Einführung
Das Buch, das Sie in Händen halten, ist, um es rundheraus zu sagen, kein »Who is Who« der Heiligkeit: Viele große Namen, zum Beispiel Katharina von Siena oder Don Bosco, fehlen, auf Vollständigkeit legen wir es nicht an. Die Menschen, die wir hier vorstellen, sind auch gar nicht alle offiziell heilig; manche haben es bislang nur zur Seligsprechung geschafft, in einem Fall (Sie werden schon sehen, in welchem …) noch nicht einmal das.
Nein, uns geht es um etwas anderes: Wir fragen danach, welche Leitfiguren die letzten drei Päpste (von denen einer, nämlich Johannes Paul II., ebenfalls heilig ist) inspiriert haben. Welche großen Gestalten der Kirchengeschichte, von den Anfängen bis heute, sie ihren Zeitgenossen und den nachkommenden Generationen zum Vorbild geben wollten. Sag mir, wen du als Heiligen verehrst, und ich sage dir, wer du bist: Wir lesen drei Pontifikate im Spiegel ihrer Heiligen und Seligen.
Jeder der drei Rom-Bischöfe – Johannes Paul, Benedikt, Franziskus – ging bzw. geht anders heran an das Thema Heiligkeit und Heiligsprechungen, setzt ganz eigene Akzente. Johannes Paul war der Eilige Vater, der in einem Pontifikat von Rekordlänge etwa hundert Auslandsreisen unternahm und dabei häufig große Persönlichkeiten einer jeweiligen Ortskirche vor Ort selig- oder heiligsprach. Er hinterließ also ein ganzes Netz von Heiligen, das sich über den Globus spannt.
Benedikt, der Stillere, reformierte den Ritus, um die Selig- oder Heiligsprechungen deutlich von der eigentlichen Messfeier abzutrennen, er brachte also etwas Ordnung in die Sache. Und er wies in einer Vielzahl von Katechesen bei seinen Mittwochs-Generalaudienzen vor allem auf die Kirchenväter und auf Heilige des Mittelalters hin, mit einem deutlichen Faible für Ordensheilige. Die farbigsten Schilderungen von Heiligen-Biografien stammen – das mag manche überraschen – von Benedikt. Nicht von seinem Vorgänger, nicht von seinem Nachfolger.
Franziskus wiederum weist gern auf große Missionare hin – und auf eine »Mittelklasse der Heiligkeit«, also ein im Alltag gelebtes Heiligsein ganz normaler Menschen, auf die keiner in Rom aufmerksam wird und die doch eine Leuchtspur des Heiligen in ihrer Umgebung hinterlassen. Zu diesen unbekannten und nicht-kanonisierten Heiligen zählt Franziskus auch seine Großmutter. Ein originelles Konzept, eine Demokratisierung des Heiligenbegriffs.
Wir haben hier also Selige und Heilige ausgewählt, denen sich Johannes Paul, Benedikt und Franziskus aus den verschiedensten Gründen nahe fühlen. Und wir beleuchten in kurzen Aufsätzen und anhand von Papst-Zitaten, woher in jedem spezifischen Fall diese Affinität rührte. An umfassenden Biografien der entsprechenden Heiligen ist uns nicht gelegen, das lässt sich anderswo nachschlagen; stattdessen erzählen wir die Geschichte dieses Papstes mit diesem Heiligen, dieser Seligen.
Natürlich hätten wir noch viel mehr und auch noch ganz andere Selige oder Heilige auswählen können, und natürlich ließe sich mancher Heilige, Franz von Assisi zum Beispiel, bei mehr als einem Papst »unterbringen«. Aber hier geht es ja nicht um Perfektion. Es geht um Heiligkeit – und das ist etwas anderes.
Rom, am Fest des »ungläubigen« Apostels Thomas (3. Juli) 2017,
Stefan v. Kempis