, insbesondere die Virologie. Seine Science-Thriller behandeln brandaktuelle Themen und sind wissenschaftlich fundiert: Nur, wenn Textrecherche und Expertenbefragungen ergeben, dass ein fiktives Szenario grundsätzlich denkbar ist, wird aus einer Idee ein fertiges Buch.
Unter dem Namen Benjamin K. Scott erscheint von ihm die historische Mystery-Serie LONDON DARK um den eigenwilligen Ermittler Graham Cluskey.
VIRUS
DER FEIND IN DEINEM BLUT
Thriller
Die Namen, Personen und Begebenheiten in diesem Roman sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden und verstorbenen Personen sind nicht beabsichtigt und rein zufällig.
Die meisten Orte und Organisationen in diesem Roman existieren tatsächlich. Abweichende Darstellungen von real existierenden Orten und Organisationen sind der künstlerischen Freiheit zuzurechnen.
Der Roman spielt vor dem Hintergrund des Standes der Wissenschaft und insbesondere der medizinischen Forschung. Er erhebt aber keinen Anspruch auf medizinische Korrektheit.
beTHRILLED
Originalausgabe
»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG
Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Textredaktion: Uwe Voehl
Lektorat/Projektmanagement: Lukas Weidenbach
Covergestaltung: Thomas Krämer unter Verwendung von Motiven © Shutterstock.com
eBook-Erstellung: Jilzov Digital Publishing, Düsseldorf
ISBN 978-3-7517-0231-7
www.luebbe.de
www.lesejury.de
Dieses eBook enthält eine Leseprobe des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes »Das Gottessiegel« von Dominic Selwood.
Hokkaidō, Japan
24. Juni
04:58 Uhr
Dampfschwaden stiegen in den frühmorgendlichen Himmel über dem Hidaka-Gebirge auf. Der alte Mann schwamm bis zur Spitze des Beckens, stützte die Unterarme auf die Kante und ließ den Blick über die raue, unberührte Landschaft schweifen. Die Aussicht war spektakulär: voraus das Tal, und in der Ferne der Ozean, im Osten die Ausläufer des Gebirgsmassivs.
Die Villa war an einem Steilhang in fast tausend Metern Höhe errichtet und Teile davon in den Felsen hineingeschlagen worden. Das Schwimmbecken ragte darüber hinaus, lediglich gehalten durch vier massive Stahlstützen. Ein heftiges Beben, und sie würden brechen, Villa und Pool in den Abgrund stürzen.
Der alte Mann atmete tief ein. Er zitterte. Nicht vor Anstrengung oder Kälte – körperlich befand er sich in ausgezeichneter Verfassung. Er zitterte vor Erregung. Fast achtzig Jahre auf diesem Planeten änderten nichts daran, dass ihn der Gedanke, den Naturgewalten schutzlos ausgeliefert zu sein, jederzeit gerichtet werden zu können für seine irdischen Taten, hart werden ließ wie zu seinen besten Zeiten. Er liebte die Gefahr, den Sinnesrausch der Endorphine.
Ein melodisches Summen dämpfte seine Hochstimmung: ein Anruf auf der sicheren Leitung. Schnell schwamm er zurück auf die andere Seite, watete durch die Schleuse und stieg im Inneren der Villa aus dem Becken. Gespräche über die verschlüsselte Verbindung waren nur über das Terminal an seinem Schreibtisch möglich.
In einen dunklen, goldbestickten Kimono gehüllt, eilte er über das Eichenparkett im Wohnzimmer zur freitragenden Treppe und stieg hinauf zur Galerie. Wenn man vom Wohnzimmer aus auf das dampfende Schwimmbecken und den sich dahinter abzeichnenden Horizont hinaussah, eröffnete sich einem von der Galerie ein atemberaubender Ausblick entlang der schroffen, moosbewachsenen Steilwände bis hinab ins Tal. Oder auf den Kamm des westlich gelegenen Gebirgszugs. Die Panoramascheiben machten zwei Drittel des Gebäudes aus. Nur die Küche, die Vorratsräume und das Labor befanden sich im hinteren, in den Hang hineingesprengten Teil.
Das melodische Summen wich einem roten Blinken. Er wischte über das Touchpad auf dem Schreibtisch und nahm den eingehenden Anruf entgegen. Hörte zu, wie die Stimme am anderen Ende der Leitung ohne Umschweife zur Sache kam. Die Videoverbindung war deaktiviert worden – eine irrationale Vorsichtsmaßnahme in Anbetracht der Tatsache, dass sie sich mindestens ein Dutzend Mal von Angesicht zu Angesicht begegnet waren.
»Was heißt das, sie nähern sich Peachtree?« In die selbstsichere, unterkühlte Stimme des alten Mannes mischte sich ein Anflug von Beunruhigung. Mit gespreizten Fingern fuhr er sich durch das stahlgraue Haar, kämmte sich die Strähnen mit hastigen Bewegungen aus dem Gesicht. Er war es gewohnt, Operationen abzusegnen, nicht darüber informiert zu werden, wenn sie längst angelaufen waren. Wenig brachte ihn aus der Fassung, es hatte bisher auch selten Grund dafür gegeben – bis zu diesem Punkt war alles reibungslos gelaufen –, die Neuigkeiten ließen ihm jedoch den Schweiß auf die Stirn treten, denn sie besaßen das Potenzial, alles zu zerstören, woran er die letzten Jahrzehnte gearbeitet hatte. Sein Lebenswerk: auf einen Schlag vernichtet.
Er musste handeln. Und das so schnell wie möglich. Er führte das Gespräch so lange fort, wie es unbedingt notwendig war, damit die andere Person keinen Verdacht schöpfte, beendete dann die Verbindung und begann klopfenden Herzens auf der Galerie auf und ab zu wandern.
»Ist alles in Ordnung?« Eine Frau mit schwarz schimmernden, von violetten Strähnen durchwebten Haaren blickte vom Wohnzimmer besorgt zu ihm herauf. Sie war jung, außerordentlich jung, keine dreißig, und lediglich mit einem Negligé bekleidet, das den wesentlichen Körperteilen mehr schmeichelte, als dass es sie verdeckte. Die asiatischen Züge waren unverkennbar, im Kontrast dazu eine Haut so weiß glänzend wie Alabaster.
»Geh zurück in dein Zimmer, Yuki!«, bellte der Alte. »Ich muss ungestört nachdenken.«
Sie fügte sich. Ohne Widerworte. Ihre Schritte verhallten im Flur, dann schloss sich surrend eine hydraulische Tür.
Der alte Mann stellte am Terminal eine neue Verbindung her. »Notfallprotokoll Alpha-81 ausführen!«, schrie er seinen Kontaktmann an. »Operation Peachtree läuft in dieser Sekunde. Wir müssen ihnen zuvorkommen. Schicken Sie Ihre Männer. Unverzüglich!«
Es wurde kurz still in der Leitung. »Wir haben niemanden, der in der Region auf Abruf bereitsteht, Sir. Muss ich Sie daran erinnern, dass eine Vorlaufzeit von achtundvierzig Stunden vereinbart war?«
»Ich dulde keine Ausflüchte!« Der alte Mann wusste, dass er im Begriff war, vollständig die Beherrschung zu verlieren. Was selten, aber immer noch viel zu häufig geschah. Eine seiner wenigen Schwächen. Es war nicht das erste Mal, dass ihn seine Hybris zu Fall zu bringen drohte, dass er seinen eigenen Einfluss überschätzte. Nichts davon spielte jedoch eine Rolle, wenn es ihm nicht gelang, Operation Peachtree zu durchkreuzen.
»Finden Sie einen Weg«, donnerte er. »Finden Sie einen Weg, oder Sie werden einer der Ersten sein, der das volle Ausmaß von Onryō zu spüren bekommt.«
Er kappte die Verbindung, bevor der Kontaktmann Einwände erheben konnte. Jede Faser seines Körpers glühte vor Zorn, die Ader an seiner Stirn drohte zu platzen. Mit wenigen Schritten war er bei dem Sockel mit der Steinskulptur, holte aus und zertrümmerte sie mit einem einzigen präzisen Fauststoß. Dann nahm er eine Handvoll Splitter und drückte zu, bis Blut daraus hervorquoll. Der Schmerz wirkte beruhigend.
Er wandte sich von dem Trümmerhaufen ab und stützte sich auf die Balustrade. Während Blutstropfen auf den Boden im unteren Geschoss regneten, breitete sich ein sardonisches Grinsen auf seinem Gesicht aus.
Yuki, die sich noch einmal auf ihr Bett gelegt hatte, wurde von dem brüllenden Lachen aufgeschreckt, das sich zu einem einzigen wahnsinnigen Schrei kanalisierte. Sie presste sich das Kissen auf die Ohren und betete, dass er nicht zu ihr ins Zimmer kommen würde.
Vorort von Atlanta, Georgia, Vereinigte Staaten
20:47 Uhr
Jedes Jahr zur gleichen Zeit verwandelte sich die Stadt in einen Brutofen. Auf ihrem Weg von den dürregeplagten Ebenen Südgeorgias Richtung Norden legten die schwülwarmen Luftmassen einen mehrtägigen Halt in Atlanta ein, senkten sich wie eine Dunstglocke über die Straßen und Gebäude und brachten nicht nur den Asphalt, sondern auch die Gemüter zum Kochen.
Fast sechs Tage dauerte die Hitzewelle nun an. Sechs Tage, in denen Impulsivität in Aggressivität und schließlich in blanke Paranoia umgeschlagen war. Noch ein paar Tage mehr, und die Menschen würden einander an die Kehle springen.
Dr. Ian Monaghan versuchte deshalb dem unterschwelligen Gefühl, beobachtet zu werden, keine allzu große Bedeutung beizumessen. Dennoch: Seit der Minute, in der er den SUV in der Auffahrt zu seiner Villa in Peachtree City, einem Vorort Atlantas, abgestellt hatte, meinte er, Blicke auf sich zu spüren.
Auf halber Strecke zum Hauseingang, inmitten des großzügig angelegten, von Wildrosen umrankten Vorgartens, blieb er stehen und sah hinunter in Richtung Straße. Die Zufahrt wurde durch ein elektrisches Rolltor geschützt, der Rest des Grundstücks war ummauert. Linda hatte darauf bestanden. Es gab ihr ein Gefühl von Sicherheit. Monaghan indes verspürte jedes Mal Beklommenheit, sobald sich das Tor hinter ihm schloss. Als würde nicht das Böse daran gehindert werden, herein-, sondern er daran, im Notfall hinauszukommen.
Er war in Wyoming aufgewachsen, wo es nichts gab außer endlosen Weiten von verdorrendem Gras und Geröll. Wo Freiheit noch mit allen Sinnen spür- und erfahrbar war, keine leere Worthülse auf dem Papier. Linda hatte das nie verstanden. Sie zog die trügerische Sicherheit einer vor Blicken geschützten Vorstadtvilla vor. Aber wen schreckte schon eine zwei Meter hohe Mauer ab? Noch dazu, wo die dichten Myrte-Sträucher und Ölbäume an der Grundstücksgrenze die ideale Möglichkeit boten, sich versteckt zu halten. Zu beobachten.
In der einsetzenden Dämmerung war es nahezu unmöglich, zwischen dem Blattwerk irgendetwas zu erkennen. Genau dort, zwischen der Magnolie und dem Kakibaum, konnte jetzt, in diesem Augenblick, jemand sitzen und zu ihm herüberspähen. Es raschelte. Ein Ast wurde zurückgeschoben …
Monaghan schüttelte den Kopf. Er war überarbeitet, abgespannt, dazu die unerträgliche Hitze … sein Verstand gaukelte ihm Dinge vor, die nicht existierten. Das Klingeln seines Handys ließ ihn zusammenzucken. Unbekannter Anrufer. Er drückte auf ›Ablehnen‹. Die Mitarbeiter im Labor ließen sich immer wieder Neues einfallen, um ihn zu erreichen. Sie wussten, dass er nach Dienstschluss, sofern man davon bei ihm überhaupt sprechen konnte, nicht gestört zu werden wünschte. Und ignorierten es.
Er steckte das Handy zurück in die Hosentasche. Suchte nach dem Hausschlüssel, der eben noch in seinem Jackett geklimpert hatte. Wieder überkam ihn das Gefühl, beobachtet zu werden, ein Paar Augen, die sich ihm in den Rücken bohrten. Als wollten sie die abartigen Temperaturen Lügen strafen, stellten sich die kleinen Härchen in seinem Nacken auf. Jetzt nicht umdrehen!
Endlich, der Schlüssel: Er drehte ihn im Schloss, schlüpfte in den Eingangsbereich und warf die Tür hinter sich zu, nur um durch den Spalt im Plissee zu spähen, ob ihm jemand gefolgt war.
Der Vorgarten lag verlassen da. Ebenso die Straße, wo nach wie vor der alte Toyota parkte. Der Sohn der Flannerys musste zu Besuch sein. Aber hatte hinter ihm eben auch schon der silberne Lieferwagen gestanden? Es sah aus, als säße jemand am Steuer: ein Mann mit Baseball-Cap.
Das Smartphone gezückt, um ein Foto zu schießen, machte Monaghan die anspringende Beleuchtung einen Strich durch die Rechnung. Von der Straße war nicht mehr viel zu erkennen, wo der Vorgarten nun in warmweißes Licht getaucht wurde.
Egal. Es war sowieso ein verrückter Gedanke, dass ihn jemand beschatten könnte. Wieder klingelte das Handy. Wieder ein unbekannter Anruf. Er wollte gerade auf ›Ablehnen‹ drücken, als eine Textnachricht auf dem Bildschirm erschien:
Gehen Sie ran!!! Ihr Leben hängt davon ab!!!
Monaghans Herzschlag setzte aus. Fast hätten auch seine Knie nachgegeben. Schwindel übermannte ihn, und er musste sich an der Garderobe abstützen. Es war Stunden her, dass er das letzte Mal etwas getrunken oder gegessen hatte. Wenn die SMS von seinen Mitarbeitern stammte, die sich einen morbiden Scherz mit ihm erlaubten, dann gnade ihnen Gott. Er würde sie …
Es klingelte zum dritten Mal. Diesmal ging er ran, wutschnaubend. »Wie oft muss ich es Ihnen noch erklären: In meiner wenigen freien Zeit will ich nicht gestört werden. Wenn –«
»Sie schweben in Lebensgefahr, Dr. Monaghan«, scharrte eine computerverzerrte Stimme. »Ihre Liquidation wurde angeordnet. Sie sind gerade auf dem Weg zu Ihnen. Folgen Sie meinen Anweisungen, oder sterben Sie.«
»Wer sind Sie, was wollen Sie von mir?«
»Ihr Leben retten. Was Sie mit jeder verstreichenden Sekunde verspielen.«
Monaghan stolperte hysterisch durch die Räume. Durchs Wohnzimmer in den Flur, die zwei Stufen hinunter und links ins Arbeitszimmer. Der Weg, den er immer ging, wenn er von der Arbeit nach Hause kam. Er konnte nicht klar denken, folgte automatisch ablaufenden Mustern. Das war abstrus. Völlig verrückt. Wer sollte ihn tot sehen wollen? Er war Wissenschaftler, kein Politiker.
»Warum helfen Sie mir?«, stotterte er.
»Sie werden gleich bei Ihnen sein.« Die Computerstimme verriet keine Gefühlsregung, was Monaghan einen kalten Schauer den Rücken herunterjagte. Das Ganze war kein Spiel, kein Streich der Laborangestellten. Jemand hatte es wirklich auf ihn abgesehen. Das Gefühl, beobachtet zu werden, war keine hitzeinduzierte Paranoia, sondern real. Hätte er ihm doch nur vertraut.
Noch war es nicht zu spät! »Was soll ich tun?«, fragte er mit neu gewonnener Zuversicht.
»Verlassen Sie so schnell wie möglich das Haus. Weitere Anweisungen folgen.«
»Mein Reisepass.« Monaghans fiebernder Verstand begann allmählich wieder zu arbeiten. Er riss die oberste Schublade des schweren Mahagonischreibtischs auf. »Ich brauche meinen Reisepass.« Der lag immer oben auf den anderen wichtigen Dokumenten: Geburtsurkunde, Bankdaten, Steuer-ID … Alles war da, bis auf das verdammte Dokument!
»Haben Sie ihn?« Die Stimme drängte jetzt. »Sie haben keine Zeit, Dr. Monaghan.«
»Er ist nicht hier, legen Sie nicht auf.«
Ein Rumpeln aus Richtung Terrasse, der Nachbarshund bellte. »Ich habe etwas gehört.«
»Vergessen Sie den Pass. Gehen Sie jetzt, ich wiederhole, jetzt zum Auto, verlassen Sie das Grundstück. Und wenn Sie am Leben bleiben wollen, halten Sie den Kopf unten.«
Ein Klirren hallte durch das Haus, Scherben regneten auf die Fliesen. Sie hatten die Terrassentür aufgebrochen.
Geistesgegenwärtig deaktivierte Monaghan den Lautsprecher und presste sich das Handy ans Ohr. »Sie sind hier, im Haus.«
»Bleiben Sie ruhig.« Die Stimme schien einen Moment zu überlegen. »Können Sie das Haus über die Rückseite verlassen?«
»Daher kommen sie«, wisperte Monaghan.
»Dann den Vordereingang.«
»Abgeschnitten.« Monaghan schluchzte jetzt. Er wollte nicht sterben. Nicht so, nicht hier in diesem elenden Haus in Peachtree, das er sowieso nie hatte leiden können.
Es klickte in der Leitung. »Denken Sie nach? Gibt es einen weiteren Ausgang?«
Die Garage! Er konnte sie vom Arbeitszimmer aus erreichen, ohne am Foyer oder dem Wohnzimmer vorbeizukommen. Dafür musste er lediglich durch den Keller. Und in der Garage stand immer noch Lindas Wagen, den sie hiergelassen hatte, als sie vor zwei Monaten zu ihrer besten Freundin gezogen war. Der Schlüssel hing am Brett.
Er lugte auf den Flur hinaus, das Handy steckte er in die Innentasche seines Jacketts. Gott sei Dank hatte er keine Zeit gefunden, das Licht einzuschalten. So konnte er den dunklen Schemen im Wohnzimmer, in das das streifenweise Licht der Gartenlaternen fiel, erkennen, ohne selbst gesehen zu werden. Was nichts daran änderte, dass ihm das Herz bis zum Hals klopfte, als er über den Flur huschte, die Kellertür öffnete und leise wieder hinter sich schloss. Geschafft! Er rannte zum anderen Aufgang, öffnete die Tür zur Garage und starrte in ein maskiertes Gesicht!
Der Eindringling war mindestens so überrascht wie er selbst, sah ihn aus großen, stahlgrauen Augen an. Was Monaghan die Sekunde verschaffte, die er benötigte, um nach den Golfschlägern zu greifen, die im Treppenaufgang lagerten. Bevor der Angreifer seine Pistole auf ihn richten konnte, zertrümmerte ihm Monaghan mit dem Siebener-Eisen die Handgelenke. Er hätte losbrüllen, sich vor Schmerzen winden müssen, stattdessen ließ der Mann zwar die Waffe fallen, die scheppernd verschwand, holte jedoch zu einem Tritt aus, der Monaghan unvorbereitet in die Rippen traf und ihm die Luft aus den Lungen presste. Rücklings stürzte er die Treppenstufen hinunter, spürte, wie sich ihm der kalte Stein ins Rückgrat bohrte und er mit dem Kopf hart aufschlug.
Das war es. So endete also jäh sein kurzer Fluchtversuch. Während er eben noch darüber gestaunt hatte, wie er unversehens über sich selbst hinausgewachsen war, konnte er jetzt nichts weiter tun, als zuzusehen, wie sich ein zufriedenes Grinsen hinter der Maske des Angreifers abzeichnete. Der Mann griff nach einem Funkgerät am Gürtel und hielt es sich vor den Mund. Dann sagte er etwas in einer Sprache, die Monaghan zwar vertraut vorkam, die er aber nicht zuordnen konnte. Vielleicht lag es auch an der Kopfverletzung, die er sich beim Sturz zugezogen hatte. Seine Haare fühlten sich warm und klebrig an. Starr lag er da, die Beine noch auf den Treppenstufen, die er hinuntergeschlittert war.
Der Mann setzte sich in Bewegung. Ein paar Schritte, und er wäre bei ihm. Monaghan schloss die Augen, breitete die Arme aus. Dachte an Linda. An all das, was er ihr noch hatte sagen wollen, bevor sie ihn verlassen hatte. Dass es ihm leidtat und er Buße tun wollte für seine Verfehlungen.
Seine Finger krallten sich um etwas Kaltes, Metallisches. Die Pistole seines Gegners! Sie war ebenfalls die Treppe hinuntergefallen. In einem letzten Aufbäumen von Überlebenswillen griff Monaghan danach, öffnete die Augen und drückte ab.
Der Maskierte sackte so leise über ihm zusammen, wie der Schuss geklungen hatte. Die Waffe musste einen Schalldämpfer besitzen.
Monaghan verschwendete daran keinen weiteren Gedanken und hievte sich die Treppe hinauf. Griff nach dem Schlüssel am Brett, entriegelte den Wagen: ein orangener Audi A1 mit weißen Streifen. Lindas Art, Flagge für ihre niederländische Herkunft zu bekennen. Monaghans Pass lag zusammen mit einer Muschelkette in der Mittelkonsole. Der Trip nach Thailand vor drei Monaten, dafür hatte er ihn gebraucht. Deshalb hatte er nicht an seinem angestammten Platz in der Schublade gelegen. Als wäre es Vorsehung gewesen.
Während das Garagentor aufging, drückte Monaghan auf den Start-Knopf, was der Turbomotor mit einem lauten Röhren quittierte. Linda liebte schnelle Stadtflitzer. Spätestens jetzt dürften allerdings alle noch verbliebenen Eindringlinge alarmiert sein.
Einer rannte auch schon durch die Blumenrabatten auf die Garage zu. Die Maschinenpistole blitzte im Licht der Scheinwerfer.
Monaghan drückte das Gaspedal durch. Es gab nur einen Weg an seinem eigenen Wagen in der Auffahrt vorbei: durch die Rabatten und querfeldein über die Rasenfläche. Als er sah, was Monaghan vorhatte, hechtete der Mann mit der Maschinenpistole im letzten Moment zur Seite. Sekunden später durchsiebten Kugeln das Heck des Audis und ließen die Scheiben splittern. Wie durch ein Wunder verfehlten sie jedoch ihr eigentliches Ziel.
Eine Hand hatte Monaghan am Lenkrad, mit der anderen drückte er wie ein Wahnsinniger auf die Fernbedienung des Tors zum Grundstück, das sich in Schneckentempo öffnete.
Die Zeit würde nicht ausreichen. Er ließ die Fernbedienung fallen, hielt sich schützend den Arm vors Gesicht und betete inständig, dass sich die Maklerin in punkto Standhaftigkeit des Tors geirrt hatte.
Metall bohrte sich in den linken Kotflügel, kratzte die gesamte Seite entlang. Der Spiegel landete zerfetzt auf dem Asphalt. Das Tor wurde unter der Wucht des Aufpralls aus den Angeln gehoben, ohne den Audi nennenswert auszubremsen.
Monaghan riss die Augen auf und im selben Moment das Steuer herum. Das Wagenheck brach aus, die Reifen quietschten, doch schließlich stand er sicher auf der Straße. Kugeln prasselten in das Chassis, eine streifte ihn am Unterschenkel.
Den Schmerz ignorierend, drückte er das Gaspedal bis zum Anschlag durch, und der Audi preschte davon.
Zwei Minuten später verloren sich die Rückleuchten auf dem Highway Richtung Atlanta.
Atlanta, Georgia, Vereinigte Staaten
21:20 Uhr
Der Anrufer!
Monaghan schreckte aus seinen Tagträumen auf. Er hatte das Handy in seiner Sakkotasche völlig vergessen, weil er an nichts anderes denken konnte als an den maskierten Angreifer und wie er über ihm zusammengebrochen war. Das ausgefranste Loch im Hemd. Das Bild verfolgte ihn. Es war so schnell gegangen, so leicht. Die Pistole hatte kaum gezuckt, der Schuss nicht mehr als ein gedämpftes Ploppen.
Der Teil seines Verstandes, der Medizin studiert hatte, bevor er in die Pharmaforschung gegangen war, begriff, dass er unter Schock stand, nur noch auf Autopilot lief. Mit konstanten 70 Meilen die Stunde folgte er, das Lenkrad in starrer Umklammerung, seit fast einer Viertelstunde der Interstate – den Weg, den er jeden Morgen zur Arbeit fuhr. Bald wäre er beim Institut.
Ein Schweißausbruch folgte dem anderen: Der Parasympathikus regulierte allmählich gegen. In seinen Gedärmen rumorte es. Trotzdem musste er sich konzentrieren. Über all das Unglaubliche nachdenken, was in der letzten halben Stunde geschehen war, konnte er immer noch, wenn er in Sicherheit wäre.
»Hören Sie mich?« Er presste sich das Handy ans Ohr. »Hallo?« Bis auf das Rauschen des Fahrtwinds herrschte Stille im Auto. Das Display des Smartphones war schwarz.
»Scheiße!« Monaghan kramte in der Mittelkonsole nach dem Ladekabel. Natürlich musste ausgerechnet jetzt der Akku den Geist aufgeben. Und der USB-Anschluss klemmen.
Wildes Hupen lenkte seinen Blick zurück auf die Straße. Grelle Scheinwerfer rasten direkt auf ihn zu.
Er riss das Steuer herum, brachte den Wagen wieder in die Spur und drosselte das Tempo. Wenn er so weiterfuhr, brauchte es kein maskiertes Killerkommando, um kurzen Prozess mit ihm zu machen. Ein Warnhinweis im Bordcomputer blinkte auf.
Müdigkeit erkannt! Legen Sie eine Pause ein.
Darunter eine dampfende Kaffeetasse.
»Wahnsinnsidee.« Monaghan lachte hysterisch. Offensichtlich hatten die Audi-Ingenieure bei der Programmierung nicht berücksichtigt, dass durchsiebt von einem Kugelhagel durch ein Stahltor zu rasen nicht dasselbe war wie Koffeinmangel. Dafür brauchte man ein passendes Symbol.
Das Smartphone-Display leuchtete auf. Monaghan entsperrte es mit dem Daumen. Augenblicklich klingelte es. Diesmal meinte er, Besorgnis aus der Computerstimme heraushören zu können.
»Ich dachte schon, Sie hätten es nicht geschafft.«
»Akku alle«, sagte Monaghan knapp.
»Wo sind Sie jetzt?«
»Auf der Interstate.«
»Fahren Sie sofort ab. Auf den Highways gibt es überall Kameras. Die werden Sie finden.«
Monaghan wollte soeben den Blinker setzen, ließ die Hand allerdings einen kurzen Moment über dem Hebel schweben. Wer sagte ihm, dass er dem unbekannten Anrufer vertrauen konnte? Warum gab er sich nicht zu erkennen? »Wer sind Sie?«
»Dafür bleibt später noch genug Zeit«, sagte die Stimme. »Jetzt müssen wir uns darauf konzentrieren, Sie in Sicherheit zu bringen.«
»Das haben Sie auch eben schon gesagt. Aber jetzt bin ich vorerst außer Gefahr, also reden Sie!«
Schweigen. »Wie stehen Ihre Chancen, denen ohne meine Hilfe zu entwischen, Dr. Monaghan?«, fragte die Stimme nach einer Weile mit derselben kalten Berechnung wie am Anfang. »Die können sich in den gesamten Sicherheitsapparat von Atlanta hacken.«
»Dann hören Sie auch in diesem Moment unser Gespräch ab?«
»Nein, die Verbindung ist sicher, das habe ich geprüft. Ich nenne Ihnen jetzt eine Adresse.« Den Straßennamen hatte Monaghan noch nie gehört. »Kommen Sie so schnell es geht dorthin«, fuhr der Anrufer fort. »Mein Kontaktmann erwartet Sie. Er wird Sie außer Landes bringen. Aber vorher vernichten Sie das Handy, werfen Sie es aus dem Fenster. Sie müssen sich entscheiden, Dr. Monaghan«, fügte die Stimme hinzu, als er nicht antwortete. »Das Zeitfenster schließt sich.«
»Ich werde da sein, aber vorher muss ich ins Labor. Ich gehe nicht ohne meine Forschung.«
»Dr. Monaghan, Sie werden unverzüglich –«
Er warf das Smartphone aus dem Fenster. Wenn der Unbekannte ernsthaft daran interessiert war, sein Leben zu retten, dann würde er seinen Kontaktmann am vereinbarten Treffpunkt auf ihn warten lassen, unabhängig davon, ob er sich eine Viertelstunde verspätete. Dafür würden nicht die hart erkämpften Ergebnisse von Jahren der Forschung zurückbleiben. Denn Monaghan wurde das Gefühl nicht los, dass die schwer bewaffneten Männer gerade deshalb Jagd auf ihn machten. Weshalb sonst sollten sie es auf ihn abgesehen haben? Um Lösegeld zu erpressen? An seinem in der Tat bescheidenen Vermögen konnte es kaum liegen, auch nicht an dem seiner Frau. Wer auch immer die Killersöldner angeheuert hatte, bezahlte dafür vermutlich mehr, als die Monaghans gemeinsam an Kapitalvermögen besaßen. Außerdem hatte der Anrufer gesagt, dass sie ihn tot sehen wollten.
Monaghan erschauderte bei dem Gedanken, dass sie ihm dicht auf den Fersen waren. Sicherlich würden sie im Institut als Nächstes nach ihm suchen. Er konnte nur hoffen, dann längst wieder auf dem Rückweg zu sein, bevor sie ihn einholten.
***
Der Wachmann blickte nur kurz von seinem Kreuzworträtsel auf, als Monaghan vor den Netzhautscanner trat und seinen Mitarbeiterausweis durch den Kartenschlitz zog. Dass Mitarbeiter auch spätabends noch kamen und gingen war nichts Ungewöhnliches, im Institut herrschte zu jeder Tages- und Nachtzeit Betrieb. Viren und Bakterien schliefen nie, ebenso wenig ruhten die Experimente.
In seinem Büro ging Monaghan, ohne das Licht einzuschalten, direkt zum Schreibtisch und fuhr den Computer hoch. Seine Hände fühlten sich kalt und klamm an, fast wäre ihm die 2-Terrabyte-SD-Karte aus den Fingern gerutscht. Er war im Begriff, etwas zu tun, das heute Morgen noch undenkbar für ihn gewesen wäre. Nichts, woran sie hier arbeiteten, durfte das Gebäude verlassen, nicht einmal die Aufzeichnungen. Zuwiderhandlungen zogen nicht nur eine sofortige Entlassung nach sich, sondern auch ein Gerichtsverfahren. Im schlimmsten Fall wegen Hochverrats. Kein Wunder, dass seine Hände feucht waren und ihm der Schweiß auf die Stirn trat.
»Mach schon.« Er trommelte mit den Fingern auf den Schreibtisch, betrachtete das Bild von Linda und ihm, das sie Arm in Arm auf der Strandpromenade posierend zeigte. Wie glücklich sie darauf wirkten. Er hatte es nicht übers Herz gebracht, es wegzuräumen. Er zögerte noch einen Moment, dann öffnete er kurzerhand den Rahmen, nahm das Foto heraus und steckte es zusammengefaltet in seine Tasche.
In der Zwischenzeit war auch der PC hochgefahren. Drei Minuten würde es dauern, die Datensätze und Forschungsergebnisse zu überspielen.
Sie kamen Monaghan wie eine Ewigkeit vor. Unendlich langsam kroch der blaue Balken auf die Zielgerade zu. Immer wieder meinte Monaghan, durch die Spalten in den Lamellen Personen vor seinem Büro stehen zu sehen, die sich letztlich als Schatten herausstellten.
Download abgeschlossen
Er atmete erleichtert auf, sah sich ein letztes Mal um und verließ das Büro. Obwohl er wusste, dass die Scanner die Speicherkarte in der strahlenundurchlässigen Hülle nicht erfassen konnten, überkam ihn ein mulmiges Gefühl, als er im Entree durch die Sicherheitskontrolle trat. Innerlich meinte er die Alarmsirenen losschrillen zu hören, doch der Wachmann winkte ihm bloß freundlich zum Abschied zu. Monaghan winkte zurück. Es hatte etwas Endgültiges, fast schon Bizarres, sodass er sich einmal mehr fragte, was er da im Begriff war zu tun. Alles fühlte sich so normal an, als hätte die letzte halbe Stunde überhaupt nicht existiert – die tödlichen Schüsse, der unbekannte Anrufer. Halluzinierte er? War er womöglich mit einem Hitzschlag in der Zufahrt zu seinem Haus in Peachtree City zusammengebrochen, und niemand sah ihn dort liegen? Und noch eine Frage drängte durch den wild wirbelnden Nebel seiner Gedanken an die Oberfläche der Erkenntnis: Warum rief er nicht einfach die Polizei, sagte denen, was eben geschehen war und dass er Schutz brauchte?
»Dr. Monaghan, warten Sie!« Die Stimme des Wachmanns setzte seiner Grübelei ein jähes Ende.
Er weiß, was in der Hülle ist, schoss es Monaghan durch den Kopf. Und dabei war er fast schon draußen gewesen.
Der Wachmann kam um den Tresen herum auf ihn zu. Ein großer, korpulenter Mexikaner, Juan hieß er, wenn Monaghan sich recht erinnerte – Juan Sarmiento. Er hatte dem Sicherheitspersonal nie die gebotene Aufmerksamkeit geschenkt. Ein Fehler, den er jetzt vielleicht bereuen musste.
»Hatten Sie etwas vergessen?« Sarmiento sah ihn fragend an.
»Nein, ich, äh …«, begann Monaghan zu stottern. »Ein Laborversuch hat meine sofortige kalkulatorische Intervention erfordert.«
Was redete er denn da? Eine kalkulatorische Intervention … selbst ein Wachmann, der mit Naturwissenschaften allerhöchstens dann etwas am Hut hatte, wenn es um die Wirkungsweise von Pfefferspray ging, würde bei einer solchen Formulierung misstrauisch werden.
Und genau das wurde Sarmiento, auch. »Sie meinen, etwas stimmte mit den Untersuchungsparametern nicht? Dafür haben Sie doch Ihre Doktoranden.«
Monaghan brach der Schweiß aus. Er versuchte die zitternden Hände hinter dem Rücken zu verbergen. »Ob Sie es glauben oder nicht, ich bin keiner von denen, die ihre Drecksarbeit auf die Untergebenen abwälzen«, donnerte er, weil wütend zu werden das Einzige war, was ihm einfiel, um sich aus der Affäre zu ziehen. »Wenn ich also spätabends noch einmal -«
»Das wollte ich damit gewiss nicht andeuten«, sagte der Wachmann beschwichtigend und sah Monaghan besorgt an. »Geht es Ihnen nicht gut, Sir? Sie wirken blass. Ich hoffe, Sie haben sich keine Sommergrippe eingefangen.«
»Ich gehe jetzt«, sagte Monaghan. »Und danke, es geht mir gut, mir setzen bloß die Temperaturen zu.«
Ohne eine Reaktion abzuwarten, machte er sich auf den Weg in Richtung Ausgang, als der Wachmann erneut »Halt!« rief.
Monaghan erstarrte. So sehr er auch gehofft hatte, dass sich Sarmiento von dem Ausbruch rechtschaffenen Zorns einschüchtern lassen würde und die Sache deshalb auf sich bewenden ließ, seine Hoffnungen wurden jäh zerschlagen. Schuldbewusst ließ er die Schultern hängen. »Ich weiß, dass es gegen die Vorschriften verstößt, aber –« Er wollte sich gerade eine Rechtfertigung zusammenbasteln, weshalb er die Daten auf den Stick kopiert hatte, doch Sarmiento blickte ihn lediglich irritiert an. In der ausgestreckten Hand hielt er eine Visitenkarte.
»Was meinen Sie? Ich wollte Ihnen eigentlich nur das hier geben.«
Jetzt blickte Monaghan Sarmiento fragend an. Der Druck auf seine Brust lockerte sich jedoch augenblicklich. »Eine Anwaltskanzlei?«
»Die beste für Verkehrsrecht. Na, wegen Ihres Unfalls.« Der Wachmann deutete auf den ramponierten A1 auf dem Parkplatz. Monaghan hatte nicht einmal darauf geachtet, ihn außer Sichtweite abzustellen.
»Nur ein böses Missgeschick in der Auffahrt«, sagte er und versuchte sich an einem entwaffnenden Lächeln.
Damit schien sich Sarmiento zufriedenzugeben. Er grüßte noch einmal freundlich und kehrte dann zu seinem Platz zurück, während Monaghan so schnell, wie sein lädierter Rücken es zuließ, zum Wagen eilte.
Als er vom Parkplatz fuhr, war er erneut so in Gedanken versunken, dass er nicht bemerkte, wie sich ein am Straßenrand geparktes Fahrzeug hinter ihm in Bewegung setzte und ihm mit einigem Abstand folgte: ein silberner Transporter mit ausgeschalteten Scheinwerfern.
Atlanta, Georgia, Vereinigte Staaten
22:15 Uhr
Zum Glück hatte er sich die Adresse gemerkt, bevor er das Handy aus dem Fenster geworfen hatte. Das Navigationssystem des Audi führte Monaghan durch ein verlassen wirkendes Industriegebiet, wo sich leer stehende Fabrikhallen mit modernen Hightech-Bauten in einem vom Niedergang der Textilindustrie gezeichneten urbanen Panorama abwechselten. Je weiter er der Straße folgte, desto seltener wurden die Zeugnisse intakter Zivilisation, wichen Graffiti übersäten Bauruinen, bis das Industriegebiet schließlich zu einem Bahnhofsgelände auslief. Von Weitem erkannte Monaghan die ausrangierten Güterzüge – hier wurden schon lange keine Waren mehr verladen.
Das Tor stand offen. Auf dem Gelände stapelten sich tonnenschwere, moosbewachsene Bauträger und Betonkanaltunnel in die Höhe, dazwischen Blechtonnen, in denen kleine Feuer brannten. Offenbar wurde das Areal von Obdachlosen bevölkert oder diente, schlimmer noch, als Umschlagplatz für Drogenhandel. Zwischen die Fronten eines Bandenkriegs zu geraten, war das Letzte, was Monaghan jetzt gebrauchen konnte. Wer wählte solch einen Ort als Treffpunkt aus? Sein Misstrauen wuchs von Minute zu Minute. Wo war er da bloß hineingeraten? Aber jetzt gab es kein Zurück mehr.
Er parkte den Wagen in einer nicht einsehbaren Ecke am Straßenrand vor dem Tor und stieg aus. Die Speicherkarte wog unendlich schwer in seiner Tasche, als könnte jeden Moment der Stoff reißen und die Hülle herausfallen.
Monaghan sah sich um. Wo waren die Menschen, die sich eben noch an den Feuern aufgewärmt haben mussten? Die knisternde Stille brachte ihn trotz der stickigen, schwülwarmen Luft zum Frösteln. Aus einer umgekippten Flasche tropfte Flüssigkeit auf den staubtrockenen Boden. Wer immer hier gewesen war, musste Hals über Kopf die Flucht ergriffen haben.
Dann erkannte Monaghan den Grund dafür und blieb wie angewurzelt stehen. Ein Polizeiwagen stand nicht weit entfernt hinter einer Wand aus Betonkästen. In der Dunkelheit war er kaum zu erkennen; hätte sich nicht das Feuer in der Windschutzscheibe widergespiegelt, Monaghan hätte ihn wohl selbst übersehen.
Vorsichtig machte er ein paar Schritte rückwärts. Wenn ihn die Polizei mit den gestohlenen Datensätzen auf einem vermeintlichen Schwarzmarktplatz erwischte, würden selbst die besten Anwälte nur schwerlich eine plausible Erklärung dafür finden.
Ein weiterer Gedanke jagte Monaghans Herzschlag hoch: Was, wenn die maskierten Eindringlinge ihn gar nicht hatten umbringen wollen? Wenn alles nur eine Inszenierung gewesen war, um ihn hierherzulocken? Und die Falle in diesem Moment zuschnappte?
Er drehte sich um und begann zu laufen. Noch hatten sie ihn vielleicht nicht bemerkt. Seine Hoffnung schwand jäh, als hinter ihm die Sirene des Streifenwagens kurz aufheulte und alles in blaurotes Blinklicht getaucht wurde.
Einfach weitergehen, nicht stehenbleiben!
Der Streifenwagen heulte auf, beschleunigte und schnitt ihm vor dem Tor den Weg ab. Zwei Polizisten in dunkelblauer Uniform stiegen aus. Obwohl sie keine Anstalten machten, ihre Dienstwaffe zu ziehen, hatte die Art und Weise, wie sie sich vor ihm aufbauten, etwas bewusst Einschüchterndes, sodass Monaghan langsam die Hände über den Kopf hob.
Lässig schlenderte der jüngere der beiden Cops auf ihn zu, leuchtete ihm mit der Taschenlampe ins Gesicht, während sein Partner im Halbkreis hinter Monaghan auf- und abwanderte.
»Dr. Monaghan? Dr. Ian Monaghan? Wir sind heute Abend Ihr Taxiunternehmen.«
Etwas an dem Lächeln des Mannes ließ Monaghan erschaudern. Die Mundwinkel zogen sich zwar nach oben, die Augen aber blieben kalt.
Trotzdem nahm Monaghan all seinen Mut zusammen und ging in die Offensive. »Wer hat Sie geschickt? Warum konnte ich nicht einfach zur nächsten Polizeiwache kommen? Ich werde nicht eher einsteigen, bis ich Antworten auf meine Fragen habe.«
»Sie fordern ziemlich viel für jemanden, der gerade im Begriff ist, Landesverrat zu begehen.« Diesmal sprach der ältere Cop, während er in einer mahnenden Geste mit dem Schlagstock in der Luft herumfuchtelte.
Monaghan ließ jede Hoffnung auf einen glimpflichen Ausgang fahren. In wessen Auftrag die beiden Männer auch immer arbeiteten, mit Sicherheit waren sie nicht vom Atlanta Police Department geschickt worden. Korrupte Cops, fast schon ein amerikanisches Klischee.
Panik keimte in Monaghan auf. Zwei bewaffneten Ordnungshütern hatte er nichts entgegenzusetzen. Er war Wissenschaftler, ein Mittfünfziger mit Stirnglatze und Bauchansatz, kein Actionheld. Das Einzige, was ihm übrig blieb, war Zeit zu schinden. Zu hoffen, dass sich alles als ein Missverständnis herausstellte, sobald sie ihn zu ihrem Auftraggeber gebracht hätten – dem unbekannten Anrufer. Wer waren dann aber die maskierten Angreifer in seiner Villa gewesen? Das Ganze wurde immer verworrener.
»Bringen wir es hinter uns«, sagte er kurzentschlossen, bemüht, selbstsicher zu klingen. »Ich steige ja schon ein.«
»Niemand hat was von Einsteigen gesagt«, brummte der ältere Cop durch seinen Schnurbart. »Auf die Knie!« Eine Waffe wurde entsichert.
Oh Gott, schoss es Monaghan durch den Kopf. Die beiden hatten gar nicht vor, ihn zu entführen. Sie wollten ihn aus dem Weg räumen. Der Anrufer hatte ihn angelogen, ihn in eine Falle gelockt. Oder arbeiteten die beiden Cops gar nicht in seinem Auftrag? Was für ein abgekartetes Spiel wurde hier nur gespielt?
Klick! Der Hahn der Pistole wurde gespannt, kaltes Metall presste sich gegen Monaghans Hinterkopf. Er begann zu flehen, wimmerte leise vor sich hin. Dann krachte der Schuss.
Monaghan schrie auf, konnte gar nicht damit aufhören, bis er begriff, dass Tote nicht in der Lage waren, zu schreien. Was bedeutete, dass er lebte. Bevor er sich der Konsequenzen bewusst werden konnte, versank die Welt um ihn herum in einem einzigen, ohrenbetäubenden Inferno aus Gewehrsalven, Mündungsblitzen und Schreien.
Während Monaghan weiterhin zitternd auf dem Boden kniete, gingen die beiden Polizisten hinter dem Streifenwagen in Deckung und erwiderten das Feuer in Richtung der Bahnhofshalle, von wo aus die gegnerischen Schützen vorrückten. Sie waren eindeutig in der Überzahl und bewegten sich schnell vorwärts, deckten den Streifenwagen mit einem nicht enden wollenden Kugelhagel ein, sodass den Polizisten keine Wahl blieb, als sich hinter die Türen zu kauern und den Kopf unten zu halten.
Monaghan dagegen entschied sich zu handeln. Es war, als wäre in seinem Kopf ein Schalter umgelegt worden, als hätte das Schussgewitter jeglichen Schock mit einem gewaltigen Donner aus seinen Knochen gejagt.
Er ließ sich auf den Boden fallen und robbte vorwärts, die Deckung des Streifenwagens nutzend, aus der Schusslinie heraus. Die beiden Polizisten schenkten ihm nicht mehr die geringste Beachtung, so sehr waren sie damit beschäftigt, mit gelegentlichen Blindschüssen über die Motorhaube hinweg das Feuer zu erwidern.
Monaghan hatte es derweil geschafft, sich hinter einen Stapel aus Metallschrott zu retten. Aus seiner Deckung heraus beobachtete er, wie der maskierte Trupp den Streifenwagen von allen Seiten einkreiste. Die Männer gingen kontrolliert vor, routiniert, als wäre es ihre leichteste Übung. Er zweifelte nicht daran, dass sie eine militärische Ausbildung genossen hatten. Doch noch etwas erregte seine Aufmerksamkeit: eine stetig größer werdende Pfütze auf dem Boden um das Heck des Streifenwagens. Der Tank musste getroffen worden sein, und die Benzinlache breitete sich genau in seine Richtung aus.
Fiebrig ging Monaghan seine Optionen durch. Der A1 stand keine hundert Meter entfernt auf der Straße. Um ihn zu erreichen, müsste er aber durch das Tor rennen, über offenes Gelände. Die beiden Polizisten mochten abgelenkt sein, ihre Gegner würden das jedoch kaum übersehen. Wenn er es aber schaffte, zu der Tonne zu gelangen …
Monaghan setzte sich in Bewegung. Das Zeitfenster, in der Flucht noch eine Option war, schloss sich mit rasender Geschwindigkeit, denn es konnte nur noch Sekunden dauern, bis das Killerkommando die Polizisten vollständig eingekreist und überwältig hätte. Es gab nur eine Möglichkeit, Abstand zu ihnen zu gewinnen. Er stürmte aus seiner Deckung, holte aus und trat mit aller Kraft gegen eine der brennenden Tonnen, die überall auf dem Gelände herumstanden.
Für einen Moment sah es so aus, als würde die Glut nicht weit genug auseinanderstieben, doch dann kullerten die brennenden Klumpen bis zur Benzinlache. Augenblicklich stand alles in Flammen, eine gewaltige Feuerwand schoss zwischen dem Streifenwagen und den vorrückenden Söldnern in die Höhe, die sich in letzter Sekunde zurückzogen.
Den Polizisten war weniger Glück beschieden. Markerschütternde Schreie drangen aus dem Flammenmeer zu Monaghan herüber. Er zwang sich, hinzusehen, Zeuge des Fegefeuers zu werden, das er entfesselt und über seine Scharfrichter gebracht hatte. Er wandte den Blick erst ab, als die beiden Männer zusammengebrochen waren.
Auf dem Weg zum Tor wehte der Geruch von verbranntem Fleisch zu ihm herüber, brachte ihn zum Würgen, doch er zwang sich, weiterzurennen. Stieg in den Audi. Im Rückspiegel sah er noch, wie der Streifenwagen in einem gewaltigen, grell lodernden Feuerball aufging.
Long Island, Vereinigte Staaten
25. Juni
15:00 Uhr
Gideon Connor schloss die Augen, streckte das Gesicht der Sonne entgegen und atmete tief durch. Die Meeresbrise wehte durch sein kurz geschnittenes Haar, brachte Abkühlung an diesem heißen Sommertag mit sich. Er versuchte sich zu entspannen, an die bevorstehende Zeit mit Mia und nicht an die Papierberge zu denken, die sich zu Hause auf dem Schreibtisch türmten und darauf warteten, abgearbeitet zu werden. Die Reportage, deren Abgabetermin näherrückte.
Seit er vor eineinhalb Jahren als freier Mitarbeiter bei The Defense angefangen hatte, war Freizeit von einem spärlichen Gut endgültig zum abstrakten Gedanken geworden. Aber alles war besser, als in den Staatsdienst zurückkehren zu müssen. Sofern ihm dieser Weg überhaupt noch offenstand nach allem, was geschehen war.
Eine Hand legte sich auf seine Schulter. Er öffnete die Augen.
»Hast du die Seidenreiher am Strand gesehen?«, fragte Mia verträumt. »Ich könnte ihnen den ganzen Tag zusehen. Was für majestätische Tiere. Wir kommen wirklich viel zu selten her.«
Sie küsste Connor in den Nacken, klappte den Kragen seines Poloshirts hoch und verschwand wieder im Haus, um den Eistee aufzugießen, den sie, mit Rum verfeinert, bei Sonnenuntergang auf der Terrasse trinken würden – ein Ritual, das sie seit ihrem ersten gemeinsamen Urlaub vor acht Jahren zelebrierten.
Die Entscheidung, das Wochenende in den Hamptons zu verbringen, war naheliegend gewesen. Wer in New York lebte, suchte in den Sommermonaten in den beschaulichen Enklaven am Ostende von Long Island Zuflucht. Zumindest, wenn man über die nötigen finanziellen Mittel verfügte, um sich eine der exquisiten Unterkünfte oder Nobelvillen entlang der Küsten leisten zu können.
Was auf Connor nicht im Mindesten zutraf. Dass Mia und er das verlängerte Wochenende trotzdem in einem von meterhohen Ligusterhecken gesäumten Farmhouse in der Nähe von Easthampton verbringen würden, verdankten sie ihren Eltern. Als Kongressabgeordneter und ehemaliger Senator von New Jersey war Nigel Ramsdall Hanson III. zu bescheidenem Wohlstand gelangt, die wirklich nennenswerten Vermögenswerte, darunter auch das Farmhouse in den Hamptons, brachte allerdings seine Frau Annabeth, Alleinerbin eines Südstaaten-Schnapsbrenner-Familienimperiums, in die Ehe ein. Eine Frau, die als reserviert zu bezeichnen sicherlich noch eine euphemistische Untertreibung gewesen wäre. Connor war sie von Anfang an zuwider gewesen mit ihrer aufgesetzten, pseudobritischen Höflichkeit und den theatralischen Anwandlungen, wenn der Gärtner auch nur vergessen hatte, drei Zweige der Azalee zu kürzen.
Es war eine Antipathie, die auf Gegenseitigkeit beruhte, nur dass Annabeth Hanson nicht hätte sagen können, worauf sie sie zurückführte: Dafür maß sie Connors Person zu wenig Bedeutung bei. In ihren Augen existierte er schlichtweg nicht, war ein Fehler, den ihre Tochter eben machen musste und den es stillschweigend hinzunehmen galt, bis die Halbwertszeit ablief. Der Aufregung nicht wert.
Dass die Beziehung zwischen Mia und Connor nun bald neun Jahre hielt, fast ein Jahrzehnt, dürfte sie dagegen nicht vorausgesehen haben, und der Gedanke erfüllte Connor bei jedem Familienzusammentreffen mit Genugtuung. Zumal Mia in jeder Hinsicht mehr nach ihrem Vater geriet, dem gutmütigen, angesichts seiner anglo-protestantischen Herkunft erstaunlich toleranten Nigel. Er hatte Connor vom ersten Tag an in der Familie willkommen geheißen, als wäre er einer der jungen Verfassungsrichter oder Klinikleiter, von denen Annabeth Mia in einer Tour vorschwärmte.
Connor klappte den Kragen seines dunkelblauen Poloshirts wieder herunter. Sie waren nicht in Mailand, auch wenn Mia die traditionsträchtige Modehochburg den Hamptons jederzeit vorgezogen hätte, wäre da nicht der fast zehnstündige Flug gewesen.
»Schon Hunger?« Mia streckte den Kopf aus der Terrassentür.
Connor lächelte. »Ich könnte morden für ein Sandwich.«
Sie legte die Stirn in Falten. »Bei der Hitze? Ich hatte da eher an einen frischen Endivien-Salat gedacht. Gut für den Cholesterinspiegel. Der soll ja jenseits der vierzig durch die Decke gehen, wenn man nicht aufpasst.« Es gelang ihr nicht, die gespielte Strenge in ihrer Stimme aufrechtzuerhalten. »Aber was wäre ich für eine Verlobte, wenn ich es mir mit meinem zukünftigen Ehemann noch vor der Hochzeit verscherzen würde.« Sie drehte gedankenverloren an dem Ring an ihrem Finger, ein verschmitztes Grinsen im Gesicht.
Connor trat vor und küsste sie, fuhr mit den Fingern durch ihr honigblondes Haar und ließ sie am Hals herunterwandern bis zum Dekolleté.
Sie stöhnte leise. »Meinst du, du kannst mit dem Sandwich noch eine Weile warten? Oder muss ich dann befürchten, das erste Mordopfer zu werden, wenn ich mich zwischen euch stelle?«
»Wer sagt, dass du das erste Opfer wärst?« Lachend schob er sie vor sich her ins Haus, knöpfte ihr noch beim Laufen die Bluse auf. »Ins Schlafzimmer?«
Sie machte zwei Schritte von ihm fort, drehte sich um die eigene Achse und lehnte sich gegen die Anrichte der strahlendweißen Landhausküche, Arme nach hinten gestreckt, den Rücken durchgebogen, sodass ihr BH zur Geltung kam. Sie öffnete den Verschluss. »Sag du es mir.«
Für seine Antwort brauchte Connor keine Worte. Mit einem Handwisch räumte er die Einkäufe von der Platte, packte Mia und hob sie auf die Kücheninsel. Wieder stöhnte sie, diesmal lauter, ungehemmter. Voller Lust. Während sie sich mit der einen Hand an seinem Gürtel zu schaffen machte, half sie ihm mit der anderen, das Poloshirt auszuziehen, bis er nur noch in Boxershorts vor ihr stand. Er beugte sich vor, biss ihr sanft in die Schulter, doch sie zuckte zurück. Kurz, dennoch merklich. Er nahm sich zurück, streifte ihr stattdessen vorsichtig die Shorts runter. Blaue Flecken übersäten ihre Oberschenkel.
Schwer atmend machte er einen halben Schritt zurück. »Hast du dich wieder gestoßen?«
Sie dirigierte mit der Fingerspitze sein Kinn nach oben. »Muss gestern passiert sein. Lass uns jetzt nicht darüber nachdenken.« Sie wankte leicht hin und her. »Vielleicht gehen wir aber doch lieber ins Schlafzimmer. Ich bin noch ein bisschen erledigt von der Fahrt. Jetzt schau nicht so besorgt.« Sie winkte vor seiner Nase mit der Hand. »Ich hatte nur eine anstrengende Woche.«