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© eBook: 2021 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München
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Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, sowie Verbreitung durch Bild, Funk, Fernsehen und Internet, durch fotomechanische Wiedergabe, Tonträger und Datenverarbeitungssysteme jeder Art nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.
Projektleitung: Ariane Hug, Margarethe Brunner
Lektorat: Margarethe Brunner, Ariane Hug
Bildredaktion: Simone Hoffmann
Covergestaltung: ki 36 Editorial Design, Ngoc Le-Tümmers
eBook-Herstellung: Linda Wiederrecht
ISBN 978-3-8338-7853-4
1. Auflage 2021
Bildnachweis
Illustrationen: Druck & Design De Lange; Marijke Wagner
Grafiken: Marijke Wagner
Syndication: www.seasons.agency
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Die Gedanken, Methoden und Anregungen in diesem Buch stellen die Meinung bzw. Erfahrung der Verfasserin dar. Sie wurden von der Autorin nach bestem Wissen erstellt und mit größtmöglicher Sorgfalt geprüft. Sie bieten jedoch keinen Ersatz für persönlichen kompetenten medizinischen Rat. Jede Leserin, jeder Leser ist für das eigene Tun und Lassen auch weiterhin selbst verantwortlich. Weder Autorin noch Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gegebenen praktischen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.
Das Wichtigste vorab: Keine Panik! Die meisten Schwangerschaften verlaufen gesund und ohne Komplikationen. Hier erfahrt ihr, was ihr WIRKLICH über Kinderwunsch, Schwangerschaft und Geburt wissen müsst. Das schafft Vertrauen und ihr bekommt das gute Gefühl, die Lage trotz aller Veränderungen im Griff zu haben. Dr. med. Konstantin Wagner weiß, worauf es ankommt. Mit Witz, Verstand und auf der Basis seines breiten Wissens erklärt er alle Etappen bis zur Erfüllung eures Kinderwunsches:
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Ernährung, Bewegung, Sex: Was ist erlaubt, was sollte man sich jetzt verkneifen?
Was ist dran an den gängigen Mythen rund um Schwangerschaft und Geburt?
Wie läuft eine Geburt ab?
Wie kommt ihr am besten mit Geburtswehen klar?
Und was ist mit der Zeit danach?
Mit diesen und vielen anderen Fragen beschäftigt sich Dr. med. Konstantin Wagner nicht nur während seiner Arbeit als Gynäkologe und Geburtshelfer, sondern auch auf seinem Social-Media-Kanal Richtig Schwanger. Unaufgeregt, fundiert und humorvoll klärt er auf, informiert und beruhigt. Getreu seinem Motto: Wissen schafft Vertrauen.
»Warum entscheidet sich ein Mann für die Frauenheilkunde?« Das ist die mit Abstand meistgestellte Frage an mich. Und wenn du nun glaubst, auf diese Frage folgt eine wohlüberlegte, längst einstudierte und einleuchtende Antwort, dann muss ich dich enttäuschen. Ich beginne vielmehr jedes Mal aufs Neue darüber nachzudenken, was mich letztlich bereits im Studium dazu bewogen hat, mich für die Frauenheilkunde zu begeistern. Mein Vater ist Gynäkologe. Ich empfand es aber lange Zeit als langweilig und gewöhnlich, einfach dasselbe zu machen wie mein eigener Vater. Ihr werdet solche Gedanken vielleicht kennen. Im Studium habe ich mich sogar aktiv dagegen gewehrt, die Frauenheilkunde interessant zu finden. Das überrascht zunächst nicht. Ein junger Mann hat wenig Schnittmengen mit den Themen Kinderwunsch, Schwangerschaft, Geburt, weiblicher Zyklus, Krebs und allgemeinen gynäkologischen Erkrankungen. Im Laufe des Studiums muss ich offensichtlich undnicht wissentlich an einen Punkt gekommen sein, an dem ich in den Sog der Faszination für dieses Fach gelangt bin. Vielleicht bemerkte ich auch intuitiv, dass meiner Empathie und meinem Empfinden die Probleme, Sorgen und Ängste des weiblichen Geschlechts präsenter und zugänglicher sind als die von Männern oder Kindern. Ich verstehe, ohne verstehen zu können; kann nachempfinden, ohne nachempfinden zu können.
Ihr müsst euch in meine Lage versetzen. Es ist unglaublich abstrakt, umfassendes Wissen über den weiblichen Körper, die Mentalität, die Probleme und Sorgen jeder Dekade im Leben einer Frau sowie die damit einhergehenden biochemischen Abläufe zu haben, ohne es jemals wirklich am eigenen Leib nachempfinden und erleben zu können. Es ist die Faszination von Wissen und niemals gänzlich Verstehen. Man möchte einen Weg erklären, den man in der Theorie auswendig kennt, aber nie imstande sein wird, ihn selbst zu gehen. Man möchte den Frauen helfen, sich selbst besser kennenzulernen. Als Mann.
Zu der simplen Frage, warum ich Gynäkologe geworden bin, gehört also eine komplexere Antwort, deren Formulierung mir selbst noch nicht ganz gelungen ist. In keinem anderen Fachgebiet betreut man die ersten und die letzten Lebensminuten eines Menschen, sieht und hört als Erstes den Herzschlag eines entstehenden Lebens und sieht und hört den letzten Herzschlag eines gehenden Lebens. Die Frauenheilkunde spiegelt das Leben in seiner ganzen Fülle wider wie kaum ein anderer Fachbereich der Medizin. Ich denke, dieses Gefühl und die Berufung, dem Leben mit all seinen schönen und erschütternden Momenten zuschauen zu können und Anteil daran zu nehmen, haben eine wahnsinnige Anziehungskraft auf mich ausgeübt und üben sie noch immer aus.
Diese Faszination begann ich vor wenigen Jahren in den sozialen Medien zu teilen. Als eine Art Pionier in diesem Bereich. YouTube, Facebook und Instagram waren Gefilde, in die sich Ärzte nur selten verirrten, ein medizinisches Engagement in diesen Medien undenkbar und zum Teil kollegial verpönt. Für mich wurden diese Medien über Nacht zu einer Möglichkeit, mit einfachen, verständlichen, aber fachlich fundierten Worten mein medizinisches Wissen weiterzugeben und vor allem zu erklären. Ängste zu nehmen und Vertrauen zu schaffen. Mit aller Ruhe und Zeit, fernab vom damaligen schnelllebigen Klinikalltag. Öffentlich zugänglich und jederzeit abrufbar. Ohne Kittel und trotzdem als Arzt. Dieser Gedanke kam mir tatsächlich über Nacht. Samstagnacht um drei Uhr und mitten in einem 24-Stunden-Dienst, um genau zu sein. Ich ertappte mich bei dem entscheidenden Gedanken, als ich gerade dabei war, einer Schwangeren zum wiederholten Mal und mit aller Geduld, dieich um diese Zeit aufbringen konnte, die Fehl- und Falschinformationen auszureden, die sie sich kurz zuvor im Internet angeeignet hatte. Es tat mir schlicht leid, dass dieses wunderbare Medium sie derart verunsichert hat. »Wie es wohl wäre, wenn die Frauen im Internet nicht fehlinformiert, sondern richtig informiert würden? Wenn das Internet Sicherheit, anstatt Verunsicherung, Wissen statt Hörensagen vermitteln würde?«
Ich begann bereits am nächsten Tag meine während der Nachtschicht entstandene Idee in die Tat umzusetzen und meine Leidenschaft und Passion für diesen Beruf auszuweiten, indem ich neben meiner normalen beruflichen Tätigkeit meine Berufung auch im privaten und bald öffentlichen Bereich fortsetzte.
Diese Passion und Leidenschaft ist es auch, die ich euch in diesem Buch versuche, näher zu bringen. Erklären. Zu verstehen helfen. Verständlich machen. Menschlich bleiben. Mit meinen eigenen Worten, den Worten eines außenstehenden Mannes, der immer in der Rolle des Beobachters bleiben wird, aber verbale und menschliche Möglichkeiten gefunden hat, den Weg zu zeigen. Denn verstehen führt zu Wissen und Wissen führt zu Vertrauen und Sicherheit. Auch in körperlichen, medizinischen Fragen, aber vor allem auch für dich und deine Selbstwahrnehmung.
Die Themen Kinderwunsch, Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett sind genauso komplex wie intim. Darüber zu sprechen, ist oft weniger wissenschaftlich als emotional. Die faszinierenden Abläufe und Selbstverständlichkeiten der Natur und des weiblichen Körpers führen ebenso schnell zu Euphorie, Zufriedenheit, Glück wie auch zu Ängsten, Sorgen und Unsicherheiten. In diesem Buch möchte ich all diese Gefühle und all die mitschwingenden Fragen mit dir teilen. Vor allem möchte ich helfen zu verstehen. Denn auch ich musste erst verstehen, um zu wissen.
Dieses Buch ist nicht nur ein Zeitvertreib und mehr als ein gut gemeinter Ratgeber. Dieses Buch symbolisiert mein Wesen und meinen Anspruch als Mensch. Da sein. Erklären. Verstehen. Helfen.
Das Wissen, das ich dir vermitteln möchte, soll dir Vertrauen, Zuversicht und vor allem Sicherheit geben. Die Sicherheit fundierte medizinische Fachinformationen verständlich, nachvollziehbar und anschaulich präsentiert zu bekommen.
Und was noch viel wichtiger ist: Es soll dir Vertrauen in dich selbst geben. Vertrauen in deinen eigenen Körper und die faszinierenden Abläufe der Natur, die mich täglich begeistern und die ich dir in diesem Buch zeigen werde.
Ich wünsche euch jetzt ganz viel Spaß auf der Reise mit mir durch eure Schwangerschaft mit kleinen Geschichten und einer großen Portion Wissen.
Euer
Was sich in der Theorie so einfach anhört, ist auf zellulärer Ebene ein wahres Feuerwerk. Es grenzt jedes Mal an ein Wunder, wenn der Schwangerschaftstest positiv ausfällt.
»Ach Schatz, den perfekten Zeitpunkt gibt es doch gar nicht.« Eine gern und viel zitierte Antwort auf den einen ausformulierten Gedanken, den heutzutage eigentlich immer ein Teil des Paares hat. Eine Aussage mit harter Kante und ohne wirklichen Inhalt. Eine Floskel. Das Problem an lange genutzten Gebrauchsgegenständen ist deren Abnutzung und Unbrauchbarkeit nach geraumer Zeit. Übrig bleibt das Rudiment einer Floskel. Schon allein die Tatsache, dass man die Erschaffung eines neuen Lebens als »Zeitpunkt« trivialisiert, offenbart, wie wertlos diese Floskel eigentlich ist.
Wenn du also für dich und in deiner Beziehung an den Punkt gekommen bist, an dem aus einem gedanklichen Konjunktiv »wir könnten darüber nachdenken, schwanger zu werden« langsam eine konkrete Idee wird, die formuliert werden will und nach einer Antwort des Gegenübers verlangt, gibt es einige Überlegungen, die vorn angestellt werden müssen. Also nein. Du bist nicht verkopft oder »zerdenkst« diese Entscheidung viel zu sehr. Du bist auch nicht unromantisch. Es ist letztlich eine Entscheidung, die ein Mindestmaß an Vorbereitung, Planung und Abwägung erfordert. Das solltest du dir, ihr euch selbst und dem noch hypothetischen Produkt eurer Liebe auf alle Fälle wert sein.
Hals über Kopf ist zwar spannend, kopflos sollte es aber nicht unbedingt sein.
Fangen wir doch mit den unromantischen Überlegungen an, die man sich nie trauen würde, offen anzustellen, und die mit hoher Wahrscheinlichkeit abschätzige Blicke von Familienmitgliedern oder Freunden zur Folge haben würden. Gedanken, die sich trotzdem viele Paare zu Recht machen: Was kostet uns ein Kind eigentlich?
Viele Nerven, strähnenweisen Farbverlust der Haare, aber auch eine Menge Lachfalten. Das könnten Antworten von Paaren mit Nachwuchs sein, die im Grunde recht prägnant zusammenfassen, was körperlich und mental auf einen zukommt. Du meintest aber natürlich etwas anderes: Wie viel Geld kostet ein Kind? Schäm dich nicht, diese Frage zu stellen, denn sie ist wesentlich. Und sie wird unterschätzt. Beim Lesen dieser Zeilen wird dein Unterbewusstsein sich mit Preisen für Babynahrung, Windeln, Schule und Weiterbildung auseinandersetzen und diese Zahlen grob summieren. Das können wir kurz zusammen machen: Laut Statistischem Bundesamt kostet ein Kind bis zum 18. Lebensjahr circa 130 000 Euro.
Und obwohl das für die meisten von uns eine große Summe Geld ist, schwingt bei dieser Frage noch viel mehr mit. Wie geht es während der Schwangerschaft und nach der Geburt beruflich weiter? Darf ich überhaupt in meinen Job zurückkehren, werde ich meine Stunden reduzieren müssen, habe ich als Mutter/als Vater noch Aufstiegschancen? Fragen, die sich aufgrund von überkommenen gesellschaftlichen Normen hauptsächlich die Frau stellen wird, aber auch der männliche Part kann schlaflose und durchgrübelte Nächte haben. Bin ich als Familienvater in der Lage, meine Familie zum Großteil allein zu ernähren? Ist es finanziell für uns drin, dass ich Elternzeit nehme oder meine Stunden reduziere? Und auch das müssen potenzielle Bald-Eltern überlegen: Ist unsere Wohnsituation noch ausreichend, müssen wir umziehen, brauchen wir ein größeres oder überhaupt ein Auto?
Wie du siehst, wird die zunächst kleine Checkliste, die dir dein Unterbewusstsein netterweise angelegt hat, immer länger und die imaginäre Zahl unter dem Strich summiert sich weiter auf. Zur wachsenden finanziellen Verunsicherung kommen die beruflichen Unwägbarkeiten noch dazu. All diese Gedanken sind zum Glück normal. Mit gesundem Menschenverstand betrachtet ist es schlicht logisch, sich existenzielle Fragen zu stellen. Ist es nicht bemerkenswert, dass wir, die wir heute in einer Wohlstandsgesellschaft mit staatlicher Unterstützung und einer der stabilsten Wirtschaftslagen der Welt leben, mehr Sorgen, Zweifel und Ängste zu haben scheinen als Menschen, die diese paradiesischen Bedingungen weder haben noch je haben werden? Was hätten unsere Groß- und Urgroßeltern davon gehalten?
Es ist so einfach wie schnell erklärt: Sorgen, Zweifel und Ängste sind relativ! Und das ist auch gut so.
Ein weiterer Aspekt beim Auffinden des perfekten Zeitpunkts ist für viele weder gewollt noch gewünscht. Es ist der Druck von außen. Familie, Freunde, Verwandte und auch die Gesellschaft rufen euch die biologische Uhr ungefragt und nachdrücklich in Erinnerung. »Wie lange seid ihr schon zusammen? Habt ihr nicht mal an Kinder gedacht?«, »Du wirst auch nicht jünger …«, »Denk an deine Eizellen!«
Während 1961 eine Frau im Durchschnitt mit 25 Jahren zum ersten Mal schwanger wurde, war sie 2019 bei ihrer ersten Schwangerschaft 30 Jahre alt. Tendenz steigend. Und: Über 40 Prozent der Akademikerinnen hierzulande bekommen laut Statistischem Bundesamt überhaupt keine Kinder. Dieser Trend ist die logische Konsequenz aus zwei wichtigen Faktoren: Jahrhundertelang und bis vor nicht allzu langer Zeit war die Aufgabenteilung der Geschlechter gesellschaftlich vorgegeben. Die Frau hatte die Aufgabe, Kinder zu gebären und zu versorgen. Die längst überfällige Emanzipation der Frau änderte dieses antiquierte Rollenbild nur teilweise. Heute gibt es zwar die berufstätige Frau, den Hausmann, Konzernchefinnen und männliche Fernsehköche, und trotzdem sind es immer noch die Frauen, die sich hauptsächlich um den Nachwuchs kümmern. Von Gleichberechtigung sind wir weiterhin ein großes Stück entfernt. Zum Wohle des Berufs wird das Gebären daher erst einmal nachhinten verschoben. Karriere vor Kind ist die Einstellung. Bis sich diese ändert, sind die Frauen dann im Durchschnitt um die 30 Jahre alt.
Ein weiterer Punkt sind die langen Ausbildungszeiten in unserem Land. Wir starten relativ spät in eine Berufsausbildung oder ein Studium – und beides kann recht zeitintensiv sein. Das macht uns zwar zu topqualifizierten Arbeitskräften, um die uns andere Länder sehr beneiden, aber leider geht dies auch auf Kosten unseres Familienlebens. Nehmen wir zum Beispiel eine zukünftige Ärztin, die 12 oder 13 Jahre die Schule besucht, bis sie mit 18 Jahren ihr Abitur ablegt. Rechnen wir einfachheitshalber mit der unrealistischen Annahme, sie müsse nicht auf ihren Medizinstudienplatz warten, was nur der Fall wäre, wenn sie einen Abischnitt von 0,8 erlangt hätte.
Anschließend studiert sie im Regelfall sechs Jahre Medizin und benötigt dann weitere fünf Jahre für ihre Facharztweiterbildung, bis sie schließlich in einem geregelten Berufsalltag ankommt und sich der Familienplanung widmen kann. Aus der 18-jährigen Abiturientin wurde trotz perfektem Timing eine 29-jährige Frau. Und das bringt uns zum nächsten Punkt in Sachen perfekter Zeitpunkt.
Nun ist es mit dem Schwangerwerden auch nicht gerade wie mit einer Kaffeemaschine. Man kann oben nicht einfach etwas reinschütten, auf einen großen runden Knopf drücken und unten kommt nach kürzester Zeit das gewünschte wohlriechende Produkt heraus. Nehmen wir wieder unsere junge Ärztin als Beispiel. Bereits in der Schule wird sie Überlegungen angestellt haben, wie sie es mittelfristig vermeiden kann, schwanger zu werden. Der Klassiker der vergangenen Frauenarztgenerationen war sicherlich: »Hier haben Sie die Pille, jeden Tag zur gleichen Zeit und dann kann nichts passieren.« Stimmt, sagt sich die nun 29-jährige Ärztin. Es hat funktioniert. 15 Jahre habe ich mithilfe von zugeführten Hormonen verhindert, dass ich schwanger werde. Den Traum von einem Mann habe ich im Studium kennengelernt und wir sind uns einig: Jetzt wäre der perfekte Zeitpunkt, schwanger zu werden. Aber wo bleibt mein Zyklus? Ich habe doch die Pille letzten Monatabgesetzt.
Die Reise von »Jetzt versuchen wir es!« bis zu »Jetzt hat es (endlich) geklappt!« ist manchmal länger und beschwerlicher, als manch ein Paar es sich wünschen würde. Auch diese Möglichkeit solltet ihr vorher offen besprochen haben. »Was machen wir, wenn das Projekt Kinderwunsch länger dauert als gedacht? Wie lange geben wir uns Zeit, bevor wir Hilfe suchen? Was ist überhaupt normal?« Keine Sorge, auch Letzteres besprechen wir noch ausführlich in diesem Buch.
Versucht man als Paar über einen gewissen Zeitraum hinweg, schwanger zu werden, wird man bei ausbleibendem Erfolg zunehmend nachdenklich und nervös. Ist bei mir auch alles in Ordnung? Ist bei ihm alles so, wie es sein soll? Sollten wir zur Ärztin gehen und uns checken lassen? Vielleicht. Aber wann? Nach zwei Zyklen? Nach zwanzig Zyklen? Schnell verliert man sich in Fragen und Zweifeln, sucht das Gespräch mit dem Partner. Sie würde gern viel und ausführlich darüber sprechen. Er will es meistens ruhig angehen lassen und emotionalen Stress gar nicht erst an sich heranlassen. Frustration.
»Wie lange darf es dauern, bis man schwanger wird, und was ist eigentlich normal?« Das ist ein Satz, den ich in meiner Praxis sehr oft höre und der unheimlich viel über den emotionalen Zustand des Paares verrät. Schon die Wortwahl »darf« und »normal« deutet darauf hin, dass Versagensängste im Raum schweben. Aber bei der Erfüllung eines Kinderwunschs geht es nicht um Sieg oder Niederlage, vielmehr hilft es, die Dinge logisch zu analysieren.
Zunächst müssen wir klären, wie es zu einer Schwangerschaft kommt. Ich meine nicht das peinliche »Bienchen-und-Blümchen-Gespräch« mit den Eltern, sondern rein medizinisch und unter perfekten Bedingungen: Der weibliche Eierstock ist die Heimat vieler Eizellen. Zum Zeitpunkt der Geburt eines Mädchens machen es sich viele Millionen Eizellen dort gemütlich. Zum Zeitpunkt der Pubertät dieses Mädchens sind es nur noch wenige hundert Eizellen. Eine unvorstellbare Verschwendung, die man bis heute nur mäßig verstanden hat. Von diesen wenigen hundert Eizellen darf bei der geschlechtsreifen Frau eine einzige befruchtbare Eizelle einmal pro Monat das heimische Nest verlassen und über den Eileiter den weiten Weg Richtung Gebärmutter antreten. Um das Ganze aber noch zu dramatisieren, hat sie dafür nur 24 Stunden Zeit, denn das ist die Lebensspanne einer menschlichen Eizelle. Die restlichen Eizellen bleiben wehmütig zurück und müssen wieder vier Wochen warten,bis eine von ihnen für 24 Stunden flügge werden darf.
Drei Milliliter männlichen Ejakulats enthalten übrigens mehr als 39 Millionen Spermien. Zu jeder Tages- und Nachtzeit. Mit einer Lebensdauer in der Vagina von mehreren Tagen. Das klingt extrem unverhältnismäßig und unfair. Die Evolution hat es so entschieden. Aber ich kann die Frauen beruhigen: Seine inflationäre Anzahl an Spermien bringt dem Mann rein gar nichts, denn bei der Zeugung neuen Lebens dreht sich alles um das weibliche Pendant: Die kurzlebige Eizelle. Ausgleichende Gerechtigkeit.
Eine Eizelle. Einmal pro Monat. Für 24 Stunden.
Bisher haben wir unsere kleine Rechnung unter der Voraussetzung perfekter Bedingungen gemacht. Aber der weibliche Zyklus ist kein Schweizer Uhrwerk. Es gibt lange Zyklen, kurze Zyklen und auch Zyklen ganz ohne Spaziergang der Eizelle. Zyklen ohne Eisprung sind keine Seltenheit und von vielen Faktoren abhängig. Stress, Krankheit, Unter- oder Übergewicht, Stoffwechselstörungen. Die Palette an Störfaktoren ist groß. Vor allem wenn man sich überlegt, dass die Mehrzahl der Frauen in Deutschland ihren normalen hormonellen Zyklus über viele Jahre mit Verhütungsmitteln wie zum Beispiel der Antibabypille außer Kraft setzen. Dass solch ein komplexer Ablauf wie der weibliche Zyklus unter Umständen eine gewisse Anlaufzeit benötigt, um nach dem Absetzen des Hormoncocktails wieder in Schwung zu kommen, klingt nicht nur fair, sondern auch logisch.
Rechnet man jetzt also ein Jahr Kinderwunsch um in Eisprünge oder auch Versuche, schwanger zu werden, dann bleiben dem Paar im optimalen »Schweizer Uhrwerk«-Fall zwölf Gelegenheiten, um dieses Vorhaben zu verwirklichen. Eine gelungene Schwangerschaft ist demnach nicht nur eine logistische Meisterleistung, sondern tatsächlich das oft zitierte Wunder. Mathematisch gesehen ist es nach dem Sex unwahrscheinlicher, dass sich Eizelle und Spermium finden und sich als befruchtete Eizelle erfolgreich einnisten, als dass keine Schwangerschaft eintritt. Bevor du jetzt aber resigniert und frustriert das Buch zur Seite legst und denkst: »Das klappt ja nie«, kann ich dir einfach nur empfehlen weiterzulesen. Denn es gibt Mittel und Wege, die Mathematik Lügen zu strafen. Zwei ganz einfache Dinge können dir dabei helfen: Wissen und Verstehen.
Diese Frage stellen sich auch große Gremien, wie zum Beispiel die Weltgesundheitsorganisation, immer wieder. Die Schwierigkeit besteht darin, die vielen Variablen zu berücksichtigen, die es zu beachten gilt. Das Alter der Partner, Vorerkrankungen, mögliche Medikamenteneinnahmen, aber auch wie lange und auf welche Art das Paar zuvor verhütet hat. Ohne diese Vorkenntnisse einfach pauschal eine Zeitangabe festzulegen, ab wann ein Paar nervös zu werden hat, ist schlicht unwissenschaftlich. Also bedient man sich einfach bei Studien und Statistiken, jongliert ein wenig mit den Zahlen, hebt den Daumen und zielt ins Blaue, bis man schließlich festlegt: Circa ein Jahr ist »normal«. Sollte man zu diesem Zeitpunkt als junges, gesundes Paar noch nicht schwanger sein, gilt man zunächst als steril. Groß angelegte Studien zeigen, dass jedes fünfte Paar länger als ein Jahr braucht, um schwanger zu werden. Die Tendenz wird sogar steigen, weil Paare inDeutschland immer später in die Familienplanung einsteigen und das fruchtbarste Fenster von Frau und auch Mann bereits überschritten ist. Das heißt nicht, dass man ab einem gewissen Alter nicht mehr schwanger werden kann, sondern dass die Wahrscheinlichkeit geringer und die Wartezeit unter Umständen länger wird. Es gibt kein Ablaufdatum für Eierstöcke und Hoden. Nur ein Punctum maximum.
All das erkläre ich den Kinderwunschpaaren, die vor mir sitzen und nach elf frustrierenden Zyklen – also vergeblichen Versuchen – nach einer Kinderwunschklinik fragen. Oft entsteht bei den Paaren ein unterbewusster Druck, der sich von Periode zu Periode steigert. Die Enttäuschung der Frauen in dem Moment, wenn die Menstruation einsetzt, wird von Mal zu Mal größer. Langsam, aber sicher schleicht sich die »Schuldfrage« ein. Liegt es an ihm oder doch an mir? Sollte ich vielleicht mehr Sport machen, Gewicht abnehmen oder meine Ernährung umstellen? Aus einem stillen Gedanken wird ein Hinweis. »Musst du heute Abend Bier trinken? Ich habe gelesen, dass Alkohol die Spermienqualität einschränken kann.« Man braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, welcher Konflikt sich hier anbahnt.
Trotzdem ist es wichtig und hilfreich, sich ab einem gewissen Zeitpunkt zu hinterfragen und zu überlegen, was man als Paar vielleicht besser machen könnte. Können wir die Grundvoraussetzungen optimieren und die Fruchtbarkeit mit einfachen Mitteln steigern? Wie ist das Sex-Timing? Es gibt viele Stellschrauben, die gedreht werden können, bevor man überhaupt an künstliche Befruchtung denken muss. Was spricht also dagegen, in die Verlängerung zu gehen?
Darüber hinaus fragen sich natürlich auch Paare, die bereits Kinder haben, ob für sie dieselben Zeiteinheiten gelten. Funktioniert jetzt alles etwas schneller, weil der Körper sich erinnert, oder dauert es mitunter sogar länger, weil man älter geworden ist? Auch hier sind die Variablen ausschlaggebend, um eine ungefähre Aussage zu machen. Wurde zwischenzeitlich hormonell verhütet, sind Erkrankungen dazugekommen, wie lange hat es beim ersten Kind gedauert? Auch muss sich der weibliche Zyklus nach einer Schwangerschaft und möglicher Stillzeit erst wieder ordnen und einpendeln. Und diese Variablen müssen mit zwei multipliziert werden, weil sich natürlich auch die Umstände und Voraussetzungen beim Partner geändert haben können.
Die Wissenschaft unterscheidet bei Paaren, die bereits Kinder haben, entsprechend nicht beim Faktor Zeit, sondern ändert lediglich die Begrifflichkeit ein wenig. Primäre Sterilität wird der Zustand bezeichnet, bei dem ein Paar noch nie schwanger wurde und es über ein Jahr erfolglos versucht. Die sekundäre Sterilität bezeichnet dann den Zustand, wenn ein Paar in der Vergangenheit bereits schwanger war, unabhängig vom Ausgang der Schwangerschaft, und eine erneute Schwangerschaft beim nächsten Kinderwunsch über ein Jahr auf sich warten lässt. Es gibt also einen Zeitraum von etwa zwölf Monaten, der definitionsgemäß als »normal« gilt. Aber denkt immer daran: »Normal« gibt es nicht und Zeit ist bekanntlich relativ.
Hat das Alter Einfluss auf unsere Fruchtbarkeit und unsere Gene? Den zweiten Punkt können wir recht schnell abhandeln: Wenn ich morgens in den Spiegel schaue, finde ich ab und an eine kleine Falte mehr im Gesicht. Vielleicht geht es dir ähnlich. Meine kläglichen Versuche, sie glatt zu streichen oder wegzumassieren, sind ebenso erfolglos wie ernüchternd. Noch deprimierender ist das Wissen darüber und die Feststellung: Das wird nicht besser. Mimik, Schwerkraft, UV-Strahlung und andere Einflussfaktoren hinterlassen ihre sichtbaren Spuren.
Unsere Zellen werden dank der genetisch verankerten Reparaturmechanismen zwar ständig auf Fehler untersucht und diese auch zum großen Teil aussortiert, aber diese Mechanismen werden immer träger. Schaut euch einmal Kinder auf einem Spielplatz an. Sie stehen für die jungen, dynamischen Zellen unseres Körpers. Sie strotzen vor Energie und sind kaum müde zu bekommen. »Noch mal, noch mal« hört man sie rufen. Wenige Meter entfernt sitzen Mama und Papa auf der extra für sie bereitgestellten Bank. Nicht auszudenken, wenn sie ständig stehen müssten. Sie schauen ihrem Schützling verträumt zu und beteiligen sich meist nicht ganz freiwillig an manch kindlicher Spielplatzaktivität. Sie stehen für die älteren Zellen unseres Körpers. Die Fähigkeit, sich zu aktivieren und auf die viel zu enge Rutsche zu klettern, ist durchaus noch vorhanden, aber alles funktioniert etwas langsamer und träger als 30 Jahre zuvor.
So verhält es sich mit dem Alter und den Genen: Sie sind noch da, sie funktionieren, aber alles wird etwas gemächlicher.
Das Thema Fruchtbarkeit und Alter rückt immer mehr in den Fokus, denn bekanntlich werden wir immer älter, bis wir unsere Familienplanung angehen. Ist das ein Problem?
Ich haben es schon angesprochen. Die weibliche Embryologie, also das Entstehen einer Frau, wird begleitet von einem unvorstellbaren Überfluss. Millionen von angelegten Eizellen gehen nach der Geburt eines Mädchens zugrunde und wenige tausend bleiben für die Fortpflanzung zurück. Von diesen circa 300 000 Eizellen dürfen nur etwa 300 den Sprung in den Eileiter wagen, um ein attraktives und gut situiertes Spermium zu finden. Der Rest? Geht unbenutzt verloren. Es gibt quasi nur diese eine Lieferung Eizellen am Anfang der Lebensentstehung einer Frau. Eine Nachbestellung ist nicht möglich. Rückgabe ausgeschlossen. Warum und inwiefern das Auswirkungen auf die Lebensplanung einer Frau hat, erkläre ich gleich.
Männer hingegen gehen geradezu inflationär mit ihrem schwimmenden Genpool um. Ständig wird produziert, verworfen, ins Leere geschossen, das Klo runtergespült und neu produziert. Spermien stehen zu jeder Zeit bereit und jahrzehntelang zur Verfügung. Doch liebe Männer, dies ist leider auch kein Freilos für unendliche Fruchtbarkeit im Alter.
Erstaunlicherweise begegnet uns dieses Konsumprinzip auch im Alltag. Statistisch gesehen machen Frauen häufiger einen nachhaltigen Lebensmittel-Großeinkauf einmal pro Woche. Männer hingegen kaufen eher kleinere Mengen bis zu dreimal pro Woche ein. Ein postevolutionärer Zusammenhang?
Der Großeinkauf an Eizellen am Anfang des Lebens hat entscheidenden Einfluss auf die Fruchtbarkeit einer Frau. Du musst wissen, dass die Eizellen zwar gut geschützt in den Eierstöcken in deinem Bauchraum liegen, aber dennoch äußeren Umwelteinflüssen ausgesetzt sind. Ernährung, Stress, Umgebung, kosmische Strahlung und nicht zuletzt das Alter verlangen den Eizellen und den Reparaturmechanismen einiges ab. Ständig und dauernd werden kleinste Fehler auf der DNS einer Eizelle gefunden und repariert. Über die Jahre kommen immer mehr Fehler hinzu, sodass die Reparaturmechanismen an ihre logistischen Grenzen stoßen und überfordert werden. Es entstehen Fehler. Solche Fehler können dazu führen, dass eine Eizelle selbst den Stecker zieht und zugrunde geht. So etwas nennt man in der Medizin einen programmierten Zelltod. Einen solchen kann man oft an der Haut beobachten, nachdem man einen saftigen Sonnenbrand hatte. Die Hautzellen lösen sich in großenFetzen vom Untergrund.
Es kann sein, dass durch diese Fehler eine Eizelle nicht genügend ausreift, um zum Sprung anzusetzen, oder dass ihr auf dem Weg durch den Eileiter noch vor der Befruchtung die Puste ausgeht. Es kann aber auch dazu kommen, dass die entstandenen Fehler bei der Befruchtung vervielfältigt werden und die Mission Menscherschaffen zu einem sehr frühen Zeitpunkt abgebrochen wird. Eine frühe Fehlgeburt. Hinzu kommt die Tatsache, dass Frauen ab dem 30. Lebensjahr auch immer öfter Zyklen einstreuen, die gar keinen Eisprung verursachen. Dies hat keinen Krankheitswert, kann den Kinderwunsch aber verzögern. Sehr oft haben Frauen kaum bis gar keinen Einfluss auf diese Abläufe, sodass unter dem Strich nur der Faktor Zeit bleibt. Und da befinden wir uns wieder in statistischen Gefilden.
Natürlich gibt es Frauen, die mit 50 Jahren (und später) gesunde Kinder bekommen, und natürlich gibt es auch Frauen, die mit 20 Jahren eine Fehlgeburt erleiden. Diese befinden sich aber eher am Rand einer normalverteilten Kurve. Das Optimum an Fruchtbarkeit liegt bei Frauen zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr. Wenn man dieses Thema also etwas unromantisch und mathematisch betrachten möchte, entspricht dieser Zeitraum dem perfekten Alter, nach dem so oft gefragt und gesucht wird.
Man ist als Paar nicht nur emotional eine Einheit, sondern auch, wenn es um das Thema Kinderwunsch geht.
Man sollte nie den Fehler machen, die Fruchtbarkeit beider Partner getrennt voneinander zu betrachten, sondern immer das große Ganze sehen. Lebensgewohnheit, Körperstatur, Medikamente, Vorgeschichte, Stress, Ernährung. Die Liste an Einflussfaktoren auf die Fruchtbarkeit ist lang. Das ist die schlechte Nachricht. Die gute Nachricht ist, dass man einige dieser Punkte maßgeblich beeinflussen kann. Natürlich ist das Internet voller Informationen über diese Thematik. Ergänzend zu recherchieren ist auch nie verkehrt. Der erste Schritt sollte aber zunächst immer zu jemandem führen, die sich mit dem Thema gut auskennt. In diesem Fall ist das die Frauenärztin.