Gustav Falke: Hohe Sommertage. Neue Gedichte
Neuausgabe mit einer Biographie des Autors.
Herausgegeben von Karl-Maria Guth, Berlin 2019.
Umschlaggestaltung unter Verwendung des Bildes:
Claude Monet, Der Sommer, 1875
ISBN 978-3-7437-3279-7
Dieses Buch ist auch in gedruckter Form erhältlich:
ISBN 978-3-7437-3276-6 (Broschiert)
ISBN 978-3-7437-3277-3 (Gebunden)
Die Sammlung Hofenberg erscheint im Verlag der Contumax GmbH & Co. KG, Berlin.
Erstdruck: Hamburg, Janssen, 1902 mit der Widmung »Seinen lieben Freunden Karl und Elisabeth Schütze herzlichst zugeeignet.«
Dieses Buch folgt in Rechtschreibung und Zeichensetzung obiger Textgrundlage.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind über http://www.dnb.de abrufbar.
Ihr singt von schönen Frühlingstagen,
Von Blütenduft und Sonnenschein,
Ich will nichts nach dem Frühling fragen,
Nein Sommer, Sommer muss es sein.
Wo alles drängt und sich bereitet
Auf einen goldnen Erntetag,
Wo jede Frucht sich schwellt und weitet
Und schenkt, was Süßes in ihr lag.
Auch ich bin eine herbe, harte,
Bin eine Frucht, die langsam reift.
O Glut des Sommers, komm! Ich warte,
Dass mich dein heißer Atem streift.
Ein stiller Teich träumt im verlassnen Park,
Von sonnendunklem Laub dicht überschattet.
Nur manchmal, wenn der Wind heftiger rauscht,
Huscht ein verlorner Lichtstrahl übers Wasser,
Und zittert ein erschrockenes Wellchen auf
Und hastet ängstlich in das Uferkraut.
Einsamer Weg führt um den stillen Teich,
Gleich ihm von hängenden Zweigen überdämmert.
Halbausgelöschte Spuren sind im Weg
Vom Regen halb verwaschen und vom Wind
Sacht überstäubt. Von wem erzählen sie?
Mir ist, als müsste diese große Stille
Ein Mädchenlachen plötzlich unterbrechen,
Aus ihrem grünen Traum aufstören. Wenn der Wind
Das Laub ein wenig hebt, und in dem Spiegel
Des dunklen Teichs ein Licht aufblitzt, gedenk ich
Eines tieflieben, jungen Augenpaares,
Das ich aus einem stillen Mädchentraum
Manchmal aufleuchten sehe, und ich meine,
Es hätte hier wohl einmal vor dem Bild
Parkstillen Friedens lieblich sich erhellt.
Ein sanftes Wellchen hebt sich an das Ufer.
Will es den Platz mir zeigen, wo sie stand?
Wo sie gesessen? Leise rauscht das Laub.
Es ist ein Flüstern. Ach, was flüstert's doch?
Nichts. Nur ein Laub im Wind. Doch in mir wacht
Ein Holdes auf und sucht nach Worten, findet
Nur einen lieben Namen, und der schwebt,
Leise dem Wind vertraut, über den Teich.
Bewahr den Namen, märchentiefe Stille,
Bewahre ihn, dass er, ein süßer Laut
Der lieblichen Natur, hier Heimat hat.
Und kehrt sie wieder, wandelt einmal noch
Durch diesen Frieden, der nun doppelt heilig,
Mag sie, wie ich heut, lauschend stehn und fragen:
Was flüstert doch das Laub? Und mag erröten
Und lächeln, meint sie, übern Teich her ruft
Ein andrer sie mit Namen.
Leise rauscht
Das sommerdunkle Laub rings um den Teich.
Ein Sonnenlächeln zittert auf dem Spiegel.
Und horch! Ein Mädchenlachen? Nein, Herz, nein.
Traumstille Einsamkeit nur atmete
Einmal aus ihrem Frieden selig auf.
Ein feuchtes Wehen wühlt im Laub und streut
Ins nasse Gras ringsum den Tropfenfall,
Und wo noch gestern laute Lust, träumt heut
Schwermütiges Schweigen überall.
Die frühen Rosen frieren so im Wind.
Gestern, als heißer Mittag darauf lag,
Brach ich die schönste dir. Wo bist du, Kind?
Wo ist die Rose? Wo der helle Tag?
Auch morgen, wenn die Sonne wieder scheint,
Und ganz voll Duft mein kleiner Garten ist,
Ruft dich mein Herz und weint
Und weiß nicht, wo du bist.
Maiblumen, deinem Herzen nah,
Blühten an deinem Kleide.
Ich bat: »Schenk mir den Frühling da.«
»Nein«, riefst du mir zu Leide.
»Es war nur Spiel, war nur zum Scherz,
Dass ich mich damit schmückte.«
Und wie ein Stich ging mir's durchs Herz,
Als deine Hand die Blumen schnell
Vom Busen riss und auf der Stell
Zerpflückte, zerpflückte.
Was gabst du mir die Blumen nicht,
Mir, dem die Jugend schwindet,
Und der auf deinem Angesicht
Ihr letztes Glück noch findet?
Mir war's, als so umsonst ich warb
Um diese Frühlingsspenden,
Als ob nun mit den Blumen starb
Auch meiner Jugend goldner Tag,
Und seine letzte Blüte lag
Zerpflückt von deinen Händen.
Es ist alles nicht auszusagen,
Was ich um dich gelitten.
Du musst meine schlaflosen Nächte fragen,
Da ich mit Beten um dich gestritten,
Mit Wünschen und Sehnen und Hoffen viel
Trieb ein thörichtes Liebesspiel.
Und wenn ich dann an deiner Seite
Wunderseliges tief gespürt,
Und, wie auf seinem Teppichgebreite
Des Moslems Stirn die Erde berührt,
Vor dir anbetend die Seele geneigt,
Die sich so gern in Stolz versteigt,
Da ist mir so recht in Wonnen und Bangen
Das Wesen der Liebe aufgegangen.
So willenlos, keusch, himmelsrein
In eine Seele versunken sein,
Holdeste Zweieinigkeit
Ohne Sinnenwiderstreit.
Aber getrennt, ging ich umher
Eine einsame Seele, die keiner versteht.
Sie bangt um ihren Himmel sehr
Und weiß nicht, wo die Straße geht,
Schlägt in rastlosem Sehnsuchtsspiel
Tausend Brücken nach ihrem Ziel,
Über die mit zitternden Knien
All ihre weinenden Wünsche ziehn.
Ich bin dein,
O wärst du mein!
Hülfe mir Beten, hülfe mir Bitten –
Aber ich will mich des Hoffens entschlagen.
Es ist alles nicht auszusagen,
Was ich so lange um dich gelitten.
Heut bin ich durch den fremden Wald gegangen,
Abseits von Dorf und Feld und Erntemühen.
Den ganzen Tag trug ich ein Herzverlangen
Nach diesem Gang. Nun stahl das erste Glühen
Des Abends heimlich sich ins Dämmerreich
Des Buchenschlages, und das Laub entbrannte
In einem roten Gold ringsum, und gleich
Glühwürmchen lag's auf Moos und Kraut. Ich kannte
Nicht Weg und Steg und ließ dem Fuß den Willen,
Der ziellos ging, indes die Augen schweifen.
Hier stand ich still und sah, erschreckt vom schrillen
Raubvogelruf, den Weih die Wipfel streifen.
Dort lockte mich die schwarze Brombeerfrucht,
Ein Schneckenpaar, das einen Pilz bestieg,
Und eines späten Falters scheue Flucht.
Und um mich war das Schweigen, das nicht schwieg,
Das Laute spann, spinnwebenfeine Laute,
Womit es sich dem alten Wald vertraute.
Und als ich stand und so der Stille lauschte,
Ganz hingegeben ihrem Raunen, lenkte
Ein Buntspecht, der durchs niedere Laubdach rauschte,
Meine Auge nach sich, und nun es sich senkte,
Sah ich zwei Herzen in des Bäumchens Rinde,
Verschränkte Herzen, heut erst eingeschnitten;
Es tropfte noch das Blut der jungen Linde,
Die fremder Liebe willen Schmerz gelitten.
Und als ich weiter schritt, gab mir zur Seite
Ein junges Angesicht traumhaft Geleite.
Und Zwiesprach hielt ich mit dem Weggesellen
Von kranken Nächten und vergrämten Tagen,
Und ließ das rote Blut der Liebe quellen
Und alle Wunden meines Herzens klagen.
Und Tempelstille heiligte den Wald,
Nur meiner Seele große Qual ward laut.
Der holde Schatten ward zur Lichtgestalt,
Und ihr zu Füßen sank ich in das Kraut
Und flüsterte: »Geliebte«. Stammelte:
»Geliebte. Liebstes. Seele. Hör mich an.
Ich kann nicht mehr. Die Wege, die ich geh,
Sind so voll Dornen. Sieh mein Blut; es kann