Blinde Flecken
Personenschaden
Im Namen des Kreuzes
Kriminalromane
Blinde Flecken
Kriminalroman
Für Erna und Rosa
22. Juni 2004
Er war wie blind davongelaufen, gestolpert, auf dem Kies gestürzt, hatte sich wieder aufgerappelt und wütend an seinen Handballen gesaugt, die voller Split waren. Seine Freunde, die Arschlöcher, würden sich wundern, wenn er zum ersten Mal in diesem beschissenen Leben ernst machte. Wenn er jetzt mit dem Auto voll gegen die nächste Wand fuhr.
Doch als er hinter dem Steuer des bulligen Geländewagens saß, kamen ihm plötzlich Zweifel. Wieso ließ er das alles mit sich machen, wieso war er immer das Opfer?
Er hieb drei, vier Mal mit der höllisch schmerzenden Hand auf die Hupe, der Schleicher vor ihm gab die Spur nicht frei. Wenn er jetzt einen Panzer hätte, würde er ihn und die ganzen anderen Idioten einfach von der Straße räumen. Wäre er bloß nicht in die Landsberger eingebogen, wo es immer Stau gab. Wohin wollte er denn überhaupt? Er hätte nie abhauen dürfen, einfach abhauen wie der letzte Feigling.
Dann kam der Hass.
Ein brennender Hass.
Feuer, ja, das war es. Wenn die Wohnung in Flammen aufging und sie als schreiende Fackeln herausliefen, würde es ihm besser gehen.
Er bog in die nächste Tankstelle ein, ließ die Wagentür bei laufendem Motor offen. Er rannte in den Markt, fand einen Kanister, betankte ihn, bis er überlief. Er sah, dass die fette Frau hinter der Kasse misstrauisch in seine Richtung äugte und das Kennzeichen notierte. Egal. Der Wagen gehörte seiner Mutter. Sollte sie doch bezahlen, wie immer.
Er hielt nicht lange nach einer Lücke Ausschau und drängte sich rücksichtslos in die dahinkriechende Wagenkolonne. Der Fahrer hinter ihm blendete auf und machte eine Drohgebärde. Er überlegte kurz, ob er aussteigen und ihm die Faust ins Gesicht schlagen sollte, lächelte aber nur verächtlich. Er schob eine CD ein.
Die Musik zum Film, dachte er.
Rammstein. Ein Mensch brennt. Rammstein. Fleischgeruch liegt in der Luft.
Er sprach laut mit. »Ein Flammenmeer … Blut gerinnt auf dem Asphalt.« Seine heisere Stimme war ihm fremd.
Der alte Mercedes 190 vor ihm bremste so überraschend, dass er nur Zentimeter hinter ihm zum Stehen kam. Auf der Rückbank saß eine Frau mit Kopftuch. Neben ihr drei Kinder. Das kleinste drehte sich zu ihm um und winkte. Er zeigte ihm den gestreckten Mittelfinger. Das Kind schnappte erschrocken nach Luft.
Zehn Minuten vergingen, ohne dass etwas geschah. Als hätte jemand die Zeit angehalten. Einzelne Fahrer standen neben ihren Autos, riefen sich etwas zu und deuteten nach vorne, wo blaue und orangefarbene Lichter blinkten. Er war eingekeilt. Er hörte den Song zum dritten Mal.
Rammstein. Ein Massengrab. Rammstein. Kein Entrinnen.
Die Uhr auf dem Armaturenbrett sprang auf 17:07 Uhr, als knapp hundert Meter vor ihm aus einem Durchgang in der hohen, begrünten Lärmschutzwand fünf Jugendliche traten. Die vier Jungen und das Mädchen trugen Trainingsanzüge und Sporttaschen.
Er wusste sofort, woher sie kamen. Blau-Weiß 57, ihr beschissener Judenverein, lag gleich hinter der Wand.
Der kleinste, ein Rotschopf, hielt die anderen auf und erzählte etwas. Als er fertig war, schaute er erwartungsvoll zu seinen Freunden. Sie brachen in Gelächter aus. Ein Witz also, ein Judenwitz sicher. Nur das Mädchen schüttelte missbilligend den Lockenkopf. Es war hübsch, verdammt hübsch sogar.
Die Gruppe setzte sich wieder in Bewegung und kam auf dem breiten Gehweg näher. Der Rotschopf ging rückwärts vor seinen Freunden her und machte weiter den Clown. Diesmal brachte er auch das Mädchen zum Lachen. Es machte zwei, drei schnellere Schritte, legte den Arm um ihn und schmiegte sich an ihn.
So waren sie, die Weiber. Alle. Auf solche Typen fielen sie rein. Auf Sprücheklopfer und Witzereißer. Er sah, wie das Mädchen den Jungen auf den Mund küsste, die Nutte.
Er drückte das Gaspedal voll durch.
Der Geländewagen schoss an einem geparkten Fahrzeug auf der Standspur vorbei, über den Fahrradweg auf die Gruppe zu. Das Mädchen riss noch den Mund zum Schrei auf und wirbelte schon durch die Luft wie eine Stoffpuppe. Ein Rucken ging durch den Wagen, als führe er über einen zu hohen Bordstein. Aber der Widerstand war weicher. Dann noch ein Rucken.
Tim Burger hielt sich mit beiden Händen am Lenkrad fest und starrte auf den großen roten Fleck auf seiner Windschutzscheibe. Haare klebten drin und eine Masse, die ihn an Katzenfutter erinnerte. Er war ganz ruhig, sein Schmerz war vergessen, der Hass verflogen. Dann riss jemand die Tür auf und zerrte ihn aus dem Wagen.
22. Mai 2008
Das Klingeln erreichte Schwarz in einem Traum, in dem seine Frau endlich wieder bei ihm lag. Wie warm sich ihre Haut anfühlte, wie vertraut sie roch. Sie flüsterte ihm etwas ins Ohr, ihr Atem kitzelte ihn.
»Sag’s noch mal, Monika, bitte.«
Sie schwieg, dafür klingelte es zum zweiten Mal. Er wollte nicht aufwachen. Auch ein Ermittler braucht seine Träume. Er spähte mit einem Auge zum Wecker. »Neun? Welcher Verrückte …?«
Jetzt war er wach. Sein erster Blick fiel auf den Kleiderberg neben dem Bett. Alter Schlamper, hätte Monika bei diesem Anblick gesagt, und er hätte dann irgendwann aufgeräumt. Aber Monika war nicht mehr da, und so wurde der Berg höher und höher.
Er hörte die Stimmen der Thailänder unten im Koh Samui. Die schnippelten seit Stunden für ihre Currys, und er lag halb bewusstlos im alten Tanzsaal der ehemals bayerischen Wirtschaft. Er hoffte inständig, der Quälgeist vor seiner Tür würde freiwillig den Rückzug antreten. Vergeblich.
Schwarz erhob sich seufzend. Wenn er Glück hatte, war es seine Tochter, die ihm manchmal seine geliebten Karlsbader Oblaten vorbeibrachte. Das letzte Mal vor zwei Jahren.
»Herr Schwarz?« Der etwa sechzigjährige Mann blickte ihn durch eine randlose Brille an. Er trug ein anthrazitfarbenes Jackett und zum weißen Hemd eine rote Fliege. Künstler, vermutete Schwarz, auch wegen des nach hinten gekämmten, nackenlangen Haars seines Gegenübers.
»Mein Name ist Karl Loewi, ich bin Anwalt.«
An ihren Bügelfalten sollt ihr sie erkennen: ein Anwalt, klar.
»Ich hoffe, ich habe Sie nicht geweckt?«
»Ich bin gerade mit dem Frühsport fertig. Kommen Sie rein.«
Er holte seine schwarze Jeans vom Kleiderberg und fragte Loewi schon mal, wie er seinen Kaffee trinke. Diese Vorlage hätte er ihm nicht liefern dürfen.
»Bei Ihnen selbstverständlich schwarz.«
Schwarz unterdrückte ein Gähnen. In seiner Gegenwart sahen die Leute schwarz, trafen ins Schwarze, ließen jemanden warten, bis er schwarz wurde, regten sich über Schwarzarbeit und die Schwarzen sowieso auf. Schwarz hätte sich darüber schwarzärgern können, hatte aber den magenschonenden Entschluss gefasst, sich lieber über die inspirierende Wirkung seines Namens zu freuen.
Er reichte Loewi, der sich nicht hatte setzen wollen, die Geschenktasse vom letzten Tag der Offenen Tür der Polizeiinspektion München-Pasing und warf einen verstohlenen Blick auf dessen dunkelbraune, englische Schuhe. Keine Absätze? Der Anwalt war also wirklich ein ganzes Stück größer als er und, obwohl mindestens zehn Jahre älter, unverschämt flachbäuchig. Einen Moment lang bereute Schwarz es, sein im ersten Trennungsschmerz erworbenes Abo beim Fitness-Studio an der Donnersbergerbrücke in zwölf Monaten kein einziges Mal genutzt zu haben.
Er seufzte und machte es sich auf einem Deckchair bequem, seinem Konferenzstuhl. »Wer hat Sie zu mir geschickt, Herr Loewi?«
»Ich habe Ihre Adresse im Branchenbuch gefunden.«
»Tatsächlich? Ich beschatte aber keine Ehefrauen, die zu ihrem Geliebten, und keine Gymnasiasten, die statt in die Schule lieber in den Biergarten schleichen.«
»Aber Sie sind doch Detektiv?«
»Privatermittler. Ich habe mich auf Fälle spezialisiert, die andere für geklärt halten. Ich kümmere mich um Leute, die zu Unrecht im Knast sind oder dringend dorthin gehörten.«
»Dann sind Sie der richtige Mann für mich.«
Schwarz musterte den Anwalt. Dessen markante Züge ließen darauf schließen, dass er sich durchzusetzen wusste, aber sein Blick verriet eine fast jungenhafte Neugier und Sensibilität. Loewi war ihm sympathisch – trotz seiner athletischen Figur.
»Was wollen Sie von mir?«
»Dazu müsste ich weiter ausholen.«
»Ich habe Zeit.«
Während er sprach, ging der Anwalt in dem geräumigen Saal, der Schwarz zugleich als Wohnung und Büro diente, auf und ab. Er kam an der DVD-Sammlung vorbei, die sich ausschließlich aus Meisterwerken der Schwarzen Serie zusammensetzte, und an Regalen mit Aktenordnern sowie kriminalistischer Fachliteratur älteren Datums. Das Eichenparkett knarrte unter seinen edlen Schuhen. Vor dem bedauernswerten Ficus, den Schwarz oft wochenlang vergaß und dann wieder fast ertränkte, machte Loewi kehrt und schritt auf der anderen Seite des Raums an den Familienfotos vorbei.
Monika, die mit der vier Tage alten Luisa aus der Klinik in der Maistraße tritt und die Nase rümpft, weil sie gleich niesen wird. Monika, die stolz am Steuer des nagelneuen Opel Rekord C sitzt, der vor seiner Verschrottung neunzehn Liter saufen wird. Monika und die dreijährige Luisa, die mit beseelten Gesichtern in einer endlosen Reihe Kerzen haltender Menschen stehen. Es ist ein Nikolausabend Anfang der Neunziger. Die halbe Stadt ist auf den Beinen und demonstriert mit einer Lichterkette gegen Ausländerfeindlichkeit. Schwarz ist zu dieser Zeit noch Polizist, aber wegen aufmüpfigen Verhaltens gegenüber einem bürokratischen Vorgesetzten zum Bürodienst verdammt.
»Sie erinnern sich bestimmt an den Unfall von Carl Heuwieser«, hatte Loewi begonnen. »Es war die Nacht vom 15. auf den 16. Mai 1989, als er auf der Autobahn München – Lindau mit hoher Geschwindigkeit auf einen Wagen auffuhr. Es gab einen Toten und eine Schwerverletzte.«
»Heuwieser war damals Landtagsabgeordneter und besoffen«, sagte Schwarz und nickte.
Loewi erinnerte an die öffentliche Empörung nach dem Unfall, an Heuwiesers Rücktritt von seinen diversen politischen Ämtern und die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten.
»Auf Bewährung. Schon drei Jahre später zog er wieder in den Landtag ein, weil wir Bayern ein großes Herz für arme Sünder haben – zumindest für die aus der Politik«, sagte Schwarz und stand auf, um sich noch mal Kaffee zu holen.
»Noch einen für Sie?«
Der Anwalt schüttelte den Kopf.
»Warum erzählen Sie mir eine Geschichte, die ich kenne, Herr Loewi?«
»Die Sie kennen?« Er lächelte ein klein wenig überheblich. »Was wissen Sie denn über den Mann, den Heuwieser tötete?«
Schwarz schob die Unterlippe nach vorn. »Er war Rentner, glaube ich, und ist in einem kleinen Fiat gefahren, mit dem er keine Chance gegen die schwere Limousine vom Heuwieser gehabt hat.«
»Richtig. Und weiter?«
Schwarz machte eine bedauernde Geste.
»Dann sage ich es Ihnen. Er hieß Josef Rojewski, hatte das KZ Dachau überlebt und war auf dem Weg in seine polnische Heimat, die er nach 1945 nie mehr besucht hatte. Er wollte nach Auschwitz, wo seine Eltern umgebracht worden waren.«
Nein, das hatte er nicht gewusst.
»Das war damals aber in allen Zeitungen zu lesen, Herr Schwarz.«
»Dann muss ich es vergessen haben.«
»Vergessen«, wiederholte der Anwalt und blickte gedankenverloren auf die Kreuzung vor dem Haus. Schwarz ließ etwa hundertfünfzig der dreißigtausend Autos vorbeifahren, die jeden Tag die Landsberger Straße heimsuchten, dann räusperte er sich. Als Loewi sich umdrehte, meinte er einen feuchten Glanz in dessen Augen zu sehen, aber vielleicht täuschte er sich auch.
»Am 22. Juni 2004«, sagte der Anwalt, »steuerte der zwanzigjährige Tim Burger den Geländewagen seiner Mutter in eine Gruppe Jugendlicher.«
Schwarz nickte. »Ein Toter, zwei Schwerverletzte. Wenn man Richtung Innenstadt fährt, kann man an der Unfallstelle noch Spuren sehen.«
»Es war kein Unfall.«
»Eine Amokfahrt, ich weiß.«
»Genau das ist die Frage. Die jungen Leute kamen vom Training. Sie waren Mitglieder eines Sportvereins, Blau-Weiß 57.«
»Und?«
»Ein jüdischer Verein.«
Schwarz lachte. »Jüdisch? Blau-Weiß?«
»Bayerisch wäre weiß-blau. Ich habe Hinweise, dass Burger Neonazi ist, und ich bin mir ziemlich sicher, dass er gezielt Juden töten wollte.«
Schwarz wusste einiges über den Fall. Er hatte sich nicht lange nach seiner Entlassung aus dem Polizeidienst ereignet, und die Ermittlungen waren bei seiner ehemaligen Abteilung gelegen. Aber das band er Loewi jetzt nicht auf die Nase. Stattdessen fragte er scheinheilig, wie denn das Gericht geurteilt habe.
»Es hat einen antisemitischen Hintergrund ausgeschlossen. Burger hat nur sechs Jahre Jugendstrafe bekommen, seine blindwütige Tat sei durch eine schwere Lebenskrise ausgelöst worden.«
»Was Sie bezweifeln?«
»Richtig.«
»Und ich soll stichhaltige Beweise für Burgers rechtsextremistische Gesinnung liefern? Für eine Wiederaufnahme des Verfahrens?«
Loewi nickte. »Wir müssen unbedingt verhindern, dass Burger vorzeitig entlassen wird.«
Diesmal trat Schwarz selbst ans Fenster. Er starrte auf die Kreuzung der Landsberger mit der Offenbacher Straße und das unbebaute Grundstück daneben, auf dem überlebensgroße Bronzeskulpturen zum Verkauf angeboten wurden. Welcher vernünftige Mensch, dachte er, stellt sich bloß solche Scheußlichkeiten in den Garten, einen Hirsch, ein Nashorn oder King Kong?
»Herr Schwarz?«
Er drehte sich um und betrachtete Loewi. Verbarg sich hinter der Maske des seriösen Anwalts ein Verrückter? Klienten, die an Verschwörungen glaubten, gehörten zu den unangenehmsten überhaupt. »Sie vermuten also, dass nicht nur dieser Burger, sondern auch Carl Heuwieser gezielt Juden aufs Korn genommen hat?«, versuchte Schwarz Loewi aufs Glatteis zu locken.
»Wie bitte? Halten Sie mich für verrückt?«
»Nein«, stammelte Schwarz, »eigentlich nicht. Ich verstehe nur nicht, was die beiden Fälle verbindet.«
»Die blinden Flecken«, sagte Loewi.
Schwarz runzelte die Stirn.
»Ich bin seit mehr als dreißig Jahren Anwalt und immer wieder darauf gestoßen. Polizisten, Richter, Zeugen, alle leiden an diesem Phänomen.«
»Den blinden Flecken?«
»Ja, entweder wird die jüdische Identität der Opfer ausgeblendet oder der rechtsextremistische Hintergrund der Täter. Manchmal mag das politisches Kalkül sein, um die Statistik zu schönen, meistens aber geschieht es unbewusst. Den Fall Heuwieser habe ich nur angesprochen, um Ihnen zu zeigen, dass auch Sie diese Löschfunktion im Kopf haben.«
»Ich? Ich frage ja auch nicht, ob ein Opfer Katholik oder Protestant ist, Herr Loewi. Weil es keine Rolle spielt.«
»Einverstanden. Aber wenn die Religion der Grund für einen Mordanschlag war, sollte es doch wohl eine Rolle spielen. Und erst recht, wenn der Täter möglicherweise nach wie vor zur Gewalt gegen Juden entschlossen ist.«
Schwarz hatte um Bedenkzeit gebeten. Reine Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ohne Sinn und Aussicht auf Erfolg versuchte er grundsätzlich zu vermeiden. Um frei entscheiden zu können, welchen Auftrag er übernahm und welchen er ablehnte, hatte er sich vor einiger Zeit als Wachmann bei einem Konsulat verpflichtet. Der Verdienst reichte zumindest für die Mietkosten seiner extravaganten Unterkunft.
Schwarz überlegte. War es denkbar, dass ein Mordanschlag mit antisemitischem Hintergrund als wahllose Verzweiflungstat eines seelisch Verirrten eingestuft und mit einer viel zu milden Jugendstrafe geahndet worden war? Oder hatte Loewi sich da in etwas verrannt?
Was sagt mir mein Gefühl, dachte Schwarz. Sein Gefühl schwieg.
Er musste also auf anderem Wege zu einer Entscheidung kommen. Außer der Tatsache, dass seine ehemaligen Kollegen von der Kripo mit den Ermittlungen betraut gewesen waren, gab es noch eine weitere Verbindung zu dem Fall. Tim Burger hatte einige Jahre das Pasinger Gymnasium besucht, das Monika als Direktorin leitete.
Schwarz traf pünktlich zur Pause ein.
Die Schüler strömten aus allen Türen in den asphaltierten und mit zwei armseligen Bäumchen dekorierten Pausenhof. Monika hatte sich immer geärgert, dass ihr Mann Lehrer maßlos dafür bewunderte, dass sie bei diesem Höllenlärm nicht gewalttätig wurden. Als hätten sie keine anderen Verdienste.
Schwarz wusste, dass seine Frau den Kontakt mit den Schülern suchte und ihr Büro so oft wie möglich verließ. Es dauerte nicht lange, da tauchte sie auf, ein sportlicher Typ im khakifarbenen Hosenanzug mit dezent gesträhnter, dunkelblonder Kurzhaarfrisur. Ihre 47 Jahre sah man ihr nicht an. Sie sprach mit einigen der Schüler und schien ganz in ihrem Element. Als Monika Schwarz ihren Mann bemerkte, verfinsterte sich ihre Miene. »Hey, du weißt genau, dass du hier nicht einfach aufkreuzen sollst.« Sie nahm ihn zur Seite. »Was ist denn, Anton?« Niemand konnte den Namen Anton schauerlicher klingen lassen als sie.
»Ich bräuchte deinen Rat.«
Monika stöhnte. »Wir haben uns getrennt.«
»Du ziehst es vor, dass wir in getrennten Wohnungen leben«, korrigierte Schwarz sie sanft, »vorübergehend.«
Monika war klug genug, das Thema nicht zu vertiefen. Schwarz war dazu fähig, ihr vor allen Schülern seine Liebe zu erklären.
»Um was geht es denn?«
»Um einen Fall, den ich übernehmen soll. Erinnerst du dich an Tim Burger?«
Monika nickte.
»Hast du ihn mal als Lehrerin gehabt?«
»Ja, in dem Jahr, in dem er von der Schule flog.«
»Wieso habt ihr ihn rausgeworfen?«
»Das darf ich dir nicht sagen.«
»Mir genügt eine Andeutung.«
»Wir haben ihn nicht mehr in den Griff gekriegt.«
»Drogen? Psychische Probleme?«
»Anton, ich darf keine Auskünfte über Schüler geben.«
Schwarz sah, dass Monika um die Hüften herum ein klein wenig zugelegt hatte. Es störte ihn nicht. Sein Blick wanderte zu dem zarten Flaum an ihren Schläfen, den er so liebte, und zu den Lachfältchen um ihre grünblauen Augen.
»Hör auf, mich wie ein Dackel anzuschauen, Anton.«
»Hat Tim Burger jemals schlecht über Juden gesprochen?«
»Was?« Sie blickte ihn irritiert an.
»Sag schon, hat er?«
»Du weißt, wie viel Blödsinn da geredet wird. Die meisten meiner Schüler haben noch nie einen Juden gesehen, aber wenn ich frage, ob die Juden in Deutschland zu viel Einfluss hätten, antwortet ein Drittel mit Ja.«
»Burger auch?«
»Daran erinnere ich mich wirklich nicht mehr.«
Er bemerkte, dass sie seinem Blick auswich. »Aber an was anderes erinnerst du dich, stimmt’s?«
Monika berührte Schwarz leicht am Arm und lotste ihn zu einem Mauervorsprung am Rand des Pausenhofs.
»Wir haben nicht über Tim gesprochen, okay?«
»Einverstanden.«
Sie erzählte, wie Tim Burger sie einige Monate nach seinem Schulausschluss auf der Straße abpasste. Er sei völlig durcheinander gewesen.
»Um was ging es?«
»Um Linda, die Prinzessin. Tim war mit ihr zusammen gewesen. Mit dem begehrtesten Mädchen der ganzen Schule, verstehst du?«
»Sie hat ihn verlassen. Warum?«
»Sie muss von ihm irgendeine abstruse Mutprobe gefordert haben, aber er hat gekniffen. Daraufhin hat sie unter der ÜberschriftWieso ich nicht mit einem Loser zusammen sein will Tims peinlichste Fotos und dümmste Sprüche ins Internet gestellt. Doch selbst damit wurde sie ihn nicht los.«
»Das kommt mir irgendwie bekannt vor.«
»Also, bitte! Ich habe unsere Trennung immer diskret behandelt.«
»Ich meinte, dass du mich nicht loswirst.«
»Ich kann es ja machen wie Linda. Sie muss Tim mehr oder weniger dazu eingeladen haben, ihr beim Sex mit seinem Nachfolger zuzugucken.«
Schwarz schluckte.
»Entschuldige, Anton, das war gemein.« Diesmal ließ sie seinen Namen ganz anders klingen. Anton, mit einem tief aus der Brust kommenden, leicht vibrierenden A.
»Schon okay«, sagte Schwarz.
Monika wandte sich zum Gehen. »Tim Burger hat Linda jedenfalls unmittelbar vor seiner Amokfahrt mit dem anderen im Bett erwischt. Aber daran erinnerst du dich bestimmt. Die Presse hat es ja in allen Einzelheiten durchgehechelt.«
Schwarz erinnerte sich nicht. Merkwürdig. Gab es bei ihm vielleicht noch andere blinde Flecken als die von Loewi erwähnten? Flecken, die sich gnädig über Ereignisse legten, die ihn an Monikas unverständlichen und schmerzhaften Rückzug erinnern könnten?
»Wie heißt diese Linda mit Nachnamen?«, rief Schwarz Monika nach.
»Heintl. Linda Heintl.«
Seine vor vier Jahren noch fast kindlichen Gesichtszüge waren kantig geworden. Er trug das Haar kurz geschnitten und gescheitelt und legte Wert darauf, dass es ihm nicht in die Stirn fiel. Für einen Besuch bei einem anständigen Friseur, spotteten seine Mithäftlinge, würde er sich sogar vögeln lassen. Allerdings wagte keiner, so etwas laut zu sagen, denn Tim Burger war gefürchtet. Es gab Gerüchte, zu Beginn seiner Haftzeit habe er einen Zellengenossen halb totgeprügelt.
»Siebenunddreißig«, keuchte er.
Tim belastete bei seinen Liegestützen nicht wie üblich die Handflächen oder wie die härteren Jungs im Knast die Fäuste. Bei ihm drückte das gesamte Gewicht auf die Fingerknöchel. Er ärgerte sich, weil die Haut an zwei Fingern platzte und das Blut auf dem Boden Flecken hinterließ.
»Dreiundsechzig.«
Die anderen Knackis täuschten sich, wenn sie glaubten, sein Ziel wäre es, eine menschliche Kampfmaschine zu werden. So primitiv war er nicht. Ihm ging es nicht um die Körperkraft, sondern um den Willen. Er wollte es lernen, körperliche und seelische Schmerzen auszuschalten. Nur dafür trainierte er.
»Siebenundneunzig.«
Der Boden unter seinen Augen verschwamm und begann sich in Wellen zu bewegen. Er kam ihm entgegen und entfernte sich wieder. Kam ihm entgegen, entfernte sich. Es ist fast wie mit einer Frau, dachte er. Aber er durfte nicht zulassen, dass der Schmerz ihm Lust bereitete. Er biss sich auf die Zunge.
»Hundertelf.«
Nach längerem Überlegen hatte Schwarz sich dafür entschieden, Loewi abzusagen. Er dachte gerade über eine schlüssige Begründung nach, als es klingelte und der Anwalt vor der Tür stand.
»Ich muss Ihnen leider sagen …«, begann Schwarz, aber Loewi unterbrach ihn.
»Ich habe Karlsbader Oblaten für Sie. Mit Schokofüllung.«
Schwarz war überrascht. Woher wusste der Mann von seiner Vorliebe?
»Mir ist beim letzten Mal die leere Verpackung aufgefallen.«
Das ist nicht wahr, dachte Schwarz, er hat sich über mich informiert, und zwar bei jemandem, der weiß, dass ich für diese Oblaten sterbe. Aber bei wem?
»Sie sind ein guter Beobachter, Herr Loewi«, sagte er. »Also, leider …«
Bevor er weitersprechen konnte, hielt der Anwalt ihm eine Mappe mit Fotokopien hin. »Meine Sekretärin hat für Sie eine kleine Materialsammlung zusammengestellt. Beim Durchblättern ist mir ein wichtiges Indiz wieder eingefallen. Tim Burger ist nach Aussagen von Zeugen vor der Tat mindestens zehn Minuten im Stau gestanden. Während dieser Zeit kamen zahlreiche Passanten an seinem Wagen vorbei, Geschäftsleute, Mütter mit kleinen Kindern, alte Leute und auch Schüler. Er hat sie alle unbehelligt gelassen.«
Schwarz schaute ihn irritiert an.
»Aber als fünf Jugendliche mit dem Abzeichen eines jüdischen Vereins auf ihren Trainingsanzügen auftauchten, drückte er aufs Gas. Halten Sie das für einen Zufall?«
Schwarz überlegte. »Er könnte wie ich blauweiß für typisch bayerisch gehalten haben.«
»Aber nicht den Davidstern auf dem Vereinswappen. Den kann man wohl schlecht mit dem bayerischen Löwen verwechseln.«
»Hm. Er könnte Burger egal gewesen sein.«
»Dann wäre er doch nicht genau in diesem Moment losgefahren.«
»Wir drehen uns im Kreis, Herr Loewi.«
»Deswegen bin ich zu Ihnen gekommen.«
Schwarz schwieg.
»Wollen Sie nicht auch wissen, was damals wirklich passiert ist?«
»Langsam werde ich neugierig«, sagte Schwarz.
Loewi atmete auf und streckte ihm die Hand hin.
»Moment.«
»Was?«
»Ich kriege zweihundertfünfzig pro Tag.«
Loewi schluckte. »Ist das ein Versuch, mich doch noch loszuwerden?«
Schwarz lächelte. »Es ist mein übliches Honorar. Wenn ich nichts rausfinde, bekommen Sie die Hälfte zurück.«
»Brauchen wir einen Vertrag?«
Schwarz schüttelte den Kopf, ihm genügte ein Händedruck.
Dann tranken sie Kaffee und aßen dazu die Oblaten, die Schwarz zu trocken fand. »Gar nicht schlecht«, sagte er.
»Bestimmt nicht so lecker wie die aus dem Hause Schwarz.«
Schwarz lächelte geschmeichelt. Die Konditorei seines Großvaters hatte vor dem Krieg Kunden in ganz Europa beliefert. Seine Mutter hatte den köstlichen Geruch und Geschmack der Schwarz-Oblaten so oft beschrieben, dass er sich fast erinnerte, sie in seiner Kindheit probiert zu haben. Dabei war er dafür eindeutig zu spät geboren.
»Jetzt möchte ich aber doch wissen, woher Sie Ihre Informationen über mich haben, Herr Loewi.«
»Ein Onkel von mir hat Ihre Mutter gekannt.«
»Dann haben Sie auch Egerländer Wurzeln?«
Loewi schüttelte den Kopf. »Jüdische.«
»Tatsächlich?« Schwarz lachte. »Wissen Sie, dass Sie mein erster echter Jude sind?«
»Glückwunsch«, sagte Loewi.
Die verwunschene Villa stand inmitten eines parkähnlichen Gartens. Sie gehörte zur nördlich des Pasinger Bahnhofs gelegenen Kolonie des Architekten August Exter, der hier zu Beginn des 20. Jahrhunderts seine Vision bürgerlichen Wohnens im Grünen verwirklicht hatte. Immer, wenn Schwarz in das Quartier kam, begann er zu träumen. So wenig korrupt er sonst war, für ein Anwesen in der Kolonie hätte er sogar die Liebe zu Monika verraten, sich an eine reiche Erbin heranmachen und zum Heiratsschwindler werden können.
Er klingelte unter dem Messingschild mit dem Namen Hahn. Er wartete eine Weile und klingelte erneut. Als die Tür sich endlich öffnete, sah er kurz ins Leere.
»Sind Sie Herr Schwarz?«
Sein Blick fiel auf eine hübsche junge Frau mit wilder, kastanienbrauner Lockenmähne. Sie saß im Rollstuhl. »Ich bin Eva Hahn. Kommen Sie doch rein!«
»Danke.«
Beim Eintreten bemerkte Schwarz am rechten Türpfosten eine schräg angebrachte silberne Hülse.
»Das ist eine Mesusa. Sie soll die Hausbewohner schützen. Eigentlich gehört sie an die Außenseite der Tür, aber so mutig bin ich noch nicht wieder.«
»Bei uns, auf dem Land«, sagte Schwarz, »gibt es was Ähnliches. Da wird an Dreikönig C+M+B und die Jahreszahl über die Haustür geschrieben.«
Eva nickte amüsiert. »Ich bin hier geboren, Herr Schwarz. Darf ich Ihnen was anbieten?«
»Nein, danke.«
»Bloß keine falsche Rücksichtnahme. Saft, Wasser, Bier?«
»Dann ein Wasser, bitte.«
Während Eva Hahn in der Küche war, schaute Schwarz sich neugierig um. Der Raum, in den sie ihn gebracht hatte, war hoch, hell und mit modernen Möbeln eingerichtet. An den Wänden hingen ansprechende Aquarelle. Bis auf einen alten Messingleuchter mit hebräischer Inschrift entdeckte er keine Hinweise auf die jüdische Religion der Bewohner.
Es wird so sein, dachte er, dass bei der Wohnungseinrichtung der Unterschied zwischen Juden und Nichtjuden nicht so groß ist wie der zwischen Menschen mit und ohne guten Geschmack.
Eva Hahn reichte ihm ein Glas und deutete auf einen Freischwinger-Stuhl. »Ich würde gern auf Augenhöhe mit Ihnen reden.«
Schwarz nickte und setzte sich. »Wohnen Sie hier allein?«
»Nein, meine Familie macht nur gerade Urlaub.« Sie lehnte sich zurück. »Also, was hat Ihnen mein Onkel denn schon erzählt?«
»Nicht viel. Ich wusste nicht mal, dass Herr Loewi Ihr Onkel ist.«
»Mein Lieblingsonkel sogar. Bei ihm durfte ich schon mit fünfzehn Alkohol trinken und in die Disko gehen.« Ihr Lächeln erstarb.
»Ich nehme an, dass Sie seit jenem Tag im Rollstuhl sitzen«, sagte Schwarz mit leicht belegter Stimme.
Eva nickte. »Aber ich mache mir immer wieder klar, was für ein Riesenglück ich hatte, wo ich doch eigentlich hätte tot sein sollen.«
»Sie sind überzeugt davon, dass Tim Burger Sie umbringen wollte?«
»Absolut.«
Schwarz wartete auf eine Begründung, aber die junge Frau schwieg. Er ließ ihr Zeit und betrachtete sie. Ihre Gesichtszüge waren ebenmäßig, ihr Teint blass, ihre Augen strahlend blau. Sie ist fast zu schön, dachte er.
»Er wollte uns töten«, brach es unvermittelt aus Eva heraus, »er wollte uns töten, weil wir Juden sind.«
»Burger hat seine Freundin vor der verhängnisvollen Fahrt mit einem anderen im Bett erwischt und wusste vielleicht gar nicht mehr, was er tut«, sagte Schwarz.
»Das wusste er ganz genau«, widersprach Eva. »Ich habe seinen Blick gesehen, unmittelbar vor dem Aufprall.«
Das reicht nicht, dachte Schwarz, das ist kein Beweis. »Ist Ihnen Tim Burger vor jenem verhängnisvollen Tag schon mal begegnet, Frau Hahn?«
Eva hob ratlos die Schultern. »Nicht bewusst.«
»Und jemand anderem aus Ihrer Gruppe?«
»Marek meinte, er habe ihn mal vor der alten Synagoge in der Reichenbachstraße gesehen.«
»Hat er das auch vor Gericht gesagt?«
Sie schüttelte den Kopf. »Er war sich nicht sicher.«
Schwarz überlegte. »Würden Sie mich an den Tatort begleiten?«
Eva zögerte.
»Eigentlich meide ich die Landsberger Straße. Wenn ich in die Stadt muss, nehme ich lieber einen Umweg in Kauf.«
»Sie würden mir helfen.«
Sie seufzte.
Schwarz sah fasziniert zu, wie Eva Hahn sich mittels einer kleinen Hebebühne mitsamt ihrem Rollstuhl hinters Steuer des umgebauten Wagens hieven ließ.
»Worauf warten Sie, Herr Schwarz?«
Er nahm neben ihr Platz und stellte fest, dass das Fahrzeug keine Pedale besaß. Eva hatte seinen Blick bemerkt und lächelte.
»Der Wagen hat ein Automatikgetriebe, Gas und Bremse bediene ich mit den Händen. Steht alles in meinem Führerschein. Wollen Sie kontrollieren?«
Schwarz winkte verlegen ab.
Als Eva in die Offenbacher Straße einbog, erkundigte er sich nach den anderen überlebenden Opfern von Burgers Amokfahrt; zwei der jungen Leute waren nach dem für sie völlig unverständlichen Gerichtsurteil nach Israel ausgewandert.
»Nur Marek und ich sind in München geblieben.«
»Haben Sie mit ihm Kontakt?«
»Ja. Soll er kommen?«
Schwarz nickte und bereute es sofort, als er sah, dass Eva Hahn ein Handy zückte, die Nummer aufrief und gleichzeitig Blinker und Bremse betätigte. »Hallo, Marek, hast du gerade Zeit?«
Schwarz entspannte sich erst, nachdem Eva sich problemlos in den dichten Verkehr auf der Landsberger Straße eingefädelt hatte. Sie lachte. »Einen Privatdetektiv hätte ich mir irgendwie kaltblütiger vorgestellt.«
Eva Hahn parkte auf der Standspur vor der Lärmschutzwand. Ihr Rollstuhl senkte sich sanft auf die Straße, als ein Mann auf einer schwarzen Vespa eintraf. Er nahm den Helm ab, fuhr mit der Hand durch sein rotes Haar, beugte sich zu Eva hinab und küsste sie auf den Mund.
»Du wirst immer schöner.«
Dann streckte er Schwarz die Hand hin. »Marek Solender. Sie können gern Du zu mir sagen.«
»Anton Schwarz. Ich würde Sie lieber siezen. Sie sind ein Zeuge.«
»Wie Sie meinen. Ich habe übrigens gestern mit Sammy telefoniert, der damals auch dabei war und jetzt in Haifa lebt.«
»Wie geht’s ihm?«, fragte Eva.
»Super. Er hat sich ein Poster mit Glatzen, die den Hitlergruß zeigen, übers Bett gehängt.«
»Was?« Eva und Schwarz schauten ihn ungläubig an.
»Gegen das Heimweh.« Marek lachte als Einziger über seinen Witz. Eva rollte über eine Grasfläche zu der Stelle, wo die Spuren der Amokfahrt noch zu sehen waren. Das Rankgitter war eingedrückt, die Metallwand dahinter an zwei Stellen verbeult. Man erkannte Schleifspuren und Lackreste.
Eva berührte andächtig die massive Wand. »Dani starb genau hier. Ich stand ein Stück weiter links, das war mein Glück. Sammy und Marek sind unter den Wagen geraten.«
»Benny hat nur ein paar Schrammen abgekriegt«, ergänzte Marek. »Trotzdem wollte er keinen Tag länger als nötig in Deutschland bleiben. Er hätte mal besser die ›Nationalzeitung‹ statt der ›Süddeutschen‹ lesen sollen.«
Eva und Schwarz schauten ihn fragend an.
»Die ›Süddeutsche‹ kritisiert uns Juden ständig wegen der Palästinenserfrage, in der ›Nationalzeitung‹ stehen nur positive Sachen über uns. Wir steuern die größten Medienkonzerne, die amerikanische Regierung und eigentlich die ganze Weltwirtschaft.«
»Hör endlich auf, den Clown zu spielen!«, fuhr Eva ihn an. Marek zuckte zusammen und sah sie an wie ein geschlagener Hund.»Entschuldige.«
Schwarz fragte die beiden, ob sie noch wüssten, wann sie damals Burgers Wagen zum ersten Mal bemerkt hätten.
Ihr sei nur der Mercedes mit der türkischen Familie aufgefallen, erklärte Eva, weil die Kinder so süß gewesen seien.
»Wie war es bei Ihnen, Marek?«
»Mir ist nur Eva aufgefallen.«
Eva lächelte bitter und fuhr zur Öffnung in der Lärmschutzwand, durch die sie und ihre Freunde damals auf die Landsberger Straße getreten waren. Dahinter lagen eine Wohnsiedlung mit Reihenhäusern aus den sechziger Jahren und ein eingezäunter, von Bäumen und einer dichten Hecke umgebener Sportplatz. Die drei steuerten einen Flachbau an, in dem eine Gaststätte, Umkleideräume und das Vereinsbüro untergebracht waren.
Ein kräftiger, etwa vierzigjähriger Mann mit grau meliertem Haar trat aus der Tür, um die Ankömmlinge in Augenschein zu nehmen.»Ihr seid es. Servus, lang nicht mehr gesehen.«
Eva stellte Schwarz als Ermittler vor, der hoffentlich Licht in die Geschehnisse des 22. Juni 2004 bringen werde.
»Das hoffe ich auch. Ich bin Pavel Fraenkel, Vereinsvorsitzender. Ist übrigens kein Ehrentitel: Niemand wollte den Job machen.«
Schwarz fragte nach der Geschichte von Blau-Weiß 57.
»Der Verein wurde von Holocaust-Überlebenden gegründet, die in Deutschland hängen geblieben sind«, sagte Fraenkel. »Es begann mit einer Fußballmannschaft, heute bieten wir auch Tennis und Hockey an. Etwa siebzig Prozent der Vereinsmitglieder sind Juden, die anderen Freunde aus zehn verschiedenen Nationen, darunter übrigens auch einige Moslems.«
Schwarz erkundigte sich, welche Sicherheitsvorkehrungen es gebe.
»Wie soll man eine Anlage wie diese wirkungsvoll schützen?«, sagte Fraenkel. »Wenn irgendein Wahnsinniger ein Blutbad anrichten will, haben wir auch mit Sicherheitsdienst und Überwachungskameras kaum eine Chance. Außerdem sollen unsere Jugendlichen Spaß haben und nicht ständig damit konfrontiert sein, dass sie ein potentielles Anschlagsziel für Nazis und Islamisten sind.«
Er zeigte zur blauweißen Vereinsfahne mit dem Davidstern. »Nur die Fahne hängen wir lieber über der Hintertür auf.«
»Hat es vor Burgers Amokfahrt Drohungen gegen den Verein gegeben?«
Fraenkel schüttelte den Kopf. »Jedenfalls keine ernst zu nehmenden.«
Schwarz registrierte, dass Eva Hahn zu einem der Tennisplätze schaute, wo zwei junge Frauen sich ein leidenschaftliches Duell lieferten. Er hatte den Eindruck, dass sie ihren Blick kaum von den Beinen der beiden lösen konnte.
»Braucht ihr mich noch?«, fragte Marek. »Ich muss dringend zu einem Kunden.«
»Mein Computer spinnt übrigens auch«, sagte Fraenkel.
»Alle Computer spinnen.« Marek reichte Schwarz seine Visitenkarte mit der Aufschrift PC-Rettungsdienst Solender und verabschiedete sich mit einem Kuss von Eva.
»Keine Drohungen also«, nahm Schwarz das Gespräch wieder auf, »und Burger haben Sie auch nie vorher gesehen?«
Der Vereinsvorsitzende begann nervös mit dem Bändel seiner Kapuzenjacke zu spielen. »Er war mal hier, bei einem Spiel unserer 1. Mannschaft gegen Neuaubing. Er stand unter den gegnerischen Fans.«
»Sind Sie sicher?«
Er nickte. »Er ist mir wegen seiner Freundin aufgefallen.«
»Einer scharfen Blondine«, sagte Eva über die Schulter und rollte heran.
»Haben Sie das der Polizei gesagt, Herr Fraenkel?«
»Selbstverständlich.«
»Gab es keine Gegenüberstellung?«
»Doch. Aber die haben lauter so Milchbubis wie Burger antanzen lassen. Da sah einer wie der andere aus.« Er machte eine hilflose Geste.
»Die Blondine hätte Pavel sicher erkannt«, sagte Eva.
»War sie bei der Gerichtsverhandlung?«
Pavel Fraenkel nickte. »Sie hat behauptet, ihr Freund hätte nie ein schlechtes Wort über uns Juden verloren. Er würde uns im Gegenteil sogar sehr bewundern.« Die Erinnerung an die Verhandlung machte den Vereinsvorsitzenden immer noch wütend.
Schwarz betrachtete ihn. Er hielt ihn für glaubwürdig. Tim Burger hatte also von der Existenz von Blau-Weiß 57 gewusst. Als die Jugendlichen in Trainingsanzügen mit dem Vereinswappen auf ihn zukamen, musste ihm klar gewesen sein, dass es sich um Juden handelte. Aber reichte das als Beweis dafür, dass er aus Judenhass gemordet hatte?
Es wäre ein Fehler, dachte Schwarz, jetzt schon auszuschließen, dass es Burger in seinem psychischen Ausnahmezustand scheißegal war, ob er Juden, Moslems oder Christen umbringt.
Eva Hahn setzte Schwarz in der Parkbucht vor dem Koh Samui ab. Der Ermittler bedankte sich und wandte sich zum Gehen. Doch plötzlich zögerte er. »Darf ich Ihnen was sagen, Frau Hahn?«
Sie schaute ihn fragend an.
»Ich bewundere Sie.«
Sie winkte lächelnd ab. »Ich klammere mich an einen Rest Kinderglauben und vertraue darauf, dass mein Schicksal irgendeinen Sinn hat.«
Schwarz schaute ihr nach, bis ihr Wagen in der Bahnunterführung der Offenbacher Straße verschwand. Er stellte sich vor, wie es wäre, jetzt mit ihr zusammenzusitzen und in aller Ruhe über Kinderglauben und Schicksal zu reden. Und über Sinn.
Aber er hatte einen Auftrag, für den er bezahlt wurde. Ziemlich gut sogar.
Das Grundstück lag an der Grenze zwischen Pasing und Gräfelfing unmittelbar an dem kleinen Fluss Würm, über den und seine Würmer sich schon Karl Valentin den Kopf zerbrochen hatte. Es war mit einem Haus aus Glas, Stahl und dunkelblauen Sichtschutzwänden bebaut, das wohl vor allem den Reichtum seiner Besitzer dokumentieren sollte. Schwarz näherte sich dem weiß lackierten Palisadenzaun und glaubte seinen Augen nicht zu trauen. Vor ihm richtete sich ein Braunbär auf. Ein übermannsgroßes Tier. Nun wusste er endlich, wo die Bronzeskulpturen landeten, die er von seinem Fenster aus sah. Er ging an der Dreifachgarage mit den weißen Toren vorbei zum Hauseingang, der im schroffen Gegensatz zur übrigen, eher modernen, Architektur einem antiken Säulenportal nachempfunden war.
Da stellte sich ihm ein Rhodesian Ridgeback in den Weg.
Schwarz hätte nie zugegeben, dass er vor Hunden Angst hatte. In Gegenwart von Frauen gelang es ihm sogar, das ein oder andere unübersehbar harmlose Exemplar zu tätscheln.
»Hau ab«, zischte er, »ich heiße nur Schwarz.« Er hatte nämlich gehört, dass Ridgebacks in Südafrika zu Zeiten der Apartheid zur Jagd auf Schwarze abgerichtet worden waren, und wollte lieber nicht Opfer einer Verwechslung werden. Das Vieh knurrte.
»Bonzo, hierher!« Der Hund trottete zu einer nicht unattraktiven Vierzigjährigen in weißen Jeans und cremefarbenem Rolli.»Wollen Sie zu mir?«
Schwarz nickte.
»Kommen Sie doch. Sie brauchen keine Angst zu haben. Seit Bonzo kastriert ist, tut er keiner Fliege mehr was zu Leide.«
»Ich habe keine Angst.«
Die Frau lächelte wissend.
»Mein Name ist Schwarz. Ich bin Ermittler.«
»Polizei?«
Schwarz machte eine vage Geste, die als Bestätigung gedeutet werden konnte. Hätte er zugeben sollen, dass er als Privatermittler in Deutschland keinerlei Sonderrechte oder hoheitliche Befugnisse genoss?
»Worum geht es?«
»Um Ihren Sohn, Frau Burger.«
Sie verzog gequält die Miene. »Warum lasst ihr den Jungen nicht endlich in Ruhe? Er hat seine Strafe bekommen und verbringt seine Jugend hinter Gittern. Was wollt ihr denn noch?«
Schwarz trat einen Schritt auf Frau Burger zu und schaute ihr in die Augen. »Es geht um die Aussetzung der Reststrafe auf Bewährung. Für die Sozialprognose wäre es vorteilhaft, wenn wir mehr über die Hintergründe der Tat wüssten.« Seine Vergangenheit als Kriminalbeamter half ihm, den Spruch flüssig und glaubwürdig über die Lippen zu bringen.
Burgers Mutter musterte ihn dennoch misstrauisch. »Warum reden Sie mit mir und nicht mit Tim?«
»Ich werde natürlich auch mit Ihrem Sohn sprechen, aber ich dachte, Sie wollen ihm sicher helfen.«
Sie seufzte. »Natürlich. Was möchten Sie denn wissen?«
Jetzt musste Schwarz Farbe bekennen. »Sie erinnern sich vielleicht daran, dass Tims Opfer Juden waren?«
Er sah, wie die Frau bleich wurde und die Lippen aufeinanderpresste. Dann begann sie zu schreien. »Das ist eine Falle, eine ganz gemeine Falle. Das wolltet ihr ihm schon damals anhängen.«
Jetzt fing auch der Köter wieder zu knurren an.
»Zeigen Sie mir doch erst mal Ihren Ausweis! Womöglich sind Sie so ein Zeitungsschmierer.«
Schwarz versuchte sie zu beschwichtigen.
»Hören Sie nicht? Ihren Ausweis!«
»Ich glaube, Sie haben da was falsch verstanden«, sagte Schwarz und ging sehr langsam rückwärts, um nicht doch den Jagdinstinkt des Ridgebacks zu wecken.
Mit ihrer blonden Mähne, dem Schmollmund und ihrer ansehnlichen Oberweite war Linda Heintl wohl eine Frau, von der viele Männer träumten. Schwarz hingegen war es eher peinlich, in ihrer Begleitung gesehen zu werden. Er verstand nicht, wieso Monika, die sonst sehr geschmackssicher war, sie als Prinzessin bezeichnet hatte. Vorstadtprinzessin wäre treffender gewesen. Aber wahrscheinlich hatte seine Frau gar nicht ihre eigene Einschätzung, sondern die von Lindas testosterongesteuerten Klassenkameraden wiedergegeben.
Lindas Art zu sprechen verriet, dass sie aus eher einfachen Verhältnissen stammte, ihre aktuelle Adresse am Westkreuz war nicht weit von den Mietblocks entfernt, die als sozialer Brennpunkt galten.
Zu Schwarz’ Überraschung war die junge Frau sofort zu einem Treffen bereit gewesen. Sie hatte das neben einem Billigmarkt gelegene Bistro Bienenkorb vorgeschlagen, einen trostlosen Laden, der allerdings den Vorteil hatte, dass er nur von zwei schwerhörigen alten Frauen besucht war. Auch die Bedienung interessierte sich mehr für ihre Fingernägel als für die Gäste.
»Detektiv, ist ja geil«, sagte Linda.
Schwarz winkte bescheiden ab. »Versicherungsdetektiv, um genau zu sein.«
»Und jetzt wollen Sie alles über Tim rausfinden?«
»Wenn es noch was rauszufinden gibt.«
Sie machte ein naives Gesicht. »Das weiß ich nicht.«
»In der Presse stand, dass er kurz vor seiner Amokfahrt bei Ihnen war.«
Sie kicherte. »Erinnern Sie sich noch an die Schlagzeile? Ich war dem Luder hörig.«
»War er das wirklich?«
Linda winkte der Bedienung. »Hallo, Sie! Sie haben meine Cola Light vergessen.«
Die Frau unterbrach unwillig ihre Nagelpflege. Schwarz musste mit seinen Fragen warten, bis das Getränk serviert war. Das rastlose Blinken des Spielautomaten über Lindas Kopf nervte ihn. Er setzte sich um und sah Linda zum ersten Mal im Profil. Plötzlich wirkte sie wie ein völlig anderer Mensch, kälter und längst nicht so naiv, wie sie tat.
»Es gibt ja immer mehrere Wahrheiten«, sagte Linda und saugte kokett am Strohhalm. »Eine Wahrheit ist die, dass Tim durchgedreht ist, weil ich einen Typen im Bett hatte. Die andere ist die, die Ihre Auftraggeber gern hören würden.«
»Meine Auftraggeber?«
»Na ja, Sie werden doch sicher von den Opfern oder deren Angehörigen bezahlt.«
»Und was, meinen Sie, wollen die hören?«
»Keine Ahnung. Es sind Juden, oder?«
Schwarz zuckte innerlich zusammen. Was für ein durchtriebenes Luder!
»Sie irren, Frau Heintl. Ich bin von der Versicherung beauftragt, nicht von den Geschädigten. Es gibt bestimmte Fristen, innerhalb derer ein Vorgang abgeschlossen sein muss. Das ist demnächst der Fall.«
»Ah«, sagte Linda, »dann geht es nur um eine Überprüfung?«
»Ja, ganz bürokratisch.«
Sie glaubte ihm nicht. War sie gewarnt worden? Hatte Tims Mutter sie über seinen Besuch informiert?
»Haben Sie eigentlich Kontakt mit Frau Burger?«, fragte Schwarz beiläufig. Zum ersten Mal registrierte er eine leichte Unsicherheit bei Linda.
»Sie glauben doch nicht, dass sie mit mir redet, wo ich ihren Sohn in den Wahnsinn getrieben habe?«
Schwarz sah, dass sie log. Tim Burgers Mutter mochte Linda die Schuld an dem ganzen Desaster geben, aber wichtiger war ihr offenbar, ihren Sohn zu schützen.
»Was passiert eigentlich, wenn Sie was rausfinden würden, was vom Gericht übersehen wurde?«, sagte Linda und lächelte.
Schwarz starrte sie an.
»Hallo, haben Sie mich nicht verstanden? Ich meine, wird das ganze Verfahren dann neu aufgerollt?«
Sie schrie auf. Schwarz hatte ihr mit einer blitzschnellen Bewegung das offene Lacktäschchen aus der Hand gerissen. Er holte ihr Handy heraus. Sein Gefühl hatte ihn nicht getrogen. »Für wen zeichnen Sie das auf?«
Linda hatte einen roten Kopf bekommen, aber nicht aus Scham, sondern aus Zorn. »Leck mich!« Sie griff nach dem Handy, aber Schwarz wich aus.
»Gib her, du Arschloch!«
Er lächelte süffisant. »Sie erlauben doch, dass ich erst unser Gespräch lösche.«
Er tat es, gab ihr Handy und Täschchen zurück und stand auf. »Die Rechnung übernehme selbstverständlich ich, Frau Heintl.«
Sie starrte ihm wütend nach.
Schwarz stand vor einer Haustür in Untermenzing. Sein Blick wanderte über die Fassade mit den blauen Fensterläden und dem Rosenspalier. Für ein Reihenmittelhäuschen wirklich hübsch, dachte er. Er wog den Schlüssel in der Hand. Klingeln oder einfach reingehen? Es war sein Haus, hier hatte er fünfzehn Jahre lang gelebt. Bis Monika ihm den Auszug nahegelegt hatte. Seither bot sie ihm in regelmäßigen Abständen eine finanzielle Entschädigung an, die er jedes Mal kategorisch ablehnte. In Beziehungskrisen sollte man sich vor übereilten Entscheidungen hüten. Seit seinem Auszug waren drei Jahre vergangen.
Schwarz ignorierte die Klingel und benutzte seinen Schlüssel.
Aus der Küche kam ihm ein kahlköpfiger Mann in seinem Alter entgegen und schaute ihn mit großen Augen an. Er trug eine Kochschürze mit Abbildungen sämtlicher italienischer Nudelformen.
»Lass dich nicht stören, Justus, ich bin hier zu Hause«, sagte Schwarz.
Der Mann holte tief Luft, aber bevor er etwas sagen konnte, war Schwarz bereits im Wohnzimmer.
Monika und seine einundzwanzigjährige Tochter Luisa saßen auf der Couch und studierten einen Reiseprospekt.
»Wenn man überlegt, wie viel billiger das Essen in Vietnam ist«, sagte Luisa, »dann reduzieren sich die Reisekosten natürlich deutlich.« Offenbar pumpte sie ihre Mutter um einen Urlaubszuschuss an. Da Luisas Begabung vor allem im kreativen Bereich lag, steckte sie häufig in finanziellen Nöten. Schwarz rechnete es ihr hoch an, dass sie sich trotz ihrer attraktiven Erscheinung bisher keinen doofen reichen Typen geangelt hatte. So viel Charakter musste belohnt werden. »Ich beteilige mich gern mit ein paar Hundert Euro.«
»Anton«, sagte Monika, »ich hab dich gar nicht klingeln hören.«
»Dein Koch hat mich reingelassen.«
»Ist doch nicht wahr«, sagte Justus, der Schwarz gefolgt war. »Ich finde, er muss endlich den Schlüssel abgeben. Er kann hier nicht einfach reinplatzen.«
»Kann er«, sagte Schwarz. »Und jetzt bittet er dich, uns allein zu lassen. Er ist nämlich in einer beruflichen Angelegenheit hier.«
»Wie, jetzt werde ich vor die Tür geschickt?«
»Lass mich das regeln, Justus«, sagte Monika.
Ihr Freund zog sich widerwillig zurück.
»So kann das nicht weitergehen, Anton«, sagte Monika. »Wir …«
Schwarz unterbrach sie. »Ich habe leider gar keine Zeit für Diskussionen, ich muss in die Karibik.«